BEHINDERTENBEAUFTRAGTER DES LANDES NIEDERSACHSEN

Integration in der Praxis Heft 3: Behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Eine Literaturrecherche

VORWORT Lücken im Denken, Lücken im Handeln schließen Der vorliegende Band 3 der Schriftenreihe "Integration in der Praxis" mit dem Titel "Behinderte Menschen auf dem Arbeitsmarkt - Eine Literaturrecherche" soll dazu beitragen, das polarisierende Denken zwischen allgemeinem Arbeitsmarkt und Sonderarbeitsmarkt abzubauen. Er stellt eine Momentaufnahme der vielfältigen Betriebe, Initiativen und gezielten Projekte dar, die insbesondere dem Personenkreis der wesentlich Behinderten Übergangsmöglichkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eröffnen, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen mit tarifgerechter Entlohnung sichern oder zumindest einen Schritt näher an volle berufliche Teilhabe und mehr soziale Kompetenz bringen. Der Band soll sowohl dem fachkundigen Leser, aber insbesondere den aktiven Behinderten aufzeigen, welche Brücken es zum allgemeinen Arbeitsmarkt für lern-geistig Behinderte, Körperbehinderte und seelisch Behinderte gibt. Das Spektrum der Broschüre reicht von Behinderten, die bei entsprechender Arbeitsplatzbeschreibung und -ausstattung dieselbe Arbeitsleistung erbringen wie ihre nichtbehinderten Kollegen, bis hin zu Behinderten, die trotz behinderungsbedingter Leistungsminderungen mit entsprechender Unterstützung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt sein können. Hiebei wird auch nicht verschwiegen, daß die derzeitige arbeitsmarktliche Situation zur Euphorie keinen Anlaß gibt. Unstrittig ist jedoch, daß insbesondere in gesellschaftlichen Umbruchsituationen die Projekte angebahnt werden müssen, die zur Verbesserung der Lebenssituation der Behinderten in Zukunft beitragen können. Wie sich die Realität für Behinderte, insbesondere aber wesentlich Behinderte, zukünftig darstellt, dazu werden zur Zeit die gesellschaftlichen Grundentscheidungen getroffen. Das betrifft: sowohl die Frage, ob Behinderte künftig vom Arbeitsleben ausgeschlossen oder im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten und Unterstützungen integriert sind. Dies gilt auch für das Recht auf schulische Integration, das Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben bis hin zum Lebensrecht Behinderter. Gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben ist ein zentraler Punkt für Akzeptanz im sozialen Leben. Die vorliegende Broschüre will Mut machen und soll dazu auffordern, sich an dieser Diskussion im Sinne der vollen Teilhabe Behinderter zu beteiligen. Soziale Teilhabe will jedes Mal neu erkämpft sein, so Ministerpräsident Schröder. Hieran wollen wir uns beteiligen. Ermutigt werden wir hierbei durch die Entscheidung von Sozialminister Walter Hiller, ab dem 1. April 1996 in Niedersachsen mit der ersten Arbeitsassistenzzentrale in Oldenburg zu beginnen. Ein Start, dem unseres Erachtens schrittweise ein flächendeckendes Netz von Arbeitsassistenzzentralen in ganz Niedersachsen folgen muß. Daß die Broschüre einen umfassenden Überblick vermittelt, ist Herrn Detlev Jähnert zu verdanken, Referent im Büro des Behindertenbeauftragten, der seit langem einen seiner Arbeitsschwerpunkte in neuen Arbeits- und Beschäftigungsforrnen für Behinderte hat. Tenor aller drei Bände der Schriftenreihe “Integration in der Praxis" ist: Wir lassen uns von der Botschaft "die historische Situation ist für Behindertenprojekte gerade ungünstig" nicht irre machen. Wir entgegnen lapidar: "Aus Sicht der Privilegierten ist die Situation immer historisch, aber für Behinderte und Benachteiligte immer gerade ungünstig". Ich würde es begrüßen, wenn auch Sie diese Broschüre mit persönlichem Gewinn lesen und hieraus Mut und Kraft für weiteres Engagement zur Verbesserung der Lebenssituation Behinderter in Niedersachsen und darüber hin-

aus ziehen. Karl Finke (Behindertenbeauftragter des Landes Niedersachsen)

Behinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Eine Literaturrecherche vorgelegt von Detlev Jähnert

Inhalt:Gliederung:

Vorwort 1.

Einleitung

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5

Projekte zur Eingliederung psychisch behinderter Menschen Selbsthilfefirmen Selbsthilfefirma "ex und job", Wunstorf Arbeitnehmerüberlassung GEMOS Gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassungs- und Beschäftigungsgesellschaft FAF, Verein zur Förderung von Arbeitsinitiativen und Firmenprojekten

3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.3

Projekte zur Eingliederung geistig behinderter Menschen Eingliederungsinitiativen (be)schaffen Arbeit für behinderte Menschen Berufsbegleitender Dienst in Reutlingen Fachdienst Integrationsberatung Berlin Die Hamburger Arbeitsassistenz Projekt HORIZON - Integration und Arbeit Gelsenkirchen Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung - BAG UB

4. 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2

Projekte zur Eingliederung körperbehinderter Menschen Viele Ideen wenig konkretes? Gemeinnützige Arbeitnehmer-Überlassung Arbeitsassistenz Sozialabteilungen Selbsthilfefirmen Soziale Betriebe Computer und Druckzentrum - Initiative zur Arbeitsplatzbeschaffung für Behinderte

5. 5.1 5.2

Projekte zur Eingliederung behinderter Menschen in den öffentlichen Dienst Das Hamburger “Zehn-Stellen-Modellprogramm" Beschäftigung Schwerbehinderter durch die Kommunen

6.

Schlußbemerkungen

7.

Literaturverzeichnis

1.

Einleitung

Für das dritte Heft unserer Schriftenreihe "Integration in der Praxis" werde ich Konzeptideen zur Beschäftigung wesentlich behinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt darstellen. Ziel dieser Arbeit ist es nicht, alle bekannten Projekte vorzustellen und zu bewerten. Erfreulicherweise sind dies in der Zwischenzeit so viele geworden, daß dieser Versuch den Umfang dieser Broschüre bei weitem sprengen würde. Mir geht es vielmehr darum, aufzuzeigen, welche grundsätzlichen Entwicklungen es neben der Werkstatt für Behinderte (i.F. = WfB) gibt. Die ursprüngliche Absicht, über einen niedersächsischen Integrationsdienst zu schreiben, mußte aufgegeben werden, da dieser seine Arbeit einstellen mußte, und die Arbeit von einem anderen Träger mit geänderter Konzeption fortgeführt wird. Der erste Integrationsdienst zur Eingliederung behinderter Menschen in Niedersachsen, der durch die Hauptfürsorgestelle unterstützt wird, arbeitet seit dem 1.04.1996. Hier werden erst später Erfahrungsberichte zur Auswertung vorgelegt werden. Bei der Darstellung muß ich leider "defektorientiert" vorgehen, da die vorgestellten Projekte sich ebenfalls an unterschiedlichen Behinderungen ausrichten. Hier ist SCHNEIDER zuzustimmen, der eine derartige Differenzierung als Hilfskonstrukte "auf dem Weg zu einer Verständigungsbasis (bezeichnet d. V.), die die Dimension des Menschseins als Ausgangspunkt sozialer Interaktion beinhaltet - nähern wir uns dieser Verständigungsbasis, wird jedes verbale Hifskonstrukt entbehrlich, denn dann können wir sprechen von einem unverwechselbaren Individuum, das einen Namen, eine Identität, eine unverlierbare Würde hat . 'Jedes Kind ist in seiner Einzigartigkeit, Ganzheitlichkeit und persönlichen Würde zu sehen' (GEW)" (SCHNEIDER 1991: 3). Da sich die Projekte aber z. T. getrennt nach Behinderungsarten entwickelt haben und als Adressaten oft auch “nur" eine bestimmte Gruppe von Menschen mit einer genau umrissenen Behinderung angesprochen werden, muß dies in der Darstellung seinen Niederschlag finden. Die Projekte lassen sich wie folgt beschreiben und werden auch in dieser Reihenfolge vorgestellt:1 Projekte zur Eingliederung psychisch behinderter Menschen Projekte zur Eingliederung geistig behinderter Menschen Projekte zur Eingliederung körperlich behinderter Menschen

1

Die Beschreibungen fußen auf Fachliteratur und Selbstdarstellungen der Projekte.

Projekte zur Eingliederung behinderter Menschen durch den öffentlichen Dienst2.

2.

Projekte zur Eingliederung psychisch behinderter Menschen

„Leistung soll sich wieder lohnen - wie geht das, wenn die Chance gleich null ist? Auf dem 'normalen' Arbeitsmarkt gibt es auf absehbare Zeit kaum Verwendung für Psychiatriebetroffene. wenn sie dort ersteinmal herausgefallen sind. Allenfalls auf einem Nebengleis, in »Beschützenden Werkstätten« oder Rehabilitationseinrichtungen können einige sich wichtig fühlen, wichtig für das Weiterbestehen dieser Einrichtung und für die Sicherheit der Arbeitsplätze ihrer Betreuer" (LUGER 1989:23 7)

