Juliane Lamprecht Rekonstruktiv-responsive Evaluation in der Praxis

Juliane Lamprecht

Rekonstruktivresponsive Evaluation in der Praxis Neue Perspektiven dokumentarischer Evaluationsforschung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Inauguraldissertation, vorgelegt dem Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie der Freien Universität Berlin. Titel: „Evaluation und Imagination. Eine praxeologische Studie zu den Bewertungslogiken pädagogischer Akteure im Übergang vom Elementar- in den Primarbereich.“ Erstgutachter: Prof. Dr. Christoph Wulf; Zweitgutachter: Prof. Dr. Ralf Bohnsack. Tag der Disputation: 12.Juli 2010. D 188

1. Auflage 2012 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2012 Lektorat: Dorothee Koch | Priska Schorlemmer VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17985-8

Danksagung

Die Erprobung neuer Evaluationsverfahren ist auf eine besondere wissenschaftliche Betreuung angewiesen. So möchte ich Christoph Wulf, Ralf Bohnsack und Birgit Althans für ihr Interesse an dieser Studie und ihre fachliche Unterstützung danken. Die zahlreichen Diskussionen mit meinen Kollegen Julia Foltys, Sigrid Klaasen, Sabine Schmidthermes, Na Young Shin und Monika Wagner-Willi haben mich ermutigt, auch die steinigen Pfade der Promotionszeit zu durchschreiten. Nicolas Engel sowie meinen Großeltern und Eltern sei für ihre Geduld und ihren Zuspruch bei der Realisierung meines herausfordernden Wunsches, responsiv zu forschen, gedankt. Die Durchführung der Evaluationsstudie wäre ohne das Vertrauen und die Offenheit der Auftraggeber/innen sowie der Teilnehmer/innen unmöglich gewesen. Der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, den Tandemmitgliedern und Moderatorinnen ist es zu verdanken, dass ein exploratives Forschungsvorgehen zur Entwicklung neuer Evaluationsmethoden umgesetzt werden konnte. Mein besonderer Dank gilt den Partnern des Programms: Tandem. Unterschiede managen!, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung sowie der Nikolaus Koch Stiftung im Rahmen der Initiative Bildungsfenster Trier für den Feldzugang, die Datennutzung sowie für ihre freundliche Unterstützung bei der Finanzierung der Publikation. Schließlich hat die unermüdliche und engagierte Korrekturhilfe von Ates Gürpinar die Publikation maßgeblich erleichtert. Erlangen, im Oktober 2011 Juliane Lamprecht

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Inhalt

Vorwort ......................................................................................................... 11 1. Einleitung ........................................................................................ 13 1.1 Qualitative Evaluationsstudien – Grundlagen- oder Anwendungsforschung? ....................................................... 14 1.2 Institutionalisierende Perspektiven auf die Evaluationspraxis .................................................................. 23 1.3 Evaluation und Moderation im internationalen Kontext ....... 30 1.4 Rekonstruktiv-responsive Evaluationsverfahren – zum Forschungsinteresse der Studie ..................................... 35 2. Empirische Rekonstruktion ........................................................... 37 2.1 Das Forschungsfeld des Übergangs vom Elementar- in den Primarbereich ........................................................................ 37 2.2 Erwartungshorizonte und Alltagserfahrungen pädagogischer Akteure – methodologische Überlegungen ... 41 2.2.1 Empirische Beispiele zu fallspezifisch generierten, normativen Vorstellungen zum Wohl des Kindes .. 43 2.2.2 Zur Gestaltung der responsiven Evaluationsgespräche .............................................. 44 2.2.3 Die Genese von Bewertungslogiken ....................... 44 2.2.4 Forschungsmethodische Zugänge ........................... 46 2.2.5 Die Rolle der Evaluatorin in rekonstruktivresponsiven Evaluationsstudien .............................. 50 2.3 Theoretical Sampling: Forschungsdesign und -verlauf ........ 51 2.4 Prozessanalytische Beschreibungen der Tandemsitzungen .. 54 2.4.1 Der Einsatz des Kooperationskalenders als Aufmerksamkeitsfokus der Tandemsitzungen: Tandemgruppe San Francisco ................................. 57 2.4.2 Der Einsatz des Kooperationskalenders als Aufmerksamkeitsfokus der Tandemsitzungen: Tandemgruppe Paris ................................................59 7

2.4.3

3.

4.

