Aktuelle Entwicklung im Arbeitsrecht

Aktuelle Entwicklung im Arbeitsrecht LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018 Seite 1 www.lauterbachpartner.de Frank Lauterbach Fachanwalt für Insolvenzre...
Author: Silvia Fried
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Aktuelle Entwicklung im Arbeitsrecht

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Frank Lauterbach Fachanwalt für Insolvenzrecht Fachanwalt für Arbeitsrecht geprft. Wirtschaftsassistent

LAUTERBACHPARTNER Theatinerstraße 45 80333 München Tel. +49.(0)89.242 915 0 [email protected]

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Schwerpunkte u.a. ✓ ✓ ✓ ✓

Beratung und Vertretung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Beratung und Vertretung von Betriebsräten und Mitarbeitervertretungen Berater der Mitarbeiterseite der Regionalkommission Bayern des Deutschen Caritasverbandes langjähriger Dozent u.a. für die Bereiche TVÖD, BPersVG, BayPVG, MAVO, AVR (z.B. Arbeitszeit, Eingruppierung + Entgelt), Gestaltung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen, Aktuelle Rechtsprechung)

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BAG vom 27.09.2017 – 4 AZR 666/14 Sachverhalt

Die Klägerin ist in einer integrativen Kindergartengruppe (mit 20 Kindern, davon zwei Kinder mit einer Behinderung) tätig. Sie ist Heilpädagogin mit staatlicher Anerkennung. Die Eingruppierung erfolgte (bis 30.06.2015) in S6 TVöD-V/VKA. Die Klägerin begehrt indes S8 Fallgruppe 7 TVöDV/VKA. AVR Erzieher

S8a Anhang A der Anlage 33 bei besonders schwieriger fachlicher Tätigkeit (Anm. 6: Integrationsgruppen mit mindestens 1/3 behinderten Menschen) erfolgt

Eingruppierung in S8b Heilpädagoge

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S9 Anhang A der Anlage 33

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Entscheidung ✓

Maßgeblich für die Eingruppierung sind die Arbeitsvorgänge einer Tätigkeit (siehe Ib Satz 2 Anlage 1 AVR, wonach es für die Eingruppierung darauf ankommt, dass mindestens die Hälfte der Arbeitsvorgängen die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe erfüllen)



der Arbeitsvorgang wird durch das Arbeitsergebnis bestimmt



im Fall von Erziehern, Sozialarbeiter und Heilpädagogen bei der Betreuung von Gruppen ist regelmäßig von einem Arbeitsvorgang auszugehen



Eingruppierung in S8 TVöD-V/VKA (bzw. S9 Anlage 33 Anhang A AVR) wenn die Ausbildung als Heilpädagogin für die auszuübende Tätigkeit erforderlich ist (und nicht nur lediglich nützlich und erwünscht); dies ist gegeben, wenn die Tätigkeit durch andere Arbeitnehmer, die nicht über die Qualifikation verfügen, nicht ausgeübt werden kann.

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BAG vom 29.06.2017 – 6 AZR 785/15 Sachverhalt

Die Beklagte, ein Träger der Diakonie, betreibt ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. Die Klägerin ist dort als Krankenschwester in der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatik tätig. Sie verrichtet überwiegend Regelaufgaben der allgemeinen Krankenpflege. Der Arbeitgeber hat sie daher in Entgeltgruppe 7 AVRDW EKD eingruppiert. Die Klägerin begehrt jedoch die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 AVRDW EKD. AVR Anhang D der Anlage 31 Pfleger

P7 Anhang D der Anlage 31 AVR P8 Fallgruppe 1 Anhang D der Anlage 31 AVR: Pfleger, deren Tätigkeit

sich aufgrund besonderer Schwierigkeit erheblich aus der Entgeltgruppe P7 Fallgruppe 1 heraushebt (Anmerkung 4: Tätigkeiten in Spezialbereichen, in denen eine Fachweiterbildung vorgesehen ist) P9 Fallgruppe 1 Anhang D der Anlage 33 AVR: mit abgeschlossener

Fachweiterbildung (und entsprechender Tätigkeit) LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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Entscheidung ✓

für die Eingruppierung in die EG 8 genügt es nicht, in einer Einrichtung tätig zu sein, die der Psychiatrie zuzuordnen ist



das Merkmal „in der Psychiatrie“ ist tätigkeitsbezogen und nicht einrichtungsbezogen zu verstehen



Anspruch auf eine Vergütung aus der EG 8 haben deshalb nur Pflegekräfte, denen Aufgaben übertragen sind, die den Aufgaben einer Fachpflegekraft in der Psychiatrie mit entsprechender Tätigkeit vergleichbar sind und die deshalb Aufgaben der psychiatrischen

Gesundheitspflege zu verrichten haben.