2.1

Selbsthilfefirmen

Seit mehr als 15 Jahren werden 'Selbsthilfefirmen' oder 'Integrationsbetriebe' als Möglichkeit zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen für psychisch Behinderte aufgebaut. Die erste Selbsthilfefirma entstand 1979, also zu einer Zeit, in der die für damalige Verhältnisse unvorstellbare Arbeitslosenzahl von über 2 Millionen erreicht wurde. Dies führte u. a. dazu, daß die Chancen zur Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für psychisch behinderte Menschen immer schlechter wurden. "Dazu kam die traditionelle Ignoranz des besonderen Arbeitsmarktes der Werkstätten für Behinderte gegenüber dem Personenkreis der psychisch Behinderten, deren Probleme und Schwierigkeiten lange Zeit auch dort als Stör- und Unruhefaktor eines geregelten Produktionsablaufes galten." (SEYFRIED 1987: 288) Diese "Abschottung" (SEYFRIED 1987) seitens der WfB korrespondiert mit einer starken Ablehnung der WfB durch die psychisch behinderten Menschen, Beides, die Arbeitsmarktsituation und die Erkenntnis, daß die WfB als "Rehabilitationseinrichtung mit besonderen Strukturen und besonderem Status der Behinderten für diesen Personenkreis (der psychisch behinderten Menschen d. V.) nur bedingt eine Alternative" (HEUSER 1990: 81) sein kann, führte zu zahlreichen weiteren Gründungen von Selbsthilfefirmen Ende der 70er Jahre. Erklärtes Ziel der Selbsthilfefirmen war es, vorrangig Menschen mit einer psychischen Behinderung zu tarifgemäßen Bedingungen zu beschäftigen und wo immer möglich, diese auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. "Sie sehen ihr primäres Ziel darin, für psychisch behinderte Menschen Arbeitsplätze bereitzustellen. Anders als die Werkstätten sind dies Firmen, Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes, mit allen Chancen, mit allen Risiken, die damit verbunden sind. sie stellen Produkte her oder übernehmen Dienstleistungen zu den gleichen Bedingungen wie andere Unternehmen auch, sie unterliegen denselben Anforderungen an Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit, und sie sind den wirtschaftlichen Zwängen in gleichem Maße ausgesetzt wie andere Betriebe. In einem entscheidenden Sinne sind sie dennoch andere Betriebe . ihr Zweck ist nicht wie sonst im Wirtschaftsleben üblich die Gewinnmaximierung; ihr wirtschaftlicher Zweck dient dem Ziel der Integration psychisch Behinderter lediglich als Mittel." (SEYFRIED 1987: 299) 2

Diese Projekte sind keiner Behinderungsart eindeutig zuzurechnen. Da aber traditionell gerade der Beschäftigung behinderter Menschen im öffentlichen Dienst besondere Bedeutung zugemessen wird, wird dieser Punkt hier mit aufgenommen.

Um diesem Anspruch gerecht werden zu können, mußten die Selbsthilfefirmen traditionelle Wege verlassen und neue Pfade betreten. Bisher waren Dienstleistungen an der Gesundheit von besonderen, öffentlichen Institutionen erbracht worden "Auch die psychische Versorgung bewegt sich im Rahmen solcher verschiedenen Typen von 'Einrichtungen' die allesamt jenseits der Arbeitswelt stehen. Die Finnen für psychisch Kranke produzieren zwar. vielleicht mehr noch als manche dieser abgesonderten Einrichtungen, Gesundheit. aber sie sind keine öffentliche Institution der Gesundheitsversorgung. in dieser Hinsicht unterscheiden sie sich ganz. erheblich von der übrigen Psychiatrie. Auf der anderen Seite hat die Arbeitswelt üblicherweise mit Gesundheit nichts am Hut. landläufig wird sie eher unter dem Aspekt der Produktion von Krankheit wahrgenommen.(SEYFRIED 1989: 5) Die Selbsthilfefirmen standen lange in dem Spannungsfeld der Entscheidung zwischen mehr Arbeit oder mehr Therapie. Man entschied sich für die Arbeit, was natürlich für die ehemaligen Patienten, Klienten oder Behinderten in der Konsequenz hieß, daß sie dies alles nun nicht mehr waren, sondern in erster Linie Arbeitnehmer. Arbeitnehmer allerdings in einem Betrieb, der nicht in erster Linie der Erwirtschaftung von Gewinnen diente, sondern dessen Aufgabe darin bestand, Arbeitsplätze zu bieten, die von den ehemaligen Patienten ausgefüllt werden konnten und die gleichzeitig das wirtschaftliche Überleben des Betriebes sicherte. Das Verhältnis zu den WfB blieb gespannt. Nachdem die WfB, die die Selbsthilfefirmen teilweise auch als 'Bedrohung' (MARX 1984) erlebt hatten, im Rahmen der Diskussion um eine "Werkstatt für Alle" und die Auseinandersetzung um die "Werkstattverordnung" den Widerstand gegen die Aufnahme der psychisch behinderten Menschen in ihre Einrichtung aufgegeben hatten, wurde die o. e. Ablehnung der WfB seitens der Menschen mit psychischen Behinderungen zu einem Problem für die Werkstätten. Es drohte und vollzog sich später auch, zumindest in größeren Städten wie Hannover und Frankfurt, Konkurrenz nicht nur durch die Selbsthilfefirmen, sondern auch durch die Gründung eigener Werkstätten für psychisch Behinderte. Nicht zuletzt dies mag dazu geführt haben, daß die Problematik der "Verweigerung psychisch Behinderter" intensiver diskutiert wurde. So bildete sich z.B. in Berlin der Arbeitskreis "Psychisch Behinderte und Werkstätten für Behinderte" der nach zweijähriger Diskussion eine Denkschrift vorlegte. In dieser wurden als Gründe für die Ablehnung benannt: unzureichendes Arbeitsangebot, unzureichende Entgeltregelung und fehlende Durchlässigkeit. "Mit den Stichworten Arbeit, Entgelt und Durchlässigkeit sind ( ... ) zentrale Faktoren benannt, die gerade bei psychisch Behinderten Vorbehalte und Hemmnisse bzw. Abbrüche verstärken." (JUNGE u. OKONEK 1988: 15 1). Ohne auf diese Problematik hier weiter eingehen zu wollen, sei doch auf die Ignoranz hingewiesen, die darin liegt, daß Mitarbeiter aus WfB diese Unstimmigkeit in der WfB für psychisch behinderte Menschen benennen, ohne zu erkennen, daß dies dann selbstverständlich auch für die geistig oder körperlich behinderten Beschäftigen in der WfB zutreffen. Das Verhältnis zwischen den WfB und den psychisch behinderten Menschen ist auch heute noch ein gespanntes. So findet sich im WfB - Handbuch der Lebenshilfe folgende Feststellung, die dies verdeutlicht.:

"Dort, wo wir im Alltag einem geistig oder körperlich behinderten Menschen seine Behinderung ansehen, besteht für einen seelisch behinderten Menschen oft das Problem. daß er mit Worten kaum seine Befindlichkeit, den grenzenlosen Kummer. die innere Zerrissenheit oder seine Wahnvorstellungen darstellen kann. Der auf den ersten Blick vorhandene Vorteil, daß man die seeli-

sche Behinderung nicht sehen kann, wird so im nachhinein für den Betroffenen leicht zum zusätzlichen Handicap. Wir sollten es daher akzeptieren, wenn seelisch behinderte Menschen sich einen Arbeitsplatz wünschen, der ihren Bedürfnis nach Schutz und Anonymität entgegenkommt. der sie nicht schon durch die Bezeichnung WfB stigmatisiert." (SCHRANK 1989: 0.S.) Die Situation stellt sich heute so dar, daß einerseits die WfB bereit sind, psychisch behinderte Menschen aufzunehmen, z. T. in eigenen Zweigwerkstätten für diesen Personenkreis, daß andererseits in größeren Städten mittlerweile etliche eigenständige WfB für psychisch Behinderte existieren. Es gibt in der Bundesrepublik zum Stichtag 3 1.3.94 insgesamt 110 Integrationsbetriebe. Sie verfügen über 2.632 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, davon 1.054 für Behinderte und zusätzlich 620 Arbeitsplätze für geringfügig Beschäftigte aus den Zielgruppen der Betriebe." (FAF 1994: 3) Die Frage nach der Vermittlung der psychisch behinderten Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist differenziert zu betrachten. Aus den Wf13 liegen dazu keine Zahlen vor, aber es ist bekannt, daß die Wfl3 nur ca. l% aller beschäftigen Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Es ist zu vermuten, daß diese Zahl bei den WfB für psychisch Behinderte wesentlich höher liegt. So berichten z. B. STEINHART u. TERHORST (1988) über eine Berliner Werkstatt, der es gelungen ist, 27 % der dort Beschäftigten (15 Arbeitsplätze) in neue Arbeitsverhältnisse bzw. in die vor der Erkrankung bestehenden zu vermitteln. Gleichzeitig konnte die Zahl der Sozialhilfeempfänger deutlich von 37 auf 231/o gesenkt werden.

Bei den Selbsthilfefirmen stellt sich diese Frage nach der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht, da sie sich als Teil dieses Marktes verstehen. Dies wird auch von den Hauptfürsorgesstellen, die für die Finanzierung nicht unwichtig sind, so gesehen, " Positiv läßt sich herausheben, daß es in der Bundesrepublik einer ganzen Reihe von Firmen gelungen ist, sich am Markt zu etablieren. Diese Firmen sind für eine begrenzte, problematische Behindertengruppe ein wichtiges Bindeglied zwischen allgemeinem Arbeitsmarkt und Werkstätten für Behinderte (WM) geworden. Sie gehören trotz verschiedener Besonderheiten zum allgemeinen Arbeitsmarkt. An diesem Ansatz sollte auch zukünftig festgehalten werden." (ERNST 1993 . 5 7) So stellt denn auch die FAF zurecht fest, daß "Aktivitäten zur Schaffung von Arbeitsplätzen für psychisch Behinderte aber auch andere Behindertengruppen sind immer noch notwendig. In Zeiten des Abbaus von Arbeitsplätzen und einer extensiven Langzeitarbeitslosigkeit unter Behinderten derzeit sind durchschnittlich 175.000 Behinderte arbeitslos müssen neue Wege gefunden werden, Arbeitsplätze zu schaffen. Die Auswertung der Arbeitslosenstatistiken zeigt immer noch, daß die Arbeitslosigkeit unter Schwerbehinderten überdurchschnittlich groß ist, viel größer als bei Nichtbehinderten. An dieser Tatsache wird sich in den nächsten Jahren auch nicht viel ändern. Es muß damit gerechnet werden, daß die Vermittlung von Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sich immer schwieriger gestalten wird." (SALIJEVIC 1995: 10) Natürlich differiert die Arbeit der Selbsthilfefirmen je nach örtlicher Lage, Tätigkeitsschwerpunkt

und Ausprägung der Behinderungen bei den Mitarbeitern ganz erheblich. Deshalb kann im Rahmen dieser Arbeit nicht versucht werden, dies zu systematisieren. Die folgende Vorstellung einer Selbsthilfefirma ist deshalb auch nur exemplarisch zu verstehen.

