FAKTEN. COPD Chronisch obstruktive Lungenerkrankung von Frank Richling
1. Auflage
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Thieme 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 143621 4
54 8 Therapie der COPD
FAQ4
! Hinweis: Zur Therapie der COPD gehören: 9 Prävention (S. 54). 9 Medikamentöse Therapie (S. 60). 9 Nicht medikamentöse Behandlung: – Patientenschulung (S. 84). – Physiotherapie (S. 87). – Körperliches Training/Lungensport (S. 88). – Langzeitsauerstofftherapie (S. 90). – Heimbeatmung (S. 93). 9 Operative Behandlung (S. 95). 9 Therapie der Exazerbation: – Medikamentöse Therapie der exazerbierten COPD (S. 99). – Nichtmedikametöse Therapie der exazerbierten COPD (S. 124). Ist eine COPD nach Aufgeben des Rauchens reversibel bzw. heilbar? Nein, die entstandene Einschränkung der Lungenfunktion (am besten zu messen an der FEV1, s. S. 21) bleibt bestehen, da die strukurellen Veränderungen des Lungengewebes irreversibel sind. Durch den absoluten Verzicht auf Nikotin normalisiert sich aber die weitere Abnahme der Lungenfunktionseinschränkung auf altersentsprechende Werte (S. 22) und ein Fortschreiten der Erkrankung kann verhindert werden. Daher ist die Nikotinabstinenz die wichtigste Therapiemaßnahme der COPD!
8.1 Prävention ! Tipp: „Wer mit dem Rauchen nicht anfängt, muss es sich auch nicht mühsam abgewöhnen.“
Präventionsziele § Verhinderung des Rauchens soll durch Gesundheitserziehung und aufklärung in Schulen, Medien, Orten des öffentlichen Lebens sowie reglementierende Gesetzesinitiativen erreicht werden. ! Hinweis: Der Verzicht auf Rauchen ist die effektivste Maßnahme zur Verminderung des COPD-Risikos, da es den Progress einer bestehenden COPD reduziert und zur Verminderung der jährlichen Abnahme aus: Richling, COPD (ISBN 3131436212) © 2006 Georg Thieme Verlag
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der FEV1 auf physiologische Werte führt (S. 22). Außerdem senkt der Rauchverzicht das Risiko, an einem Bronchialkarzinom zu erkranken. § Infektprophylaxe durch Schutzimpfung (S. 58). § Minderung der beruflichen Gasexposition (SO2, SH, NOx, O3, Chlorgas, Phosgen, Formalin etc.), Dampf- und Staubinhalation (Bergbau) mit bronchialbaumgängiger Partikelgröße.
Hinweis: Ein Fortschreiten der Einschränkungen in der Lungenfunktion lässt sich durch keine medikamentöse Therapie erreichen. Allein das Aufgeben des Rauchens führt zur Prognoseverbesserung, Symp tomminderung (Husten, Auswurf und Dyspnoe) und vermindert das Fortschreiten lungenfunktioneller Einschränkungen. Damit ist die Raucherentwöhnung die wichtigste Therapiemaßnahme bei der Behandlung der COPD.
FAQ5
Hilft es, auf so genannte „Light-Zigaretten“ umzusteigen? Nein, Light-Zigaretten sind genauso gesundheitsschädigend wie „normale“ Zigaretten. Die niedrigeren Nikotin- und Kondesatwerte in den Light-Zigaretten kommen durch kleine Löcher in den Filtern zustande, so dass die Rauchautomaten durch Ansaugen von Luft niedrigere Werte berechnen. Beim Rauchen verschließt der Mensch diese Löcher allerdings mit seinen Fingern, so dass der Raucher mehr Nikotin und Schadstoffe einatmet als die Maschine. Außerdem inhaliert der Raucher häufig unbewusst tiefer als beim Rauchen einer normalen Zigaretten, um seinen Nikotinspiegel aufrechtzuerhalten – oder er raucht einfach mehr Zigaretten.
