8 Verwertung von Kunststoffen

491 8 Verwertung von Kunststoffen B. Huckestein, S. Grutke, K. Wittstock, BASF Aktiengesellschaft 8.1 Kunststoffe und Umwelt Kunststoffe haben seit ...
Author: Paula Krause
45 downloads 0 Views 1006KB Size
491

8 Verwertung von Kunststoffen B. Huckestein, S. Grutke, K. Wittstock, BASF Aktiengesellschaft

8.1 Kunststoffe und Umwelt Kunststoffe haben seit den 50er Jahren ein beispielloses Wachstum erreicht. Aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und hervorragenden technischen Eigenschaften haben sie zahlreiche Anwendungsgebiete erobert. Kunststoffe begegnen uns täglich. Im Automobilbau, in Haushaltsgeräten, im Bausektor, in Sport- und Freizeitartikeln, in der Medizin und der Verpackung haben sie sich gegenüber herkömmlichen Werkstoffen erfolgreich durchgesetzt. 2001 wurden in Deutschland über 12,8 Millionen Tonnen Kunststoffe verbraucht (Abb. 8.1). Ohne Einbußen an unserer hohen Lebensqualität sind sie aus unserem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken.

Automobil

8% Elektro- und elektrotechnische Industrie

Möbel Haushaltswaren

Bausektor

27 %

Landwirtschaft

7%

2%

8% 16,5 %

4,5 %

Sonstige (Spielwaren, Freizeit, etc.)

27 % Verpackungen

Quelle: VKE 5/2002

Gesamt: 12,8 Mio. t

Abbildung 8.1: Einsatzgebiete von Kunststoffen (Deutschland 2001)

Die übergreifende Betrachtung des gesamten Lebensweges unter Beachtung ökologischer und ökonomischer Aspekte hat zum Siegeszug der Kunststoffe beigetragen. Kunststoffe benötigen verhältnismäßig wenig Energie für ihre Produktion und Verarbeitung. Nur etwa 6 % des in Deutschland verbrauchten Mineralöls werden für Kunststoff-Werkstoffe verwendet, während ca. 50 % als Treibstoffe im Verkehr und ca. 30 % als Heizöl direkt verbrannt werden (Abb. 8.2). Die Prozesstemperaturen bei der Herstellung und Verarbeitung der Kunststoffe liegen selten über 300 °C, d.h. sie sind um den Faktor 2 bis 4 niedriger als bei Glas oder Eisen.

492

8.1 Kunststoffe und Umwelt

Sonstiger energetischer Verbrauch

3

Heizung 29,5

49,5

5

Bitumen, Koks, Schmierstoffe, Rückstände

13

Chemie

Verkehr

6

Kunststoff-Werkstoffe Quelle: Mineralölwirtschaftsverband 5/99

Abbildung 8.2: Einsatz von Mineralölprodukten 1998 (in Prozent)

Meist ist es aber die Nutzenphase eines Produktes, die die ökologische Position eines Werkstoffes am stärksten beeinflusst. Gerade hier zeigen Kunststoffe ihre Stärke: • Im Transportsektor erlauben Kunststoffe den Bau leichterer Fahrzeuge mit der Folge, dass der Kraftstoffverbrauch sinkt. So werden erhebliche Mengen an Treibstoff und Kohlendioxid-Emissionen gespart. Zudem erhöhen sie die Sicherheit unserer Automobile: Airbag, Sicherheitsgurte und hinterschäumte Armaturentafeln wurden durch Kunststoffe erst möglich gemacht. (CD) • Im Bausektor helfen außerordentlich wirksame Dämmstoffe aus Kunststoff, Wärmeverluste bei Häusern zu verringern und damit Öl- und Gasverbrauch entscheidend zu senken. Die für die Dämmstoffherstellung benötigte Ölmenge ist nach weniger als einer Heizperiode bereits wieder eingespart. So wird auch der Ausstoß von Kohlendioxid, das zum Treibhauseffekt beiträgt, entscheidend reduziert.(CD) • Im Elektro-/Elektronikbereich haben Kunststoffe viele Innovationen überhaupt erst ermöglicht. Doch sie helfen auch, den Energiebedarf zu verringern. Flachbildschirme haben einen signifikant niedrigeren Strombedarf als herkömmliche Bildschirme. Waschmaschinen mit formoptimierten Laugenbehältern aus Kunststoff benötigen weniger Wasser und Strom und bei Kühlschränken konnte durch verbesserte Isolierung mit Kunststoffschäumen der Energieverbrauch entscheidend gesenkt werden. (CD) • Nicht nur langlebige Kunststoffgüter schonen Ressourcen. Gerade im Verpackungsbereich ist der Gebrauch anderer Materialien oft mit höherem Energieverbrauch und höherer Umweltbelastung verbunden. Ein Ersatz aller Kunststoffverpackungen würde den Energieverbrauch und das Müllvolumen verdoppeln. Kunststoffe sind deshalb zum Verpackungsmaterial Nummer Eins geworden. Die Stückzahl an Verpackungen ist dabei sehr viel stärker gestiegen als die eingesetzte Kunststoffmenge. Denn durch die verbesserte Leistungsfähigkeit der eingesetzten Kunststoffe sind die Verpackungen immer leichter geworden. Der Joghurtbecher wiegt heute nur noch halb soviel wie vor 10 Jahren und Folien sind um ein Drittel dünner geworden. (CD)

8 Verwertung von Kunststoffen

493

Zum Abfallaufkommen tragen Kunststoffe aufgrund ihrer Langlebigkeit nur in geringem Maße bei. 60 Prozent aller Kunststoffprodukte haben eine Nutzungszeit von mehr als 8 Jahren. Viele Erzeugnisse im Baubereich werden sogar 50 Jahre und länger eingesetzt. Nur ein Viertel der Kunststoffe hat seine Lebensdauer bereits nach einem Jahr beendet. Etwa 5,4 Gewichtsprozent des Hausmülls bestehen aus Kunststoff. Ihr Anteil am gesamten Müllaufkommen ist kleiner als 1 Gewichtsprozent. Doch zum Deponieren sind Altkunststoffe zu schade, denn sie lassen sich als Rohstoff für die energetische oder stoffliche Verwertung nutzen. Mit einer Verwertungsquote von ca. 60 % liegt Deutschland dabei weltweit an der Spitze (Abb. 8.3). Ab 2005 sollen in Deutschland gar keine gebrauchten Kunststoffteile mehr auf die Deponie gelangen. Denn nach Gebrauch stellen Kunststoffe eine wertvolle Rohstoffquelle dar, deren Nutzung einen weiteren Beitrag zur Schonung fossiler Ressourcen leistet. Bei keinem anderen Material bieten sich so vielfältige Verwertungsmöglichkeiten an wie bei Kunststoffen. Die folgenden Kapitel können deshalb nur einen Überblick geben. Beseitigung ca. 40 %

Verwertung ca. 60 %

in Müllverbrennungsanlagen mit Energiegewinnung / auf Deponien

1.405

werkstofflich

295

rohstofflich

1.600 550

energetisch

Gesamtaufkommen: ca. 3,85 Mio. t Quelle: CONSULTIC 8/2002

Abbildung 8.3 Verwertung und Recycling von Kunststoffen (in 1.000 t)

Drei prinzipiell unterschiedliche Verwertungswege stehen für Altkunststoffe zur Verfügung (Abb. 8.4): • Werkstoff-Recycling, d. h. das Umschmelzen von Altkunststoffen zu neuen KunststoffRohstoffen oder Formteilen. • Rohstoff-Recycling, d.h. das Spalten von Altkunststoffen in chemische oder petrochemische Rohstoffe. • Energetische Verwertung, d. h. Verbrennung zur Energiegewinnung. Welcher Weg beschritten wird, hängt von der Art und Qualität der Altkunststoffe ab. Neben technischen Restriktionen sind außerdem die Aufnahmefähigkeit der Märkte sowie ökologische und wirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen.

494

8.2 Sortierung und Agglomeration von Altkunststoffen

Rohstoffe aus Erdöl / Erdgas 6% Kunststoff-Werkstoff

82 %

Verbraucherprodukte WerkstoffRecycling

RohstoffRecycling

energetische Verwertung

Abfall

Deponie

Stoffliche Verwertung

Abbildung 8.4: Der Kunststoff-Kreislauf

8.2 Sortierung und Agglomeration von Altkunststoffen Um Altkunststoffe für eine Nutzung zu gewinnen, ist zunächst eine Sammlung erforderlich. Ob diese gemeinsam mit anderen Abfällen erfolgt, oder ob bereits hier ein erster Sortierschritt in Form einer Getrenntsammlung vorgenommen wird, hängt von der Art des Abfalls und den Input-Kriterien der sich anschließenden Sortier- und Verwertungsverfahren ab. Generell lässt sich sagen, dass die Sammlung und Sortierung für energetische und die meisten rohstofflichen Verwertungsverfahren lediglich auf eine Abtrennung von Störstoffen (Metallen, Inertstoffen) ausgerichtet ist. Ziel der Sammlung und Sortierung für die werkstoffliche Verwertung ist die Bereitstellung sortenreiner Kunststoff-Fraktionen für die weitere Aufarbeitung. Das älteste Sortierverfahren ist die manuellen Sortierung, die in Einzelbereichen auch heute noch praktiziert wird. In den vergangenen Jahren wurden jedoch zahlreiche Methoden zur automatischen Abtrennung von Fremdmaterialien und zur Sortierung von Altkunststoffen entwickelt bzw. befinden sich teilweise noch in der Weiterentwicklung. Sie nutzen zur Trennung Produkteigenschaften wie die Form des Bauteils oder spezifische Materialeigenschaften wie Dichte, elektrostatische Aufladbarkeit, spektroskopische Merkmale, Benetzbarkeit oder Löslichkeit (Abb. 8.5). Die einzelnen Verfahren sind auf der CD näher erläutert. Um aus komplexen Gemischen verwertbare, kunststoffreiche Fraktionen zu gewinnen, dienen vor allem Verfahren zur Metallabtrennung sowie mechanische Formerkennungs- und Dichtetrennverfahren.

