DIE NEUE ZAHLUNGSBILANZ 2006 Herausforderung für Statistik & Wirtschaft

Liebe Mitglieder, als kleines Land ist Österreichs Wirtschaft in besonderem Maße international ausgerichtet. Insbesondere in den letzten Jahren konnte Österreich von den Rahmenbedingungen profitieren und seine Stellung in einem dynamischen Umfeld behaupten bzw. zum Teil sogar ausbauen. Wie aus der von der Oesterreichischen Nationalbank regelmäßig erstellten Zahlungsbilanz hervorgeht, konnte Österreich 2004 zum zweiten Mal innerhalb der letzten 14 Jahre einen Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 0,8 Mrd. EURO oder 0,3 % des BIP erzielen. Den entscheidenden Beitrag für die Verbesserung lieferte die Güterbilanz. 2004 konnte weiters erstmals die „Direktinvestitionslücke“ geschlossen werden, d.h. die österreichischen Investoren halten gleich viel Kapital an ausländischen Unternehmen wie ausländische Anleger in Österreich, nämlich rund 52 Mrd. EURO. Da es in den letzten Jahren zu wesentlichen Änderungen im internationalen Zahlungsverkehr gekommen ist, muss auch das System zur Erstellung der Zahlungsbilanz auf eine neue Grundlage gestellt werden, um auch weiterhin verlässliche Zahlen zur Außenwirtschaft zur Verfügung zu haben. Dass dabei nicht nur die Nationalbanken und Statistikämter, sondern auch die Außenwirtschaftstreibenden selbst betroffen sind, soll nicht verschwiegen werden.

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Bei der Konzeption der Umstellung hat sich die Wirtschaftskammer im Dialog mit der Oesterreichischen Nationalbank vehement dafür eingesetzt, die Belastung für die Unternehmen so gering wie möglich zu halten. So werden nur jene Daten von Unternehmen erfragt, die aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit unbedingt erforderlich sind und nicht auf anderem Weg gewonnen werden können. Außerdem wurde Sorge getragen, dass ein abgestuftes Schwellensystem eine Vielzahl von Unternehmen von der Meldeverpflichtung befreit. Die Wirtschaftskammer ist bemüht, alle meldepflichtigen Unternehmen bei der Umstellung frühzeitig zu unterstützen, um eine reibungslose Erstellung der Außenwirtschaftsmeldungen zu ermöglichen. Der vorliegende Informationsfolder, der in Kooperation mit der Oesterreichischen Nationalbank und Statistik Austria erstellt wurde, soll Ihnen die wichtigsten Informationen über die Neugestaltung der Zahlungsbilanz zur Verfügung stellen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei der Umstellung!

Dr. Christoph Leitl Präsident der Wirtschaftskammer Österreich

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Die Bedeutung der Außenwirtschaft Österreichs Wirtschaft ist zunehmend Teil der globalisierten Weltwirtschaft geworden. Wie groß die Abhängigkeit des österreichischen Wohlstands von Außenwirtschaftsaktivitäten inzwischen geworden ist, zeigen die Daten der Zahlungsbilanz und der Internationalen Vermögensposition Österreichs. So ist z.B. die Summe der jährlichen Güter- und Dienstleistungsexporte und –importe Österreichs bereits größer als das österreichische Bruttoinlandsprodukt. Die Summe der grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten liegt bei mehr als dem Dreifachen der österreichischen Wirtschaftsleistung.

schreitender Arbeit, Vermögenseinkommen aus grenzüberschreitenden Investitionen sowie Transferzahlungen wie Pensionen und dergleichen. Erfasst werden auch Vermögensübertragungen wie Schenkungen, Patente und Lizenzen.

Der finanzwirtschaftliche Teil umfasst Direktinvestitionen (grenzüberschreitende Unternehmensbeteiligungen ab 10%), Portfolioinvestitionen (Wertpapierveranlagungen), Finanzderivate (Geschäfte am Terminmarkt), sonstige Investitionen (Kredite und Einlagen) und die Währungsreserven.

Wissenswertes zur Zahlungsbilanzstatistik Was ist die Zahlungsbilanz? Eine Zahlungsbilanz ist die systematische Darstellung der Wirtschaftsbeziehungen eines Staates oder eines Wirtschaftsraums mit der restlichen Welt.