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Der Einsatz des Kooperationskalenders als Aufmerksamkeitsfokus der Tandemsitzungen: Tandemgruppe New York ....................................... 61 2.5 Gesprächsverfahren in rekonstruktiv-responsiven Evaluationen .......................................................................... 64 2.5.1 Erste Erhebungsphase: Fallbeschreibungen ............65 2.5.2 Zweite Erhebungsphase: Durchführung der ersten responsiven Evaluationsgespräche ............... 133 2.5.3 Dritte Erhebungsphase: Durchführung der zweiten responsiven Evaluationsgespräche ............ 169 2.6 Wie bewerten sich pädagogische Akteure in ihrem Alltag selbst? Drei Verknüpfungsmodi von Erwartungshorizonten und Praxiserfahrungen: Sinngenetische Typenbildung ......... 203 2.6.1 Zeitliche, soziale und sachliche Bewertungslogiken .................................................. 204 2.6.2 Zum Zusammenspiel von Bewertungslogiken der Moderatorinnen mit wertenden Orientierungen von Tandemgruppen ................................................213 2.7 Konjunktive Erfahrungsräume der pädagogischen Akteure: Soziogenetische Typenbildung ............................................. 214 2.7.1 Konjunktive Erfahrungsräume der Tandemgruppen ...................................................... 214 2.7.2 Konjunktive Erfahrungsräume der Moderatorinnen ....................................................... 218 Kindheitskonstruktionen: Konsequenzen der Evaluationsstudie für die Transitionsforschung ..........................221 3.1 Konstruktionen von Kindheit in der Transitionsforschung ...226 3.2 Konstruktionen von Kindheit in der Kindheitsforschung ..... 227 3.3 Konstruktionen von Kindheit in der Ritualforschung ........... 228 3.4 Potential, Ausblick und Grenzen der prozessanalytischen Evaluation ............................................................................. 231 Entwurf einer Theorie der Evaluationspraxis ............................. 235 4.1 Die Logik der Praxis und ihre Bedeutung für die Evaluationsforschung ............................................................ 235 4.2 Entwurf einer Theorie der Evaluationspraxis ........................243 4.2.1 Evaluationspraxis und werttheoretische Fragen ......243 4.2.2 Evaluationspraxis und der Gebrauch von Sprache ..252

4.2.3

Evaluationspraxis und vergleichstheoretische Zugänge ................................................................... 260 4.2.4 Evaluationspraxis und organisationstheoretische Bezüge ..................................................................... 263 4.2.5 Metaphorische Zugänge zu Bewertungslogiken ..... 272 5. Zur Entwicklung responsiver Evaluationsmethoden auf Mikro-, Meso- und Makroebene ................................................... 279 5.1 Demokratisches Drei-Ebenen-Modell für Evaluationsstudien ................................................................ 280 5.2 Tradierende und transformierende Potentiale von Bewertungslogiken ................................................................ 284 Literaturverzeichnis ..................................................................................... 291

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Vorwort

Mit der ständig wachsenden Nachfrage nach Evaluationen respektive Evaluationsforschungen im Bereich der Sozial- und insbesondere der Erziehungswissenschaft hat die methodologische Reflexion derartiger Projekte und die anspruchsvolle methodische Fundierung ihrer Forschungspraxis bisher nicht Schritt gehalten. Im Sinne einer rekonstruktiven Sozialforschung bedarf es hier vor allem exemplarisch-modellhafter neuer Ansätze, deren methodische Reflexion und Rekonstruktion dann neue Wege zu eröffnen vermag. Juliane Lamprecht hat einen derartigen mutigen Schritt in äußerst erfolgreicher und innovativer Weise getan und dabei insbesondere in einem Bereich Pionierarbeit geleistet, der bisher weitgehend vernachlässigt worden ist. Gemeint ist die kommunikative Vermittlung oder Rückkoppelung der Ergebnisse im Kontext von Evaluationen, wie sie auch als Moderationen bezeichnet werden. Diese bleiben – mit Ausnahme einiger Arbeiten aus der qualitativen Forschung in den Vereinigten Staaten, wie wir sie bei Thomas Schwandt und Robert Stake bzw. deren Schüler/innen unter dem Begriff der „Responsivität“ finden – aus der methodologischen Reflexion vollständig ausgeklammert oder finden lediglich am Rande Erwähnung. Juliane Lamprecht hat ein derartiges komplexes Modell des Prozesses der Rückkoppelung von Ergebnissen an die Beteiligten auf dem Wege von Feedback-Gesprächen und deren Moderation entwickelt. Dieses Modell rekonstruktiv-responsiver Evaluationsforschung wird zugleich forschungspraktisch realisiert und grundlagentheoretisch sowie methodologisch rekonstruiert und reflektiert. Dabei stützt sich Juliane Lamprecht auf die dokumentarische Methode. Die hier notwendige ‚Methodik’ oder auch Diskursethik der Moderation ist allerdings nicht als Teil der empirischen Forschungsmethodik zu verstehen. Auch kann diese Methodik der Moderation – im Sinne rekonstruktiver Sozialforschung – nicht allein (deduktiv) aus diskursethischen Theorien und Reflexionen abgeleitet werden. Vielmehr hat sich diese Methodik an den Bedingungen der Möglichkeit erfolgreicher Kommunikation mit den Akteuren im Evaluationsfeld und somit rekonstruktiv an ihren Erfahrungsräumen, Kulturen, Milieus und Werthaltungen zu orientieren. In Anknüpfung an das Modell der Rekonstruktion der (impliziten) 11

Werthaltungen der Stakeholder in der dokumentarischen Evaluationsforschung vermag Juliane Lamprecht auch hier neue Perspektiven zu eröffnen. Sie verfeinert dieses Modell, indem sie die hier zentrale Kategorie des Horizonts zu erweitern vermag. Juliane Lamprecht hat mit ihrer Arbeit gezeigt, dass grundlagen- und anwendungsbezogene Forschung eine Einheit bilden können. Damit ist die hier vorgelegte Analyse für Methodiker und Theoretiker wie auch für Praktiker der Evaluation gleichermaßen ein Gewinn. Berlin, im Oktober 2011 Ralf Bohnsack

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