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BAG vom 06.09.2017 – 5 AZR 429/16 Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Oberarzt beschäftigt; auf das Arbeitsverhältnis findet der TVÄrzte/VKA Anwendung. Der Kläger wird regelmäßig zur Ableistung von Rufbereitschaft eingeteilt. Er war in der Zeit vom 01.09. bis 05.09.2014 und vom 08.09. bis 12.09.2014 wegen Krankheit arbeitsunfähig. Die Beklagte zahlten Entgeltfortzahlung; jedoch ohne Berücksichtigung der Vergütung für die tatsächliche Inanspruchnahme des Klägers während der Rufbereitschaft in den Monaten Juni bis August 2014. AVR Rufbereitschaft

Mitarbeiter erhält Pauschale sowie Vergütung des tatsächlichen Arbeitseinsatzes, § 6 Abs. 8 Anlage 30 AVR (Ärzte); § 5 Abs. 7 Anlagen 31-33 AVR (Pflegekräfte; SuE-Mitarbeiter); § 8 Abs. 7 Anlage 5 AVR bzw. § 7 Abs. 3 Anlage 5 AVR (Anlage 2-Mitarbeiter)

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Krankenbezüge

§ 12a AT-AVR iVm. XII Anlage 1 AVR in Höhe der Urlaubsvergütung gemäß § 2 Anlage 14 AVR ▪ § 2 Abs. 1 Anlage 14 AVR: Dienstbezüge einschließlich Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind ▪ § 2 Abs. 2, 3 Anlage 14 AVR: als Zulagen, die in Monatsbeiträgen festgelegt sind, gelten auch: Überstundenvergütung sowie Vergütung für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft, Schicht- und Wechselschichtarbeit sowie Wochenend- und Feiertagsarbeit

einschließlich Zuschlägen ▪ erbringt der Mitarbeiter Leistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Anlage 14 AVR, die nicht mit einer Monatspauschale vergütet werden, ist in die Berechnung der Urlaubsvergütung der Tagesdurchschnitt gemäß § 2

Abs. 4 Anlage 14 AVR einzubeziehen ▪ haben sich Dienstbezüge und Zulagen in den letzten 3 Kalendermonaten vor Beginn des Urlaubs zugunsten des Mitarbeiters verändert, ist als Bemessungsgrundlage der Durchschnitt der letzten 3 Kalendermonate zu verwenden LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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Entscheidung ✓

das dem Kläger für die tatsächliche Inanspruchnahme in der Rufbereitschaft gezahlte Entgelt ist als nicht in Monatsbeiträgen festgelegter Entgeltbestandteil bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung einzubeziehen



Rufbereitschaft wird „außerhalb“ der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht. Der Arbeitnehmer erbringt hier zusätzliche Leistung, die darin besteht, dass er den Aufenthaltsort so wählt, dass er die Arbeit auf Abruf aufnehmen kann. Kommt es zum Arbeitseinsatz, leistet er zwar Arbeit. Die Arbeitsleistung unterbricht aber nicht die Rufbereitschaft; vielmehr erbringt der

Mitarbeiter die Arbeit innerhalb der Rufbereitschaft. ✓

die geleisteten Stunden sind daher keine Überstunden im vergütungsrechtlichen Sinne



daher handelt es sich bei dem Entgelt für die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft nicht um „zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt“

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ArbG Oberhausen vom 30.03.2017 – 4 Ca 1518/16 Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten als Call-Center-Agentin tätig. Sie war am 11.11.2015 und am 12.11.2015 arbeitsunfähig erkrankt. An beiden Tagen war die Klägerin im Dienstplan mit jeweils 9 Stunden eingeplant. Die Beklagte leistete Entgeltfortzahlung an beiden Tagen jedoch nur mit je 8 Arbeitsstunden.

