AKTUELLE ARBEITSRECHTLICHE ENTWICKLUNGEN. Jahrestagung Arbeitsrecht 2014

AKTUELLE ARBEITSRECHTLICHE ENTWICKLUNGEN Jahrestagung Arbeitsrecht 2014 Dr. Martin Diller, 31. Januar 2014 Inhalt A. Gesetzgebung B. Rechtsprechun...
Author: Ella Langenberg
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AKTUELLE ARBEITSRECHTLICHE ENTWICKLUNGEN Jahrestagung Arbeitsrecht 2014

Dr. Martin Diller, 31. Januar 2014

Inhalt

A. Gesetzgebung B. Rechtsprechung I. Kündigungsrecht II. Aufhebungsvertrag III. Weiterbildungskosten IV. Haftung V. Teilzeit VI. Befristung VII. Gleichbehandlung VIII. Zeugnis IX. AGG X. BetrAVG XI. § 613 a XII. AÜG XIII. TV, Arbeitskampf C. Zu guter Letzt

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A. Gesetzgebung

1. Das konjunkturelle Kurzarbeitergeld kann 2014 für Ansprüche, die bis zum 31.12.2014 entstehen, weiterhin nicht nur für sechs, sondern für bis zu zwölf Monate gewährt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat mit einer entsprechenden Verordnung verhindert, dass die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld ab Januar 2014 auf die gesetzlich vorgesehene Dauer von sechs Monaten zurückfällt. 2. Arbeitgeber können ab dem 1.1.2014 Arbeits- und Nebeneinkommensbescheinigungen für die Berechnung von Arbeitslosengeld (§§ 312 und 313 SGB III) alternativ zur Ausstellung in Papierform auch elektronisch an die Bundesagentur für Arbeit übermitteln.

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A. Gesetzgebung

3. „Rente mit 63“ # 1  § 236 b SGB VI: Nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfreie Rente ab 63 (mit schrittweiser Erhöhung auf 65). Arbeitslosigkeit mit ALG-Bezug (nicht ALHi) wird angerechnet und kann auch am Ende der 45 Jahre liegen.  Aufhebungsvertrag mit 61, zwei Jahre ALG-Bezug nebst Aufstockung durch ArbG, dann volle Rente mit 63. Keine Erstattungspflicht des ArbG (Neuauflage § 128 a AFG?)

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A. Gesetzgebung

3. „Rente mit 63“ # 2  65 bleibt die Regelaltersgrenze  Altersgrenzenvereinbarungen „Vertragsende mit Erreichen der Regelaltersgrenze“ laufen nicht auf 63, sondern weiter auf 65  Vereinbarungen einer „Altersgrenze 63“ mit § 41 SGB VI unvereinbar?

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B. Rechtsprechung

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I. Kündigungsrecht

1. LAG Baden-Württemberg 20.6.2013 – 11 Sa 159/12  Die außerordentliche Kündigung eines Sachbearbeiters in der Leistungsverwaltung der Agentur für Arbeit aus Anlass dessen strafgerichtlicher Verurteilung wegen BTM-Handels setzt einen dienstlichen Bezug des zugrundeliegenden strafbaren Verhaltens voraus.  Ein solcher liegt vor, wenn der Sachbearbeiter während der Dienstzeit einen Termin zur Geldübergabe an seinen Lieferanten vereinbart, ebenso dann, wenn ein gleichzeitig verurteilter Mittäter des Sachbearbeiters Drogen an Leistungsbezieher veräußert hat.  Die Interessenabwägung kann zu einer (nur) ordentlichen Kündigung führen, wenn der Arbeitgeber den Sachbearbeiter trotz Kenntnis des Inhalts der Anklageschrift zunächst weiter beschäftigt auf dessen bloße Erklärung hin, er habe nicht mit Betäubungsmitteln gehandelt, was er aber kaum werde beweisen können.

