CETA AUF EINEN BLICK: CETA ist das ausverhandelte Abkommen (noch nicht ratifiziert) zwischen der EU und Kanada. CETA ist ein wichtiger Baustein für den globalen Marktzugang europäischer Unternehmen: öffnet Märkte, schafft mehr Handel, Investitionen und Arbeitsplätze. Eine Studie des FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) spricht von einem Anstieg der österreichischen Exporte nach Kanada von 50 Prozent über acht Jahre. Dies würde zu einer Zunahme des österreichischen BIP um 0,2 Prozent (684 Mio. USD) führen. Europas Vielfalt und Lebensmodelle bleiben von CETA unberührt: hohe europäische Standards (z.B. Nahrungsmittelsicherheit) bleiben erhalten. Der vereinbarte Investitionsschutz schützt europäische Investitionen und schafft gleiche Spielregeln für die EU und Kanada. Globalisierung gestalten und Chancen des Welthandels nutzen: CETA stärkt Europas Wettbewerbsfähigkeit durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen. CETA ist beispielgebend für andere in Verhandlung befindliche Abkommen: TTIP, Freihandelsabkommen EU-Japan, Investitionsabkommen EU-China. Die Industriellenvereinigung fordert eine rasche Umsetzung von CETA.

Wien, im April 2016

1

INTENTION UND INHALT VON CETA Das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) soll den Handel mit Waren und Dienstleistungen durch den Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen (z.B. doppelte Zertifizierungs- und Produktzulassungsverfahren) weitgehend liberalisieren und somit intensivieren. Das dadurch generierte Wirtschaftswachstum kann in Europa dringend benötigte Arbeitsplätze schaffen und Wohlstand sichern. Die hohe Bedeutung von CETA liegt neben den ökonomischen Vorteilen für die exportorientierte europäische und österreichische Industrie auch in seiner beispielgebenden Wirkung für zukünftige Handelsabkommen. Dies betrifft v.a. die in Verhandlung befindlichen Abkommen EU-Japan sowie TTIP zwischen der EU und ihrem größten Handelspartner, den USA. Wirtschaftswachstum, Investitionen und Handel finden zunehmend außerhalb Europas statt. Eine aktive europäische Handelspolitik, die globalen Marktzugang schafft und faire Handelsregeln durchsetzt, ist auch für die heimische Industrie von vitalem Interesse. Die Integration aufstrebender Wirtschaftsräume, wie die im Februar 2016 unterzeichnete transpazifische Freihandelszone TPP1 zwischen Kanada, Japan, den USA und neun weiteren Pazifikanrainerstaaten, könnte zu Barrieren für heimische Exporte z.B. in den TPP-Raum führen. Diese Entwicklungen muss die Europäische Union durch Wirtschafts- und Handelsabkommen mit den global bedeutenden Wirtschaftsräumen im Interesse der europäischen Industrie ausgleichen.

KERNELEMENTE DES ABKOMMENS Abbau von Zöllen Im Rahmen von CETA wurde der bis dato ambitionierteste Abbau von Zöllen in einem europäischen Handelsabkommen vereinbart. Annähernd alle Zölle (98,6 Prozent) für europäische Exporte nach Kanada werden aufgehoben; davon 98,2 Prozent beim Inkrafttreten des Abkommens und der Rest nach einer Übergangszeit von sieben Jahren. Im industriellen Bereich werden sämtliche Zölle abgeschafft (99,6 Prozent davon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens). Derzeit liegen beispielsweise die kanadischen Zölle im Automobilbereich bei 6,1 Prozent. Die Beseitigung von Industriezöllen führt laut Berechnungen der Europäischen Kommission zu einer jährlichen Ersparnis von mehr als 470 Mio. Euro für europäische Exporteure. Abbau nicht-tarifärer Handelshürden Der kanadische Beschaffungsmarkt umfasst 12,5 Prozent des nationalen BIP und wird erstmals in einem Abkommen mit wenigen Ausnahmen umfassend und einschließlich der subföderalen Ebenen2 geöffnet. Dadurch eröffnen sich neue Chancen für europäische Unternehmen bei der Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge in Kanada.

1 2

Trans-Pacific-Partnership: Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur, Vietnam und USA. TPP steht für 800 Mio. Einwohner und 40 Prozent des globalen BIP. Provinzen, Territorien und Gemeinden tätigen 89 Prozent der öffentlichen Beschaffung in Kanada.