AVR Krankenbezüge

§ 12a AT-AVR iVm. XII Anlage 1 AVR in Höhe der Urlaubsvergütung gemäß § 2 Anlage 14 AVR § 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG): auszugehen ist von der

regelmäßigen Arbeitszeit (daher keine Berücksichtigung von Überstunden, da diese Arbeitsleistung über die regelmäßig zu erbringende Arbeit hinaus erbracht wird - § 2 Abs. 5 Anlagen 31/32/33 AVR; § 3 Abs. 6 Anlage 30 AVR) § 2 Abs. 1 Anlagen 31-33 AVR, § 3 Abs. 1 Anlage 30 AVR und § 1 Abs. 1 Anlage 5 AVR => regelmäßige Arbeitszeit ist im Durchschnitt zu erbringen LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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Entscheidung ✓

bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit sind die im Dienstplan für den jeweiligen Krankheitstag eingeplante Arbeitszeit als individuelle regelmäßige Arbeitszeit für die Berechnung der Entgeltfortzahlung heranzuziehen



dies entspricht dem Entgeltausfallprinzip des EFZG

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BAG vom 23.11.2017 – 6 AZR 43/16 Sachverhalt

Der Kläger war seit dem 01.03.1995 im Krankenhaus der Beklagten als Pfleger tätig. Er arbeitete seit Beginn in Wechselschicht. Im Februar 2014 macht der Kläger für die Wechselschicht in 2013 eine Zusatzurlaub von 6 Tagen geltend. AVR

§ 17 Abs. 1 Anlagen 31-33

Zusatzurlaub bei Schicht- und Wechselschichtarbeit ▪ Anmerkung beachten! Der Anspruch entsteht im laufenden Jahr, sobald die Voraussetzungen nach Abs. 1 erfüllt sind ▪ gemeint ist aber nicht das Kalenderjahr, so dass der Zusatzurlaub auch jahresübergreifend für den Zeitraum Dezember/Januar entstehen

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Im Übrigen gelten die §§ 1 bis 3 Anlage 14 AVR: ▪ Voraussetzung für Gewährung ist Antrag des Mitarbeiters, § 1 Abs. 3 Anlage 14 AVR ▪ der Urlaub ist bis spätestens Ende des Kalenderjahres anzutreten, § 1 Abs. 5 Satz 1 Anlage 14 AVR ▪ kann er aus betrieblichen Gründen nicht bis Jahresende angetreten werden, ist er bis spätestens 30. April des Folgejahres anzutreten

▪ nicht genommener Urlaub verfällt Entscheidung ✓

der Anspruch auf Zusatzurlaub für Wechselschicht entsteht sukzessive im laufenden Kalenderjahr, sobald seine Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.



für die Übertragung ins Folgejahr muss der Arbeitnehmer den Urlaub verlangt haben. Der Arbeitgeber muss den Zusatzurlaub nicht initiativ gewähren.



die Geltendmachung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Arbeitgeber sich vor Entstehen des Zusatzurlaubsanspruchs endgültig und ernsthaft

geweigert hat, den Anspruch zu erfüllen. LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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BAG vom 16.5.2017 – 9 AZR 572/16 Sachverhalt

Der Kläger verlangt nach Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit die Abgeltung des in der Arbeitsphase nicht gewährten Urlaubs. Entscheidung ✓

hat der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer rechtzeitig verlangten Urlaub nicht gewährt,

wandelt sich der im Verzugszeitraum verfallene Urlaubsanspruch gem. §§ 275 I und IV, 280 I und III, 283 S. 1, 286 I 1, 287 S. 2 und § 249 I BGB in einen Schadensersatzanspruch um, der die Gewährung von Ersatzurlaub zum Inhalt hat. ✓

der Ersatzurlaubsanspruch tritt als Schadensersatzanspruch an die Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs.



dies hat zur Folge, dass der Ersatzurlaubsanspruch – mit Ausnahme des Fristenregimes – den Modalitäten des verfallenen Urlaubsanspruchs unterliegt. Dies gilt sowohl für die Inanspruchnahme als auch für die Abgeltung des Ersatzurlaubs.



da das Arbeitsverhältnis erst mit Ende der Altersteilzeit endet, das noch nicht erreicht ist,

besteht kein Anspruch auf Abgeltung LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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EuGH vom 29.11.2017 – C 214/16 Sachverhalt

Der Kläger arbeitete seit 01.06.1999 bei dem Beklagten auf Basis eines „Selbständigen-Vertrages ausschließlich gegen Provisionen“. Am 06.10.2012 ging er in Ruhestand. Für genommenen Jahresurlaub erhielt er keine Bezahlung. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begehrt er nunmehr Vergütung sowohl für genommenen, aber nicht bezahlten, als auch für nicht genommenen Jahresurlaub. AVR § 2 Abs. 1 Anlagen 14 AVR