8 Verwertung von Kunststoffen

495

Kunststoffsortierverfahren

Unzerkleinerte Kunststoffteile z z

Manuelle Sortierung Mechanische Formerkennung

Zerkleinerte Kunststoffteile z

– Schwimm-Sink-Scheidung – Hydrozyklon-Trennung – Trennzentrifugen

– Sieben – Sichten z

Spektroskopische Detektionsverfahren – – – –

z

Infrarotspektroskopie Röntgenfluoreszenz Röntgenabsorption Massenspektroskopie

z z

Spektroskopische Detektionsverfahren (s. links) Lösemitteltrennung – Selective-Dissolution-Process – Polymer-Recycling durch Lösen

Optische Formerkennung – Bilderkennungssysteme

Dichtetrennung

z z

Elektrostatische Trennung Flotation

Abbildung 8.5: Übersicht der Kunststoffsortierverfahren (CD)

Zur werkstofflichen Verwertung vermischter Altkunststoffe sind in der Regel eine Vielzahl aufeinander folgender Sortierschritte erforderlich. Die vorsortierten Kunststoff-Fraktionen werden zerkleinert (CD) und weiteren Trenn- und Reinigungsschritten zur Erhöhung der Sortenreinheit und Sauberkeit unterworfen. Verfahrensbeispiel Vorsortierung: Trennung von Leichtverpackungen aus dem Dualen System — Ein Beispiel für den Stand der Technik bei der Trennung von Leichtverpackungen (d.h. den im Gelben Sack oder in der gelben Tonne gesammelten Kunststoffverpackungen, Verbundverpackungen und Dosen) ist die Anlage der A.R.T. GmbH in Trier (Abb. 8.6). Dort werden mechanische Formerkennungsverfahren und spektroskopische Detektionsverfahren kombiniert. Spektroskopische Detektionsverfahren waren in den 90er Jahren für einen kommerziellen Einsatz in der Regel noch zu langsam. Heute werden sie Dank verbesserter Rechnerleistungen jedoch zunehmend eingesetzt. Die im Gelben Sack gesammelten Leichtverpackungen werden über Gebindeöffner auf ein Trommelsieb gegeben. Aus der Grobfraktion (> 200 mm) werden über einen Windsichter große Folien und über einen Magnetscheider Weißblech abgetrennt. Die Feinfraktion durchläuft weitere Siebstufen. Nur Partikel mit < 20 mm werden als Feinmüll ausgeschleust, d.h. selbst kleine Milchportionsverpackungen u.ä. bleiben der WertstoffFraktion erhalten. Ein weiterer Windsichter trennt die sogenannte „Mischkunststoff weich“-Fraktion ab, die vornehmlich aus kleinen Folien (Chipstüten etc.) besteht. Nach Abtrennung von Weißblech über einen Magnetscheider, Flüssigkartons über einen Nahinfrarot (NIR)-Trenner und Aluminium über einen Wirbelstromscheider erfolgt die Auftrennung der verbleibenden Kunststoffe über verschiedene NIR-Module. Bei der derzeitigen Zusammensetzung der Verpackungskunststoffe sind diese auf eine Separierung von Polyethylen, Polypropylen, PET und Polystyrol ausgelegt. Schwarze Kunststoffteile bleiben dabei unerkannt. Für sie ist das Verfahren nicht geeignet. Sie sind ein Be-

496

8.2 Sortierung und Agglomeration von Altkunststoffen

standteil der „Mischkunststoff hart“-Fraktion mit allen verbleibenden nicht identifizierten Kunststoffen. Des weiteren fallen Papierverbunde und Sortierreste an. Die Auftrennung in derart viele Material-Fraktionen ist aus logistischen Gründen nur bei Großanlagen sinnvoll. Die Anlage in Trier hat eine Kapazität von 25.000 Tonnen pro Jahr, neuere Anlagen mit vergleichbarer Technik liegen bei 60.000 Jahrestonnen. Trotz des hohen Automatisierungsrades kann bisher auf manuelle Nachsortierung nicht vollständig verzichtet werden. Diese ist jedoch auf ein Minimum beschränkt.

Folien

Mischkunststoffe

Weißblech

Getränkekartons

Aluminium Sonstige Rest Mischkunststoffe

Puffer

PE PP PS PET

Grafik:Duales System/Stand: September 2001

Abbildung 8.6: Verfahrensschema der A.R.T.-Anlage

Die hier beschriebene Vorsortierung ist nur der erste Schritt. Die erhaltenen Kunststoff-ArtenFraktionen werden an Verwerter abgegeben, die vor der Regranulierung weitere Aufbereitungsschritte (Zerkleinerung, Reinigung, weitere Sortierung zur Abtrennung von Etiketten, Verschlüssen, Fehlsortierungen etc.) durchführen müssen. Die Mischkunststofffraktionen werden – größtenteils nach Herstellung eines Agglomerates – sowohl in werkstoffliche (siehe 8.3) als auch in rohstoffliche (8.4) Verwertungswege geleitet. Agglomeration (CD)  Die Agglomeration bzw. Verdichtung dient in erster Linie zur Erhöhung der Schüttdichte von Folien-, Faser- und Schaumstoffmahlgütern. Sie ist in bestimmten Fällen erforderlich, um das Material besser förderbar zu machen. Außerdem wird damit, zum Beispiel durch die geringere Neigung zur Brückenbildung im Bunker, die Handhabung dieser Fraktion vereinfacht. Mischkunststoff-Agglomerate dienen als Input-Fraktionen für einige rohstoffliche Verfahren, da die Förderbarkeit eine Grundvoraussetzung für den kontinuierlichen Betrieb großer Anlagen ist. Sie werden auch für einige werkstoffliche Verwertungsverfahren hergestellt, da sie ohne zusätzliche Eintragshilfe einen einwandfreien Einzug des Materials in die Plastifiziereinheit (Extruder) der Verarbeitungsmaschine gewährleistet.

8 Verwertung von Kunststoffen

497

8.3 Werkstoffliche Verwertung Kunststoffe werden durch Variation von Polymertyp, Einfärbungen, Verstärkungsmaterialien etc. auf die jeweilige Anwendung hin maßgeschneidert. Ihr volles Leistungsvermögen erbringen sie nur sortenrein oder als Blend definierter Zusammensetzung, gegebenenfalls auch durch Zugabe ausgewählter Additive. Die werkstoffliche Verwertung – das Umschmelzen der Altkunststoffe zu neuen Produkten – erfordert deshalb sortenreine, saubere und in großen Mengen anfallende Altkunststoffe. Dann halten sich die unvermeidlichen Eigenschaftsverluste beim Recyclingprozess in Grenzen, der energetische Aufwand ist niedrig, die Aufarbeitungskosten sind vertretbar, und die Rezyklate finden leichter einen Markt. Die überwiegende Menge der Altkunststoffe fällt jedoch in Form komplexer Produkte, z. B. Verpackungen, Automobilteile oder Elektrogeräte, an. Umfangreiche Demontage-, Sortier-, Reinigungs- und Aufbereitungsschritte sind dann erforderlich. Die notwendigen Maßnahmen hängen wesentlich davon ab, aus welchen Quellen der Altkunststoff stammt und in welchem Zustand er vorliegt. Durch Kombination verschiedener Trenn- und Reinigungsschritte lassen sich heute bereits beachtliche Ergebnisse erzielen. Technische Neuerungen bei Sortierverfahren und Prozessabläufen führen zu Kostenreduktionen. Trotzdem übersteigt der Aufwand häufig bei weitem den Wert der Sekundärrohstoffe. Nur durch Zuzahlungen, z.B. über die Grüne-Punkt-Gebühr, ist die Bereitstellung eines Rezyklats zu Preisen, die eine Vermarktung zulassen (d.h. unter Neuwarepreisen), möglich. Dies ist insbesondere bei den vermischten Kunststoffkleinteilen und den preiswerten, mit geringem Energieaufwand hergestellten Massenkunststoffen der Fall. Denn jede Aufarbeitung ist mit Energie- und Wasserverbrauch sowie finanziellem Aufwand verbunden. Verbleibende Verunreinigungen, Vermischung verschiedener Kunststofftypen sowie Schädigungen der polymeren Grundstruktur in der Nutzungsphase und bei der Aufarbeitung verhindern meist den hochwertigen Wiedereinsatz derartiger Materialien. Ein derzeitig üblicher Weg ist das Zumischen einer geringen Menge des Rezyklates zu Neuware. Es ist sehr leicht erkennbar, dass dieser Weg keinen generellen Ausweg liefert. Der Markt kann nur vergleichsweise kleine Teilmengen aufnehmen, da sonst die hergestellten Mengen an Kunststoff exponentiell zunehmen müssten. Bei der Suche nach Einsatzmöglichkeiten für Rezyklate aus vermischten Altkunststoffen konnten begrenzte Kapazitäten im Bereich Holz- und Betonersatz erschlossen werden. Auch hier ist Werkstoffrecycling jedoch nicht immer wirtschaftlich durchführbar, die Anwendungsmöglichkeiten für die Rezyklate sind stark eingeschränkt und unter ökologischen Gesichtspunkten sind diese Verwertungswege oft kontraproduktiv. Der Vergleich des Werkstoffrecyclings mit anderen Verwertungsverfahren zeigt: Ökologische Vorteile – sofern überhaupt vorhanden – rechtfertigen die Kosten meist nicht. Nur für 10 – 20% der anfallenden Altkunststoffe ist die werkstoffliche Verwertung ökonomisch und ökologisch die Methode der Wahl. 8.3.1 Herstellung von Rezyklaten (Regranulierung) Ziel der Regranulierung ist die Wiederaufbereitung des Altkunststoffes zu einem verarbeitungsfähigen, festen Granulat mit definiertem, qualitätsgesichertem Eigenschaftsniveau. Da Rezyklate in der Regel zu kunststofftypischen Produkten weiterverarbeitet werden, ist diese Art des Recyclings dann sinnvoll, wenn eine Aufbereitung der Altkunststoffe zu sortenreinen, marktfähigen Granulaten möglich ist. Die für die Aufarbeitung durchzuführenden Verfahrensschritte sind abhängig von der Qualität (Sortenreinheit, Verschmutzungsgrad) des Ausgangsmaterials. Sortenreine, unverschmutzte Altkunststoffe, zum Beispiel Produktionsausschuss, können zerkleinert und in vielen Fällen direkt in den Produktionsprozess eingeschleust werden. Auch im Ver-