FAQ6
Raucherentwöhnung
§ Durch die Kombination von ärztlicher Beratung und verhaltenstherapeutischen Programmen mit einer Nikotinersatztherapie kann das Langzeitergebnis von Raucherentwöhnungsprogrammen gesteigert werden. § Ärztliche Beratung: 9 Sie soll den Patienten über die Folgen des Rauchens aufklären: Rauchen erhöht z.B. das Risiko für chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (90% der COPD durch Nikotinabusus!), Krebserkrankungen (z.B. Bronchialkarzinom [90% durch Rauchen!], Harnblasenkarzinom, Mundhöhlenkarzinom, Ösophaguskarzinom, Pankreasaus: Richling, COPD (ISBN 3131436212) © 2006 Georg Thieme Verlag
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karzinom), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z.B. KHK, Hypertonie), Gefäßerkrankungen (z.B. pAVK, Schlaganfall) und Infertilität. ! Hinweis: 1/3 aller Krebserkrankungen und 5 Millionen Todesfälle weltweit/Jahr gehen auf das Konto des Rauchens! 9 Sie soll dem Patienten seine individuelle Nikotingefährdung unter Einbeziehung von Komorbidität und Risikoprofil verdeutlichen. 9 Sie soll dem Patienten die Vorteile einer Nikotinabstinenz nahe bringen (Motivationsförderung!). 9 Sie soll den Patienten bei raucherentwöhnenden Maßnahmen unterstützen. 9 Sie soll Ratschläge zu Entwöhnungsproblemen, wie z.B. das Erkennen von potenziellen Rückfallsituationen geben. 9 Sie soll den Patienten zu Führen von „Rauchertagebüchern“ als verhaltenstherapeutisches Instrument motivieren. ! Hinweis: Hierbei kann das so genannte ABC-Schema angewendet werden. A steht für auslösende Situation, B für Bewertung der Situation und C für Konsequenz. Ausgegangen wird von der Konsequenz (C), also dem Griff zur Zigarette. Als Nächstes folgt die Analyse der auslösenden Situation (A), die den Patienten nach der Zigarette greifen lässt (z.B. Stresssituationen wie Prüfungen). Im nächten Schritt soll der Patient diese Situation bewerten (B) und überlegen, ob es eventuell andere Lösungsstrategien als Alternative zum Rauchen gibt. Wichtig ist, dass der Patient erkennt, dass der Griff zur Zigarette nur kurzfristig eine positive Konsequenz durch Erleichterung der Auslösesituation darstellt, sich langfristig aber in jedem Falle negativ durch die Suchtentwicklung und Gesundheitsgefährdung auswirkt. 9 Sie soll den Patienten an professionelle verhaltenstherapeutische Maßnahmen anbinden. 9 Sie soll dem Patienten verdeutlichen, dass eine langsame Reduktion der Zigarettenanzahl eine nicht erfolgversprechende Methode ist. 9 Sie soll den Patienten nach gescheiterten Entwöhnungsversuchen ermuntern, es noch einmal zu probieren. § Nikotinsubstitution: ! Hinweis: Nikotin ohne Tabakrauchbeimengungen hat keine nachgewiesene karzinogene Wirkung und vermag die Entzugssymptomatik (Tab. 8.1) durch vorübergehende Substitution zu mildern. Anschließend erfolgt ein langsames Ausschleichen.