Der Mitarbeiter erhält während des Erholungsurlaubes seine Dienstbezüge; der Anspruch unterliegt der Ausschlussfrist des § 23 AT-AVR

§ 1 Abs. 5 Anlage 14 AVR

nicht genommener Urlaub verfällt

§ 1 BUrlG

Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub

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Entscheidung ✓

der gesetzliche Mindesturlaub wird nur gewährt, wenn die Urlaubsvergütung bezahlt wird



Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verbietet es auch, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub zunächst nehmen muss, eher er feststellen kann, ob er für diesen Urlaub Anspruch auf Bezahlung hat. Der Anspruch muss vor Gewährung des Urlaubs vorbehaltslos feststehen



Art. 7 der Richtlinie 2003/88 ist ferner dahingehend auszulegen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht verfällt, wenn der Jahresurlaub wegen der Weigerung des Arbeitgebers, diese Urlaubszeiten zu vergüten, nicht

genommen worden ist (im Gegensatz zu Urlaub, der krankheitsbedingt nicht genommen werden kann und 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt)

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BAG vom 23.03.2017 – 6 AZR 161/16 Sachverhalt



die Beklagte beschäftigt den Kläger als Pfleger in Teilzeit. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD-K Anwendung. Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beträgt 29,25 Wochenstunden. Der Kläger arbeitet nach einem Schichtplan (Schichtplanturnus ist 1 Monat).



in der Zeit von Dezember 2012 bis April 2014 arbeitete der Kläger auf Anordnung der Beklagten mehrfach über die im Schichtplan vorgesehene tägliche Arbeitszeit. Dies führte zum Teil dazu, dass der Kläger mehr als 29,25, aber weniger als 39 Stunden arbeitete.



die Beklagte glich die über 29,25 Wochenstunden hinausgehenden Arbeitsstunden im Monatsrhythmus des Schichtplans durch Freizeit aus. Sie leistete aber keine Überstundenzuschläge.



der Kläger begehrt Zahlung von Überstundenzuschlägen

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AVR Überstunden

geplante Überstunden => Zeitguthaben iSd. § 9 Abs. 3 Satz 1 Anlagen 31 – 33 AVR) werden mit dem individuellen Stundensatz (§ 7 Abs. 2 Anlage 30 sowie § 6 Abs. 2 Anlagen 31 - 33 AVR - Tabellenentgelt der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe), aber ohne Überstundenzuschlag (da keine zuschlagspflichtigen Überstunden iSd. § 4 Abs. 5 Anlage 30 AVR sowie § 4 Abs. 7 Anlagen 31 – 33 AVR) ausgeglichen ungeplante Überstunden => zusätzlich über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinaus angeordneten Arbeitsstunden, die nicht bis zum Ende der folgenden Woche ausgeglichen sind (§ 5 Abs. 3 Anlage 30 AVR - Ärzte und § 4 Abs. 7 Anlagen 31-33 AVR -Pflegekräfte sowie SuE-Mitarbeiter) bzw. die – bei

Schicht- oder Wechselschichtarbeit - nicht bis zum Ende des Schichtplanturnus ausgeglichen sind (§ 4 Abs. 8 Anlagen 31, 32, 33 AVR) bei Wechselschicht Hier fallen Zuschläge nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 a) Anlage 30 AVR und § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 a) Anlagen 31-33 AVR an LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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Mehrarbeit

es gelten die selben Regelungen wie für die Überstunden mit dem Unterschied, dass nach AVR keine Zeitzuschläge zu zahlen sind (Zuschläge gibt es nach § 7 Abs. 1 Satz 1 a) Anlage 30 AVR und § 6 Abs. 1 Satz 1 a) Anlagen 31-33 AVR nur für Überstunden).