498

8.3 Werkstoffliche Verwertung

arbeitungsbereich, bei Transportverpackungen oder Landwirtschaftsfolien wird Werkstoffrecycling schon lange erfolgreich praktiziert. Ist eine direkte Rückführung des Mahlguts, zum Beispiel bei hygroskopischen Kunststoffen, nicht möglich, kann eine Aufbereitung über die Schmelze mittels Extrusion durchgeführt werden. Die Aufbereitung vermischter und/oder verschmutzter Altkunststoffe ist dagegen sehr aufwendig und meistens dank anderer Alternativen nicht sinnvoll. Hier sind in der Regel folgende Verfahrensschritte durchzuführen: • Sammlung • Vorsortierung (CD) • Zerkleinerung (CD) • Wäsche (CD) • Sortierung (CD) • Trocknung (CD) • Aufbereitung über die Schmelze/Granulierung durch - Extrusion (Plastifizieren, Homogenisieren, Entgasen) - Schmelzefiltration mit diskontinuierlichen oder kontinuierlichen Siebwechslern/Separatoren - Granulierung - Silierung Durch Aufbereitung über die Schmelze und Granulierung kann bei geeignetem Input-Material ein homogenes Rezyklat mit definierter Kornform und Größe erhalten werden. Die anwendungstechnischen Produkteigenschaften können durch Einarbeitung von Zuschlagstoffen wie Füllstoffen, Farbmitteln, Verstärkungsstoffen, Stabilisatoren usw. gezielt eingestellt werden (Compoundierung). Für niedrige Durchsätze und einfache Extrusionsaufgaben werden Einschneckenextruder eingesetzt. Bei anspruchsvollen Compoundieraufgaben mit hohen Anforderungen an Mischwirkung und Entgasungsleistung kommen gleichläufige Doppelschneckenextruder zum Einsatz. Gegenläufige Doppelschneckenextruder werden bevorzugt für die Extrusion von PVC verwendet. Die aufbereitete Schmelze kann im Kaltabschlag-(Stranggranulierung) oder Heißabschlagverfahren granuliert werden. Qualitätsbestimmend für das Endprodukt sind im wesentlichen die Verfahrensschritte Wäsche, Sortierung und Aufbereitung über die Schmelze, da hierdurch Sauberkeit, Sortenreinheit und anwendungstechnische Eigenschaften des Rezyklats bestimmt werden. Die Hauptkosten verursachen hingegen die Schritte Sammlung und Vorsortierung (siehe 8.2). Bei Altkunststoffen aus Haushaltssammlungen werden in Deutschland derzeit 70–80 Prozent der Recycling-Kosten für diese Teilschritte aufgewendet. Verfahrensbeispiel: Aufbereitung einer Folienfraktion  Die separat gesammelte oder aus einer Sortieranlage erhaltene Folienfraktion wird als Losematerial auf ein Aufgabeband gegeben und einem Schneidwalzenzerkleinerer zugeführt. Am Förderband ist ein Kontrollplatz (Leseband) eingerichtet, an dem nochmals Schadstoffe manuell herausgesammelt werden können. Nach der Vorzerkleinerung erfolgt die Reinigung in einem Vorwaschbehälter. Hier werden insbesondere die schweren Bestandteile (Steine, Metallteile, Sand) abgeschieden. Die gereinigte Kunststoff-Fraktion wird anschließend in einer Nassmühle auf eine Partikelgröße von ca. 10 mm x 10 mm zerkleinert. Nach dem Mahlvorgang werden die Kunststoffteilchen in einem Friktionswäscher erneut gewaschen und dann der Sortiereinrichtung zugeführt. Diese besteht aus einer Hintereinanderschaltung von Schwimm-Sink- und Hydrozyklon-Stufe (Dichte-sortierung). Die Trocknung der im Überlauf aus der Sortierstufe anfallenden Leichtfraktion erfolgt mechanisch durch Zentrifugieren und thermisch durch Stromtrocknung. Vor der Compoundierung

8 Verwertung von Kunststoffen

499

wird das Material zur Entkopplung der Verfahrensschritte in einem Silo mit Homogenisiereinrichtung zwischengelagert.

Abbildung 8.7: Allgemeines Verfahrensschema zur Regranulierung

Die Schwerfraktion aus dem Unterlauf der Sortierstufe wird mechanisch entwässert und dann in einem Vorratsbunker gelagert. Eine weitere Auftrennung ist bei entsprechend großen Mengen möglich. Für die Aufbereitung der Leichtfraktion über die Schmelze kommt hier ein Einschneckenextruder mit Vakuumentgasung und Siebwechsler zum Einsatz. Die Granulierung erfolgt mit Heißabschlag. Das abgekühlte Granulat wird siliert. 8.3.2 Formteil- und Halbzeugherstellung aus vermischten Altkunststoffen Unsortierte Altkunststoffe mit geringem Störstoffanteil können ohne Zwischenschaltung eines Regranulierschritts unter Anwendung einer vergleichsweise minimalen Aufbereitungstechnik direkt zu Formteilen oder Halbzeugen verarbeitet werden. Problematisch bei der Verarbeitung vermischter Kunststoffe sind die Unverträglichkeit nahezu aller Kunststoffe untereinander und die anhaftenden Verunreinigungen. Damit die daraus resultierenden Materialinhomogenitäten nur einen geringen Einfluß auf Prozeßsicherheit und Einheitlichkeit der Produkteigenschaften ausüben, müssen die Bauteile im Vergleich zu kunststofftypischen Produkten dickwandig ausgeführt werden. Produkte sind Blumenkübel, Lärmschutzwände, Parkbänke, Palisaden, Platten usw. Die Altkunststoffe substituieren hier vielfach Holz oder Beton. Vorteilhaft bei dieser Art der Altkunststoffverwertung ist, dass die aufwendige Feinsortierung der Kunststoffe in sortenreine Materialien eingespart werden kann. Die Verarbeitungskosten für die Aufarbeitung bis zum neuen Produkt reduzieren sich damit um rund 50 Prozent. Der Kostendruck seitens Holz und Beton verwehrt bei vielen möglichen Anwendungen jedoch eine breite Wettbewerbsfähigkeit; ökologisch ist diese Substitution oft kontraproduktiv. Zur Aufbereitung des Materials vor der Verarbeitung werden üblicherweise folgende Verfahrensschritte durchgeführt: • Zerkleinerung (CD) • Agglomeration

500

8.3 Werkstoffliche Verwertung



Mischung und Zwischenlagerung Im Unterschied zur Aufbereitung für einen Regranulierprozeß wird, um Abwasser sowie einen kostenintensiven Trockungsschritt zu vermeiden, die Zerkleinerung fast immer trocken durchgeführt. Zur Verarbeitung vermischter Altkunststoffe zu Formteilen gibt es eine Reihe von Verfahren: • Intrusionsverfahren • Spritzgieß- bzw. Spritzpressverfahren • Extrusionsverfahren • Sinterpressverfahren Beispielhaft wird ein Intrusionsverfahren beschrieben: Intrusionsverfahren sind diskontinuierliche Extrusions- bzw. speziell modifizierte Spritzgießverfahren, mit denen dickwandige, lange und/oder kompakte Bauteile wie Pfähle, Latten, Profilstäbe usw. aus Mischkunststoffen hergestellt werden können (Abb. 8.8). Die getrennt nach Hohlkörpern und Folien aufbereiteten Altkunststoffe werden in einem Einschneckenextruder mit genuteter, gekühlter Einzugsbuchse und Stiftzylinderplastifizierzone aufgeschmolzen, homogenisiert, entgast und in die im Formenwechselsystem („Revolversystem“) eingespannten Werkzeuge intrudiert. Die Kühlung der gefüllten Formen erfolgt in einem temperierten Wasserbecken, in dem sich die Formaufnahmen mit den eingespannten Formen taktweise drehen. Die Formteile werden mittels Preßluft ausgestoßen.