Woraus besteht die Zahlungsbilanz? Die Zahlungsbilanz gliedert sich in zwei Hauptteile – die Leistungsbilanz, die überwiegend realwirtschaftliche Transaktionen erfasst und zeigt, wie sich die Exporte und Importe (im weiteren Sinne) eines Landes entwickeln, und die Kapitalbilanz, die zeigt, wie sich das Land finanziert bzw. wie es investiert: Zum realwirtschaftlichen Teil gehören unter anderem Warenimporte und -exporte, der Austausch von Dienstleistungen, Einkommen aus grenzüber-

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Wozu überhaupt noch eine nationale Zahlungsbilanz? Auch im gemeinsamen Währungsraum bleiben wesentliche Teile der Wettbewerbs-, Struktur- und Finanzmarktpolitik in nationaler Verantwortung. So werden insbesondere für die Förderung der Außenwirtschaft weiterhin verlässliche und aussagekräftige Daten benötigt.

Die österreichische Zahlungsbilanz ist auch ein Baustein der Außenwirtschaftsstatistik der EU bzw. des Euroraums insgesamt, die ein wichtiger Indikator der Währungs- und Wechselkurspolitik ist. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB-Rat) stützt seine währungspolitischen Entscheidungen auf dieses statistische Material, das aus den Informationen der nationalen Zentralbanken gebildet wird.

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Das neue Meldesystem Warum wird das System umgestellt? Bisher beruht die Erstellung der österreichischen Zahlungsbilanz auf Meldungen der Banken über ihre eigenen Transaktionen und jene ihrer Kunden mit dem Ausland. Diese Informationen werden schon heute durch Direktmeldungen der Unternehmen und Befragungen ergänzt. Die gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gewährleistet dabei die hohe Qualität der heimischen Außenwirtschaftsstatistik. In Zukunft müssen Außenwirtschaftstransaktionen direkt von den Wirtschaftstreibenden gemeldet werden. Mehrere Entwicklungen machen diese Umstellung notwendig:

Wann kommt das neue Meldesystem? Die Umstellung erfolgt zum Meldestichtag 1. Jänner 2006.

Wer muss melden und was muss gemeldet werden?

• In Folge der EU-Verordnung über grenzüberschreitende Zahlungen in Euro ist eine Anhebung des Schwellenwerts für Bankenmeldungen zum Zwecke der Zahlungsbilanz von derzeit 12.500 auf 50.000 EURO geplant. Damit kann ein großer Teil der österreichischen Außenwirtschaft über die bisherige Erhebungsart nicht mehr erfasst werden.

Zu melden sind Dienstleistungsexporte und -importe, Firmenbeteiligungen österreichischer Unternehmen im Ausland sowie ausländische Beteiligungen in Österreich (Direktinvestitionen), Wertpapierveranlagungen (Portfolioinvestitionen), grenzüberschreitende Finanzierungen (Sonstige Investitionen) und damit verbundene Einkommen sowie Transaktionen auf Terminmärkten.

• Die dynamische Entwicklung des Auslandszahlungsverkehrs erfordert ständige Adaptionen im bestehenden Erhebungssystem, was wiederum Mehrkosten bei der OeNB und den Meldern verursacht.

Ziel bei der Erarbeitung des neuen Meldesystems war, mit einer möglichst geringen Belastung der Meldepflichtigen ein hohes Maß an Genauigkeit und Aussagekraft der Zahlungsbilanzstatistik zu erreichen. Zur Bestimmung der Anzahl der meldepflichtigen Unternehmen wurden deshalb Meldegrenzen ermittelt, die einen ausreichenden Abdeckungsgrad der heimischen Wirtschaft ermöglichen.

• Neue Zahlungsmodalitäten großer Unternehmen (wie z. B. Cash Pooling) schränken die statistische Aussagekraft von Bankzahlungen zunehmend ein. Das macht bereits heute in wachsendem Ausmaß Erhebungen direkt bei den Unternehmen notwendig.

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Kurz gesagt: Vor allem innerhalb des Euroraums werden Auslandszahlungen immer einfacher und billiger, die Meldungen der Banken können dadurch aber in Zukunft nicht mehr als verlässliche Grundlage für die Zahlungsbilanz dienen. Die Informationen über Auslandstransaktionen müssen deshalb direkt bei den Wirtschaftstreibenden eingeholt werden.