Entscheidung ✓

Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung zur Überstundenregelung im TVöD (damit auch AVR) bei Schicht- und Wechselschichtarbeit.



der Freizeitausgleich innerhalb des Schichtplanturnus ist nur bei geplanten Überstunden möglich. Bei ungeplanten Überstunden besteht diese Möglichkeit nicht, mit der Folge, dass hier immer zuschlagspflichtige Überstunden anfallen.



die tarifliche Regelung, dass für Mehrarbeitsstunden keine Zeitzuschläge zu zahlen sind,

verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Den betroffenen Arbeitnehmern steht daher ebenfalls der Zeitzuschlag zu

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EuGH vom 21.02.2018 – C-518/15 Sachverhalt

Der Kläger ist seit 01.08.1980 bei der örtlichen Feuerwehr tätig. Er leistet auch Rufbereitschaft. Innerhalb der Rufbereitschaft hat der Kläger nach Aufforderung (= Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft) seine Arbeit innerhalb von 8 Minuten aufzunehmen. AVR

Rufbereitschaft ist ein Dienst, den der Arbeitnehmer zusätzlich zur regelmäßigen Arbeitszeit erbringt. Bei der Rufbereitschaft hält sich der Arbeitnehmer an einem Ort seiner Wahl auf, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen, § 6 Abs. 8 Anlage 30 AVR sowie in § 4 Abs. 4 Anlagen 31-33; § 7 Abs. 1 Anlage 5 AVR bzw. § 8 Abs. 7 Anlage 5 AVR Die Rufbereitschaft wird gesondert vergütet. Der Arbeitnehmer erhalt für die Rufbereitschaft eine Pauschale; zusätzlich wird die Zeit eines Arbeitseinsatzes vergütet, § 7 Abs. 3 Anlage 30 AVR; § 6 Abs. 3 Anlagen 31-33 AVR; § 7 Abs. 6 bzw. § 8 Abs. 7 Anlage 5 AVR LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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Der Dienstgeber darf dem Arbeitnehmer keine Zeitspanne vorgeben, in der er die Arbeit aufzunehmen hat (d.h. er kann nicht vorschreiben, in welcher Zeit der Arbeitnehmer in der Einrichtung sein muss).

Nach BAG obliegt es dem Arbeitnehmer jedoch, zu gewährleisten, dass er innerhalb angemessener Zeit die Einrichtung erreichen kann. Angemessen ist dass,

was

im Bedarfsfall

notwendig

ist.

Der

Arbeitnehmer

darf

sich

beispielsweise nicht in einer Entfernung zur Einrichtung aufhalten, die dem Zweck der Rufbereitschaft zu wieder läuft. (BAG 31.01.2002 – 6 AZR 214/00: Wegzeit von 25 bis 30 Min. ist angemessen).

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Entscheidung ✓

die Richtline 2003/88 enthält eine Definition der Arbeitszeit und Ruhezeit. Allerdings nur im Sinne des Arbeitsschutzes, nicht aber in Bezug auf das Arbeitsentgelt (d.h. eine abweichende Entgeltregelung ist möglich)



kein wesentliches Merkmal der Arbeitszeit ist die Intensität der vom Arbeitnehmer geleisteten Arbeit.



vielmehr führen persönliche Anwesenheit und die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz zu Arbeitszeit, unabhängig davon, ob Arbeitsleistung erbracht wird oder nicht.

Daher ist Bereitschaftsdienst Arbeitszeit im Sinne des Arbeitsschutzes. ✓

anders hingegen bei der Rufbereitschaft. Der Arbeitnehmer kann hier über seine Zeit frei verfügen und anderen Interessen nachgehen. Arbeitszeit ist hier nur die Zeit der tatsächlichen Inanspruchnahme, d.h. wenn es zum Arbeitseinsatz kommt



im vorliegenden Fall hatte sich der Arbeitnehmer aber an einem Ort aufzuhalten, von wo aus er, die Arbeit in 8 Minuten aufnehmen kann



die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, sind hier objektiv eingeschränkt, so dass die Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit (im Sinne des Arbeitsschutzes) zu werten ist. LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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BAG vom 06.09.2017 – 5 AZR 382/16 Sachverhalt

Der Kläger ist als Krankenpfleger mit einer Wochenarbeitszeit vom 38,5 Stunden angestellt. Ihm wird vom Arbeitgeber eine Dienstkleidung (weiße Hosen und Oberteile) gestellt, die der Arbeitnehmer während des Dienstes zu tragen hat. Der Kläger muss die Dienstkleidung nicht in der Einrichtung, sondern kann sie auch zu Hause anziehen. Der Arbeitgeber stellt aber auch Umkleideräume und abschließbare Schränke zur Verfügung. Der Kläger wendet durchschnittlich 12 Minuten/Arbeitstag für das An- und Ablegen der Arbeitskleidung auf und begehrt für diese Zeit Vergütung. AVR

Die vergütungspflichtige Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle; § 1 Abs. 9 Anlage 5 AVR).