Abbildung 8.8: Verarbeitung vermischter Kunststoffe

8.3.3 Materialspezifische werkstoffliche Verwertung Neben den oben aufgeführten allgemeinen Verwertungstechniken sollen hier zusätzliche, spezifische Beispiele für einzelne Polymerklassen aufgeführt werden: Polyvinylchlorid (PVC) — Für PVC gibt es zahlreiche Anlagen zur werkstofflichen Verwertung von Fenstern, Dachbahnen, Fußböden etc., die gemäss den oben beschriebenen Prinzipien arbeiten.

8 Verwertung von Kunststoffen

501

Ein weiterer Weg zum werkstofflichen Recycling ist das Lösen von Weich-PVC in Methylethylketon (MEK) mit anschließendem Ausfällen. Das Handling der Lösemittel erfolgt in geschlossenen Kreisläufen.Bei diesem Verfahren lassen sich Verunreinigungen, aber auch Additive wie Farb- und Füllstoffe abtrennen. Die Qualität des Output-Materials ist demzufolge höher als bei einer rein mechanischen Aufarbeitung. Eine industrielle Anlage mit einer Kapazität von 10.000 Jahrestonnen wird von der Vinyloop Ferrara SpA betrieben. Sie wurde vorrangig für das Recycling von PVC-Kabelummantelungen errichtet, denn die Rückgewinnung des wertvollen Kupfers leistet den entscheidenden Beitrag zur Finanzierung des Verfahrens. Polyurethane (PUR) — Saubere PUR Abfälle, z.B. Verarbeitungsabfälle oder unverschmutzte Baustellenabfälle, können nach Zerkleinerung direkt dem Produktionsprozess zugesetzt und so werkstofflich verwertet werden. Eine andere Möglichkeit ist das Klebpressen, bei dem PUR-Reste zusammen mit einem Bindemittel unter Druck zu holzwerkstoffähnlichen PUR-Preßplatten geformt werden. Expandiertes Polystyrol (EPS) — Saubere Polystyrolschäume können verdichtet und extrudiert und so als Polystyrolgranulat werkstofflich verwertet werden. Analog zu PUR-Schäumen können sie aber auch vermahlen und im Gemisch mit neuem expandierbarem Polystyrol direkt zur Herstellung neuer Formteile dienen. Gemahlenes EPS findet weiterhin als Zuschlagstoff im Baubereich Anwendung, z.B. zur Porosierung von Leichtlochziegeln, als Ersatz mineralischer Zuschläge, zur Herstellung von Leichtbeton oder als Zusatz zu Dämmputzen. 8.3.4 Perspektiven des Werkstoff-Recyclings Werkstoff-Recycling ist nur sinnvoll wenn • im Vergleich zu anderen Verwertungsverfahren der ökologische und ökonomische Aufwand für Sammlung, Sortierung und Aufbereitung im angemessenen Verhältnis zum erzielbaren Nutzen steht. • Der Markt die erzielbare Materialqualität aufnehmen kann. • übergeordnete Ziele wie die Optimierung der Umwelteigenschaften eines Produktes über den gesamten Lebensweg („Design for Environment“) vorrangig berücksichtigt werden. (Bei Automobilen, Kühlschränken, Waschmaschinen und vielen anderen Produkten entfallen ca. 80 % des benötigten Energieaufwands auf die Nutzenphase. Eine Optimierung im Hinblick auf werkstoffliche Verwertbarkeit unter Inkaufnahme von Nachteilen wie erhöhten Energieverbräuchen in der Nutzenphase kann ökologisch kontraproduktiv sein.) Werkstoffrecycling kann einen nützlichen, aber letztlich nur begrenzten Beitrag zur Verwertung von Altkunststoffen leisten. Insbesondere für große Fraktionen kleinteiliger, vermischter und verschmutzter Kunststoffe – egal ob aus dem Verpackungs-, dem Auto- oder Elektrobereich - ist Werkstoff-Recycling unter Ökoeffizienz-Gesichtspunkten nicht die Methode der Wahl. Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Werkstoff-Recycling unter heutigen Rahmenbedingungen nur mit etwa 20 Prozent sinnvoll zur Verwertung von Altkunststoffen beitragen kann. Für die große Menge der kleinteiligen, vermischten und verschmutzten Kunststoffe sind universelle Verwertungsverfahren notwendig. Neben dem Werkstoff-Recycling gewinnen deshalb das Rohstoff-Recycling und die energetische Verwertung an Bedeutung.

502

8.4 Rohstoffliche Verwertung

8.4 Rohstoffliche Verwertung Mit den Verfahren der rohstofflichen Verwertung lassen sich große Mengen Altkunststoff stofflich verwerten. Damit gibt es eine Alternative zum Werkstoff-Recycling zur Erfüllung von Recyclingquoten. Durch Rohstoff-Recycling werden gebrauchte Kunststoffe in ihre Ausgangssubstanzen oder in chemische oder petrochemische Rohstoffe gespalten, die wieder zur Herstellung neuer Kunststoffe oder anderer chemischer Produkte eingesetzt werden können (Abb. 8.9). Die so erzeugten Produkte unterliegen keiner Anwendungseinschränkungen. RohstoffRecycling

Kondensationspolymere (PET, PA, PUR) Solvolyse Solvolysemit mit ••Methanol Methanol ••Wasser Wasser ••Glykol Glykol

Monomere

Standardkunststoffe (PE, PP, PS, PVC), vermischte Kunststoffe Thermische ThermischeSpaltung Spaltung

••mit mitSauerstoff: Sauerstoff:Synthesegaserzeugung Synthesegaserzeugung ••unter unterLuftabschluss: Luftabschluss:Pyrolyse, Pyrolyse,Thermolyse Thermolyse ••mit mitWasserstoff: Wasserstoff:Hydrierung Hydrierung

Chemische oder petrochemische Rohstoffe

Abbildung 8.9: Rohstoffliche Verwertung

8.4.1 Verwertung von Kondensationspolymeren Kondensationspolymere, wie PET, PA oder PUR lassen sich durch spezielle Lösungsverfahren mit Wasser oder Alkoholen unter relativ milden Reaktionsbedingungen in eine oder mehrere ihrer Ausgangskomponenten zerlegen. Je nach eingesetztem Spaltungsagens, spricht man von Hydrolyse, Alkoholyse oder Aminolyse. Solche chemolytischen Verfahren sind auch auf andere Polymere, die Ester-, Amid-, Urethan-, Carbonat- oder Acetalstrukturen enthalten, anwendbar. Die Chemolyse von Polymeren, die keine Heteroatome in der Hauptkette tragen, liefert keine sinnvoll verwertbaren Spaltprodukte. Polyurethane — Polyurethane sind leicht thermisch spaltbar, die Spaltprodukte sind jedoch uneinheitlich und kaum verwertbar. Eine selektive Spaltung wird beispielsweise durch Umsetzung mit Wasser erreicht, wobei das Ausgangspolyol, Kohlendioxid und das dem Ausgangsisocyanat zugrunde liegende Amin entstehen (Abb. 8.10).

8 Verwertung von Kunststoffen

503

···· ─R’─NH─CO┼O─R─O┼CO─NH─R’─NH─CO┼OR─ ····· HO┼H

H┼OH

HO┼H

↓ ···· ─R’─NH2 + CO2 + HO─R─OH + CO2 + NH2─R’─NH2 + CO2 + HO─R─ ···· Abbildung 8.10: Hydrolyse von Polyurethanen

Zum Beschleunigen der Reaktion muss bei hohen Temperaturen und unter Druck gearbeitet werden. Das Trennen des Produktgemisches ist mit einem erheblichen verfahrenstechnischen Aufwand verbunden. Bisher hat die Hydrolyse keine praktische Bedeutung erlangt. Die Alkoholyse von PUR verläuft analog zur Hydrolyse. Der Unterschied in den Reaktionen besteht darin, dass die Alkoholyseprodukte im Gegensatz zu denen der Hydrolyse stabil sind und kein Kohlendioxid abspalten. Es entsteht ein Gemisch aus ursprünglichem Polyol und niedermolekularen Urethanen mit endständigen OR-Gruppen (Abb. 8.11). ···· ─R─NH─CO┼O─R’─O┼CO─NH─R’─NH─CO┼OR’─ ····· R’’O┼H

H┼OR’’

R’’O┼H

↓ ···· ─R’─NH─CO + HO─R’─OH + CO─NH─R─NH─CO + HO─R’─ ···· | | | OR’’ OR’’ OR’’ Abbildung 8. 11: Alkoholyse von Polyurethanen

Setzt man Diole ein, so entstehen Urethanmoleküle mit endständigen OH-Gruppen. Als geeignet und preiswert haben sich höhersiedende Glykole auf Basis von Ethylenoxid und Propylenoxid erwiesen. Die Glykolyse wird in technischem Maßstab bei verschiedenen PolyurethanHerstellern betrieben. Die erhaltenen Polyole werden direkt zur Herstellung neuer Polyurethane verwendet. Polyamid (PA) — Polyamide können ähnlich wie die Polyurethane durch Hydrolyse oder Alkoholyse in die Ausgangsprodukte umgewandelt werden. Es entstehen Aminocarbonsäuren bzw. Dicarbonsäuren und Diamine. Die Hydrolyse erfordert drastische Reaktionsbedingungen und lange Reaktionszeiten. Dabei ist zwischen den beiden Polyamiden 6.6 und 6 zu unterscheiden, da unterschiedliche Bedingungen verwendet werden sollten. Die technische Rückspaltung von PA6 zu Caprolactam kann unter der Einwirkung von Phosphorsäure und Wasserdampf bei hohen Temperaturen erfolgen. Dieses Verfahren wird großtechnisch zum Beispiel zur Aufarbeitung von Produktionsresten aus der Teppichherstellung benutzt. Zur Verwertung gebrauchter Teppichfasern aus PA6 ist die basisch katalysierte Hydrolyse geeignet. Das erhaltene Caprolactam muss gereinigt werden und kann anschließend zur erneuten Polymerisation verwendet werden. Polyethylenterephthalat (PET) — Die Hydrolyse von Polyestern liefert Carbonsäure und Alkohol (Abb. 8.12), aus denen nach Trennung und Reinigung erneut Polyester hergestellt werden können.

