A8 Verwertung von Kunststoffen, Anhang

8 Verwertung von Kunststoffen 1 A8 Verwertung von Kunststoffen, Anhang A8.3.2 Verwertung statt Deponierung Energetische Verwertung im Focus: Ersatzb...
Author: Eva Kerner
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8 Verwertung von Kunststoffen

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A8 Verwertung von Kunststoffen, Anhang A8.3.2 Verwertung statt Deponierung Energetische Verwertung im Focus: Ersatzbrennstoff-Nutzung in Deutschland 1 Das Inkrafttreten der Abfallablagerungsverordnung zum 1.6.2005 hat bewirkt, dass die energetische Verwertung in den letzten Jahren verstärkt als Option zur Abfallverwertung, und somit auch der Kunststoffverwertung, wahrgenommen wurde. Die energetische Verwertung in der Müllverbrennungsanlage (MVA) ist in der Sekundärliteratur hinreichend beschrieben.

Entwicklung der Kunststoffverwertung von 1994 - 2007 in Deutschland [kt]

5000

4.680

4500

total

4000

rohstofflich

3500

Recycling 3.620

energetisch

3000 2500

2.090

Energetische Verwertung vervierfacht sich von 590 kt in 2003 auf 2.510 kt in 2007

2.340

1.850

2000 1500

2.250

1.400

1000 500 0 1994

1997

1999

2001

2003

2005

2007

Quelle: tecpol; Consultic

Abbildung A8.1: Entwicklung der Kunststoffverwertung von 1994 – 2007 in Deutschland

Eine besondere Bedeutung hat dabei der Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff (EBS) zur energetischen Verwertung in Feuerungsanlagen neben der klassischen Müllverbrennung erlangt. Durch die Verbrennung heizwertreicher Abfälle in EBS-Kraftwerken können Energiekosten eingespart werden, wodurch der CO2-Ausstoß gesenkt werden kann. Kunststoffabfälle als Bestandteil von EBS werden zur Mitverbrennung mit fossilen Brennstoffen eingesetzt, z.B. in der Zementindustrie oder auch in Kohlekraftwerken. Im Wesentlichen erfolgt die Energieerzeugung jedoch in EBS-Kraftwerken mit ca. 80 Prozent des gesamten EBS-Aufkommens. Der Kunststoffanteil in EBS beträgt im Durchschnitt rund 20 Prozent. Bei der Energieversorgung mit EBS liegt der Heizwertanteil des Kunststoffanteils jedoch bei ca. 40 Prozent. Dies ist auf den deutlich höheren Heizwert der Kunststoffe im Vergleich zu den anderen Stoff-Fraktionen im EBS zurückzuführen. In EBS-Kraftwerken mit Rostfeuerung können Brennstoffe mit einem Heizwertspektrum von 5.000 kJ/kg bis

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siehe: Studie „Situation der EBS-Nutzung in EBS-Kraftwerken in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Kunststoffanteile und Reflexion auf andere Länder“, umwelttechnik & ingenieure GmbH, Hannover, 2009

