Das Modell des Kantons Waadt Erste Bilanz Oscar Tosato Vorsteher des Departements Kinder, Jugend und sozialer Zusammenhalt

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Vision und Strategie des Kantons Waadt «Gegen das Anwachsen der Dossierzahlen angehen» 1. Regimes schaffen, die vorher greifen: 1. 2.

Ergänzungsleistungen für Familien AHV-Überbrückungsrenten

2. Erwerbstätigkeit und Bildung fördern: • Verstärkte Zusammenarbeit mit den RAV • Harmonisierung Sozialhilfe – Lehrstellenbörsen • Entwicklung von Eingliederungsmassnahmen

3. Verschiedene andere Massnahmen, zum Beispiel Betrugsbekämpfung 2

Vision und Strategie der Stadt Lausanne «Sozialhilfebeziehenden eine neue Chance bieten» 1. Den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern die Aufgabe der Eingliederung übertragen, keine Berechnung und Bewilligung von Sozialhilfe 1. 2.

Vollständige Reorganisation des Dienstes Fortbildung der Sozialarbeitenden

2. Den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern als Generalisten Expertenunterstützung bieten (Entschuldung, Berufsberatung, Grundbildung für Erwachsene) 1. 2. 3.

Diversifizierung der Berufe innerhalb des Dienstes Schaffung neuer Einheiten Abschluss von Leistungsverträgen mit verschiedenen Partnern 3

Resultate 1.

Der Lausanner Sozialdienst verfügte als erstes Sozialzentrum des Kantons über ein Team von Sozialarbeitenden, das ausschliesslich für die Eingliederung zuständig ist

2.

Er konnte sämtliche Angebote des Kantons ausnutzen. Zum Beispiel: 1.

Anteil der in Massnahmen einbezogenen Sozialhilfebeziehenden verdreifacht

2.

569 Familien an Ergänzungsleistungen für Familien weiterverwiesen

3.

24,5 % der Sozialhilfebeziehenden beim RAV gemeldet (kant. Durchschnitt 18 %)

Die Nachfrage nach Sozialhilfe nimmt in Lausanne ab, während sie im Kanton weiter zunimmt 4

Anzahl Dossiers, die im Sozialdienst Lausanne und im Kanton VD ausgerichtet werden (Januar 2007 = 100)

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Die kantonalen Ergänzungsleistungen für Familien (EL Familien)

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Drei Ziele 1. Bekämpfung der Armut von Familien, die über ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit verfügen 2. Förderung der Eingliederung von Familien in die Arbeitswelt, indem ihnen ermöglicht wird, Arbeitstätigkeit und familiäre Aufgaben zu vereinbaren 3. Verringerung der Anzahl sozialhilfebeziehender Familien und deren Integration in eine anderes, ihren Bedürfnissen angepasstes Regime

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Finanzierung 1. Beiträge von Kanton und Gemeinden − «Sozialrechnung» 2. Ein Beitrag von je 0,06 % des Lohns wird von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern getragen

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Voraussetzungen für die Bewilligung 1. Wohnhaft im Kanton Waadt seit mindestens drei Jahren; 2. Aufenthaltserlaubnis (gültig oder in Erneuerung); 3. wohnt mit Kindern unter 16 Jahren im gemeinsamen Haushalt; 4. Bedarfsabhängigkeit: Die anerkannten Ausgaben der Familie müssen höher sein als das massgebliche Einkommen gemäss den gesetzlich definierten Normen.

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Leistungen Monatlich ausbezahlte Jahresleistung: Ausgleich der Differenz zwischen den Einkommen und den anerkannten Ausgaben (Betrag mit Obergrenze) Rückerstattung der Krankheitskosten: anerkannte Ausgaben, die nicht von einer anderen Versicherung übernommen werden (max. 10 000 CHF/Person/Jahr) Rückerstattung der Kosten für die Kinderbetreuung: ordentlich belegte Ausgaben (max. 10 000/Jahr)

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Kein gleichzeitiger Bezug anderer Leistungen • Gleichzeitiger Bezug von EL zur AHV/IV nicht möglich • Gleichzeitiger Bezug eines Eingliederungseinkommens (EE) nicht möglich (gelegentliche Unterstützung jedoch möglich, wenn sie dazu beiträgt, einen dauerhaften Bezug eines EE zu vermeiden)

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EL Familien und EE EL Familien •

Jährliche Überprüfung der

Eingliederungseinkommen •

finanziellen Situation (ausserordentliche Revision bei Veränderung der



ziellen Situation •

Übernahme besonderer Ausgaben

finanziellen Situation möglich)

für Miete, Gesundheit, Kinder und

Übernahme der Kosten für Kinder-

Einkommenserwerb

betreuung, Krankheit, Invalidität •

Monatliche Überprüfung der finan-



Teilverbilligung der Krankenkassen-

Höhere Teilverbilligung der Krankenkassenprämien

prämien



Pfändbar



Pfändbar



Nicht steuerpflichtig



Steuerpflichtig 12

Entwicklung seit Inkrafttreten des neuen Regimes am 1.11.2011

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Konstanter Anstieg der Bewilligung von EL Familien EL Familien: Anzahl Bewilligungsentscheide seit Oktober 2011, Stand: Ende Quartal

Erhöhung der Ansätze für den Existenzbedarf

Erhöhung des Freibetrags auf dem Erwerbseinkommen

Erste Bilanz • EL Familien: bedarfsabhängiges Regime analog zum EE • Leistungsbeziehende sind mit ständigen Veränderungen ihrer Situation konfrontiert (Arbeit auf Abruf etc.) = mehr ausserordentliche als ordentliche Entscheide • Zahlreiche Hin- und Herbewegungen zwischen Arbeitslosigkeit – EE – EL Familien = hohe administrative Komplexität • Folge: überlastetes Regime; Unmöglichkeit, die Gesuche rechtzeitig zu behandeln; Vorschüsse EE manchmal nicht vermeidbar • Wichtigster Unterschied: – EE: «auf den Franken genau» (Rückerstattung von zu viel erhaltenen Leistungen) – EL Familien: «am einfachsten» (keine Rückerstattung von zu viel erhaltenen Leistungen)

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Erste Bilanz • Die Logik der «EL zur AHV/IV» ist nicht leicht auf eine Population von Working Poors anwendbar, die naturgemäss beruflich sehr instabil sind (keinen unbefristeten Vertrag und Vollzeitjob mehr erhalten) • Soll man die bedarfsabhängigen Sozialleistungsregimes vervielfachen oder über ein einziges vereinfachtes Regime verfügen? • Frage des Ansehens: EL sind «besser» als Sozialhilfe. Kann man das Image der Sozialhilfe verändern? 16

Fazit • Die Schaffung von «vorher greifenden» Sozialleistungsregimes hat es erlaubt, die Nachfrage nach Sozialhilfe zu senken, nicht aber die Anzahl der Leistungsbeziehenden in den bedarfsabhängigen Sozialleistungsregimes • Vorteil der EL Familien: Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Kosten • Andere Strategien (z. B. Ausbildung junger Menschen) tragen mehr zur Integration bei

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