504

8.4 Rohstoffliche Verwertung

···· ─R’─CO┼O─R─O┼CO─R’─ CO┼O─R─ ····· R’’O┼H

H┼OR’’

R’’O┼H

↓ ···· ─R’─COOR’’ + HO─R─OH + R’’OOC─R’─COOR’’ + HO─R─ ···· Abbildung 8.12: Alkoholyse von Polyestern

Einfacher gelingt der Abbau durch Alkoholyse. Dabei entstehen die entsprechenden Diole und Dicarbonsäureester. Wird Methanol zur Alkoholyse von Polyethylenterephthalat (PET) verwendet, bilden sich die für die Polymerisation verwendeten Monomere nahezu quantitativ zurück. Setzt man mehrfunktionelle Alkohole ein, sind Polyole darstellbar, die zum Beispiel auch zur Herstellung von Polyurethanen eingesetzt werden können. Methanolyse und Glykolyse finden eine breite Anwendung beim Recycling von PETGetränkeflaschen. Bei beiden Verfahren eignen sich die erhaltenen Produkte zur Herstellung neuer Getränkeflaschen. Während die Glykolyse preiswerter ist und weniger Energie benötigt, ist die Methanolyse auch zur Aufarbeitung minderwertiger Einsatzstoffe geeignet, da Farbstoffe und Verunreinigungen sich leicht entfernen lassen. Die Hydrolyse von Polyestern ist ebenfalls möglich, hat aber wegen der aufwendigeren Aufarbeitung der entstehenden Säure eine geringere Bedeutung. Polyoxymethylen (POM) — Polyoxymethylen lässt sich durch thermische Belastung in saurer Umgebung zu Formaldehyd zurückspalten. Anschließend erfolg eine Umsetzung des Formaldehyd zu Trioxan, um eine verbesserte Reinigung durchführen zu können. Das erhaltene Monomere kann dann wiederum zur Polymerisation verwendet werden. Da verschiedene Herstellungsverfahren von POM ebenfalls einen Rückspaltungsschritt vorsehen, liegen viele Erkenntnisse vor, so dass dieses Verfahren bereits seit 1996 großtechnisch in Betrieb genommen wurde. 8.4.2 Verwertung von Standardkunststoffen, Kunststoff-Mischungen und kunststoffreichen Abfallströmen Mehrere Verfahren, bei denen Kunststoffe in petrochemische Rohstoffe gespalten werden, wurden als universelle Verfahren besonders für vermischte, verschmutzte, kleinteilige Verpackungen aus dem Hausmüll entwickelt und dienen mittlerweile zur stofflichen Verwertung unterschiedlichster organischer Abfälle. Verwertet werden Abfälle vom sortenreinen Standardkunststoff, wie PE, PP, PS oder PVC, bis hin zum vermischten Abfall, der beispielsweise aus Textilien, Kunststoffen, Gummi, Holz und Grünschnitt bestehen kann. Folgende Verfahren sind für heizwertreiche Abfallströme bekannt: • Thermolyse, Pyrolyse: rein thermische Spaltung • Hydrierung: Spaltung in Wasserstoffatmosphäre • Synthesegaserzeugung, Hochofenprozeß: Spaltung mit partieller Oxidation Für die Thermolyse, Hydrolyse und den Hochofenprozeß ist eine nahezu vollständige Abtrennung anorganischer Materialien aus dem Abfallstrom notwendig. Pyrolyseverfahren und Synthesegaserzeugung verkraften dagegen auch Materialen wie Glas, Steine und Metall im Einsatzstoff und setzen diese zu Asche bzw. Schlacke um. Falls eine Auftrennung des Abfallstroms in eine heizwertreiche organische Fraktion und eine metallische/anorganische Fraktion vorgesehen wird, kann dies über automatisierte Trennverfahren (Magnetabscheider, Wirbelstromabscheider, Windsichter, Luftherde) realisiert werden.

8 Verwertung von Kunststoffen

505

Häufig wird die kunststoffreiche Fraktion nach Abtrennung der Fremdstoffe zu einem Agglomerat (siehe Kapitel 8.2) verdichtet. Als Produkt erhält man ein pneumatisch förderbares Material, das aufgrund einer gewissen Abriebfestigkeit und thermischen Stabilität zum Einsatz in industriellen Großprozessen geeignet ist. Im folgenden werden wesentliche Technologien zur rohstofflichen Verwertung aufgeführt, um das breite Spektrum an Verfahren aufzuzeigen. 8.4.2.1 Pyrolyse, Thermolyse Pyrolyse  Bei der Pyrolyse werden Altkunststoffe unter Luftausschluß bei Temperaturen zwischen 500 und 900 °C thermisch gespalten. Es entstehen dabei Pyrolyseöl (ca. 40-60 Prozent) sowie Koks (ca. 5-10 Prozent) und Gas (ca. 30-50 Prozent).

Abbildung 8.13: Wirbelschichtpyrolyse

Es werden verschiedene Technologien für Pyrolyseverfahren diskutiert, wie zum Beispiel die Pyrolyse in der Wirbelschicht (Abb. 8.13) oder im Drehrohr. Die Wirbelschichtpyrolyse für Verpackungsabfälle wurde in einer Versuchsanlage mit einer Kapazität von 300 Tonnen pro Jahr in Schottland von einem Konsortium von fünf europäischen Kunststoff-Herstellern (BP Chemicals, Elf Atochem, EniChem, DSM und Petrofina) getestet. Der geplante Aufbau einer Anlage mit einer Kapazität von 25.000 Tonnen wurde aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisiert. BASF-Verfahren (Thermolyse)  Die BASF hat ein Verfahren zur rohstofflichen Verwertung vermischter Verpackungskunststoffe durch Thermolyse entwickelt (Abb. 8.14). Dabei werden die zerkleinerten Altkunststoffe zunächst bei einer Temperatur von ca. 350 °C verflüssigt. Chlor aus dem im Kunststoffgemisch vorliegenden PVC wird als Salzsäure abgetrennt und in der Salzsäurefabrik aufgearbeitet. Die verflüssigten Altkunststoffe werden weiter auf über 400 °C erhitzt und zu verschieden langen Bruchstücken gespalten. Es entstehen etwa 60 bis 70 Prozent Öle und 20 bis 30 Prozent Gase, die anschließend über eine Destillationskolonne getrennt werden. Das erhaltene Naphtha und die verdichteten Gase werden im Steamcracker zur Rückgewinnung von Monomeren, wie zum Beispiel Ethylen oder Propylen, eingesetzt. Hieraus lassen sich wieder neue Kunststoffe hergestellt. Die Aromatenfraktion wird in der Aromatenanlage weiter aufgetrennt. Hochsiedende Öle werden zu Konversionskoks oder zu Synthesegas umgesetzt, das zur Herstellung von Methanol genutzt wird. Übrig bleiben maximal 5 Prozent mineralische Rückstände, wie Farbpigmente oder am Kunststoff anhaftende Reste von Aludeckeln.

506

8.4 Rohstoffliche Verwertung

Abbildung 8.14: BASF-Verfahren

Das Verfahren eignete sich besonders zur Verwertung von Polyolefinen und Polystyrol, aber auch PVC kann mitverwertet werden. Geringe Mengen anderer Kunststoffe stören den Prozess nicht. Vorteilhaft bei dem Verfahren ist, dass der Abbau der Kunststoffe nur so weit erfolgt, wie dies für eine optimale Verwertung der Produkte im Anlagenverbund erforderlich ist. Die Stoffausbeute liegt bei über 90 Prozent, d. h. aus 1 kg Kunststoff können über 900 g petrochemische Rohstoffe gewonnen werden, und dies bei einem vergleichsweise geringen Energieaufwand von etwa 10 Prozent, bezogen auf den Energiegehalt der Einsatzstoffe. Das Verfahren wurde bei der BASF von 1994 bis 1996 in einer Pilotanlage mit einer Kapazität von 15.000 Jahrestonnen erfolgreich erprobt. Die Planungen für eine Großanlage mit einer Kapazität von 300.000 Tonnen pro Jahr wurden 1995 eingestellt, da zu diesem Zeitpunkt bereits ausreichende Verwertungskapazitäten verfügbar waren. 8.4.2.2 Hydrierung Die Hydrierung beruht auf der alten Bergius/Pier-Technologie zur Kohlehydrierung, das heißt auf der Spaltung mit Wasserstoff (Abb. 8.15). Der Abbau der Kunststoffe erfolgt bei Temperaturen von 350 - 400 °C. Die Abbauprodukte werden anschließend bei 450 °C und maximal 300 bar hydriert. Unter diesen Bedingungen werden die Makromoleküle überwiegend in flüssige, gesättigte Kohlenwasserstoffe gespalten. Heteroatome wie Chlor oder Stickstoff werden in hydrierter Form aus dem Prozess ausgeschleust. Das erzeugte synthetische Öl wird beispielsweise in einer Raffinerie aufgearbeitet.