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I. Kündigungsrecht

2. VGH München 22.4.2013 – 17 P 12.1862  Das Zeigen des "Stinkefingers" gegenüber Vorgesetzten stellt eine grobe Beleidigung der Betroffenen und einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und kann an sich eine außerordentliche Kündigung - hier eines Personalratsmitglieds - rechtfertigen.  Ein Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass ein Mitglied des Personalrats bei seiner Anhörung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen tatsächlichen Fehlverhaltens hinzugezogen wird (sehr streitig!).

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I. Kündigungsrecht 3. BAG 21.6.2012 – 2 AZR 153/11, NZA 2012, 1025

Vgl. dazu Bauer/Schansker, NJW 12, 3537  Führt eine unzulässige verdeckte Videoüberwachung zur Überführung eines Täters, kann das gewonnene Beweismaterial im Bestreitensfall prozessual nicht ohne weiteres verwertet werden.  Das Interesse des AG überwiegt gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des AN , wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des AG besteht und es keine Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. 4. BAG 20.6.2013 – 2 AZR 546/12  Aber: Beweismittel, die der Arbeitgeber aus einer in Abwesenheit des ArbN und ohne dessen Kenntnis durchgeführten Spindkontrolle erlangt hat, sind im Prozess nicht verwertbar.

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I. Kündigungsrecht

5. BAG 20.6.2013 – 2 AZR 295/12

 Tarifliche Regelungen über den Ausschluss ordentlicher Kündigungen erweisen sich in Auswahlsituationen nur dann als angemessen und gesetzeskonform i.S.v. § 10 Satz 1 AGG bzw. § 1 Abs. 3 KSchG, wenn sie zumindest grobe Auswahlfehler vermeiden. Die Auslegung der einschlägigen Tarifbestimmung kann ergeben, dass der Ausschluss ordentlicher Kündigungen nicht gilt, falls er bei der Sozialauswahl zu einem grob fehlerhaften Auswahlergebnis führen würde.

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I. Kündigungsrecht

6. BAG 12.9.2013 – 6 AZR 121/12

 Stützt der Arbeitgeber die Kündigung in der Wartezeit auf ein subjektives Werturteil, reicht die Mitteilung allein dieses Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG sein Werturteil gegenüber der Arbeitnehmervertretung zu substantiieren oder zu begründen.  Auch dann, wenn dem subjektiven Werturteil des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, nach Zeit, Ort und Umständen konkretisierbare Tatsachenelemente zu Grunde liegen, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über diesen Tatsachenkern bzw. die Ansatzpunkte seines subjektiven Werturteils nicht informieren. Es genügt für eine ordnungsgemäße Anhörung, wenn er allein den eigentlichen Kündigungsgrund und damit das Werturteil selbst als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt.

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I. Kündigungsrecht

7. BAG 15.5.2013 – 5 AZR 130/12  Enthält eine Kündigung den Zusatz „fristgemäß zum“, so kann sie trotz fehlerhaft berechneter Kündigungsfrist als Kündigung zum richtigen Termin ausgelegt werden, wenn für den Empfänger erkennbar ist, dass der Erklärende die Frist in jedem Fall wahren wollte und diese lediglich falsch berechnet hat.

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I. Kündigungsrecht

8. BAG 16.7.2013 – 9 AZR 50/12  Der ArbG kann den ArbN im Kündigungsschreiben wirksam freistellen, Ansprüche auf Urlaubsabgeltung entstehen dann nicht.  arg: In Freistellung liegt Verzicht auf Anrechnung anderweitigen Erwerbs (§ 615 BGB). Dann kann dem ArbN egal sein, wann er Urlaub hat und wann er freigestellt ist.

 Vorsicht! Behält sich ArbG ausdrücklich die Anrechnung anderweitigen Erwerbs vor (was sinnvoll ist), kann das nicht gelten, weil anderweitiger Erwerb während des Urlaubs zwar verboten, aber nicht anrechenbar ist (?!?)