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Entscheidung ✓

zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehört nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitsgeber verlangte sonstige Tätigkeit, die mit der eigentlichen Arbeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung zusammenhängt;



das An- und Ablegen besonders auffälliger Dienstkleidung hängt mit der eigentlichen Arbeit zusammen. Der Arbeitnehmer hat außerhalb der Arbeitszeit kein objektiv feststellbares Interesse an der Offenlegung der von ihm ausgeübten Tätigkeit gegenüber Dritten. Das Anund Ablegen solcher (identifizierender) Arbeitskleidung ist daher Fremdnützig, d.h. im

alleinigen Interesse des Arbeitgebers; ✓

der Arbeitgeber schuldet daher auch für die Zeit des Umkleidens eine Vergütung.

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LAG Köln vom 06.10.2017 – 4 TaBV 82/16 Sachverhalt

Die Beklagte beschäftigt ca. 1.000 Arbeitnehmer. Bei ihr besteht ein Betriebsrat (BR), die Klägerin. Die Mitarbeiter sind verpflichtet, bestimmte Arbeitskleidung zu tragen. Die Arbeitskleidung darf nicht mit nach Hause genommen werden; sie ist im Betrieb anzulegen. In § 2 Nr. 10 des geltenden Tarifvertrages MTV PPV ist geregelt, dass ein Umkleiden vor Beendigung der Arbeitszeit nicht gestattet ist. In einer zwischen den Parteien (BR und Arbeitgeber) geschlossenen Betriebsvereinbarung ist u.a. geregelt, dass das Umkleiden außerhalb der Arbeitszeit statt findet. Der BR klagt auf Feststellung, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht (§ 8 Abs. 1 BetrVG) bei Beginn und Ende der Umkleide- und Wegezeiten zustehe und anderslautende Regelungen unwirksam seien.

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MAVO § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO

die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ist zustimmungspflichtig

§ 38 Abs. 1 Nr. 1 MAVO

sonstige Arbeitsbedingungen, die im AVR geregelt oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein (sog. Tarifvorbehalt)

Entscheidung ✓

die Umkleide- und Wegezeiten von Arbeitnehmern, die zum Tragen von Berufskleidung verpflichtet sind, sind Arbeitszeiten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (= § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO)



in einem Tarifvertrag wird regelmäßig nur geregelt, was vergütungspflichtige Arbeitszeit ist. In der Regel erfolgt auch keine Festlegung in Bezug auf Beginn und Ende (so auch in § 2 Nr. 10 MTV PPV).



in BetrVG geht es jedoch um die mitbestimmungsrechtliche Arbeitszeit, bei der es um Festlegung der tatsächlichen Arbeitszeit in Abgrenzung zur Freizeit des Arbeitnehmers geht LAUTERBACHPARTNER Stand 03/2018

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KAG Bayern vom 16.01.2017 – 2 MV 13/16 Sachverhalt

Die Klägerin ist MAV in der Einrichtung der Beklagten. Die Mitarbeiter der Einrichtung arbeiten nach Dienstplan. Die Dienstpläne werden jeweils für 4 Wochen aufgestellt. Der Dienstgeber legt die Dienstpläne der MAV nicht zur Zustimmung vor. Er ist der Meinung, dass die Dienstpläne Beginn und Ende der Arbeitszeit nicht längerfristig im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 der Bayerischen MAVOs. festlegt. Die Klägerin begehrt Feststellung, dass der Dienstgeber vor In-Kraft-Setzung der Dienstpläne die Zustimmung der MAV einzuholen hat.

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MAVO § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO

längerfristige Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ist zustimmungspflichtig

Entscheidung ✓

ein Schicht- und Dienstplan unterliegt der Mitbestimmung der MAV nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO; der Dienstgeber hat somit vor dem In-Kraft-Setzen die Zustimmung der MAV einzuholen



der Dienstplan ist Ausfluss des Weisungsrechtes des Arbeitgebers (§ 106 GewO). Der Arbeitgeber legt damit den zeitlichen Umfang der Arbeitsleistung fest. Die Weisung hat solange Gültigkeit, bis sie durch eine neue Weisung ersetzt wird. Sie ist daher von Natur aus auf Dauer angelegt.



es entspricht letztlich auch Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts, der darin besteht, die Interessen der Arbeitnehmer an einer sinnvollen Arbeits- und Freizeitgestaltung zu schützen sowie die Einhaltung der sich aus Gesetz und Vertrag ergebenden arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen zu überwachen.