Wien, im April 2016

2

CETA setzt einen möglichen, freiwilligen Rahmen für engere Abstimmung zwischen der EU und Kanada auf dem Gebiet technischer Vorschriften. Diese verstärkte regulatorische Kooperation in Form eines Koordinierungsforums kann Empfehlungen für unterschiedliche Themenbereiche aussprechen, die rechtlich nicht bindend sind. Zudem soll die vereinbarte gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungsstellen in ausgewählten Bereichen (u.a. Elektro,- Elektronik- und Messgeräte) zu einer Kostenreduktion für Exporteure führen. Im Dienstleistungsbereich ist ebenfalls eine Liberalisierung vorgesehen: CETA eröffnet europäischen Unternehmen neue Möglichkeiten, indem in Branchen wie bspw. Finanzdienstleistungen, Telekommunikation oder Energie der Zugang zum kanadischen Markt geöffnet wird. Zudem soll die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen ausgebaut werden. Europäische Standards Eine Absenkung der hohen europäischen Standards in sensiblen Bereichen wie Umweltschutz oder Nahrungsmittelsicherheit durch CETA ist nicht möglich. So ist im Abkommen ausdrücklich das Bestreben beider Seiten, möglichst hohe Schutzstandards zu gewährleisten, ebenso festgehalten, wie auch das Bekenntnis etwa arbeits- und umweltrechtliche Standards nicht zu senken. Die EU und Kanada werden auch nach dem Inkrafttreten von CETA eigenständig darüber entscheiden, welche Produkte auf den jeweiligen Märkten zugelassen werden und welchen Standards sie entsprechen müssen. Dieses Recht der Vertragspartner, etwa Schutzstandards nach eigenem Ermessen festzulegen („Right-to-Regulate“), ist in CETA auch explizit festgehalten. Beispielsweise darf auch weiterhin kein hormonbehandeltes Rindfleisch aus Kanada in die EU eingeführt werden. Investitionsschutz In CETA wurden wesentliche Teile des im September 2015 seitens der Europäischen Kommission präsentierten neuen Systems der Streitbeilegung von Investoren und Staaten verankert. Dieses sieht eine öffentliche Investitionsgerichtsbarkeit, bestehend aus einem Gericht erster Instanz und einer Berufungsinstanz, vor. Die Urteile werden dabei von öffentlich ernannten Richtern gefällt, deren Qualifikation jener von Richtern bei der Welthandelsorganisation (WTO) entspricht. Auch beim Investitionsschutz wird, wie auch in anderen Bereichen, explizit das Recht der Vertragspartner, Regulierungen nach eigenem Ermessen zu erlassen, festgelegt und garantiert. Bei Vorliegen einer nicht gerechtfertigten Diskriminierung kann auf Schadenersatz, jedoch nicht auf Veränderung bestehender Gesetze geklagt werden.

Wien, im April 2016

3

STATUS QUO Im Februar 2016 wurde der finale CETA-Vertragstext vorgestellt. Dieser muss nun in weiterer Folge zur Ratifikation dem zuständigen EU-Fachministerrat und dem Europäischen Parlament vorgelegt werden. Zu klären ist, ob es sich bei CETA um ein „Gemischtes Abkommen“ handelt, welches neben Zuständigkeiten der EU auch mitgliedsstaatliche Kompetenzen berührt. Als „Gemischtes Abkommen“ müsste CETA auch den nationalen Parlamenten der 28 EU-Mitgliedstaaten zur Ratifikation vorgelegt werden. In diesem Fall käme es nach Beschluss des EU-Fachministerrates zu einer vorläufigen Anwendung jener Teile des Abkommens, welche ausschließlich EU-Kompetenzen berühren (z.B. Zollabbau).

DIE ZAHLEN, DIE CHANCEN FÜR EUROPA: Mit einem Warenhandelsvolumen von 63 Mrd. Euro (1,8 Prozent des europäischen Gesamthandels) war Kanada 2015 der elftwichtigste europäische Handelspartner. Die EU wiederum ist nach den USA und vor China der zweitbedeutendste kanadische Handelspartner (9,4 Prozent des kanadischen Gesamtwarenhandels). Der Bestand kanadischer Direktinvestitionen in Europa betrug 2013 117 Mrd. Euro, während europäische Direktinvestitionen in Kanada sich auf 225,2 Mrd. Euro beliefen. Berechnungen der Europäischen Kommission und der kanadischen Regierung gehen bei einer Umsetzung des Abkommens von einer Steigerung des gesamten bilateralen Handelsvolumens um 23 Prozent im Laufe von sieben Jahren aus.3 Damit könnte durch CETA ein jährlicher Zuwachs des BIP der EU um bis zu 11,6 Mrd. Euro und des kanadischen BIP von rund 8,2 Mrd. Euro entstehen.

DIE ZAHLEN, DIE CHANCEN FÜR ÖSTERREICH: Kanada ist nach den USA, China und Japan der viertwichtigste Überseemarkt und liegt weltweit auf Platz 22 als Exportdestination österreichischer Produkte. 2015 erreichten die heimischen Exporte nach Kanada einen Wert von 1,03 Mrd. Euro und die Importe aus Kanada 437 Mio. Euro. Der Stand österreichischer Direktinvestitionen in Kanada beträgt aktuell 1,3 Mrd. Euro, während kanadische Direktinvestitionen in Österreich sich auf 2,2 Mrd. Euro belaufen. Kanada belegt somit den 13. Platz unter den Investoren in Österreich. Etwa 1.000 österreichische Unternehmen verfügen über Geschäftsbeziehungen mit Kanada (112 Niederlassungen) und beschäftigen 2.637 Personen vor Ort. Eine Studie des FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) spricht von einem Anstieg der österreichischen Exporte nach Kanada von 50 Prozent über acht Jahre. Dies würde zu einer Zunahme des österreichischen BIP um 0,2 Prozent (684 Mio. USD) führen.4 3 4

Assessing the costs and benefits of a closer EU-Canada partnership. A Joint Study by the European Commission and the Government of Canada, 2007. „Modeling the Effects of Free Trade Agreements between the EU and Canada, USA and Moldova/Georgia/Armenia on the Austrian Economy: Model Simulations for Trade Policy Analysis“ FIW (Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft) 2012/13 von Joseph Francois and Olga Pindyuk.