8 Verwertung von Kunststoffen

507

Abbildung 8.15: Hydrierung (VCC-Verfahren)

Heteroatomhaltige Verbindungen können grundsätzlich mithydriert werden. Die Heteroatome wie Chlor aus PVC oder Stickstoff aus Polyamid oder Polyurethanen werden in ihre korrespondierenden Wasserstoffverbindungen überführt und aus dem Prozess ausgeschleust. Das Verfahren ermöglicht somit den Einsatz einer breiten Palette von Kunststoffen, inklusive PVC. Heteroatome erhöhen jedoch den Wasserstoffverbrauch und verringern die Ausbeute an Kohlenwasserstoffen. Die Veba Oel AG hat am Standort Bottrop bis Ende 1999 eine entsprechende Hydrieranlage betrieben. Seit den 80er Jahren wurde diese Technologie zur Hydrierung von Vakuumrückstandsölen und seit 1994 zur rohstofflichen Verwertung von Altkunststoffen genutzt. Neben Mischkunststoff-Agglomeraten aus Verpackungskunststoffen wurden auch Altkunststoffe aus dem Elektro/Elektronikbereich erfolgreich eingesetzt. 8.4.2.3 Synthesegaserzeugung Eine weitere Verwertungsoption sind die Verfahren zur Herstellung von Synthesegas als Ausgangsprodukt für chemische Synthesen. Bei der Synthesegaserzeugung wird der Altkunststoff mit einer unterstöchiometrischen Menge Sauerstoff umgesetzt. Man erhält ein Gemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff (Synthesegas). Wesentliches Merkmal der Kunststoffverwertung bei der Synthesegaserzeugung ist, dass im Gegensatz zur Pyrolyse und Hydrierung keine speicherbaren Öle erzeugt werden, sondern ein Gas, das unmittelbar zum Beispiel für die Erzeugung von Methanol genutzt werden muss oder als Reduktionsgas im Hochofen verwendet werden kann. Diese direkte Kopplung der Vergasung an eine Nutzung für das Gas erfordert die Einbindung von Synthesegaserzeugung in größere Industrieverbunde (Chemische Industrie oder Roheisenerzeugung). In Deutschland wurden und werden verschiedene Vergasungsreaktoren betrieben. Im Hinblick auf den Einsatz von kunststoffhaltigen Abfällen sind zwei Verfahren hervorzuheben, die Festbettdruckvergasung im Sekundärrohstoff-Verwertungszentrum Schwarze Pumpe (SVZ) in der Lausitz und die mittlerweile stillgelegte Vergasungsanlage der RWE/Rheinbraun im Kölner Raum. Rheinbraun — Bei der Rheinbraun wurden die aufbereiteten Kunststoffe im festen, trockenen Zustand in die Wirbelschicht eingebracht und in Gegenwart von Sauerstoff bei Drücken bis zu 30 bar

508

8.4 Rohstoffliche Verwertung

und Temperaturen bis 950 °C zu Synthesegas umgesetzt. Nach Abhitzenutzung und einer ersten Gasreinigung stand das Gas für die weitere Verwertung zur Verfügung. Der anschließende Gasreinigungsschritt war von der geplanten Art der Synthesegasnutzung abhängig. SVZ — Die Synthesegaserzeugung im SVZ erfolgt nach einem Festbettdruckvergasungsverfahren, bei dem ein Gemisch aus 75 Prozent stückigen Abfall (brikettierter bzw. pelletisierter Hausmüll bzw. Verpackungskunststoffe, Holz, Shredderleichtfraktion (SLF)) und 25 Prozent Kohlebriketts eingesetzt wird. In Gegenwart von Sauerstoff und Wasserdampf wird das Gemisch bei Temperaturen von 800 bis 1300 °C und einem Druck von 25 bar zu Synthesegas umgesetzt. Als Produkt entsteht ein Gemisch aus CO und H2 sowie höheren Kohlenwasserstoffen. Diese werden auskondensiert und in einem Flugstromvergaser ebenfalls zu CO und H2 vergast. Das Synthesegas wird in einer angeschlossenen Methanolanlage zu Methanol umgesetzt (Abb. 8.16). Die Vergasungstechnologie bei SVZ soll sukzessive auf eine neue Technologie (BGLVergaser) umgestellt werden. Deshalb wurden im Rahmen eines VKE/APME/Tecpol-Projektes Anfang 2003 SLF/Hausmüllpellets im neuen BGL-Vergaser umgesetzt. Die Versuchsfahrt lief erfolgreich. Die großtechnische rohstoffliche Verwertung von SLF steht in Deutschland aufgrund der Versuche erstmals unmittelbar vor der offiziellen behördlichen Anerkennung.

Braun- und Steinkohle Sekundäreinsatzstoffe (DSD-Kunststoffe, Shredderleichtfraktion)

200°C

Synthesegas (CO, H2)

Methanol

400 - 600°C 800°C

Kunststoffe

1100-1300°C

Alternative Treibstoffe

Diverse weitere Produkte und Anwendungen

Methanolproduktion 2000

Schlacke

Welt

27 Mio. t

Deutschland

1,2 Mio. t

Sauerstoff

Abbildung 8.16: Synthesegaserzeugung, SVZ-Verfahren allgemein

Texaco/Shell — Eine weitere Verwertungsoption zur Erzeugung von Synthesegas aus Altkunststoffen basiert auf der Schwerölvergasung nach den Verfahren von Texaco oder Shell. Wie bei der Hydrierung müssen die aufbereiteten Kunststoffe mit Schweröl vermischt in den Reaktor gegeben werden. In Gegenwart von Sauerstoff und Wasserdampf wird das Gemisch bei Temperaturen um 1200 ° C und Drücken um 50 bar zur Synthesegas umgesetzt. Einsatz im Hochofenprozess — Einen Sonderfall der Synthesegaserzeugung stellt der Einsatz von Altkunststoffen im Hochofenprozess dar (Abb. 8.17). Der Altkunststoff ersetzt dabei einen Teil des Schweröls, das neben Koks zur Reduktion des Eisenoxids im Hochofen dient. Der Altkunststoff

8 Verwertung von Kunststoffen

509

wird in Form eines Agglomerats über Blaslanzen dem unteren Teil des Hochofens zugeführt, wo Temperaturen von über 2000 °C herrschen. Wie bei der Synthesegaserzeugung werden die Altkunststoffe im ersten Schritt zu Kohlenmonoxid und Wasserstoff umgesetzt. Das Gas ist in der Lage, Sauerstoff zu binden und dient zu 50 bis 60 Prozent der Erzeugung von metallischem Eisen aus Eisenoxid. Weitere 30 Prozent des Gases werden verbrannt und zum Aufheizen der Reaktionspartner sowie zur Stromerzeugung verwendet. Vorteilhaft beim Einsatz von Altkunststoffen im Hochofen ist, dass die Synthesegaserzeugung und -nutzung in derselben Anlage stattfinden. Der Gesamtnutzungsgrad liegt über 80 Prozent. Der Hochofen toleriert nahezu alle Kunststoffe. Der Chlorgehalt der Mischung darf jedoch 1,5 Prozent nicht überschreiten. In Abhängigkeit von der benötigten Roheisenqualität sind außerdem strenge Grenzwerte im ppm-Bereich für metallische Verunreinigungen, wie zum Beispiel Kupfer oder Zink, einzuhalten.

Abbildung 8.17: Kunststoffverwertung im Hochofen

Seit Mitte 1995 werden pro Jahr rund 200.000 Tonnen Altkunststoffe aus Verpackungsabfällen aus gebrauchten Haushaltsverpackungen (aus dem DSD) bei den Stahlwerken Bremen und bei EKO-Stahl in Eisenhüttenstadt umgesetzt. Bezüglich einer PVC-armen Kunststofffraktion aus der Shredderleichtfraktionsaufbereitung gibt es vielversprechende Ansätze zur stofflichen Verwertung im Hochofen (VW-Sicon-Verfahren).