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I. Kündigungsrecht 9. BAG 13.12.12 – 6 AZR 5/12, NZA 2013, 447  Bei Personalabbau auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts: Zuständigkeit des GBR.  Konsultation mit „falschem“ Arbeitnehmergremium führt zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige.  Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen können mit dem Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG verbunden werden, ersetzen es aber nicht.  Hier: AG hatte Interessenausgleichsverhandlungen mit GBR geführt (korrekt), aber örtlichen BR nach § 102 BetrVG angehört (korrekt!) und nach § 17 Abs. 2 KSchG konsultiert (falsch!).  Tückisch für AG ist, dass keine konkrete Rüge des AN verlangt wird, sondern Fehler beim Konsultationsverfahren eingeschränkt auch von Amts wegen geprüft werden.  Keine Heilung durch „Freigabebescheid“ der BA (BAG 28.6.2012 –6 AZR 780/10, NZA 2012, 1029).  Ist zweifelhaft, ob BR oder GBR zuständig ist, sollten vorsorglich beide Gremien unterrichtet werden. 14

I. Kündigungsrecht

10. ArbG Köln 10.5.2013 – 20 Ca 9245/12  Eine unberechtigte Freistellung über einen längeren Zeitraum (fünf Monate), um den Arbeitnehmer zur Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrags zu bewegen, stellt einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, was eine Entschädigung von EUR 1.000 pro Monat der Freistellung rechtfertigt.

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I. Kündigungsrecht

11. BAG 19.9.2012 – 5 AZR 627/11, NZA 2013, 101  Ein AN macht mit Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage) die von deren Ausgang abhängigen Vergütungsansprüche „gerichtlich geltend“.  Mit dieser Geltendmachung wird die zweite Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist gewahrt.

 Mit dieser Entscheidung wird die Rechtsprechung des BVerfG zu zweistufigen Ausschlussfristen umgesetzt (vgl. BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354).  Bei der zweiten Stufe einer Ausschlussfrist in AGB reichte die Erhebung einer Bestandsschutzklage für die gerichtliche Geltendmachung zur Sicherung der Ansprüche aus. Dabei berief sich das BAG auf die Unklarheitenregel des § 305 c II BGB (BAG 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, AuA 2009, 618).  Anders beurteilte das BAG die Rechtslage bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen. Hier war zur Wahrung der zweiten Stufe grds. eine bezifferte Klage erforderlich (vgl. BAG 17.11.2009 – 9 AZR 745/08, BeckRS 2010, 71524). 16

II. Aufhebungsvertrag

1. LAG Berlin-Brandenburg 24.8.2012 – 13 Sa 449/12  Die Erklärung "Sie werden ab sofort unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung bestehender Urlaubsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Erbringung der Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt" stellt einen Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB dar.

 Lohnanspruch bleibt auch bei mehr als sechs Wochen Krankheit bestehen.  Krankheit während Freistellung/Kündigungsfrist ist finanziell attraktiv wegen § 7 BUrlG (Urlaubsabgeltung)  Klarstellen, dass EFZG-Grenzen weiter gelten

 Evtl. formulieren: „Ein eventueller Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach § 7 BUrlG ist in der Abfindung nach § 2 enthalten.“

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II. Aufhebungsvertrag

2. ArbG Hamburg 24.1.2013 – 29 Ga 2/13  XING-Kontakte, die der ArbN in Ausübung der beruflichen Tätigkeit erlangt hat, können Geschäftsgeheimnisse des ArbG darstellen mit der Folge, dass der ArbN sie nach seinem Ausscheiden löschen muss.