2.2

Selbsthilfefirma "ex und job" - Wunstorf

Die Selbsthilfefirma "ex + job" nahm ihre Arbeit 1984 auf Sie ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Integrationsbetriebe auf dem Arbeitsmarkt behaupten und immer wieder neue Marktlücken finden. So ist in einer Broschüre der FAF noch 1989 zu lesen: "Nach Abschluß derzeit laufender Baumaßnahmen sollen zehn Stammarbeitsplätze angeboten werden. davon fünf für Schwerbehinderte. sowie 30 variabel zu vergebende. stundenweise belegbare Arbeitsplätze. die Arbeitserprobung und Hineinwachsen in eine Dauerarbeitsleistung ermöglichen. Daneben soll es Arbeitsplätze außerhalb des Betriebes geben. die von externen Arbeitgebern getragen werden sollen. "(FAF 1989: 62) Aus diesen sehr zaghaften Anfängen ist heute ein Angebot geworden, daß längst viel mehr abdeckt. " Der Verein zur Förderung beschützender Wohngemeinschaften und beschützender Arbeitsmöglichkeiten e. V. bietet in Zusammenarbeit mit der ex + job Arbeit und Freizeit GmbH medizinische und berufliche Rehabilitation für psychisch Kranke an." (ex + job) Er unterhält auch Wohngemeinschaften für psychisch Behinderte. Aber die Arbeit ist längst nicht mehr auf diesen Personenkreis beschränkt. Dazu gekommen sind heute noch der Bereich einer Jugendwerkstatt für arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahre, und ein sozialer Betrieb für arbeitslose schwervermittelbare Menschen nach dem Niedersächsischen Programm für soziale Betriebe. Das Arbeitsangebot der Firma ex + job ist vielfältig. So umfaßt der handwerkliche Bereich die Altbausanierung, eine Tischlerei, eine Restaurationswerkstatt sowie Messe - und Ladenbau. Außerdem gibt es einen Möbelladen, ein Musikaliengeschäft und einen Elektrohandel, der auch Geräte repariert. Ein besonderes Angebot macht die Firma im Recycling-Bereich: Aus dem Isolationsmaterial alter Kühlschränke wird ein Mittel zum Ölbinden gewonnen, das z.B. an die Feuerwehr verkauft wird. In den Prospekten der GmbH und des Vereins wird mit den Dienstleistungen und Produkten geworben, daß diese Arbeit von behinderten Menschen ausgeführt wird, bleibt völlig nebensächlich. So ist es der Firma ex + job gelungen, sich am Markt zu behaupten und so u. a. für psychisch Behinderte tariflich entlohnte Dauerarbeitsplätze anzubieten. 2.3

Arbeitnehmerüberlassung

Wie ich oben aufgezeigt habe, stellt sich das Problem der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt in der Regel bei Selbsthilfefirmen nicht, sie sind Bestandteil dieses Marktes. Als solche sind sie darauf angewiesen sich Nischen zu suchen, in denen sie tätig werden können. Da sich diese trotz aller Kreativität nicht unbegrenzt erschließen lassen, wird dieses Angebot zunächst nur für einen begrenzten Personenkreis vorgehalten werden können. "Realistischerweise muß man jedoch sehen, daß tatsächlich ein großer Teil der arbeitslosen

Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch auf Dauer keine Arbeit finden wird. Dies trifft gerade diejenigen Schwerbehinderten, deren Leistungsfähigkeit nicht unerheblich eingeschränkt ist. Diese Entwicklung wird auch in den nächsten Jahren weiter anhalten. Trotz aller Hilfen und Hilfsmöglichkeiten ... gibt es Gruppen von Schwerbehinderten, die de facto nicht vermittlungsfähig sind. Sie stehen zwar formell dem Arbeitsmarkt zur Verfügung, haben aber trotzdem keine Chance. (HEUSER 1990: 8 1)" Für den Bereich psychisch behinderter Menschen wird seit einigen Jahren an einem neuen Konzept gearbeitet: dem der Arbeitnehmerüberlassung. Zur Realisierung dieses Konzeptes können neue Unternehmen (z. B. Gemeinnützige GmbH) gegründet oder bestehende Sozialbetriebe ihren Betriebszweck ausweiten, Die Aufgabe der Unternehmen ist es, psychisch behinderte Menschen, die dem Arbeitsmarkt nach ihrer Erkrankung wieder voll zur Verfügung stehen, also vermittlungsfähig sind, als Arbeitnehmer mit einem festen Arbeitsvertrag einzustellen. Die einstellende Firma wird bemüht sein, für diese Arbeitnehmer geeignete Arbeitsplätze zu finden, für die die Beschäftigten dem Arbeitgeber überlassen werden. Die Dienstleistung wird über die Firma mit dem Auftragnehmer abgerechnet und aus den Erlösen werden die Lohnkosten der Mitarbeiter bezahlt. Diese Arbeitsform ist auch für Menschen mit anderen Behinderungen denkbar. Je nach persönlicher Stabilität des psychisch behinderten Menschen und nach konzeptionellen Vorgaben des Projektes wird er bei der Arbeitsplatzwahl aktiv beteiligt, oder nicht.

Alle Projekte, die nach dem Modell der Arbeitnehmerüberlassung arbeiten oder beabsichtigen zu arbeiten, tun dies natürlich mit der Absicht, daß der Unternehmer die Arbeitnehmer, die er "anmietet", kennenlernt und sie dann selbst einstellt. Inwieweit diese Vorstellung realistisch ist, darüber liegen zur Zeit noch keine Angaben vor. Ich fürchte aber, daß es nur in wenigen Fällen zu Übernahmen kommen wird. Selbst wenn diese pessimistische Einschätzung richtig sein sollte, haben Projekte, die nach dem hier angedeuteten Rahmenmodell arbeiten, immerhin den Vorzug, daß sie Unternehmen sind, die den bei ihnen Beschäftigten nach Tarif bezahlen, die Arbeitnehmer dadurch ein Einkommen erzielen, das sie von anderen Unterstützungsleistungen weitgehend unabhängig macht. Auch hier soll wieder ein Betriebsbeispiel angeführt werden. 2.4

GEMOS Gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassungs -und Beschäftigungsgesellschaft

Die GEMOS ist am 07.01.1992 in das Handelsregister in Osnabrück eingetragen worden. Laut dieses Eintrags ist "Gegenstand des Unternehmens: Gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung mit dem Ziel der Wiedereingliederung psychisch Behinderter in den allgemeinen Arbeitsmarkt." Ihr Ziel ist es also "psychisch kranken und seelisch behinderten Menschen auf dem Wege der beruflichen Wiedereingliederung Hilfestellungen zu leisten." Um diese Arbeit erfolgreich wahrnehmen zu können, muß GEMOS eine Kontaktstellenfunktion zu den verschiedensten Einrichtungen (Arbeitsamt, Sozialamt, Stadt, ambulante Dienste, Kliniken, Nervenärzte, Wohneinrichtungen) wahrnehmen. Nach Überzeugung von GEMOS kann nur die Zusammenarbeit mit diesen Stellen die berufliche Eingliederung absichern. Darüber hinaus bietet GEMOS eine Beratungsfunktion an, die sich über die gesamte Beschäftigungsdauer erstreckt. Nach den ersten Kontakt- und Kennenlerngesprächen, der Berufsorientierung und der Auslotung von Eignungen, Fähigkeiten und Interesse erfolgt eine möglichst eng am Arbeitsmarkt orientierte praktische Arbeitserprobung ... . Diese Arbeitserprobung ist auf den Einzelfall ausgerichtet. Da

Arbeitnehmer bei der Einstellung von Beschäftigten sehr zurückhaltend sind, will GEMOS die Einstellungsfunktion übernehmen. Der Beschäftigungsbetrieb stellt einen Arbeitsplatz/ Arbeitsauftrag zur Verfügung und zahlt nur für die erbrachte Leistung. Der psychisch Behinderte ist bei GEMOS beschäftigt und erhält von dort seinen Lohn nach den geltenden tariflichen Bestimmungen. Natürlich steckt hinter diesem Modell auch bei der GEMOS die Hoffnung, daß der Arbeitgeber entweder bereits nach der Arbeitserprobung oder später, wenn er den Arbeitnehmer besser kennengelernt hat, diesen auch übernimmt. "GEMOS kann durch den Verzicht auf Gewinnerzielung den Beschäftigungsgebern einen günstigen Stundenverrechnungssatz anbieten, d. h.: GEMOS erhält Fördermöglichkeiten aus den verschiedenen Töpfen ... nimmt diese für sich in Anspruch und verleiht den Arbeitnehmer zu einem vorher festgelegten Stundensatz. Dieser Stundensatz ist dem Entleiher zunächst kostengünstiger als der jeweils z. Zt. Geltung habende Tarif Zunächst ist eine Förderhöchstdauer von 3 Jahren durch GEMOS vorgesehen, innerhalb dieser 3 Jahre soll eine stufenweise Anhebung der Entleihergebühr auf 100% erfolgen. Dem Entleiher entstehen weiterhin Arbeitgeberkosten, Aufwendungen für das 13. Gehalt, Aufwendungen für Urlaubsgeld, Aufwendungen für Verwaltungskosten, Kosten für Lohnfortzahlung und Risiken aus erhöhtem Kündigungsschutz. 2.5

FAF - Verein zur Förderung von Arbeitsinitiativen und Firmenprojekten e. V.

Die ständige Zunahme an Selbsthilfefirmen für psychisch behinderte Menschen führte dazu, daß 1985 vier bundesweit tätige Verbände der Sozialarbeit den Verein zur Förderung von Arbeitsinitiativen und Firmenprojekten" (FAF) gründeten. Dieser wurde seit seinem Bestehen durch eine Industriestiftung gefördert und konnte so ein zentrales Koordinations- und Beratungsbüro aufbauen, Von dort wird den Projekten fachliche Beratung und Unterstützung geboten. Die Notwendigkeit der zunehmenden Professionalisierung führte zur Gründung des Zweckbetriebes "Beratung und Qualifizierung", der, so ist es jedenfalls derzeit geplant, in eine GmbH überführt werden soll, um so eine bessere Trennung zwischen der Beratung und der politischen Arbeit zu haben. Darüber hinaus koordiniert FAF seit mehreren Jahren die "Bundesarbeitsgemeinschaft der Firmenprojekte" (B. A. F.). Diese vertritt die gesundheitspolitischen Zielsetzungen und Interessen der Selbsthilfefirmen und Integrationsbetriebe in der Öffentlichkeit.