510

8.5 Energetische Verwertung

Zum Aufbau von Verwertungskapazitäten müssen schon bestehende Hochöfen lediglich mit einer Möglichkeit versehen werden, Kunststoffe einzublasen. Dies ermöglicht eine vergleichsweise preiswerte Verwertung der Altkunststoffe. 8.4.2.4 Perspektiven des Rohstoff-Recyclings Die Vorteile der Verfahren zum Rohstoff-Recycling liegen auf der Hand: • Viele Verfahren zum Rohstoff-Recycling sind universelle Methoden, die sich prinzipiell zur Verwertung von Altkunststoffen aus dem Verpackungs-, Automobil- und Elektro-/Elektronikbereich eignen. • Vermischte und verschmutzte Altkunststoffe können problemlos verwertet werden. Wenn das Synthesegas als Reduktionsagens oder für chemische Synthesen verwendet wird, handelt es sich um eine stoffliche Verwertung, hohe Recyclingquoten werden so erreicht. Dank stofflicher Verwertung in der SVZ und im Hochofen werden in Deutschland für Verpackungskunstoffe aus dem DSD-Bereich Recyclingquoten von über 60% erreicht. • Wertvolle Primärressourcen fossiler Rohstoffe werden geschont. • Die Sortierung und Reinigung ist weniger aufwändig als bei werkstofflichen Verfahren. Dadurch wird eine kostengünstigere Sammlung mit hohem Komprimierungsgrad möglich. Über die Gesamtkette betrachtet ist so eine kostengünstige Verwertung realisierbar. • Aufnahmefähige Märkte stehen zur Verfügung.

8.5 Energetische Verwertung Als Ergänzung zum Werkstoff- und Rohstoff-Recycling ist die saubere Verbrennung von Altkunststoffen mit Energierückgewinnung unverzichtbar. Denn es wird immer Kunststoff-Fraktionen geben, die werk- und rohstofflich nicht sinnvoll zu verwerten sind. Dazu zählen zum Beispiel Kunststoffe mit umwelt- oder arbeitshygienisch bedenklichen Anhaftungen oder Kunststoffe, die einen engen Verbund mit anderen Materialien bilden, wie beispielsweise im Automobil- oder Elektro/Elektronikbereich. Auch für vermischte, verschmutzte Altkunststoffe, bei denen die werkstoffliche Verwertung zu kostenaufwendig ist und keinen dem entsprechenden ökologischen Nutzen erbringt, ist die energetische Nutzung sinnvoll. Die in Kunststoffen vorhandene Energiemenge entspricht in etwa der von reinem Erdöl. Damit leitet die energetische Verwertung einen wichtigen Beitrag zur Schonung fossiler Brennstoffvorräte. Geeignete Anlagen sind moderne Müllverbrennungsanlagen, industrielle Feuerungsanlagen wie z. B. Zementöfen, Heizkraftwerke oder eigens errichtete Kunststoffmonoverbrennungsanlagen. Die sichere Ausschleusung von Inhaltstoffen wie z. B. Flammschutzmitteln ist auch in diesen industriellen Anlagen möglich. So wird bei einigen Anlagen speziell die sich bildende Salzsäure entfernt und einer eigenen Verwertung zugeführt. Dazu sind jedoch vorab bestimmte Aufbereitungsschritte für die zu verwertende Fraktion erforderlich. Der Aufwand hierfür ist jedoch um Größenordnungen geringer als für eine hochwertige werkstoffliche Verwertung. Doch auch die energetische Verwertung ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Spezifikationen z. B. bezüglich des Schwermetallgehaltes, der Teilchengröße und Förderfähigkeit des Input-Materials etc. müssen gemäß der gewählten Anlagentechnik eingehalten werden. Die Anlagen wiederum müssen vorgegebene Voraussetzungen bezüglich des thermischen Nutzungsgrades einhalten. Mit dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Bild des „einfach Verbrennens“ hat die energetische Verwertung nach heutiger Technik nur wenig gemeinsam. Zur Bewertung der energetischen Nutzung von Altkunststoffen sollte berücksichtigt werden, dass heute 82 % des Erdöls durch Verkehr, Heizung und anderes direkt verbrannt werden. Nur 6 %

8 Verwertung von Kunststoffen

511

dienen der Herstellung von Kunststoff-Werkstoffen. Diese leisten im Rahmen ihrer Nutzung häufig maßgeblichen Beiträge zur Ressourcenschonung und führen so zu einer deutlich höheren Öleinsparung, als sie zu ihrer Herstellung benötigen. 8.5.1 Coverbrennung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) und industriellen Feuerungsanlagen Die gemeinsame Verbrennung von Kunststoffen mit anderen Müllfraktionen in den existierenden Hausmüllverbrennungsanlagen ist die wichtigste im Augenblick vorhandene großtechnische Verwertungsschiene. Der heutige Hausmüll enthält in Europa etwa 8 Prozent Kunststoffabfälle. Versuche in der Pilot-Hausmüllverbrennungsanlage TAMARA des Forschungszentrums Karlsruhe und großtechnische Versuche in der MVA Würzburg führten zu folgenden Ergebnissen: Eine Erhöhung des Kunststoffanteils ist ohne negative Umweltauswirkungen möglich. Kunststoffe haben sogar einen positiven Effekt auf das Verbrennungsverhalten, da mit ihnen stabile Verbrennungsbedingungen erzielt werden. Sie reduzieren Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe im Abgas und verbessern die Qualität der Schlacken. Die Dioxinwerte der Abgase sind auch bei Gegenwart von PVC bzw. Flammschutzmitteln, trotz höherer Halogenfracht, nicht erhöht. Thermoselect — Thermoselect hat in Japan und in Europa (Karlsruhe) Anlagen zur energetischen Verwertung von Abfällen (Haushaltsabfälle, Shredderleichtfraktion) errichtet. Die wesentlichen Verfahrensschritte sind Kompaktierung, Entgasung, Vergasung der organischen und Einschmelzen der anorganischen Anteile des Einsatzstoffs. Die Reaktion findet in einem lediglich unter geringem Überdruck stehenden (ca. 200 mbar) Vergasungsreaktor unter Zugabe von reinem Sauerstoff bei 2000 °C statt. Die anorganischen Komponenten werden zu einem praktisch schadstofffreien Granulat abgebunden. Das Synthesegas wird gequencht, gereinigt und unter Energiegewinnung verbrannt. EBARA TwinRec-Verfahren — Ebara hat in Aomori in Japan eine Anlage gebaut, in der 100.000 Tonnen pro Jahr an Shredderleichtfraktion (SLF) aus der Altautobehandlung verwertet werden. In einem ersten Reaktor wird bei 500-600°C die nicht weiter vorbehandelte SLF in einer Wirbelschicht mit Luft vergast. Das entstehende Synthesegas wird in einer nachgeschalteten ZyklonBrennkammer unter Energiegewinnung verbrannt. Aus der ersten Stufe werden Metalle in reduzierter und granulierter Form aus dem umlaufenden Sandbett gewonnen, in der Brennkammer fällt verglaste Asche als weiteres Produkt an. Zementindustrie — Die Coverbrennung von Kunststoffen in Zementöfen (Abb. 8.18) wird in Belgien und in der Schweiz bereits in großem Umfang betrieben. Auch in Deutschland setzen Zementwerke zunehmend Sekundärbrennstoffe wie Altöle, Altreifen, Papier, Textilien und Altkunststoff ein. Ein hoher Wirkungsgrad und große Kapazitäten lassen hier noch weitere Mengensteigerungen erwarten.

512

8.5 Energetische Verwertung

Abgas

Filter

Rohmehl 50 °C

Filter

Brenner

Sekundärfeuerung

~ 800 °C

~ 2.000 °C Drehofen

Klinker

1.450 °C Primärfeuerung

820 °C 1.000 - 1.200 °C

1Tonne 1Tonne gemischter gemischter Kunststoffabfall Kunststoffabfall ≅≅ 1,4 1,4 Tonnen Tonnen Kohle Kohle

Abbildung 8.18: Zementherstellung

8.5.2 Heizkraftwerke Die Co-Verbrennung von Altkunststoffen mit Kohle kann ein sinnvoller Verwertungsweg sein, der ebenfalls zur Ressourcenschonung beiträgt. Kraftwerke unterliegen jedoch anderen Genehmigungsbedingungen an die Rauchgasreinigung als Müllverbrennungsanlagen. Falls Abfälle zur Verwertung mitverbrannt werden, bedeutet dies in der Regel zusätzliche Rauchgasreinigungsmaßnahmen, die die Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Altkunststoffe, deren Schadstoffgehalt dem von Kohle entspricht, können für Kraftwerksbetreiber interessant werden, wenn diese Kunststofffraktionen als Ersatzbrennstoffe anerkannt werden oder aufgrund der gleichbleibenden Emissionssituation keine zusätzlichen Aufwendung für die Rauchgasreinigung gefordert werden. Versuche in Finnland und Großbritannien haben gezeigt, das der Einsatz von Kunststoffabfällen zu keiner Verschlechterung der Emissionen, teils sogar zu Verbesserungen geführt hat. In Deutschland finden bei der RWE Projekte zum Einsatz von Gewerbeabfällen und DSDSortierresten in Kohlekraftwerken statt. Dazu werden die Eingangsstoffe auf 200 mm geschreddert und in einem vorgelagerten Pyrolyseschritt bei 700 °C in Gas und Koks umgewandelt. Das Gas wird direkt in den Steinkohlekessel geblasen. Der Koks wird nach Aussortierung vom Metallen, Steinen und Glas mit der Kraftwerkskohle gemischt. Gas und Koks dienen dann ebenso wie die Kohle zur Stromerzeugung. Weitere Aktivitäten zur Verwertung von Altkunststoffen unter der Bezeichnung „energy from waste“ bzw. „plastic waste to solid fuel“ gibt es sowohl in Europa als auch in Japan. Ziel ist die Erzeugung von Ölen und Gasen aus Altkunststoffen mit anschließender energetischer Nutzung. 8.5.3 Kunststoffmonoverbrennung Die Monoverbrennung von Altkunststoffen wurde in einer zirkulierenden Pilot-Wirbelschicht (1 MW) von Ahlstrom, Finnland, und in einer intern zirkulierenden Wirbelschicht (6 MW) bei