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III. Rückzahlung von Weiterbildungskosten 1. BAG 6.8.2013 – 9 AZR 442/12

„Der AN verpflichtet sich, die der AG entstandenen Aufwendungen für die Weiterbildung, einschließlich der Lohnfortzahlungskosten zu ersetzen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Wunsch des AN oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet … . Endet das Arbeitsverhältnis wie oben beschrieben, dann sind im ersten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs die gesamten Aufwendungen, im zweiten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs zwei Drittel der Aufwendungen und im dritten Jahr nach Abschluss des Lehrgangs ein Drittel der Aufwendungen zurückzuzahlen.“  Klauseln in Formularverträgen über die Erstattung von Weiterbildungskosten genügen dem Transparenzgebot (§ 307 I 2 BGB) nur, wenn sie keine vermeidbaren Unklarheiten bezüglich der ggf. zu erstattenden Kosten dem Grunde und der Höhe nach enthalten und für den AG keine ungerechtfertigten Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume entstehen.  Der AN kann sein Zahlungsrisiko nicht ausreichend abschätzen, wenn der AG die Art und die Berechnungsgrundlagen der ggf. zu erstattenden Kosten nicht angibt und die einzelnen Positionen (z.B. Lehrgangsgebühren, Fahrtkosten) nicht genau und abschließend bezeichnet. 19

IV. Haftung des Arbeitgebers

1. BAG 20.6.2013 – 8 AZR 471/12  Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zugunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt. Es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.  Das Verschulden und die einzelnen Arten des Verschuldens sind Rechtsbegriffe. Die Feststellung ihrer Voraussetzungen liegt im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet, wobei dem Tatrichter ein erheblicher Beurteilungsspielraum zusteht. Eine Aufhebung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht darf nur erfolgen, wenn eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums durch den Tatrichter festzustellen ist.

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IV. Haftung des Arbeitgebers

2. LG Freiburg 31.7.2013 – 12 O 83/13  Postet ein Autoverkäufer auf seinem private Facebook-Account über eine Verkaufsaktion seines Arbeitgebers (Autohaus), ohne über die jeweiligen Verbrauchs- und Abgasdaten gem. Pkw-EnVKV zu informieren, kann das Autohaus auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, auch wenn es von dem Posting nichts wusste.

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V. Teilzeit

BAG 11.6.2013 – 9 AZR 786/11  Der ArbN (Pilot) hat aus § 8 I TzBfG keinen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit um 3,29 % in der Form einer garantierten blockweisen Freistellung vom 22.12. eines Jahres bis zum 2.1. des Folgejahres. Dem Anspruch auf dahingehende Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit steht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegen.

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VI. Befristung

LAG Niedersachsen 5.11.2013 – 1 Sa 489/13  Eine wirksame Befristung aufgrund gerichtlichen Vergleichs (§ 14 Nr. 8 TzBfG) liegt bei einem schriftlichen Gerichtsvergleich in beiden Formen des § 278 Abs. 6 ZPO vor.

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VII. Gleichbehandlung

ArbG Köln 9.10.2013 – 3 Ca 1819/13  Der Arbeitgeber kann, ohne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen, Weihnachtsgeschenke (iPads) auf diejenigen Mitarbeiter beschränken, die zur Weihnachtsfeier erscheinen. Auf den Grund der Nichtteilnahme kommt es nicht an.

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VIII. Zeugnis

1. ArbG Kiel 18.4.2013 – 5 Ca 80 b/13  Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Zeugnis ohne Geheimzeichen. Ein Smiley in der Unterschrift mit heruntergezogenem Mundwinkel enthält eine negative Aussage des Arbeitgebers über den Arbeitnehmer, die der Arbeitnehmer nicht hinnehmen muss.

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VIII. Zeugnis

2. LAG Berlin-Brandenburg 21.3.2013 – 18 Sa 2133/12  Bei durchschnittlicher Leistung hat der Arbeitnehmer grundsätzlich Anspruch auf „gute“ Beurteilung, weil mittlerweile deutlich mehr als die Hälfte aller Arbeitszeugnisse „gute“ Leistungen bescheinigen.