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8.1 Prävention Tabelle 8.1 Nikotinentzugssymptome psychische Entzugssymptome
vegetative Entzugssymptome
• Dysphorie • Schwermütigkeit • Angst • Konzentrationsstörungen • Erregbarkeit • Frustration • Zorn • Ungeduld • „Craving“ nach Nikotin
• Schlaflosigkeit • niedrige Herzfrequenz • gesteigerter Appetit • Gewichtszunahme
Tabelle 8.2 Nikotinsubstitution HN
Pflaster: Nicorette® 8,3/16,6/24,9/35 mg ; Nikofrenon® 10/20/30mg; NiQuintin® 7/14/21 mg Kaugummi: Nicorette®, Nicotinell®, alle: 2/4 mg/Kaugummi
Ind/ Dos
Raucherentwöhnung: Pflaster: Nicorette®: Initial 24,9mg Pflaster jeden morgen, nach 3 Wochen 16,6mg Pflaster für 2–3 Wochen dann für weitere 2–3 Wochen 8,3 mg; Nikofrenon® : Bei bisher > 20 Zigaretten/d Beginn mit Stärke 30 für 3–4 Wochen, dann Nikofrenon® 20 für 3–4 Wochen und 10 für weitere 3–4 Wochen (bei bisher < 20 Zigaretten/d Beginn mit Nikofrenon® 20 NiQuintin® : Bei bisher > 10 Zigaretten/d Beginn mit 21mg für 6 Wochen, dann 14 mg für 2 Wochen und 7mg für weitere 2 Wochen (bei bisher < 10 Zigaretten/d Beginn mit 14 mg) Kaugummi: 8 –12 × 4mg/d (bei bisher > 20 Zig. /d), max. 16 Kaugummis/d für 4–6 Wochen, dann schrittweise reduzieren
NW
Hauterscheinungen (Pflaster); GIT-Beschwerden, GIT -Ulcera, KS, psychovegetative Störungen, Gewichtszunahme
KI
Myokardinfarkt (innerhalb der letzten 3 Monate), instabile Angina pectoris, Prinzmetal-Angina, schwere HRST, akuter Schlaganfall
WW
Keine wesentlichen bekannt
HI
• Kaugummi: 15 min vor und nach dem Einsatz weder Kaffee noch Säfte trinken, um die Absorption nicht zu reduzieren
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! Hinweis: Während der Behandlung dürfen die Patienten wegen der Gefahr einer Überdosierung nicht rauchen! Die Pflasteranwendung führt zu einer besseren Compliance. 9 Präparate und Dosierungen: Siehe Tab. 8.2. § Das Antidepressivum Bupropion kann in Kombination mit Beratung und Nikotinersatztherapie die Entwöhnungsrate steigern. 9 Wirkmechanismus: Bupropion ist ein Amphetaminvariante (Amfebutamon), das die Aufnahme von Noradrenalin, Dopamin und in geringem Maße auch von Serotonin hemmt. Der Wirkungsmechanismus zur Nikotinentwöhnung ist ungeklärt. 9 Tagestherapiekosten: 1,30–2,60 €. 9 Präparat und Dosierung: Siehe Tab. 8.3. Tabelle 8.3 Buprion HN
p.o.: Zyban® 150mg/Retard-Tbl
Ind/ Dos
Raucherentwöhnung: 150mg/d für 7–9 Wochen, ggf. nach 1 Woche Dosissteigerung auf 2 × 150mg/d
NW
Schlaflosigkeit (bis 42 %), Mundtrockenheit, psychovegetative Störungen, GIT-Störungen
KI
epileptische Anfälle, Bulimie und Anorexie, schwere Leberzirrhose, in Kombination mit MAO-Hemmern
WW
Cimetidin, Cyclophosphamid, Valproinsäure (Bupropion-Plasmaspiegel ↑)
Schutzimpfungen § Influenza-Schutzimpfung: 9 Indikationen: Die jährliche Impfung wird wegen der erheblich Reduktion der Mortalität und sekundär auftretenden Pneumonien bei allen Patienten mit COPD im Herbst mit dem jeweils aktuellen Impfstoff empfohlen. § Pneumokokkenimpfung: 9 Indikationen: Die Pneumokokkenimpfung wird für alle COPDPatienten empfohlen (Wiederholungsimpfung alle 6 Jahre!). Die Impfwirksamkeit gegen die bakteriämische Form der Pneumokokkenpneumonie, die mit einer hohen Mortalität einhergeht, ist nachgewiesen. Der Einfluss auf die Exazerbationshäufigkeit bei COPD-Patienten ist allerdings unklar. aus: Richling, COPD (ISBN 3131436212) © 2006 Georg Thieme Verlag