Die Meldegrenzen, die für den Kapitalverkehr mit dem Ausland Anwendung finden, sind der Meldeverordnung „ZABIL 1/2004“ der OeNB zu entnehmen,

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Das neue Meldesystem jene für den realwirtschaftlichen Bereich, welcher die grenzüberschreitenden Dienstleistungen erfasst, gehen aus der Meldeverordnung „ZABIL 1/2005“ hervor. Die Meldegrenzen sind in den Verordnungen wie folgt festgelegt: Dienstleistungsexporte oder –importe: • abhängig von der Wirtschaftstätigkeit gemäß ÖNACE 2003 • entweder 50.000 oder 200.000 EURO/Jahr • jeweils für Importe oder Exporte getrennt Direktinvestitionen: • Meldungen von Umsätzen im Anlassfall: 100.000 EURO pro Geschäftsfall • Jahresbefragung: die meldepflichtigen Unternehmen werden von der OeNB angeschrieben Portfolioinvestitionen: • Wertpapiere, die nicht auf Depot bei einer inländischen Bank gehalten werden • Jahresmeldungen ab einem Jahresendstand von 5 Mio. EURO • Quartalsmeldungen ab einem Jahresendstand von 30 Mio. EURO Finanzderivate: • 1 Mio. EURO saldierte Zahlungsein- und ausgänge in einem Monat • Spezielle Meldungen von Unternehmen, die nach IAS bilanzieren Sonstige Investitionen und Handelskredite • ab 3 Mio. EURO Forderungen oder Verpflichtungen zum Monatsultimo Liegenschaften und Vermögensübertragungen • 100.000 EURO pro Geschäftsfall

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Insgesamt sind ab 1. Jänner 2006 ca. 7.000 Unternehmen in Österreich Teil der Erhebung für die Erstellung der österreichischen Außenwirtschaftsstatistik. Rund 4.500 werden zum Dienstleistungsverkehr mit dem Ausland von der Statistik Austria im Auftrag der OeNB befragt; rund 3.500 Firmen werden über ihren Kapitalverkehr mit dem Ausland gegenüber der OeNB meldepflichtig sein.

Welchen Nutzen hat der Melder? Über die gesetzliche Verpflichtung zur Meldungslegung hinaus profitieren die Melder selbst von der statistischen Erhebung: • direkt, weil die meldenden Unternehmen selbst auf wertvolle Informationen für ihre Geschäftstätigkeit aus dem umfangreichen statistischen Datenbestand der OeNB und der Statistik Austria zurückgreifen können; • und indirekt, weil die Zahlungsbilanz eine Vielzahl von Funktionen für die Gesamtwirtschaft erfüllt und international als Aushängeschild für den Wirtschaftsstandort Österreich dient. Jeder, der eine ordnungsgemäße Meldung zur Zahlungsbilanz abgibt, unterstützt die Erstellung eines zentralen Instruments der Wirtschafts- und Währungspolitik – und profitiert damit als Wirtschaftstreibener selbst davon. Aus dem breiten Informationsangebot der Zahlungsbilanz können Detailinformationen zu Ländern, Marktsegmenten, Finanzierungen oder Wirtschaftssektoren gewonnen werden, die als Grundlage für unternehmerische Entscheidungen und für die Arbeit von Interessenvertretungen dienen.

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Rechtsgrundlagen für die Meldepflicht Wie ist die Meldepflicht gesetzlich geregelt?

Welche internationalen Vorschriften gelten für die Zahlungsbilanz?

Auf nationaler Ebene verpflichtet das Devisengesetz 2004, insbesondere § 6 (1) und (2), die OeNB, die nationale Zahlungsbilanz und ihr verwandte Statistiken zu erstellen. Die Neufassung des Devisengesetzes bildet auch die Grundlage für die Umstellung des derzeitigen, großteils auf Bankmeldungen basierenden Erhebungssystems auf Direkterhebungen bei den Unternehmen.

Die Erstellung der Zahlungsbilanz erfolgt auf Basis internationaler Rechtsgrundlagen, welche die OeNB zu regelmäßigen Meldungen an die Europäische Zentralbank (EZB), das Statistische Zentralamt der Europäischen Gemeinschaft (EUROSTAT) und an den Internationalen Währungsfonds (IWF) verpflichten und auch Inhalte und Darstellungsform festlegen:

Die OeNB ist damit berechtigt, für statistisch Zwecke Auskünfte, Meldungen und Unterlagen von Wirtschaftstreibenden einzuholen, welche umgekehrt verpflichtet sind, diese Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus ermöglicht das neue Devisengesetz die Nutzung bereits vorhandener Statistiken, Register- und Verwaltungsdaten. Damit können Doppelmeldungen vermieden und der Aufwand für die Unternehmen beschränkt werden. Die Details der Durchführung sind in den Meldeverordnungen „ZABIL 1/2004“ und „ZABIL 1/2005“, geregelt. Erstere legt fest, wann welche Meldungen zum Kapitalverkehr mit dem Ausland (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen, Finanzderivate, Sonstige Investitionen, Vermögensübertragungen und Liegenschaften) gelegt werden müssen.