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20.000 kJ/kg problemlos eingesetzt werden, EBS-Kraftwerke mit Wirbelschichtfeuerung ermöglichen auch die Verbrennung von Brennstoffen mit höheren Heizwerten. Erst der Kunststoffanteil macht den EBS somit zu einem heizwertreichen Abfall. Ohne die KunststoffFraktion könnte der verbleibende EBS zwar als nahezu klimaneutral eingestuft werden. Allerdings müssten dann zur Bereitstellung der gleichen Leistung wesentlich größere Brennstoffmengen durchgesetzt werden. Dadurch würde die Gesamteffizienz eines EBS-Kraftwerkes erheblich herabgesetzt. Der Einsatz in eigenen EBS-Kraftwerken wäre damit insgesamt in Frage gestellt. Die energetische Verwertung von nicht stofflich verwertbaren Kunststoff-Fraktionen – als Teil des Brennstoffinputs für EBS-Kraftwerke – stellt damit in Zukunft einen wesentlichen Baustein für die nachhaltige Verwertung von Kunststoffabfällen dar. In Deutschland können nach Fertigstellung aller im Bau befindlichen EBS-Anlagen 4,7 Mio. Jahrestonnen EBS verwertet werden. Geht man davon aus, dass ca. 40 Prozent der derzeit in Planung befindlichen EBS-Anlagen realisiert werden, kommen mittelfristig nochmals Kapazitäten von ca. 2,7 Mio. t/a hinzu. Somit könnte in Deutschland mittelfristig eine Kapazität von 7,5 Mio. t/a für Ersatzbrennstoffe verfügbar sein. Unter Annahme eines mittleren Heizwerts von 15 MJ/kg könnte so Energie von gut 3,75 Mio. Tonnen SKE (Steinkohleeinheiten) erzeugt werden. Dies entspricht etwa einem Beitrag von 4,5 Prozent des Energiebedarfs der deutschen Industrie. A8.4.2 Abfallvorbehandlung A8.4.2.1 Zerkleinerung von Altkunststoffen Ziel der Zerkleinerung ist die Herstellung eines definierten Schüttgutes möglichst einheitlicher Korngröße, welches in den nachfolgenden Aufbereitungsstufen problemloser weiterverarbeitet werden kann. Die Zerkleinerung von thermoplastischen Altkunststoffen erfolgt üblicherweise durch Schneiden. Für die Zerkleinerung sehr großer Teile sind Guillotinescheren geeignet. Die Grobzerkleinerung bis auf etwa Handtellergröße erfolgt häufig durch Schneidwalzenzerkleinerer. Sie sind so robust konstruiert, dass auch grobe Verunreinigungen wie Steine, Metalle und ähnliches in gewissen Grenzen verkraftet werden. Zur Erreichung von Korngrößen von 5–15 mm werden Schneidmühlen eingesetzt. Bei der Mahlung verschmutzter Altkunststoffe wird die Schneidmühle oft als Nassmühle betrieben. In Spezialfällen können zur Zerkleinerung auch Hammermühlen eingesetzt werden. Dies gilt z.B. für Bauteile, bei denen eingearbeitete Metallbestandteile ein effektives Zerschneiden verhindern würden. A8.4.2.2 Sortierung von Altkunststoffen Trennung nach Benetzbarkeit der Oberfläche Flotation  Als Trennparameter dient hier die Benetzbarkeit der Oberfläche. Die zerkleinerten Kunststoffteilchen werden in einer wassergefüllten und mit Luft begasten Flotationszelle suspendiert. Durch Einsatz spezieller Reagenzien lagern sich an die Kunststoffteilchen selektiv Luftblasen an. Die so gebildeten Gasbläschen-Kunststoffteilchen-Komplexe schwimmen auf und werden durch Abschöpfen gewonnen. Dichtetrennung Die Sortierung der zerkleinerten Kunststoffgemische erfolgt mittels einer Trennflüssigkeit. Hier sind im Wesentlichen drei Varianten zu unterscheiden:  Schwimm-Sink-Scheidung  Hydrozyklon-Trennung  Sortierung durch Zentrifugieren Bei allen Dichtesortierverfahren erfolgt die Sortierung durch Aufschwemmen einer Leichtfraktion, deren Dichte geringer ist als die der Trennflüssigkeit, und Sedimentation einer Schwerfraktion, deren Dichte oberhalb der Dichte der Trennflüssigkeit liegt. Die Schwimm-Sink-Scheidung wird in einfachen, kontinuierlich betriebenen "Absetzbecken" durchgeführt. Beim Hydrozyklon-Verfahren oder der Trennzentrifuge wird die Zentrifugalkraft genutzt.

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Hydrozyklon – Die zu sortierenden Kunststoffteilchen werden in der Trennflüssigkeit suspendiert und in den Zyklon aufgegeben. Durch die Zyklongeometrie werden ein aufwärts gerichteter Innenwirbel und ein abwärts gerichteter Außenwirbel erzeugt. Unter dem Einfluss der Zentrifugal- und Strömungskräfte bewegen sich die spezifisch schwereren Teilchen der Suspension zur Außenwand und verlassen den Zyklon über den Unterlauf, während sich die spezifisch leichteren Teilchen zur Mitte orientieren und im Überlauf des Zyklons ausgetragen werden. Um mit dem Hydrozyklon eine gute Sortierqualität zu erreichen, ist es wichtig, dass die aufgegebenen Kunststoffpartikel möglichst einheitliche Abmessungen, d. h. eine sehr enge Korngrößenverteilung, aufweisen.