3.

Projekte zur Eingliederung geistig behinderter Menschen

"Nur wenige haben in den 60er Jahren ernsthaft daran geglaubt. daß auch geistig behinderte Menschen in der Lage sein könnten. einer geregelten Beschäftigung nachzugehen. ... Heute nun werden häufig diejenigen wenig ernst genommen. die behaupten, daß ein Teil der geistig behinderten Menschen. die aus den Schulen für geistig Behinderte kommen oder in den WfB beschäftigt sine auch auf dem freien Arbeitsmarkt ihre Frau und ihren Mann stehen können. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe ist der Überzeugung, daß wir nicht wieder 20 Jahrevergehen lassen sollten, bis auch diese Möglichkeit ernsthaft und selbstverständlich in die Planung der Lebensperspektive von Menschen mit geistiger Behinderung einbezogen wird." (LEBENSHILFE 1993 - 1)

Es gehört auf den ersten Blick in der Tat zu den erstaunlichsten Entwicklungen im Behindertenbereich, daß eine, wenn auch noch kleine, so aber doch ständig größer werdende Gruppe geistig behinderter Menschen, zugegebenermaßen mit der notwendigen Unterstützung, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in regulären Arbeitsverhältnissen zu tariflichen Bedingungen Arbeit findet. Vor ziemlich genau 25 Jahren, im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Anerkennung der WfB und damit verbunden dem Streit um die Ausrichtung der WfB wurde befürchtet, daß gerade geistig behinderte Menschen aus der Werkstatt gedrängt werden. Jetzt drängen sie selbst aus der Werkstatt, aber nicht ins Abseits sondern mitten ins Berufsleben. Diese Tatsache ist auf den zweiten Blick hin ganz einfach zu erklären. Die Zeit von 1980 bis 1990 ist von JACOBS (1993) als Jahrzehnt der Integration beschrieben worden. Dies macht sich fest an der heute fast schon regelhaften integrativen Förderung im Kindergarten und der integrativen Beschulung. Es ist zu beachten, daß die ersten vollständig integrativ erzogenen Kinder bereits aus der Schule entlassen werden. Natürlich machten und machen sich insbesondere die Eltern integrativ betreuter Kinder, erinnert sei z. B. hier an die BAG Gemeinsam Lernen, Gemeinsam Leben - Eltern gegen Aussonderung und deren Landesverbände, Gedanken über die Zukunft ihrer Kinder. Und selbstverständlich ist die Vorstellung, ein Kind, welches einen integrativen Kindergarten durchlaufen hat, welches integrativ beschult wurde, in die Werkstatt geben zu müssen, für die meisten Eltern unakzeptabel. So haben sich in erster Linie diese Eltern Gedanken über die Zukunft ihrer Kinder gemacht. FRANK hat aber darauf hingewiesen, daß es noch andere Gründe dafür gibt, daß eine zunehmende Zahl geistig behinderter Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden kann. Er benennt: „- die Normalisierungs-Diskussion in Wissenschaft und Sozialpolitik, - die Erweiterung gesetzlicher Möglichkeiten durch die Novellierung des Schwerbehindertengesetzes ... - Berufswünsche von Menschen mit Behinderungen nach Beschäftigung auf regulären Arbeitsplätzen, - zunehmende Berichte über den positiven Ausgang von Arbeitsversuchen von Personen mit geistiger Behinderung auf regulären Arbeitsplätzen, - die Rezeption ausländischer Erfahrung - Engagement von Eltern, Schulen, Behörden und Vereinen, WfB, lokalen Beschäftigungsinitiativen, Kommunen und Städten." (FRANK 1993: 6) Es ist noch zu früh zu behaupten, es gäbe schon einheitliche Strukturen, die sich bei den Beschäftigungsinitiativen oder Eingliederungsinitiativen herausgebildet hätten. Vielmehr ist es so, daß an vielen Orten mit sehr unterschiedlichen Konzepten versucht wird, geistig behinderte Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Darin ähneln die Beschäftigungsinitiativen übrigens den WfB aus der Gründungsphase dieser Einrichtungen, die ja auch als Pionierzeit gilt.

3.1

Eingliederungsinitiativen (be-)schaffen Arbeit für behinderte Menschen

Im folgenden Abschnitt werde ich vier Projekte vorstellen3 7 . Mit dieser Kurzpräsentation ist keine Wertung verbunden. Es geht mir vielmehr darum, einen ersten Eindruck davon zu vermitteln, was zur Zeit versucht wird, um geistig behinderte Menschen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. 3.1.1

Berufsbegleitender Dienst in Reutlingen

Am 1. April 1990 konnte nach umfangreichen Abstimmungsgesprächen vor Ort ein Modellprojekt mit dem Namen "Gemeinsame regionale Beschäftigungsinitiative / Dienst zur Förderung der beruflichen Eingliederung von Menschen mit schweren Behinderungen" seine Arbeit aufnehmen. Es war zunächst auf fünf Jahre begrenzt und lag in der Trägerschaft der Evangelischen Fachhochschule Reutlingen. Die Zielgruppe dieses Integrationsdienstes sind geistig behinderte Menschen aus der Werkstatt, Abgangsschüler der Sonderschule für geistig Behinderte und arbeitslose Schwerbehinderte. Ziel des Projektes ist in erster Linie die Vermittlung schwerbehinderter Menschen durch Stellung von Arbeitsbegleitung in reguläre Arbeitsverhältnisse. Die Aufgaben der Mitarbeiter des Projektes sind: Beratung von Menschen mit Behinderungen und deren Angehörigen, Durchführung praktikumsvorbereitender und berufsqualifizierender Maßnahmen, Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche, Zusammenarbeit mit und Beratung von Arbeitgebern, Behinderteneinrichtungen, Schulen u. a., Training und Anleitung am Arbeitsplatz, Unterstützung bei der Eingliederung ins berufliche Umfeld, Beratung bei Arbeitsplatzproblemen und persönlichen Schwierigkeiten, Kooperation mit den örtlichen arbeitsmarktpolitisch maßgeblichen Stellen, Anregung und Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze und Öffentlichkeitsarbeit. Die Erfolge belegen, daß sich das vom Berufsbegleitenden Dienst Reutlingen entwickelte Konzept der schrittweisen Begleitung und Unterstützung bewährt hat. Es ist neben den zahlreichen Beratungsgesprächen und den vermittelten Praktika gelungen in vier Jahren 48 behinderte Menschen in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Es ist sichergestellt, daß das Modell nach Ablauf der 6 jährigen Modellphase weitergehen kann. 3.1.2 Fachdienst Integrationsberatung Berlin

Dieser Fachdienst besteht seit 1989. Er begann seine Tätigkeit mit AB- Maßnahmen, Träger ist das Institut für Sozialforschung und Betriebspädagogik (ISB). Ursprünglich arbeiteten in diesem Fachdienst einmal 20 Mitarbeiter, die auf die Eingliederung Langzeitarbeitsloser spezialisiert waren. Durch die Wiedervereinigung und die Ausdehnung der Arbeit wurde eine personelle Aufstockung und damit einhergehend eine Differenzierung der Arbeit erforderlich. In diesem Zusammenhang wurde dann der FIBB-Horizont gegründet, der sich um schwerbehinderte Menschen kümmert. Zielgruppe sind Menschen mit Behinderungen. Die Kunden der Dienste sind überwiegend langzeitarbeitslos. Nur 10 % der Kunden sind Ausbildungsabgänger der WfB. Hauptprojektziel ist 3

Die in diesem Abschnitt vermittelten Informationen stammen aus persönlichen Besuchen bei drei der Initiativen, aus Informationsmaterial der Projekte und aus Materialien aus verschiedenen Fachartikeln., Es wird darauf verzichtet, dies im einzelnen zu belegen.

eine erfolgreiche und dauerhafte Integration schwerbehinderter Menschen in reguläre, also sozialversicherungs- und tarifrechtlich abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse. Um dies sicherzustellen, umfaßt das Konzept von FIBB-Horizont folgende Bausteine: Akquisition von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen, Analysen der Arbeitsplatzanforderungen, Analyse der Leistungsfähigkeit der Klienten, arbeitsvorbereitende Qualifizierung der Klienten, Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten entsprechend den Bedürfnissen der behinderten Arbeitnehmer, betriebliche Einarbeitungssequenzen und Beratung des kollegialen Umfeldes und Vernetzung und Betreuungsarbeit vor und während der Integration ins Arbeitsleben. Nach eigener Auskunft wurden in den letzten drei Jahren gut 100 geistig behinderte Menschen betreut, von denen 34 betrieblich integriert werden konnten. 3.1.3 Die Hamburger Arbeitsassistenz Die in der Landesarbeitsgemeinschaft Eltern für Integration e.V. organisierten Mitglieder haben sich rechtzeitig die Frage gestellt, wie es nach der schulischen Integration weiter gehen kann. Daß dies nicht zwangsläufig die Wfl3 sein muß, zeigen die Erfahrungen der Integrationsdienste in Amerika. Dort wird seit Jahren erfolgreich das Modell der unterstützten Beschäftigung angewandt. Um es auch für ihre Kinder verfügbar zu machen, gründeten Eltern in Hamburg die Hamburger Arbeitsassistenz.