Das Zahlungsbilanz-Manual des IWF betrifft die Methodologie der Erstellung der Zahlungsbilanz-Statistik und beschreibt Inhalte und Definitionen. Nähere Spezifikationen durch EU und EZB bestimmen die Lieferverpflichtungen der Nationalstaaten. Neben einer EZB-Leitlinie gibt es seit 2005 eine EU-Verordnung. Der Kommissionsentwurf für diese Verordnung wurde für das neue Meldesystem in Österreich bereits berücksichtigt. Ebenfalls zu berücksichtigen sind die internationalen Vorgaben (Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG 1995) für volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

Die Meldeverordnung „ZABIL 1/2005“ betrifft die Meldungen zum grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr, die darin nach Inhalten und Meldeperioden beschrieben sind.

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Was sind die Grundprinzipien des neuen Systems?

Die Aufgabenverteilung zwischen der OeNB und Statistik Austria

Einerseits:

Die Rolle der OeNB im Rahmen der Zahlungsbilanzstatistik

• Erfüllung der internationalen Lieferverpflichtungen gegenüber der Europoäischen Zentralbank (EZB), der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) • Sicherung des Qualitätsstandards der reichischen Außenwirtschaftsstatistik

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Andererseits: • Weitest mögliche Aufwandbeschränkung bei den Unternehmen • Verlagerung von Aufwand (für Schätzungen und eigene Berechnungen) auf die OeNB durch Anpassung der Meldeanforderungen an die in den Unternehmen vorhandenen Informationen • So weit wie möglich Verwendung von öffentlichen Verwaltungsdaten • Nutzung von Synergieeffekten durch Kooperation mit Statistik Austria • Festlegung von Meldegrenzen und Bildung von Stichproben

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Die OeNB ist gesetzlich verpflichtet, die Zahlungsbilanz und deren verwandte Statistiken für Österreich zu erstellen. Rechtsgrundlage hierfür ist das Devisengesetz 2004. Dieses berechtigt die OeNB, die zum Zwecke der Erstellung der Zahlungsbilanz erforderlichen Informationen von Unternehmen und privaten Personen einzuholen. Umgekehrt sind die Wirtschaftstreibenden verpflichtet, diese Auskünfte zu erteilen. Darüber hinaus kann die OeNB Daten, die bereits für andere Zwecke an öffentliche Stellen gemeldet wurden, nutzen. Alle Informationen dürfen nur für statistische Zwecke verwendet und nur in anonymisierter Form veröffentlicht werden.

Die Rolle von Statistik Austria Die Verantwortung für die Erstellung der nationalen Zahlungsbilanz-Statistik und die Erfüllung der Anforderungen internationaler Organisationen verbleibt weiterhin bei der OeNB. Mit der Einführung des neuen Meldesystems wird die OeNB bei der Erstellung der Zahlungsbilanz jedoch stärker als bisher mit Statistik Austria zusammenarbeiten. Damit sollen Synergieeffekte realisiert und die Kosten für die Wirtschaft als Melder durch Vermeidung von Doppelmeldungen und zusätzlichen Befragungen minimiert werden.

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Die Aufgabenverteilung zwischen der OeNB und Statistik Austria

Weiterführende Informationen

Wer übernimmt welche Aufgaben?

Fragen allgemeiner Natur:

Die Aufgabenteilung zwischen den beiden Institutionen entspricht ihren traditionellen Kompetenzfeldern. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit von Statistik Austria im Bereich der Realwirtschaft und damit überwiegend bei Dienstleistungen, jener der OeNB bei der Finanzwirtschaft und damit bei allen Finanztransaktionen.

wko.at bzw. wko.at/statistik/zabil

Fragen zur Leistungsbilanz (grenzüberschreitende Dienstleistungen): www.statistik.at bzw. www.netquest.at (Fragebögen-Portal) oder unter der Hotline: 01-71128-7272

Fragen zur Zahlungsbilanz insgesamt und zur Kapitalbilanz im Speziellen (Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen, Finanzderivate, Sonstige Investitionen und Handelskredite, Liegenschaften und Vermögensübertragungen): www.zahlungsbilanz.oenb.at oder unter der Hotline: 01-404 20-4444

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