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IX. AGG 1. „Galina Meister“  EuGH 19.4.2012 – C-415/10 „Galina Meister“, NZA 2012, 493

 Die AntidiskriminierungsRL 2000/43/EG, 2000/78/EG und 2006/54/EG sind dahingehend auszulegen, dass sie für einen AN, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsehen, ob der AG am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.  Die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten kann ein Gesichtspunkt sein, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist.  Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob eine solche Vermutung vorliegt.  BAG 25.4.2013 – 8 AZR 287/08  Verweigerte Auskunft in Verbindung mit Vorliegen von Diskriminierungsmerkmalen (Alter, Geschlecht, Herkunft) reicht für eine Beweislastumkehr nicht. 27

 Auszug aus der Bewerbung „Ich passe Ihnen sehr gut. ... Ob noch so eine Person gibt, die sich bei Ihnen bewirbt?“  Auszug aus dem Antwortschreiben „... Die Auswahl aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen viel nicht leicht. ... Beim nächsten Mal werden Sie bestimmt das kleine Quentchen mehr Glück haben.“

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IX. AGG

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IX. AGG

2. LAG Hamm 6.6.2013 – 11 Sa 335/13  Hat der potentielle Arbeitgeber auf dem zurückgesandten Lebenslauf einer Bewerberin neben der Textzeile „verheiratet, ein Kind“ handschriftlich „7 Jahre alt!“ vermerkt und die sich dann ergebende Wortfolge „ein Kind, 7 Jahre alt!“ durchgängig unterstrichen, liegt in dem darin liegenden Abstellen auf das Problem der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit eine nicht gerechtfertigte mittelbare Diskriminierung wegen des weiblichen Geschlechts.

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IX. AGG

3. LAG Köln 28.6.2012 – 6 Sa 207/12  Der Durchdruck der Zahl „50“ sowie des eingekreisten Buchstabens „A“ auf dem der Bewerberin zurückgeschickten Passfoto besitzt keinen eigenen Erklärungswert und ist einer Vielzahl von Deutungen zugänglich. Behauptungen „ins Blaue hinein“ sind mangels hinreichender Indiztatsachen nicht geeignet, die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung wegen des Alters zu begründen.  Anmerkung: Die Bewerberin war 50 Jahre alt.

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IX. AGG

4. LAG Köln 29.10.2012 – 5 Sa 549/11  Männliche Piloten können auch dann zum Tragen einer Pilotenmütze verpflichtet werden, wenn es Pilotinnen freigestellt ist, ob sie die Pilotenmütze tragen. Eine derartige in einer Betriebsvereinbarung getroffene Regelung verstößt nicht gegen das AGG. Maßgeblich hierfür ist, dass die für Frauen und Männer geltenden Vorschriften zur Pilotenmütze nicht isoliert betrachtet und miteinander verglichen werden können. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass die Betriebsparteien für Frauen und Männer unterschiedliche Regelungen zur Dienstkleidung getroffen haben. Dazu ArbG Köln 28.11.2013 – 15 Ca 3879/13  Die tarifvertragliche Voraussetzung „Körpergröße 1,65 bis 1,98 m“ für den Zugang zur Pilotenausbildung verstößt gegen das AGG, weil die Regelung 30 % aller (kleineren) Frauen, aber nur 2 % aller (größeren) Männer ausschließt und nicht dargelegt ist, dass bei einer Körpergröße von 1,64 m ein Flugzeug nicht mehr sicher bedient werden kann.

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IX. AGG

5. BAG 17.10.2013 – 8 AZR 742/12  Ein Streit darüber, ob die Voraussetzungen für Zahlung von Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG vorliegen, ist für sich genommen nicht schon deswegen eine Diskriminierung, weil nur Frauen diesen besonderen Anspruch geltend machen können.