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HN
2005/2006 : Grippeimpfstoff (Generika), Influsplit SSW®, Mutagrip®
Ind/ Dos
Influenzaimpfung: i.m.: 1 × 0,5 ml im Herbst
NW
1–10 %: Lokale Reaktionen, Fieber, Schüttelfrost, Müdigkeit, KS, Muskel- und Gelenkschmerzen. 0,1–1 %: Generalisierte Hautreaktionen, einschließlich Pruritus, Urtikaria 0,01–0,1 %: Neuralgie, Parästhesie, Krämpfe, vorübergehende Thrombozytopenie, allergische Reaktionen bis Schock < 0,01 %: Vaskulitis mit vorübergehender Beteiligung der Nieren, Enzephalomyelitis, Neuritis und Guillain-Barré-Syndrom
KI
Überempfindlichkeit gegen einen arzneilich wirksamen Bestandteile (z.B. Hühnereier/Hühnereiweiß, Kanamycin- und Neomycinsulfat, Formaldehyd und Cetyltrimethylammoniumbromid [CTAB]), akute behandlungsbedürftige oder fieberhafte Erkrankungen bzw. Patienten, die sich in der Erholungsphase nach einer Krankheit befinden
WW
keine wesentlichen bekannt
HI
• Impfkosten ca. 18 € • Jährliche Impfung wegen Virusmutation notwendig • Schützt nicht vor einer Erkältung ! Hinweis: Schwangerschaft und Stillzeit: Bei Indikation Impfung möglich und angebracht!
Sind Impfungen bei COPD sinnvoll? Ja! COPD Patienten sind in besonderem Maß durch Infekte der Atemwege und der Lunge gefährdet. Jeder Patient mit einer COPD sollte deshalb jedes Jahr an einer Grippeschutzimpfung teilnehmen. Auch die Impfung gegen häufige Erreger der Lungenentzündung (Pneumokokken) ist anzuraten, sie erfolgt gewöhnlich alle 6 Jahre. Die Impfung kann durch den Hausarzt oder Lungenfacharzt erfolgen. Bei akuten Infekten sollten diese erst ausgeheilt sein, bevor eine Impfung erfolgt.
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FAQ7
Tabelle 8.4 Influenzaimpfstoff
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8 Therapie der COPD Tabelle 8.5 Pneumokokken-Impfstoff HN
i.m./s.c.: Pneumovax® 23
Ind/ Dos
Pneumokokkenimpfung: i.m. oder s.c: 1 × 0,5 ml alle 6 Jahre
NW
> 10 %: Fieber, lokale < 0,01 %: Zellulitis an der Injektionsstelle in kurzem zeitlichem Abstand zur Impfung ohne Häufigkeitsangabe: GIT-Beschwerden, Lymphadenitis, Thrombozytopenie bei Patienten mit stabilisierter idiopathischer thrombozytopenischer Purpura, hämolytische Anämie bei Patienten, die bereits früher hämatologische Erkrankungen hatten, anaphylaktoide Reaktionen, Serumkrankheit, Angioödem, Arthralgien, Arthritis, Myalgien, Kopfschmerzen, Parästhesien, Radikuloneuropathien, Guillain-Barre-Syndrom, Ausschlag, Urtikaria
KI
Überempfindlichkeit gegen einen der Impfstoffbestandteile, schwere, mit Fieber einhergehende oder eine andere akute Erkrankung
WW
keine wesentlichen bekannt
HI
• Impfkosten ca. 35 € • Kombination mit Influenzaimpfung möglich, aber unterschiedlicher Injektionsort
8.2 Medikamentöse Langzeittherapie bei stabiler COPD Therapieziele § § § §
Besserung der Symptome Husten, Auswurf, Dyspnoe. Reduktion und Prävention von Exazerbationen. Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Verbesserte Lebensqualität.
Stufenschema der COPD ! Hinweis: Die Langzeittherapie der stabilen COPD orientiert sich an einem Stufenschema, das den Schweregrad der COPD (S. 47, Tabelle 6.6) zugrunde legt.
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