Wien, im April 2016

4

CETA UND TTIP IM VERGLEICH CETA ist in vielen Bereichen beispielgebend für die derzeit laufenden Verhandlungen zu TTIP. Die Kernelemente von CETA sind auch Gegenstand der Verhandlungen zu TTIP: Zollabbau, Öffnung des USamerikanischen öffentlichen Beschaffungsmarktes, Verbesserung der Kooperation in Regulierungsfragen. Wie in CETA bereits vereinbart, ist auch bei TTIP die Wahrung des hohen europäischen Schutzniveaus, etwa im Gesundheits- und Umweltbereich, vorgesehen. Die Liberalisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge ist bei CETA nicht über die innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) bereits gültigen Regelungen hinaus erfasst und gleiches sieht auch das Verhandlungsmandat der Europäischen Kommission zu TTIP vor. Der in CETA enthaltene Investitionsschutz wurde auch seitens der Europäischen Kommission für TTIP vorgeschlagen, von den USA bisher aber offiziell nicht kommentiert.

IV – POSITION UND BEWERTUNG Die IV spricht sich für eine rasche Ratifikation und Umsetzung von CETA aus. Durch die wechselseitige Öffnung der Märkte in Form des Abbaus tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse sind positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte in Österreich und Europa zu erwarten. Zudem ist CETA durch seine beispielgebende Wirkung für zukünftige Abkommen ein wichtiger Schritt zur Sicherung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit. Neben dem Zollabbau begrüßt die Industrie insbesondere die im Abkommen vereinbarte Öffnung des öffentlichen kanadischen Beschaffungsmarktes sowie die Intention einer verstärkten Kooperation in Regulierungsfragen im Sinne eines Abbaus von Handelshemmnissen und der Vereinfachung von Verfahren (z.B. Produktzertifizierungen, Testverfahren). Bei dem verankerten Investitionsschutzmechanismus ist auch im Hinblick auf die Präzedenzwirkung für zukünftige Abkommen (insbesondere für das in Verhandlung befindliche EU-China-Investitionsabkommen) darauf zu achten, dass Intention und Wirksamkeit dieses bewährten Instruments erhalten bleiben. Derzeit sind österreichische Investitionsschutzabkommen mit 60 Staaten in Kraft5. Investoren aus EU-Mitgliedstaaten sind die weltweit häufigsten Kläger.6

5 6

Jedoch keines mit Kanada oder den USA. Im Jahr 2014 wurden von 42 weltweit initiierten Verfahren 29 von europäischen, drei von kanadischen und fünf von US-amerikanischen Unternehmen eingebracht. Vgl.: Recent Trends in ISDS, UNCTAD IIA issue note, Februar 2015.

Wien, im April 2016

5

Handelsbeziehungen Dienstleistungsexporte in EUR Mio.

40.000

20.000

35.000 30.000 25.000

29.896

31.407

31.592

31.644

35.213

15.000 10.000

15.000 10.000 5.000 0

2011

2012

2013

2014

2015

Quelle: Eurostat

20.000

11.578

13.211

15.905

16.968

16.737

2012

2013

5.000 0

2009

2010

2011

Warenimporte in EUR Mio.

Dienstleistungsimporte in EUR Mio.

35.000

12.000

30.000 25.000

30.730

30.293

27.242

27.433

10.000

28.213

8.000

20.000

6.000

10.000 5.000 0

2011

2012

2013

2014

2015

Quelle: Eurostat

15.000

8.463

9.665

9.944

2010

2011

10.378

10.022

2012

2013

4.000 2.000 0

2009

Quelle: Eurostat

Warenexporte in EUR Mio.

Quelle: Eurostat

EU-28 – Kanada

Österreich – Kanada Dienstleistungsexporte in EUR Mio.

Warenexporte in EUR Mio.

250

600

779

871

1.010

1.030

150

400 200 0

2011

2012

2013

200

2014

2015

2013

2014

50 0

2011

2012

2015

250

500

457 355

437

360

150

200 100 2011

2012

2013

2014

226

200

364

2015

Quelle: Statistik Austria

400

0

131

185

220

Dienstleistungsimporte in EUR Mio.

Warenimporte in EUR Mio.

300

100

161

189

100

204

162

174

132

50 0

2011

2012

2013

2014

2015

Wien, im April 2016

6

Quelle: OENB

800

918

Quelle: Statistik Austria

1.000

Quelle: OENB

1.200