Der Integrationsdienst richtet sich ausschließlich an Menschen mit geistiger Behinderung. Diese kommen überwiegend aus der WfB. Schulabgänger aus Sonderschulen sind bisher, auch zur Überraschung der Arbeitsassistenz, kaum als Kunden in Erscheinung getreten. Dies soll sich zukünftig ändern. Auch die Hamburger Arbeitsassistenz strebt an, Personen mit geistiger Behinderung in reguläre Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Dazu zählt auch hier die Praktikumsvermittlung, die bisher aber aus abrechnungstechnischen Gründen an den Versuch der beruflichen Integration gebunden sein mußte. Die folgende Übersicht verdeutlicht die Arbeitsweise: (HOR1zONARBEITSGRUPPE 1995. 212)

1. Entwicklung individueller Fähigkeitsprofile ! Ermittlung der individuellen Fähigkeiten, Interessen und Einschränkungen in einem Fähigkeitsprofil 2. Erschließung von Arbeitsplätzen ! Aktive Akquisition von Arbeitsplätzen auf dem regionalen Arbeitsmarkt ! Beratung der Arbeitgeber ! Arbeitsplatzanalyse und Anpassung der Arbeitsplätze 3. Qualifizierung am Arbeitsplatz ! Einarbeitung am Arbeitsplatz durch ArbeitsbegleiterInnen des ! Fachdienstes (Job-Coaches)

! Psycho-soziale Unterstützung des beruflichen Integrationsprozesses 4. Nachsorge ! Langfristige Unterstützung der Beschäftigungsverhältnisse ! gegebenenfalls: Intensivierung der Unterstützung am Arbeitsplatz Die Hamburger Arbeitsassistenz bezeichnet ihre Arbeit als erfolgreich und verweist darauf, daß es gelungen sei, in knapp zwei Jahren 50 Beschäftigungsverhältnisse zu ermöglichen. Erfreulicherweise ist es auch hier gelungen, die Finanzierung nach dem Ablauf der Modellphase am 31.12.1994 weiter zu sichern. 3.1.4

Projekt HORIZON - Integration und Arbeit Gelsenkirchen

Das Projekt arbeitet seit dem 1.5.1993 unter diesem Namen und wird durch das HorizonProgramm der Europäischen Union gefördert. Der Stadt Gelsenkirchen ist es gelungen, auch schon an den Vorläuferprojekten beteiligt zu sein. Beabsichtigt wird mit diesem Programm, behinderte Menschen und andere Personengruppen bei der beruflichen Integration zu unterstützen. Ziel ist es in erster Linie, geistig behinderten Menschen den Weg in die Arbeitswelt zu ebnen, sofern sie dies wollen. Das Projekt richtet sich sowohl an die behinderten Menschen, die bereits in der WfB plaziert sind und diese verlassen wollen als auch an Abgänger der Sonderschulen. Um dies zu erreichen, bedient sich der Gelsenkirchener Integrationsdienst des folgenden Tätigkeitsspektrums: Erstellung eines Profils der Menschen, um herauszufinden, was die Menschen können und wollen, Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz, in der Regel wird zunächst ein Praktikum absolviert, Begleitung der behinderten Menschen am Arbeitsplatz, um sicherzustellen, daß die betrieblichen Arbeitsbedingungen an die Möglichkeiten der Menschen angepaßt werden und Kontakthaltung nach der Etablierung in Arbeitsverhältnisse, um durch langfristige Nachbetreuung zur Stabilisierung des Arbeitsverhältnisses beizutragen. Inwieweit und in welchem Umfang bereits konkrete Vermittlungen stattgefunden haben, wird bei den mir vorliegenden Unterlagen nicht angegegeben.

3.2

Bundesarbeitsgemeinschaft für unterstützte Beschäftigung – BAG UB

Am 10. 10. 1994 wurde die o.e. BAG UB gegründet. Sie ist ein Zusammenschluß von Initiativen, Projekten und Organisationen, die mit dem Ansatz der Unterstützten Beschäftigung Menschen mit einer Behinderung zusätzliche Chancen eröffnen, eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden und dauerhaft zu halten. Zweck der BAG UB ist laut Satzung "die Förderung und Anregung von Unterstützter Beschäftigung von behinderten Frauen und Männern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik. Gefördert werden soll die Selbstbestimmung der Betroffenen." Da die BAG UB noch relativ jung ist, hat sie bisher wenig Aktivitäten entfalten können. Es bleibt aber zu hoffen, daß sich dies in absehbarer Zeit ändern wird.

4.

Projekte zur Eingliederung körperbehinderter Menschen

Es ist erstaunlich- obwohl die körperbehinderten Menschen ähnliche Probleme mit den WfB haben wie die Menschen mit psychischer Behinderung, läßt sich nicht feststellen, daß es einen kontinuierlichen Auseinandersetzungsprozeß mit dieser Institution gab. Auch Alternativprojekte finden sich nur sporadisch. Die wenigen, die es gibt, sind nicht untereinander vernetzt, und eine bundesweite Interessenvertretung wie bei den Menschen mit psychischer (FAF) oder geistiger Behinderung (BAG UB) wurde bisher auch nicht gegründet. Dabei haben die WfB bei den körperbehinderten Menschen, die sie aus eigener Erfahrung kennengelernt haben, keinen guten Stand. So berichtet HEIM, die selbst 10 Jahre in einer WfB gearbeitet hat, über ihre Erfahrungen: "Wie in fast allen WfBs, arbeiteten auch in der Werkstatt die ich kenne, überwiegend geistig behinderte Menschen. Nur ein kleiner Prozentsatz ist rein körperbehindert bzw. Spastiker. Dies wirkt sich natürlich auch auf die Art der angebotenen Arbeit aus, die vorwiegend aus rein manuellen Tätigkeiten besteht. Damit geht die kleine Gruppe von körperbehinderten Menschen in einer solchen Sondereinrichtung automatisch unter, verkümmert seelisch und körperlich." (HEIM 1979: 29) Auch SURLEMONT, der 15 Jahre in einer WfB beschäftigt war, weiß Kritisches zu berichten: "Jahrelange Bemühungen meinerseits, in ein Angestelltenverhältnis (als Telefonist, diese Tätigkeit übte er 12 Jahre aus - d. V.) zu kommen, weil ich der Meinung war, daß meine Arbeit entsprechend bewertet werden muß, finanziell wie auch rechtlich gesehen, scheiterten. Die Struktur der Einrichtung würde dies nicht gestatten, so wurde die Ablehnung offiziell begründet. Inoffiziell aber hat man gesagt, daß das ungerecht wäre gegenüber den anderen Mitarbeitern. Ich meine, daß man da schon differenzieren sollte, z.B. in solchen Einrichtungen, deren überwiegender Teil der Mitarbeiter geistig behindert ist, dann in solche, deren überwiegender Teil der Mitarbeiter körperbehindert ist -dies ist jedoch der geringste Anteil -, dazwischen liegen die Gruppierungen der psychisch Kranken." (1979: 29) Die Einschätzung SURLEMONT's, die ja auf seinen eigenen Erfahrungen beruht, wird durch das vorliegende statistische Datenmaterial bestätigt. So betrug der Anteil der Menschen mit geistiger Behinderung in den Werkstätten im Bundesdurchschnitt für die sog. alten Bundesländer 1989 82%. Die Zahl differierte in den Bundesländern von 71,3% im Saarland bis zu 95,4 % in Bremen. Die Zahl der seelisch Behinderten betrug im Bundesdurchschnitt 8,6 % (Saarland 1,7%, Nordrhein-Westfalen 11,2%), die der Lernbehinderten 5,4% (Berlin 1,1%, Saarland 25,6%) und der körperbehinderten Menschen nur 4% (Bremen 0%, Hamburg 7,6%). (LEBENSHILFE 1991b) Das ein solches Verhältnis nicht ohne Probleme bleiben kann, liegt auf der Hand. Der Vorsitzende der BAG WfB hat dies auf dem alternativen Werkstättentag auch zugestanden. Er fragte sich, warum die Werkstatt in die Schußlinie der körperbehinderten Menschen gekommen ist und beantwortet sich die Frage selbst: Weil ... 80 % aller WfB-Mitarbeiter eine geistige Behinderung haben. "Die Strukturen einer WfB müssen also ganz wesentlich auf diese Personengruppe ausgerichtet sein. Damit scheint zumindest verständlich, wenn die Interessen körperbehinderter Menschen zu kurz kommen." (ANDERS 1989- 10) Stellt sich allerdings die Frage, wer hat ihn und seine Geschäftsführerkollegen davon abgehalten, die Strukturen so zu ändern, daß diese Probleme so nicht oder gar nicht mehr auftreten. Warum, so fragen körperbehinderte Menschen zu recht, werden denn nicht geeigneten körperbehinderten Menschen mehr tariflich bezahlte Arbeitsplätze innerhalb der WfB angeboten?

Ein Blick zurück zeigt allerdings, daß das Verhältnis zunächst nicht so gespannt war. Zu Beginn ihrer Entwicklung wurde die Werkstatt von vielen Menschen mit körperlicher Behinderung durchaus begrüßt, bot sie oft doch erstmals die Möglichkeit, regelmäßig aus den eigenen vier Wänden herauszukommen. "Doch spätestens seit der immer stärkeren Orientierung der Werkstätten in Richtung Produktionsbetriebe klagten viele Betroffene, und hier vor allem Menschen mit einer Körperbehinderung, daß sie den Anforderungen nicht mehr gerecht würden, der pädagogisch-therapeutische Ansatz immer mehr verloren ginge und individuelle Bedürfnisse immer stärker den produktiven Notwendigkeiten weichen müßten." (JÄHNERT 1989: 1) Ich denke, in der erst Mitte der 80er Jahre aufbrechenden Unzufriedenheit ist die Ursache dafür zu sehen, daß sich aus der Zeit vorher keine Literatur findet, die sich mit Alternativen zur WfB beschäftigt. Unter anderem als Reaktion auf die zunehmende Unzufriedenheit mit der Entwicklung der WfB ist es zu werten, daß der Bundesverband für spastisch Gelähmte u.a. Körperbehinderte 1987 in seinen "Vorstellungen ( ... ) zu einer humanen und solidarischen Behindertenpolitik" sich auch mit der Werkstatt auseinandersetzte und folgende Änderungen forderte: "Der Bundesverband ist der Auffassung, daß innerhalb der WfB - Arbeitsangebote für spastisch gelähmte Menschen mit der entsprechenden technischen Ausstattung entwickelt werden müssen, - für diesen Personenkreis Arbeitsgruppen mit spezialisierten Aufgaben eingerichtet werden müssen, die die jeweiligen körperlichen und geistigen Fähigkeiten ausschöpfen, - kleinere Werkstätten mit unterschiedlichen Arbeitsangeboten für Körperbehinderte im Verbund oder eigenständig einzurichten sind, - Entgeltregelungen für alle behinderten Mitarbeiter so zu gestalten sind, daß unabhängig vom Grad der Behinderung und der Leistungsfähigkeit der Lebensunterhalt möglichst ohne materielle Hilfen anderer bestritten werden kann." (BUNDESVERBAND 1987) Mitte der 80er Jahre wurde dann in der Fachöffentlichkeit über Alternativen zur WfB kontrovers diskutiert. Einerseits schien die WfK, die Werkstatt für Körperbehinderte, ein Weg zur Problemlösung zu sein. Es wurde die Möglichkeit gesucht, den körperbehinderten Menschen neue und möglichst dauerhafte Arbeitsplätze zu bieten. Durch die Leistungsfähigkeit der körperbehinderten Menschen, die, entsprechende Ausstattung vorausgesetzt, in der Regel wesentlich höher ist als die der Menschen mit geistiger Behinderung, sollten marktübliche Löhne gezahlt werden. Legitimerweise wurde gefordert, daß die WfK alle Vorteile für sich in Anspruch nehmen kann, die auch dem "großen Bruder WfB" zu Verfügung standen. Es wurde vorgeschlagen, die Anerkennung der WfK als WfB zu beantragen und die offiziellen Stellen wurden aufgefordert, diesem neuen Typ von WfB offen und couragiert gegenüberzustehen, auch wenn nicht gleich alle Bedingungen erfüllt werden könnten. "Die rechtliche Anerkennung als WflB ist ... für die kommerziell aufgebaute Werkstatt für Körperbehinderte dringend notwendig, dadurch kann sie die durch ihre Beschäftigungsstruktur entstehenden Nachteile in etwa wieder ausgleichen." (ULTSCH 1986: 9) Während die Diskussion einerseits eindeutig in Richtung WfB für Körperbehinderte lief, formulierte der Bundesverband offener: "Als sinnvolle und notwendige Ergänzung müssen daneben andere Möglichkeiten der Eingliederung eröffnet und gefördert werden. Dies betrifft insbesonde-