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BAG vom 26.09.2017 – 1 ABR 57/15 Sachverhalt

Die Klägerin ist Betriebsrat (BR) in einer Klinik der Beklagten. Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer findet der Tarifvertrag des KrankenhausArbeitgeberverband Hamburg eV (TV-KAH) Anwendung. Nach § 6 Abs. 1 TV-KAH beträgt die regelmäßige durchschnittliche Arbeitszeit 38,5 Wochenstunden. § 6 Abs. 2 TV-KAH bestimmt, dass bei der Berechnung des Durchschnitts ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist. Die Arbeitnehmer arbeiten nach Schichtplänen. AVR und MAVO

§ 2 Abs. 2 Anlagen 31-33 bis zu einem Jahr LAG Baden-Württemberg vom 01.04.2009 3 Sa 21/08: Der Zeitraum kann arbeitsvertraglich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbart werden. Ohne eine Vereinbarung greift in den Anlagen 31, 32 und 33 das Direktionsrecht des Arbeitgebers (z.B. über Dienstplan). Soweit indes nichts bestimmt ist, ist der Jahreszeitraum als maximaler Zeitraum maßgeblich.

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§ 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO

längerfristige Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ist zustimmungspflichtig

Entscheidung ✓

das Mitbestimmungsrecht dient dazu, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen.



ist die regelmäßige Arbeitszeit im Durchschnitt über einen bestimmten Zeitraum zu erbringen,

bedarf es neben der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit zugleich der Festlegung des Ausgleichszeitraums, in der die Wochenarbeitszeit zu erreichen ist. Beides steht in einem untrennbaren Zusammenhang. ✓

daher handelt es sich bei Beidem um eine einheitliche mitbestimmungspflichtige

Angelegenheit, der nicht aufgespalten werden kann, auch wenn sie weitergehende vergütungsrechtliche Folgen haben kann ✓

die Festlegung des Ausgleichszeitraums bedarf daher der Zustimmung des Betriebsrates (der MAV).

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KAG Mainz vom 21.03.2017 – M 01/17 Sachverhalt

Die Klägerin ist Mitglied der MAV bei der Beklagten. Sie arbeitet regelmäßig an 6 Tagen der Woche. Als MAV-Mitglied nahm sie an insgesamt 18 Kalendertagen an Schulungen unter Fortzahlung ihrer Vergütung und entsprechender Arbeitsbefreiung teil. Sie begehrt nur weitere 3 Tage, mit der Begründung, dass § 16 Abs. 1 MAVo einen Schulungsanspruch von 3 Wochen gewährt, der umgerechnet 3 x 7 Kalendertage = 21 Kalendertage gewährt. AVR und MAVO § 16 Abs. 1 MAVO

Den Mitgliedern der Mitarbeitervertretung ist auf Antrag der Mitarbeitervertretung während ihrer Amtszeit bis zu insgesamt drei Wochen Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Bezüge für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen zu gewähren. …… Teilzeitbeschäftigten Mitgliedern der Mitarbeitervertretung, deren Teilnahme an Schulungsveranstaltungen außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit liegt, steht ein Anspruch auf Freizeitausgleich pro Schulungstag zu, jedoch höchstens bis zur Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitglieds der Mitarbeitervertretung.

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Entscheidung ✓

der 3-Wochen-Zeitraum ist nicht isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtzusammenhang mit der Gesamtregelung zum Schulungsanspruch



Es wird Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung der Vergütung gewährt. Von der Arbeit befreit werden kann ein Mitarbeiter nur dort, wo eine Pflicht zur Arbeit besteht.



Bei einer 5-Tage-Woche besteht nur an 5 Tagen die Pflicht zur Arbeit; bei einer 6-TageWoche an 6 Tagen. An den übrigen Tagen hat der Mitarbeiter frei und kann somit nicht von der Arbeit freigestellt werden.



dem gemäß besteht nur Anspruch auf 3 x 6 Tage = 18 Tage bezahlte Freistellung

Bleibt die Frage ➢

offen bleibt, was dann bei Teilzeitkräften, die weniger als 5 Tage in der Woche arbeiten, ist.



Wie ist dann § 16 Abs. 1 Satz 3 MAVO zu verstehen?

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