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X. Betriebliche Altersversorgung

Gesetzentwurf vom 27.01.2014 für die „Rente mit 63“:  Bei der ratierlichen Berechnung nach § 2 BetrAVG wird bei einem vor 63 ausgeschiedenen Arbeitnehmer stets auf das 65. Lebensjahr abgestellt, auch wenn er die gesetzliche Rente ab 63 in Anspruch nimmt.  § 6 BetrAVG bleibt aber unberührt, d.h. Betriebsrentenbeginn (mit versicherungsmathematischen Abschlägen) dann schon ab 63.

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X. Betriebliche Altersversorgung

1. BAG 21.1.2014 – 3 AZR 807/11 (PM)  Nach § 1 a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer von sich aus auf diesen Anspruch hinzuweisen.

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X. Betriebliche Altersversorgung

2. BAG 18.7.2013 – 6 AZR 47/12  Richtig konzipierte CTAs sind insolvenzfest.

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X. Betriebliche Altersversorgung

3. BAG 18.9.2012 – 3 AZR 415/10 BAG 5.3.2013 – 1 AZRB 417/12 „VW“ Renaissance der ablösenden Betriebsvereinbarung  Von einer „betriebsvereinbarungsoffenen“ Versorgungsordnung ist im Zweifel auszugehen, wenn entweder  der Arbeitsvertrag auf eine Versorgungsordnung „in ihrer jeweiligen Fassung“ verweist oder  die Versorgungsregelung durch AGB erfolgte.  Faktisches Ende der Entscheidung des Großen Senats des BAG aus 1986: Änderung von Versorgungsregelungen, die auf Gesamtzusage, betrieblicher Übung oder vertraglicher Einheitsregelung beruhen, sind künftig durch Betriebsvereinbarung wieder möglich.

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XI. Betriebsübergang (§ 613 a)

1. BAG 24.1.2013 – 8 AZR 706/11, DB 2013, 1556  Für die Zuordnung eines AN zu einem Betriebsteil kommt es darauf an, ob er in dessen Struktur eingebunden, also tatsächlich eingegliedert war.  Die Verrichtung von Tätigkeiten für den übertragenen Betriebsteil reicht nicht aus.  Eine übereinstimmende Zuordnungsentscheidung zwischen AN und Betriebsveräußerer kann im Rahmen einer Gesamtschau von Bedeutung sein.

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XI. Betriebsübergang

2. EuGH 18.7.2013 – Rs. C-426/11 „Alemo-Herron“, NZA 2013, 835  Art. 3 RL 2001/23/EG verwehrt die Durchsetzbarkeit dynamischer Bezugnahmeklauseln gegenüber dem Erwerber, wenn dieser nicht die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen über den nach dem Übergang abgeschlossenen Kollektivverträgen teilzunehmen.  Art. 3, 8 RL 2001/23/EG ermächtigt die Mitgliedstaaten nicht zum Erlass von Maßnahmen, die zwar für AN günstiger sind, aber den Wesensgehalt des Rechts des Erwerbers auf unternehmerische Freiheit beeinträchtigen können.  Muss das BAG seine (verfehlte) Umstellung der Rspr. zur dynamischen Bezugnahmeklausel – weg von der Gleichstellungsabrede – korrigieren? (So auch Lobinger, NZA 2013, 945)

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XII. Arbeitnehmerüberlassung

1. BAG 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680

Leiharbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers erhält, wenn der abweichende Tarifvertrag unwirksam ist.  Equal-Pay-Anspruch von Leiharbeitnehmern in Folge der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP (BAG 14.12.2010 – 1 ABR 19/10, NZA 2011, 1534).  Kein schutzwürdiges Vertrauen der Verleiher auf die Tariffähigkeit der CGZP.  Einzelvertragliche Ausschlussfristen können Equal-Pay-Ansprüchen entgegenstehen.  Keine wirksame Bezugnahme auf Ausschlussfristen in unwirksamen Tarifvertrag, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass nur ein wirksamer Tarifvertrag habe vereinbart werden sollen (BAG 14.12.2011 – 4 AZR 26/10, NZA-RR 2012, 630).  Fälligkeit der Equal-Pay-Ansprüche zum vertraglich vereinbarten Zahlungszeitpunkt und nicht mit Kenntnis von Existenz des Equal-Pay-Anspruchs.