re die Schaffung kleinerer, von der personellen und sächlichen Ausstattung geeigneter, gemeindenaher Arbeits-, Wohn- und Lebenseinrichtungen mit einer auf die Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten abgestimmten Betreuung und Förderung." (BUNDES-VERBAND 1987). Hier ist unschwer zu erkennen, daß der Bundesverband für spastisch Gelähmte u.a. Körperbehinderte durchaus andere Vorstellungen hatte, als eine Kopie der WfB anzustreben. Ihm ging es offensichtlich darum, seinen Mitgliedsorganisationen vor Ort die Möglichkeit zu erschließen, auch andere Projekte zu entwickeln und diese abzusichern.

4.1

Viele Ideen - wenig konkretes ?

Leider ist es nie zu der angestrebten Vielfalt verschiedener Projekte gekommen, bzw. die Projekte sind schlecht dokumentiert und damit der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt geblieben. Es hat zwar immer wieder Versuche gegeben, Menschen mit körperlichen Behinderungen außerhalb der WfB zu beschäftigen, aber sonderlich erfolgreich waren diese Versuche anscheinend bisher nicht. Insofern kann an dieser Stelle auch nicht auf neue Projekte hingewiesen werden, die, zumindest in der Struktur vergleichbar, in mehreren Orten realisiert worden wären. Deshalb habe ich aus verschiedenen Berichten sowie meiner praktischen Erfahrung in diesem Arbeitsbereich eine Übersicht zusammengestellt, die verdeutlichen kann, was alles denkbar wäre. Daran anschließend werde ich ein Projekt vorstellen, das seine Arbeit nach drei Jahren wieder hat einstellen müssen.

4.1.1 Gemeinnützige Arbeitnehmer-Überlassung Bei dieser Projektidee werden die körperbehinderten Menschen, i. d. R. nachdem sie ein oder mehrere Praktika absolviert haben, als Arbeitnehmer in Betriebe vermittelt. Die Beschäftigten werden zu tariflichen Bedingungen (jedenfalls als Zielvorstellung) bei der Beschäftigungsinitiative angestellt. Ihre Arbeitsleistung erbringen sie allerdings in den Betrieben, an die sie "ausgeliehen" werden. Die erbrachten Leistungen werden mit der Firma durch die Projektleitung abgerechnet. Aus den Erlösen sollen die beschäftigten behinderten Menschen bezahlt werden. Natürlich steht hinter dieser Idee die Hoffnung, daß der behinderte Mitarbeiter, wenn er im Betrieb anerkannt ist, dort einen Arbeitsvertrag erhält.

4.1.2 Arbeitsassistenz Diese Projektidee stammt aus Irland und Amerika und wurde bereits unter Pkt, 3.1.3 erläutert. Deshalb reicht es an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß die körperbezogenen Assistenzleistungen, die im Bereich pflegerischer Hilfen liegen, im klassischen Sinne keine Aufgabe der Arbeitsassistenz sind.

4.1.3 Sozialabteilungen Einige Projekte versuchen, die vor allem bei Großbetrieben vorhandenen Sozialabteilungen dazu zu gewinnen, auch betriebsfremden Behinderten einen Arbeitsplatz anzubieten. Damit wird wie-

der aufgegriffen, was die Arbeitgeber bereits 1974 vorgeschlagen haben, nämlich die Integration der WfB unmittelbar in die Betriebe. Dabei ist natürlich zu beachten, daß die Arbeit in Sozialabteilungen auch noch eine Sonderform der Beschäftigung darstellt, aber i. d. R. eine besser bezahlte, und die, die verglichen mit der WfB, allemal ein höheres Prestige verspricht.

4.1.4 Selbsthilfefirmen Nach meinen Literaturrecherchen ist die Idee der Selbsthilfefirmen nie über das Diskussionsstadium hinausgekommen. In diesem Zusammenhang wird angedacht, daß ein (qualifizierter) körperbehinderter Mensch eine Firma gründet, die ganz normal am Arbeitsmarkt agiert. Der (behinderte) Unternehmer stellt dann bei entsprechendem Geschäftserfolg Zug um Zug im Rahmen seines Betriebsauf oder -ausbaus behinderte Menschen ein und erhält dafür alle vom Arbeitsamt und den Hauptfürsorgestellen vorgesehenen Förderungen. Dies können z. B. Mittel zur behindertengerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes, Einarbeitungszuschüsse für Mitarbeiter und später unter bestimmten Umständen ein zeitlich befristeter materieller Ausgleich für die ggf vorhandene Minderleistung des oder der Beschäftigten (siehe SCHwbAV § 27) sein. Es wird in diesem Zusammenhang auch diskutiert, die oben beschriebenen Mittel (mit-)einzusetzen, um die Firmengründung erst möglich zu machen.

4.1.5 Soziale Betriebe Mit Unterstützung der Nds. Landesregierung sind in Niedersachsen rund 40 Soziale Betriebe mit über 700 Arbeitsplätzen gegründet worden (Stand Juni 1994). Rund die Hälfte der Beschäftigten in diesen Betrieben sind anerkannte Schwerbehinderte. Trotz dieses schon erfreulichen Ansatzes stellen die Projekt- und Betroffenengruppen fest, daß nur sehr wenige Beschäftigte in diesen Sozialen Betrieben zu den wesentlich behinderten Menschen gehören. Deshalb wird überlegt, die Mittel, die zur Förderung der Sozialen Betriebe eingesetzt werden, auch zu beantragen, um die Betriebe für diesen Personenkreis zu gründen. Es bedarf all dieser und vielleicht noch weiterer neuer Ideen, um mehr wesentlich körperbehinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu vermitteln. Es fehlt aber die Lobby, um, wie im Bereich der psychisch und geistig behinderten Menschen, erfolgreich zu sein. Und es fehlt vor allem die Vernetzung aller drei Bereiche untereinander, um gemeinsame Strategien festzulegen, wie der allgemeine Arbeitsmarkt für möglichst viele Behinderte erschlossen werden kann.

4.2

Computer- und Druckzentrum - Initiative zur Arbeitsplatzbeschaffung für Behinderte

Diese Initiative war eine Gemeinschaftsaktion eines in Hannover gebildeten Netzwerkes. Mitglied dieses Netzwerkes waren die Universität Hannover (Fachbereich Erziehungswissenschaften 1), die Stadt Hannover mit ihrer EG Beratungsstelle, das Arbeitsamt Hannover, die Volkshochschule Hannover und die Gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung Körperbehinderter. Dieses Netzwerk wurde Modellprojekt des Aktionsprogramms der EG zur Integration von Menschen mit Behinderungen HELIOS 1 (1988 - 1991). Kernstück des Netzwerkes war neben den von der VHS angebotenen Einführungs- und Anwendungskursen das Computer- und Druckzentrum für Behinderte, das wirtschaftlich von der Gemeinnützigen Gesellschaft verantwortet wurde. In der Konzeption wurde ausgeführt,

daß behinderte Menschen bei angespannter Lage auf dem Arbeitsmarkt besondere Schwierigkeiten haben einen Arbeitsplatz zu finden. Dies geschah in deutlicher Distanz zur WfB. "Wenn die Notwendigkeit der Werkstätten für Behinderte auch nicht zu bestreiten ist, so muß doch festgestellt werden, daß dazu Alternativen zu entwickeln sind, um wirtschaftliche Unabhängigkeit Behinderter zu ermöglichen" (JÄHNERT u. KUJAWA 1988: 1) In der für die damalige Zeit wohl üblichen Überschätzung der Möglichkeiten schrieben die Autoren der Konzeption:

"Ausgehend von der Erkenntnis, daß Arbeitsplätze für Behinderte zukünftig fast nur noch unter Einbeziehung moderner EDV Technik zu schaffen sein werden, will das Computerzentrum für Behinderte hier einen ersten Schritt tun. um die Vermittlungschancen Behinderter zu verbessern. Dies soll geschehen: die Heranführung an die Computertechnologie, die Ausbildung Behinderter in Computerberufen, die Schaffung computerunterstützter Arbeitsplätze. Ein weiterer Aspekt unserer geplanten Arbeit ist die Möglichkeit, auch ungelernten Behinderten mit Hilfe des Computers Arbeitsmöglichkeiten anzubieten. (JÄHNERT u. KUJAWA 1988:3) Und als wenn diese Ziele nicht ausreichend gewesen wären, sahen die Autoren der Konzeption auch gleich noch die Keimzelle für Selbsthilfefirmen in ihrer Arbeit. "Da wir nicht allen Behinderten, die daran Interesse haben, einen Arbeitsplatz bieten können, kann und soll die Arbeit im Computerzentrum als Grundlage zur Schaffung von Selbsthilfefirmen dienen. Hier können wir Hilfestellung und Beratung anbieten." Daß im Rahmen des Gesamtprojektes auch realistischere Ansichten vertreten wurden, ist einem Artikel von THEEK zu entnehmen, der für die EDV-Ausbildung der VHS im Rahmen des Programms zuständig war und der schreibt: "Sicherlich wird der eine oder andere durch seine EDV-Kenntnisse eine bessere berufliche Chance erhalten, aber längst nicht alle. Der allgemeine Arbeitsmarkt wird sich sicherlich in naher Zukunft nicht wesentlich ändern. Deshalb wird eine Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nur in den seltensten Fallen gelingen." (1989: 16) Bezogen auf die Chancen durch EDV-Kenntnisse sicher eine richtige Einschätzung. Das Computer- und Druckzentrum mußte zwar auf der einen Seite nach drei Jahren wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten schließen, andererseits wurden durch seine Arbeit zwei von sechs Mitarbeiter/innen in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt. Als einzige "Behindertenfirma" ist es offensichtlich der "Pfennigpararde" (u. a. eine anerkannte WfB) in München mit ihrer Programmier-Service GmbH" gelungen, in diesem Bereich wirklich Fuß zu fassen. "Die PSG realisiert eigenständig oder in enger Zusammenarbeit mit den Kunden überwiegend kommerzielle Datenverarbeitungsprojekte, aber auch technisch oder wissenschaftliche Verfahren" (PFENNIGPARADE 1992) Peter Mai, Geschäftsführer der PSG, berichtete 1989, daß die PSG körperbehinderte Menschen mit qualifizierter Ausbildung beschäftigt. "In der PSG können den behinderten Mitarbeitern leistungsgerechte Löhne von über 4.000 DM gezahlt werden, da die PSG genügend Programmieraufträge z. B. von Anwendern von IBM- oder SiemensHardware erhält." (SCHMITZ 1989: 9)

5

Projekte zur Eingliederung behinderter Menschen in den öffentlichen Dienst

Bereits 1917 vertrat der Reichsausschuß für Kriegsbeschädigte die Ansicht, daß die Behörden, oder in heutiger Terminologie der öffentliche Dienst, in besonderer Weise zur Einstellung behinderter Menschen verpflichtet sind. Diese Verpflichtung hat die interessierten Kreise in diesem Land nicht davon abgehalten, regelmäßig über die Kosten zu "lamentieren", die zu hohe Staatsquote zu beklagen und wie in der jetzt aktuellen Diskussion, Effizienzsteigerung und/oder schlanke Verwaltungen, sprich Personalabbau zu fordern, zu betreiben und zu forcieren. Verschwiegen wird in diesem Zusammenhang allerdings, was denn mit den "freigesetzten" Arbeitskräften geschehen soll. Dies gilt insbesondere für die rund 10% sog. Leistungsgeminderten im öffentlichen Dienst, die dort ihre Arbeit finden konnten. Diese Diskussion müßte von den Betroffenen, deren Verbänden und Vereinen, den Gewerkschaften aber auch den Schwerbehindertenvertretern nach dem SchwbG viel offensiver geführt werden. Doch es gibt auch positive Beispiele, z. B. ein Programm der Hansestadt Hamburg, dessen Reiz vor allem darin liegt, daß es nicht nur versucht, die Beschäftigungsquote von 6% für den öffentlichen Dienst zu erreichen, sondern dabei auch noch gezielt behinderten Menschen aus den WfB die Chance zur Einstellung in den öffentlichen Dienst bietet. Dieses Modell werde ich als nachahmenswertes Beispiel vorstellen und daran anschließend die dann weniger erfreuliche Beschäftigungssituation für behinderte Menschen in westdeutschen Kommunen erläutern.

5.1

Das Hamburger "Zehn-Stellen-Modellprogramm"

Nach der notwendigen parlamentarischen Vorbereitung wird in Hamburg seit 1986 erfolgreich versucht, jährlich 10 Menschen mit Behinderungen aus Werkstätten für Behinderte in den allgemeinen Arbeitsmarkt öffentlicher Dienst" der Freien und Hansestadt zu integrieren. Grundüberlegung des Projektes, das in Zusammenarbeit mit den 4 Hamburger WfB durchgeführt wird, ist, daß es in den Werkstätten eine Anzahl von Beschäftigten gibt, die so leistungsfähig sind, z. T. erst als Folge der vorhergegangenen Rehabilitation, daß sie den Anforderungen eines allgemeinen Arbeitsplatzes gerecht werden. Die Projektteilnehmer werden auf zusätzlich zum Stellenplan geschaffenen Stellen für zunächst zwei Jahre beschäftigt und nach Tarif bezahlt. Da die Personalkosten durch die Hauptfürsorgestelle getragen werden, entstehen der Hansestadt zunächst keine zusätzlichen Ausgaben. Es war aber von vornherein von der Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales der Hansestadt Hamburg vorgesehen, daß bei einem erfolgreichen Verlauf des Versuches die Stellen dauerfinanziert werden. Die Werkstätten verpflichteten sich für die zwei Jahre, die ggf. notwendig werdende Rückkehr ihrer ehemaligen Mitarbeiter sicherzustellen. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Prof. Dr. Runde und Herbert Rüb (Dipl. Soz.), die die besonderen Probleme eines solchen Projektes einerseits darin sahen, integrationsfreundliche "Einsatzbereiche zu erkunden, und zum anderen für die eventuell gefundenen Einsatzbereiche und Arbeitsstellen geeignete Teilnehmer/-innen aus den Werkstätten für Behinderte zu finden. Von besonderer Bedeutung ist auch das soziale Umfeld der Arbeitsstellen, das eine Akzeptanz der neuen behinderten Mitarbeiter/-innen gewährleisten muß." (RUNDE u. RÜB 1989: 3) Die am Projekt beteiligten 10 behinderten Menschen (sechs Männer und vier Frauen) waren in der Mehrzahl zu Beginn des Projektes zwischen zwanzig und dreißig Jahre alt. Sie galten alle als schwerbehindert und nach dem BSHG als wesentlich behinderte Menschen, und acht von ihnen lebten zu Beginn des Projektes in einer eigenen Wohnung oder noch bei den Eltern. Der Grad der

Behinderung lag zwischen 60 und 100. Als Behinderungsarten wurden leichte geistige Behinderung, Lernbehinderung, Sprach- und Hörbehinderung sowie Körperbehinderung genannt, alle Behinderten waren im sog. lebenspraktischen Bereich weitestgehend selbständig. Es überrascht zunächst, daß für die an dem Versuch teilnehmenden behinderten Menschen keine besondere Betreuung vorgesehen war. Dies war jedoch möglich, da die nachgehende Betreuung durch die Werkstätten für Behinderte sichergestellt wurde. Ein Betreuer aus einer am Projekt beteiligten Werkstatt schildert den Betreuungsbedarf während eines vierwöchigen Praktikums, das dem Arbeitsversuch vorgeschaltet wurde, wie folgt: "Vor Beginn eines jeden Praktikums wurde mit dem entsprechenden Mitarbeiter4 von uns ein Vorstellungsgespräch in der Firma geführt. Dieses Gespräch ermöglichte ein erstes Kennenlernen der zukünftigen Ansprechpartner und Kollegen sowie des zukünftigen Arbeitsplatzes nebst praktischer Vorführung der dort anfallenden Arbeiten. Außerdem wurde der Weg zur Arbeit mit dem Mitarbeiter abgesprochen und bei Unsicherheiten vor Ort geübt. Am ersten Praktikumstag wurde der Mitarbeiter von einem Betreuer begleitet, der sich je nach Bedarf einige Stunden bzw. auch den ganzen ersten Arbeitstag über an dem Arbeitsplatz mit aufhielt. Außerdem gab es ständige telefonische Kontakte, vor allem bei auftretenden Schwierigkeiten, und regelmäßig ein- bis zweimal wöchentlich wurden die Praktikanten besucht." (WESTEMANN 1993 - 107) Die Beschäftigung von vier behinderten Menschen erfolgte im Heimbereich (Raumpflege- und Reinigungstätigkeiten auf Stationen von Pflegeheimen, Hilfsarbeiten in Großküche und Kantine, Transporttätigkeiten mittels Elektrokarren sowie Gärtnerarbeiten). Die übrigen sechs Mitarbeiter wurden im Hafenbereich (Reinigungsarbeiten und Kantinenhilfstätigkeiten, Helfertätigkeiten in Verbindung mit Reparaturarbeiten an Schiffen) beschäftigt. Es kann also gesagt werden, daß es gelang, durchaus als leichter zu bezeichnende Tätigkeiten für die neuen Mitarbeiter zu finden... Im großen und ganzen wurde das Projekt von allen Beteiligten positiv eingeschätzt. RUNDE u. ROB kommen in einer Bilanz nach dem ersten Jahr des Projektes zu folgendem Ergebnis: "Das Modellprojekt der Behörde für Arbeit, Jugend und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg hat sich bewährt. und es muß als ein erfolgreicher Versuch angesehen werden, eine (Wieder-) Eingliederung von Behinderten aus Werkstätten für Behinderte in normale Arbeitsverhältnisse des allgemeinen gewerblichen Arbeitsmarktes zu erreichen. ... Bei der Bewertung des Modellprojektes läßt sich hinsichtlich der persönlichen und arbeitsspezifischen Situation und Entwicklung der betroffenen Teilnehmer/-innen festhalten, daß 1. ein Teil der behinderten Mitarbeiter/iinnen in den Werkstätten für Behinderte nicht angemessen untergebracht ist und bei entsprechenden Bedingungen durchaus in den allgemeinen Arbeitsmarkt eingegliedert werden kann; 4

Mit “Mitarbeiter ist hier, von der üblichen Terminologie abweichend, der bisher in der WfB beschäftigte behinderte menschen gemeint.