8 Verwertung von Kunststoffen

513

EBARA in Japan getestet. Ein wesentliches Argument für die Wirbelschicht ist darin zu sehen, dass nur eine einfache Aufbereitung (Shreddern oder Grobmahlen) erforderlich ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die zirkulierende Wirbelschicht zur Verbrennung von hochkalorischen und extrem schnell vergasenden Kunststoffabfällen geeignet ist. Der Energienutzungsgrad ist höher als bei der normalen Müllverbrennung. Die Monoverbrennung in der Wirbelschicht weist einen guten Ausbrand sowohl der Rauchgase als auch der Aschen auf, so dass Emissionsauflagen europäischer Abfallverbrennungsanlagen sicher eingehalten werden können. RVL Lenzing — Eine großtechnische Wirbelschichtverbrennungsanlage zur Kunststoffmonoverbrennung ist seit 1998 bei der Reststoffverwertung Lenzing-Invest-GmbH & Co KG (RVL) in Lenzing (Österreich) in Betrieb. Sie arbeitet mit einem sehr hohen Energienutzungsgrad und deckt den Energiebedarf eines Viskosefaserherstellers. Dort kommen große Mengen an verschiedenen Abfallfraktionen (Mischkunststoffe, Rejecte, Klärschlamm, Altholz etc.), die nicht aus der eigenen Produktion stammen, zum Einsatz. Die RVL-Anlage besteht aus einer zirkulierenden Wirbelschicht mit einer Rauchgasreinigung und Rückstandsbehandlung nach dem Stand der Technik einer Müllverbrennungsanlage. Die Kapazität beträgt bei Vollauslastung 150.000 t/a. 8.5.4 Perspektiven der energetischen Verwertung Der Einsatz von Altkunststoffen in industriellen Verbrennungsanlagen ist bei Weitem noch nicht ausgereizt. Kunststoffe müssen hier jedoch mit anderen heizwertreichen Stoffströmen um die vorhandenen Verwertungskapazitäten konkurrieren, da auch diese zunehmend Alternativen zur Deponierung suchen. Die Mitverbrennung von Kunststoffen in Hausmüllverbrennungsanlagen ist eine unter ökologischen und finanziellen Aspekten günstige Verwertungsmöglichkeit. In Deutschland sind Müllverbrennungsanlagen jedoch nicht generell zur energetischen Verwertung anerkannt. Ausschlaggebend hierfür ist unter anderem, dass die Abfallbehandlung primär auf Schadstoffentfrachtung und Volumenverringerung zielt und der energetische Nutzungsgrad vieler vorhandener Altanlagen gering ist. Da moderne Anlagen mit hohem energetischen Nutzungsgrad durchaus andere, sonst erforderlich werdende Energieerzeugungsanlagen substituieren, sollten diese Anlagen auch als Verwertungsverfahren anerkannt werden.

8.6 Verwertungsstrategien, Markt und Ökologie Wesentlich bei der Entwicklung von Verwertungsstrategien ist die erzielbare Qualität und Marktgröße für die erzeugten Produkte. Die in rohstofflichen und energetischen Verfahren erzeugen Stoffund Energieströme ersetzen in Märkten mit ausreichend großen Aufnahmekapazitäten Rohstoffe und Energieträger, die den Qualitätsanforderungen des Marktes entsprechen. Im Gegensatz dazu erreichen Kunststoffrezyklate aus dem Post-Consumer-Bereich (z.B. Kunststoffe aus Altautos) nur mit sehr hohem Aufwand akzeptable Eigenschaftsprofile im Vergleich zu Neuware1 und finden somit nur begrenzte Einsatzmöglichkeiten und Märkte. Die Abmischung mit Neuware ist die einzige Möglichkeit, das Qualitätsniveau und die Materialeigenschaften von Altkunststoffen wenigstens der Größenordnung von Neuware anzunähern. In der Praxis bedeutet das für die Rezyklatherstellung bei den meisten Kunststoffen einen Zusatz von ca. 80 % Neuware zu 20% Altkunststoffmahlgut. Da dann zwangsläufig deutlich mehr Rezyklat mit trotzdem eingeschränktem Eigenschaftsniveau einen Markt finden muss, als überhaupt Altkunststoffmahlgut anfällt, wird das Problem der bereits heute unzureichend verfügbaren Märkte für diese Materialien weiter verschärft. Aufgrund der mangeln1

Gründe für die Qualitätseinbußen sind zum Beispiel die Alterung des Kunststoffs, Vermischung mit Fremdstoffen (Lacke, nicht sortenreine andere Abfallfraktionen, Fehlwürfe), thermischer Abbau durch MEHRFACHES Umformen, usw... .

514

8.7 Ausblick

den mechanischen Eigenschaften der Rezyklate ist ihr Verkaufspreis in der Regel deutlich unter dem der Neuware. Diese Erlöse müssen die Logistik der Sammlung und die Aufarbeitung tragen oder die Rezyklate müssen subventioniert werden. Durch Politische Vorgaben, die hohe werkstoffliche Verwertungsquoten verlangen, entstehen so Sekundärrohstoffmärkte, die dauerhaft von Zuzahlungen abhängig sind. Alle Studien zur ökologischen Bewertung unterschiedlicher Verwertungsverfahren zeigen: Die Vermeidung der Deponierung führt zu erheblichen Entlastungen der Umwelt. Die ökologischen Unterschiede zwischen einzelnen Verwertungsverfahren sind im Vergleich dazu minimal, die Kostenunterschiede aber beträchtlich. Nur durch freie Wahl der Verwertungswege unter Berücksichtigung ökologischer und ökonomischer Aspekte kann ein volkswirtschaftliches Optimum erreicht und neuen Entwicklungen Rechnung getragen werden (CD).

8.7 Ausblick Kunststoffe leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und Sicherung unserer Zukunft. Man kann davon ausgehen, dass sie sich überall dort durchsetzen, wo sie ökoeffizienter sind als andere Materialien. Die Leistungsgrenzen der Kunststoffe sind bei weitem noch nicht erreicht. Auch in Zukunft werden Kunststoffe noch viele, ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Die Verwertungsfrage ist heute weitgehend gelöst. Die Antwort liegt im gleichwertigen Nebeneinander aller Verwertungsverfahren. Werkstoff-Recycling ist dann sinnvoll, wenn Anwendungschancen für Rezyklate bestehen, die ökologisch, wirtschaftlich und technisch tragfähig sind. Dies ist bei sauberen, sortenreinen Altkunststoffen der Fall, also zum Beispiel bei Produktionsabfällen und Transportverpackungen, gegebenenfalls auch bei den Bauteilen aus Elektrogeräten und dem Automobil, wenn diese sich mit vertretbarem Aufwand in größeren Mengen sortenrein erfassen lassen. Rohstoff-Recycling eröffnet durch die Vielzahl der Verfahren Verwertungsmöglichkeiten für Altkunststoffe unterschiedlichster Qualität und Herkunft. Bei der Aufarbeitung von Kondensationspolymeren müssen Erfassungsaufwand und Vorbehandlungsschritte den Nutzen durch den Erhalt spezieller Produkte rechtfertigen. Rohstoff-Recycling durch thermische Spaltverfahren eröffnet die Möglichkeit, große Mengen vermischter Altkunststoffe, z. B. verschmutzte Verpackungen aus dem Haushalt, sinnvoll zu verwerten. Verfahren wie die Festbettdruckvergasung eignen sich auch zur Verwertung vermischter Altkunststoffe aus dem Automobil- und dem Elektro-/Elektronikbereich. Die Verwertung dieser Materialien in großtechnisch durchgeführten Prozessen, wie z. B. im Hochofen oder durch Pyrolyse befindet sich in der Entwicklung. Das Rohstoff-Recycling ist damit eine breit einsetzbare Methode zur stofflichen Verwertung vermischter Altkunststoffe aus unterschiedlichsten Anwendungsbereichen. In Ergänzung zur stofflichen Verwertung wird die energetische Verwertung als universelles Verfahren für relevante Abfallmengen das ökologisch und ökonomisch sinnvollste sein. Die saubere Verbrennung in geeigneten Anlagen mit Energie-Rückgewinnung ist ein wichtiger Beitrag zur Schonung fossiler Brennstoffvorräte. So lassen sich zum Beispiel Fraktionen, bei denen Kunststoffe im engen Gemisch mit anderen Materialien vorliegen, wie Sortierreste und Teilfraktionen aus dem Automobil- und Elektro-/Elektronikbereich, einer sinnvollen Verwertung zuführen. Mit den bereits ausgereiften oder noch in Entwicklung befindlichen Techniken ist davon auszugehen, dass die Verwertungsquoten in den kommenden Jahren noch weiter steigen werden. Kunststoffe erfüllen damit alle Anforderungen an einen Werkstoff der Zukunft, nicht nur bei Produktion und Anwendung, sondern auch nach Ende der Nutzungsdauer.