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XII. Arbeitnehmerüberlassung

2. BAG 10.7.2013 – 7 ABR 91/11, BeckRS 2013, 70579 Der Betriebsrat des Entleiherbetriebs kann seine Zustimmung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern verweigern, wenn diese dort nicht nur vorübergehend eingesetzt werden sollen.  § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG enthält ein Verbotsgesetz i.S.v. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz.  Wann eine „vorübergehende“ Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, ist nach wie vor offen. Ein Leiharbeitnehmereinsatz ohne jegliche zeitliche Begrenzung ist jedenfalls nicht „vorübergehend“.  BAG deutet einen Rechtsprechungswechsel an, wonach das Merkmal „vorübergehend“ arbeitsplatzbezogen auszulegen ist : „Zum anderen soll sie auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft (…) in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindern“ (a.A. BAG 12.11.2002 – 1 ABR 1/02, NZA 2003, 513).

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XII. Arbeitnehmerüberlassung

3. BAG 10.12.2013 – 9 AZR 51/13  Hat der Verleiher die erforderliche AÜ-Erlaubnis, kommt zwischen einem Leiharbeitnehmer und einem Entleiher kein Arbeitsverhältnis zustande, wenn der Einsatz des Leiharbeitnehmers entgegen der Regelung in § 1 I 2 AÜG nicht nur vorübergehend erfolgt.

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XIII. Tarifvertragsrecht, Streikrecht

1. BAG 21.11.2012 – 4 AZR 27/11, ArbR 2013, 266  Wechselt der AG nicht während laufender Tarifverhandlungen in eine OT-Mitgliedschaft, finden künftige Tarifabschlüsse keine Anwendung, unabhängig von Mitteilungen über diesen Wechsel.  Damit setzt der 4. Senat seine Rspr. zur OT-Mitgliedschaft fort (BAG 20.2.2008 – 4 AZR 64/07, NZA 2008, 946; 4.6.2008 – 4 AZR 419/07, NZA 2008, 1366; 26.8.09 – 4 AZR 298/08, n.v.).  Danach sollen sich Ansprüche aus § 3 I TVG „unter dem Gesichtspunkt der tarifrechtlichen Unwirksamkeit eines Statuswechsels“ ergeben können, obwohl § 3 I TVG die vereinsrechtliche Mitgliedschaft voraussetzt, ohne weiter nach deren „tarifrechtlichen (Un-)Wirksamkeit“ zu differenzieren.  Diese Rspr. ist kritisiert worden. Sie wird mit der vorliegenden Entscheidung nicht aufgegeben, aber deutlich auf die Fälle beschränkt, in denen der Statuswechsel gerade während laufender Verhandlungen wirksam wird.

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XIII. Tarifvertragsrecht, Streikrecht

2. BAG 15.10.2013 – 1 ABR 31/12, PM 62/2013  Ein AN ist nicht berechtigt, einen vom AG für dienstliche Zwecke zur Verfügung gestellten personenbezogenen E-Mail-Account ([email protected]) für die betriebsinterne Verbreitung eines Streikaufrufs seiner Gewerkschaft an die Belegschaft zu nutzen.

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XIII. Tarifvertragsrecht, Streikrecht

3. LAG München 16.10.2013 – 11 Sa 384/13 (# 1)  Die negative Koalitionsfreiheit wird nicht schon dadurch verletzt, dass von einer tariflichen Regelung ein Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ausgeht; eine Verletzung setzt vielmehr voraus, dass nichtorganisierte Beschäftigte einem Zwang oder einem unzumutbaren Druck zum Beitritt ausgesetzt werden.  Einfache Differenzierungsklauseln, die als zusätzliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen eines Anspruchs die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft voraussetzen, sind nicht wegen Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit unwirksam, da sich zum einen die Normsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien ohnehin nur auf die Mitglieder beschränkt und zum anderen eine einfache Differenzierungsklausel auch die Handlungs- und die Vertragsfreiheit der Arbeitgeberin nicht einschränkt, weil es ihr unbenommen bleibt, ihre vertraglichen Beziehungen zu den nichtorganisierten Beschäftigten frei zu gestalten und durchzuführen.