2. ein solches Projekt die Persönlichkeit und Selbständigkeit der behinderten Teilnehmer/innen fördern und zur Normalisierung ihrer Lebensbezüge beitragen kann. Es ist ferner zu konstatieren, daß 3. einige der behinderten Teilnehmer/-innen durchaus mit den Leistungsansprüchen des allgemeinen Arbeitsmarktes mithalten können; 4. alle Teilnehmer/-innen, von Anfangsschwierigkeiten bei einigen der Mitarbeiter/-innen abgesehen, im Arbeits- und Sozialverhalten den dort geltenden normativen Ansprüchen entsprechen; 5. die beschäftigenden Dienststellen die behinderten Teilnehmer/-innen, wie alle Reaktionen zeigten, als keine zu große Belastung erlebten; weder waren Störungen des sozialen Betriebsklimas zu verzeichnen, noch fühlten sich die Kollegen und Vorgesetzten in der Auseinandersetzung mit ihren neuen Kollegen/-innen überfordert; 6. die getroffene Regelung der nachgehenden Betreuung der Behinderten durch die sozialen Dienste der Werkstätten für Behinderte sich trotz der anfänglichen Problernsituationen letztlich doch als ausreichend erwiesen hat. Eine Koordination eines solchen Beschäftigungsprogramms ist jedoch besonders bei einem größeren Teilnehmerkreis erforderlich."(RUNDE u. RÜB 1989: 20) Es ist also festzustellen, daß das Projekt zwar nicht problemlos, aber erfolgreich verlief Dies gilt um so mehr, als die von RUNDE u. RÜB ausgesprochene Warnung, "daß eine Nichtweiterführung des Projektes, mithin also eine fehlende, finanzielle Absicherung der zusätzlichen Stellen, ... für die persönliche und soziale Situation der beteiligten behinderten Mitarbeiter/-innen große Probleme mit sich bringen würde" (1989: 13) nicht ungehört blieb und durch das Projekt 1989 bereits fünfunddreißig (WESTEMANN 1989) und 1992 fünfzig (GENIUS et al. 1993) behinderte Menschen, die ehemals in der WfB plaziert waren, nunmehr im allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Dieser knappe Überblick belegt zunächst für Hamburg, daß mit entsprechenden Programmen der Kommunen und der Länder5 eine nicht unerhebliche Anzahl von Behinderten in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden konnte und damit u.a. zur Erfüllung der Beschäftigungsquote nach dem SchwbG beigetragen wurde. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß die Ergebnisse in anderen Städten anders sein sollten. 5.2

Beschäftigung Schwerbehinderter durch die Kommunen

Der Deutsche Städtetag hat 1992 untersucht, in welchem Umfang die Mitgliedskommunen ihre Beschäftigungspflicht erfüllen. Darüber hinaus wurde abgefragt was sie ggf. tun, um diese Quote zu steigern. An der Befragung haben sich 105 (=71%) der 148 Mitgliedsgemeinden in den sog. alten Bundesländern beteiligt. Es zeigte sich, trotz gesetzlicher Verpflichtung erfüllen nur 71 % der Gemeinden, die sich beteiligt haben, ihre Beschäftigungspflicht. Bei aller Vorsicht, die bei 5

Hamburg ist Stadtstaat

Pauschalurteilen angebracht ist, bleibt doch anzumerken, daß diese Frage der Neueinstellung von schwerbehinderten Menschen für die Städte offensichtlich keine hohe Priorität besitzt. So beantworteten zwar die Frage "ob bei der Besetzung bestimmter Arbeitsplätze - Büroboten, Registratur, Telefondienst, Empfang, Bauhof, Gärtnerei an die Besetzung durch besonders betroffene Behinderte (Lernbehinderte, Gehörlose Blinde etc) gedacht wird" (GENIUS et al. 1993:17) immerhin 97% mit ja, allerdings "handelt es sich dabei vielfach nicht um Neubesetzungen. Die Stellen werden häufig mit langjährigen Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen besetzt, die aus gesundheitlichen Gründen ihre frühere Tätigkeit nicht mehr ausüben können." (GENIUS et al. 1993: 18). Diese nicht nur im öffentlichen Dienst geübte Praxis ist für die betroffenen Menschen in den Betrieben sicher sehr sinnvoll und bietet eine relative Gewähr dafür, daß man als langjähriger Mitarbeiter auch im Falle des Auftretens einer Behinderung im Betrieb verbleiben kann. Dies ist um so wichtiger, wenn man bedenkt, daß nach Ansicht der IGM (1994) immerhin 80% aller Behinderungen durch Unfälle oder Langzeitschäden im Betrieb entstehen. Allerdings trägt es nicht dazu bei, mehr behinderte Menschen erstmals in den Betrieb einzustellen. Dazu bedarf es weitergehender Anstrengungen. Die Frage, ob für schwerbehinderte Personen Stellen nach besonderer Regelung im Stellenplan vorhanden sind," ... "(GENIUS et al. 1993: 18) haben zwar alle 105 Städte beantwortet, aber nur 31 % der Städte haben solche Stellen eingerichtet. "Diese Schwerstbehinderten-Stellen dienen dazu, das Anforderungs- und Fähigkeitsprofil behinderter Arbeitnehmer in einer Eingliederungs- oder Anlernphase zu ermitteln, ohne jedoch den Stellenplan der einzelnen Fachabteilungen bereits während dieser Phase zu belasten." (GENIUS et al. 1993: 18) Das Ergebnis ist ernüchternd. Während in einigen Städten (z. B. Bielefeld, Bremen, Bremerhaven, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Kassel, Kiel, Köln Ludwigshafen, München, Nürnberg und Stuttgart - (GENIUS et al. 1993) besondere Programme zur Eingliederung Schwerbehinderter aufgelegt wurden, in Hamburg sogar mit der ausdrücklichen Zielgruppe behinderte Menschen aus der WfB, scheinen die anderen Kommunen an diesem Problem weniger Interesse zu haben, Da kann es auch nicht verwundern, daß "die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter im Bereich des öffentlichen Dienstes erheblich abgesunken (ist - d. V.). Die öffentlichen Arbeitgeber in den alten Bundesländern beschäftigten 1990 nur 5,7% Schwerbehinderte und lagen damit bereits unter der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtquote des § 5 SchwbG. "(GENIUS et al. 1993: 34) Es ist zu befürchten, daß im Rahmen weiterer sog. Effizienzsteigerung im öffentlichen Dienst und der weiteren Privatisierung öffentlicher Betriebe diese Quote stärker sinken wird. Auf der anderen Seite zeigt das Zehn-Stellen-Programm, daß gerade auch Verwaltungen und Betriebe der öffentlichen Hand Arbeitsstellen für schwerbehinderte und auch für wesentlich behinderte Menschen aus den WfB anbieten können.

6.

Schlußbemerkungen

Ich habe in dieser Arbeit Möglichkeiten zur Beschäftigung auch wesentlich Behinderter außerhalb der WflB aufgezeigt. Nach meinem Wissen haben seit Bestehen der Bundesrepublik drei große Chancen bestanden, die ausschließliche Förderung und Beschäftigung Schwerbehinderter in WfB zu vermeiden. - Die erste Möglichkeit bestand mit der Einführung des Schwerbeschädigtengesetzes (1953). Wäre bereits damals die finale Ausrichtung des Schwerbeschädigtengesetzes oder zumindest die

gezielte und subventionierte Öffnung der Schwerbeschädigtenbetriebe für Zivilgeschädigte verwirklicht worden, wäre dies ein Weg zur mehr beruflicher Wahlfreiheit Behinderter von Anfang an gewesen. - Die zweite Chance zur Realisierung von mehr Wahlfreiheit bestand 1974. Die neue sozialdemokratische Regierung, der wir das fortschrittliche Schwerbehindertenrecht ja erst verdanken, hätte in der Frage der Plazierung Schwerbehinderter andere Wege gehen und Alternativen neben der Werkstatt ermöglichen müssen. Dies wäre unter dem Reformeifer der 70er Jahre nur konsequent gewesen. Eine Möglichkeit wäre gewesen, die Vorschläge des Arbeitgeberverbandes, die WfB auch in die bestehenden Betriebe zu integrieren, aufzugreifen. - Die dritte Möglichkeit hat im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Jahr der Behinderten bestanden. Hätten Politiker (spätestens) dort begonnen mit den Behinderten, also auch denen die gegen die Veranstaltungen demonstrierten und eine andere Behindertenpolitik forderten, gesprochen, statt über sie, und hätten sie sie nicht länger als Objekte behandelt, es hätte die Chance bestanden, gemeinsam neue Wege zu gehen. Anlaß zur Hoffnung, daß die Wahlfreiheit nun doch Wirklichkeit wird, geben die in letzter Zeit vermehrt entstehenden Initiativen, die den allgemeinen Arbeitsmarkt für die Behinderten erschließen. Es ist allerdings zu befürchten, daß der weitere Ausbau der neuen Projekte an der aktuellen Haushaltssituation scheitert. Deshalb gilt gerade heute, was der Niedersächsische Sozialminister Walter Hiller gesagt hat: “Notwendig und überfällig ist eine sozialpolitische Reformdebatte heute, die dem enormen Bedarf an politischer Orientierung jenseits des allfälligen Verzichts auf den Ausbau des Sozialstaates Rechnung trägt. Diese Debatte darf sich nicht auf vorgebliche Sachzwänge festlegen lassen und sie darf die Binsenweisheit nicht verdrängen. Sozialpolitik und ihre Finanzierung sind in erster Linie Verteilungspolitik und damit gesellschaftliche Machtpolitik.“ (HILLER 1993.- 18) Ich würde mich freuen, wenn die Broschüre mittelbar dazu beitragen kann, daß der Machtkampf um die Verteilung der vorhandenen Mittel zu dem Ergebnis führt, daß nicht nur für behinderte Menschen, weiterhin und verstärkt Selbstbestimmung, Integration, Partizipation und Normalisierung, auch in beruflicher Hinsicht, Ziel der Politik bleiben.

7.

Literaturverzeichnis

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Herausgegeben vom Behindertenbeauftragten des Landes Niedersachsen Postfach 141, 30001 Hannover Mai 1996 Schriftenreihe Band 15 Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier Druck: Nds. Landesverwaltungsamt Abt. A