RETRAUMATISIERUNG IM KONTEXT VON KONTAKTRECHTEN

KINDERKLINIK UND POLIKLINIK IM DR. VON HAUNERSCHEN KINDERSPITAL ABTEILUNG PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE RETRAUMATISIERUNG IM KONTEXT...
Author: Nora Schenck
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KINDERKLINIK UND POLIKLINIK IM DR. VON HAUNERSCHEN KINDERSPITAL

ABTEILUNG PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE

RETRAUMATISIERUNG IM KONTEXT VON KONTAKTRECHTEN GRUNDLAGEN, INTERVENTION UND PRÄVENTION

Karl Heinz Brisch

ÜBERLEBENSWICHTIGE BEDÜRFNISSE

Physiologische Bedürfnisse

Exploration

Bindung Beziehungsfähigkeit

Sensorischsexuelle Stimulation

Selbstwirksamkeit Selbstwertgefühl

Vermeidung von negativen Reizen

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ABTEILUNG PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE

BINDUNG

Bonding Bindung der Eltern an das Kind Pflegesystem Attachment Bindung des Kindes an die Eltern Sicherheitssystem

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BINDUNGSTHEORIE NACH JOHN BOWLBY Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings Durch Angst wird das Bindungsbedürfnis aktiviert Die Bindungsperson ist der „sichere emotionale Hafen“ für den Säugling

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URSACHEN VON BINDUNGSTRAUMATISIERUNGEN Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern durch Bindungspersonen Massive Vernachlässigung Sexuelle, körperlich, emotionale, verbale Gewalt Häufig wechselnde Bezugssysteme Multiple Verluste Miterlebte Gewalt zwischen den Bindungspersonen (Augenzeuge)

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PATHOLOGISCHE BINDUNG DES KINDES AN EINE/N TÄTER_IN DURCH BINDUNGSTRAUMATISIERUNG Bedrohung des Kindes durch Bindungsperson Angst und Panik Abhängigkeit Kein Kampf und keine Flucht möglich Extreme Suche nach Bindungsperson erfolglos Einzige verfügbare Bindungsperson ist Täter_in Täter_in wird zur angstbesetzten „pathologischen Bindungsperson" Verspricht "Sicherheit" für Unterwerfung Erstarrung und Dissoziation von Gefühlen Unterwerfung Kooperation und "Liebe" KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® ABTEILUNG PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE

FOLGEN VON BINDUNGSTRAUMATISIERUNGEN SIND BINDUNGSSTÖRUNGEN Störung in der Entwicklung des Gehirns Störungen in der Stress-Regulation Störung in der Affekt-Regulation Aggression und Dissoziation Keine Empathie-Fähigkeit Keine Gruppenfähigkeit Defizite in den kognitiven Möglichkeiten Vielfältige Psychopathologie Viele psychiatrische Diagnosen - Persönlichkeitsstörungen Kein Gefühl von „Urvertrauen“

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BINDUNG UND UMGANG Primat des Kindeswohls Gesunde Entwicklung des Kindes

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Körperlich Psychisch Emotional Sozial Ökologisch

Kind ist der schwächste Partner im Rechtsstreit Vorrang des Kindeswohls vor Elternrecht

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BINDUNG UND UMGANG SCHEIDUNG IM IDEALFALL I

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Partner lösen Partnerschaftskonflikte Elternebene bleibt weitgehend frei von aggressiven oder depressiven Spannungen Kind hat sichere Bindung mit beiden Elternteilen Kind nutzt im freien Umgang beide Elternteile als sichere emotionale Basis Kindeswohl durch Bindungssicherheit

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BINDUNG UND UMGANG SCHEIDUNG BEI PARTNERSCHAFTSKONFLIKT II

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Partner lösen Partnerschaftskonflikte nicht Elternebene ist voller Aggressionen, Depressionen aus Partnerebene Kind bekommt Angst bei freiem Umgang mit beiden Elternteilen sichere Bindung zu beiden Elternteilen gefährdet, weil BEIDE Bindungspersonen nicht als sicherer Hafen erlebt werden. Lösung: Stabilisierung des Kindes durch Bindungssicherheit mit dritter Person/Psychotherapie Mediation für die Eltern: Trennung von Paar- und Elternebene

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BINDUNG UND UMGANG SCHEIDUNG BEI GEWALT DURCH EINEN ELTERNTEIL III

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Partner lösen Partnerschaftskonflikte nicht Elternebene ist voller Aggressionen, Depressionen aus Partnerebene Kind bekommt Angst bei freiem Umgang mit beiden Elternteilen sichere Bindung zu EINEM Elternteilen hoch belastet bis gefährdet, wenn Umgang mit gewalttätigem Elternteil Gefährdung des Kindeswohls durch Verlust der Bindungssicherheit Lösung: Psychotherapie für Kind und Eltern Mediation für die Eltern: Trennung von Paar- und Elternebene

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BINDUNGSTRAUMATISIERUNG DURCH ERZWUNGENEN UMGANG

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Zwang aktiviert ANGST und Bindungsbedürfnisse des Kindes Paradoxon: Umgang soll durch Zwang von sicherer Bindungsperson durchgeführt werden Sichere Bindungsentwicklung gelingt nicht über Zwangsmaßnahmen Bindungstraumatisierung des Kindes durch