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XIII. Tarifvertragsrecht, Streikrecht

3. LAG München 16.10.2013 – 11 Sa 384/13 (# 2)  Soweit nichtorganisierte Beschäftigte durch einen Tarifvertrag in irgendeiner Form betroffen werden, beruht das nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrages, sondern allein aufgrund etwa durch Bezugnahmeklauseln gestalteter Arbeitsvertragsbeziehungen zwischen den jeweiligen Beschäftigten und ihrer Arbeitgeberin.  Besteht aufgrund einer Stichtagsregelung keine Möglichkeit eines späteren Beitritts, um in den Genuss tarifvertraglicher Leistungen zu gelangen, wird durch eine Differenzierungsklausel auch kein Beitrittsdruck auf Nichtgewerkschaftsmitglieder ausgeübt.  Die Höhe der Leistungen allein schafft keinen Beitrittsdruck, wenn die Leistungen auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt und kein echtes Entgelt für erbrachte Gegenleistung darstellen, sondern der Abwicklung des Arbeitsverhältnisses dienen; das System der Tarifkoalitionen beinhaltet von vornherein, dass es den Tarifvertragsparteien überlassen bleibt, für Gewerkschaftsmitglieder Vorteile zu vereinbaren.

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XIII. Tarifvertragsrecht, Streikrecht

4. BAG 28.8.2013 – 10 AZR 701/12  Die Absenkung von Ansprüchen auf eine betriebliche Sonderzahlung um 10 bzw. 40 „Prozent“ kann im Sinne von Prozentpunkten auszulegen sein. Eine im Standortsicherungstarifvertrag enthaltene Angabe der Prozentsätze 10 und 40, um die das 13. Monatseinkommen abgesenkt werden soll, bezieht sich auf das Monatsentgelt als Grundwert (100), nicht aber auf das 13. Einkommen.

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C. Zu guter Letzt

ArbG Düsseldorf 4.9.2013 – 8 Ca 7883/12 („Der dreibeinige Hund“)

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Berlin Friedrichstraße 71 10117 Berlin Deutschland T +49 30 800979-0 F +49 30 800979-979

Hamburg Hohe Bleichen 19 20354 Hamburg Deutschland T +49 40 460017-0 F +49 40 460017-28

Brüssel Rue de Loxum 25 1000 Brüssel Belgien T +32 2 551-1020 F +32 2 551-1039

Prag Kooperationspartner: Kubánek & Nedelka v.o.s. nám. Republiky 1a 110 00 Prag 1 Tschechische Republik T +420 225 996-500 F +420 225 996-555

Düsseldorf Bleichstraße 8–10 40211 Düsseldorf Deutschland T +49 211 54061-0 F +49 211 54061-111

München Karl-Scharnagl-Ring 6 80539 München Deutschland T +49 89 21667-0 F +49 89 21667-111

Budapest Kooperationspartner: Bán, S. Szabó & Partners József nádor tér 5–6 1051 Budapest Ungarn T +36 1 266-3522 F +36 1 266-3523

Warschau Kooperationspartner: Cvak Sp. k. ul. Złota 59 00-120 Warschau Polen T +48 22 22242-00 F +48 22 22242-99

Frankfurt Mendelssohnstraße 87 60325 Frankfurt am Main Deutschland T +49 69 95514-0 F +49 69 95514-198

Stuttgart Lautenschlagerstraße 21 70173 Stuttgart Deutschland T +49 711 8997-0 F +49 711 855096

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