• Androhung oder Durchsetzung von Zwangsmaßnahmen für Umgang

• Erzwingen von Umgang bei aggressiver Partnerschaftsbeziehung • Trennungen ohne Übergang und Eingewöhnung mit Unterstützung durch Bindungsperson

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BINDUNG UND PFLEGE I

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RASCHE und FRÜHZEITIGE Trennung von den leiblichen Eltern/der Täterin/dem Täter zum Schutz des Kindes nach traumatischen Erfahrungen durch Eltern Bindungsstörung Beruhigung des kindlichen Bindungsbedürfnisses Chance für neue Erfahrung der Bindungssicherheit mit Pflegeeltern • Räumlich • Körperlich • Emotional • Sozial

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BINDUNG UND PFLEGE II Heilung von Bindungsstörungen

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Neuerfahrung von Sicherheit in Pflegebeziehungen Kontinuität und Dauer Pflegeeltern werden neue Bindungspersonen Schutzfaktor für spätere Lebensbelastungen Eigene Psychotherapie für Kind Supervision und „Sicherheit“ für Pflegeeltern

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BINDUNG UND PFLEGE III



Störung der Bindungsentwicklung durch Angst des Kindes vor

• Rückführungsdrohung • Erzwungene Besuchskontakte • Umgangsrecht der leiblichen Täter-Eltern



Täterkontakt zum Kind verhindert Heilung der Traumatisierung durch Psychotherapie

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BINDUNG UND PFLEGE IV Störung des Heilungsprozesses

• Fehlende rechtliche Sicherheit für Pflegeeltern • Keine emotionale Sicherheit durch fehlende Supervision • Abrupte Trennung des Pflegekindes von den Pflegeeltern aktiviert Bindungssystem der Pflegeeltern

• Emotionale Distanzierung • Emotionale Verstrickung

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BINDUNG UND BESUCHSKONTAKT Besuchskontakt und Umgang mit leiblichen Eltern nach Trauma-Erfahrung des Kindes mit diesen Täter-Eltern

• Angst beim Kind • Aktivierung von pathologischen Bindungsmustern als Bindungsstörungen

• Re-Traumatisierung • Begleitung des Umgangs gibt keine emotionale Sicherheit • Sicherheit nur durch Kontaktsperre mit Tätern

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BINDUNG UND RÜCKFÜHRUNG I Rückführung könnte überlegt werden

• Wenn leibliche Eltern an einer langfristigen Psychotherapie teilgenommen hätten

• Wenn bei leiblichen Eltern psychische Heilung nachweisbar wäre • Wenn leibliche Eltern keine Täter-Psychopathologie mehr zeigten

Diese Bedingungen sind nach meiner Erfahrung nur in Ausnahmefällen erfüllt und müssen durch Begutachtung überprüft werden. Wenn Kind über längere Zeit eine sichere Bindungsbeziehung zu Pflegeeltern aufgebaut hat und sich gesund entwickelt, muss die Rückkehroption beendet werden.

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BINDUNG UND RÜCKFÜHRUNG II Rückführung planbar

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Wenn leibliche Eltern durch intensive Psychotherapie ihre Psychopathologie nachweislich verändert haben Wenn langfristige Vorbereitung der Trennung und des Wechsels Wenn räumliche, körperliche, emotionale und soziale Sicherheit für Kind bei leiblichen Eltern gegeben ist Wenn sich eine sichere Bindung zu leiblichen Eltern zu entwickeln beginnt Wenn Kontakt zu leiblichen Eltern keine Bindungsstörung beim Kind aktiviert

Begleitung und Überprüfung der kindlichen Entwicklung Kontakt des Kindes zu Pflegeeltern als Bindungspersonen bleibt als sichere emotionale Basis erhalten

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PRÄVENTION DAS SAFE®-PROGRAMM

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SAFE® ALS PRIMÄRE PRÄVENTION - ZIELE Beginn in der Schwangerschaft Förderung der psychischen Gesundheit von Eltern und Kindern Entwicklung von sicherem Bindungsverhalten Sensibilisierung der Eltern Bedürfnisse ihrer Kinder

für

die

Signale

und

emotionalen

Einübung von feinfühligem Interaktionsverhalten Verarbeitung von elterlichen Traumatisierungen Durchbrechen von „Teufelskreisen“

www.safe-programm.de

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PRÄVENTION

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Die sichere Bindungsentwicklung des Kindes an seine Bindungspersonen ist ein psychischer Schutzfaktor

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Die sichere Bindungsentwicklung des Kindes an seine Bindungspersonen ist ein psychischer Schutzfaktor

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Kontakt des Kindes mit Täter-Bindungspersonen kann das Kind retraumatisieren. Dies muss verhindert werden!

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Eine Rückkehroption des Kindes in die Ursprungsfamilie sollte zeitlich begrenzt werden

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MASTER STUDIENGANG UNIVERSITÄTSLEHRGANG

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16. INT. BINDUNGSKONFERENZ

DIE MACHT VON GRUPPENBINDUNGEN RESSOURCEN UND SICHERHEIT – GEFAHREN UND FANATISMUS DAS POTENTIAL FÜR THERAPIE UND PRÄVENTION

29. September – 01. Oktober, 2017, in ULM / Deutschland

www.bindungskonferenz.de KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® ABTEILUNG PÄDIATRISCHE PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT

WWW.BINDUNGSKONFERENZ.DE WWW.EARLYLIFECARE.AT WWW.KHBRISCH.DE

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