Abbildung A8.2: Hydrozyklon

Abbildung A8.3: Sortierzentrifuge für vermischte Altkunststoffe (KHD Humboldt Wedag AG, Köln)

Trennzentrifuge – Zur Dichtesortierung durch Zentrifugieren werden Vollmantelzentrifugen eingesetzt. Bei Betrieb der Zentrifuge bildet sich ein mit dem Zentrifugenmantel umlaufender Flüssigkeitsring. Die

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vermischten Kunststoffe werden als Suspension axial in die Zentrifuge aufgegeben und treffen auf die Oberfläche der Trennflüssigkeit. Aufgrund des Zentrifugalfelds (Beschleunigung bis 2.000 g) sinken Teilchen, deren Dichte größer ist als die der Trennflüssigkeit, sehr schnell und mit hoher Selektivität zum Zentrifugenmantel ab, während die leichteren Teilchen aufschwimmen. Durch die Drehzahldifferenz zwischen Rotorschnecke und Zentrifugenmantel wird das Schwimmgut zum einen und das Sinkgut zum anderen Ende der Zentrifuge gefördert. Mechanisch entwässert verlassen beide Fraktionen die Zentrifuge. Für alle Dichtesortierverfahren liegt bei Einsatz von Wasser die Trenngrenze bei einer Dichte von l g/cm3. Durch Verwendung von Salzlösungen (zum Beispiel mit Calciumchlorid oder Zinkchlorid) sind auch andere Dichtetrenngrenzen einstellbar. Beim Hydrozyklonverfahren können hierzu auch Schwertrüben (zum Beispiel Schwerspat-Wasser oder Kaolin-Wasser-Suspensionen) eingesetzt werden. Theoretisch lassen sich mit den Dichtesortierverfahren Materialien mit Dichteunterschieden von minimal 0,02 g/cm3 trennen. Unter optimalen Voraussetzungen sind bei der Wertfraktion Reinheiten von über 98 Prozent erreichbar. Trennung nach elektrischer Leitfähigkeit Elektroabscheider  Bei der Elektroscheidung wird das Kunststoffgemisch aufgrund unterschiedlicher Oberflächenleitfähigkeit sortiert. Hier sei beispielhaft das ESTA-Verfahren der Kali+Salz AG, Kassel, beschrieben. Bei diesem Verfahren wird das zerkleinerte Kunststoffgemisch zunächst unter Zugabe geeigneter Konditionierungsmittel einer Vorbehandlung unterzogen und danach durch Reibung gegensinnig aufgeladen. Vorzeichen und Art der Aufladung hängen dabei von der Art des Kunststoffes ab. Die gegensinnig aufgeladenen Partikel werden im freien Fall in einem Hochspannungsscheider zu den Elektroden hin abgelenkt und voneinander getrennt. Wesentlicher Vorteil ist, dass sich damit auch Kunststoffe gleicher Dichte unter Erzielung großer Durchsatzleistungen voneinander trennen lassen. Trennung nach elektromagnetischer Strahlung (vgl. Witzenhausen-Institut 2009)

Abb. A8.4: Übersicht über die Sortiertechnologien (Witzenhausen-Institut 2009)

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Bei spektroskopischen Detektionsverfahren handelt es sich um indirekte Sortierverfahren (vgl. Abb. 8.4). Bei diesen indirekten Systemen wird ein Objekt mittels Sensorik identifiziert, der eigentliche Separierungsschritt erfolgt im Anschluss daran über Druckluft (sensorgestützte Sortiersysteme). Die Klassifizierung erfolgt anhand charakteristischer physikalischer bzw. elektrischer Unterschiede der Einzelstoffe. Überwiegend erfolgt die Identifikation über die Strahlungsmessung, wobei die sensorische Abtastung der Einzelstücke über den gesamten Spektralbereich erfolgt (Abb. 8.5).

Abb. A8.5: Darstellung des Spektralbereichs (entnommen aus Pretz 2006 2 )

Erfahrungen mit der Sortierung von Abfällen im Nahinfrarotbereich (LVP-Sortierung) bzw. der Farbsortierung (Glassortierung) liegen bereits in großem Umfang vor. In den letzten Jahren wurden verstärkt neue sensorische Systeme, die bislang nur wenig in der Aufbereitung von Abfällen eingesetzt wurden, genau für diesen Einsatzbereich getestet und weiter entwickelt. Zu den Systemen, die Marktreife erlangt haben und zum Einsatz kommen, zählen:  Sensorik im Nahinfrarohbereich (NIR) Messgröße ist die Reflexion von NIR-Spektralbereich, die von der Molekülstruktur abhängt.  Sensorik im sichtbaren Spektralbereich (Licht) Messgröße ist die Reflexion bzw. Transmission im Lichtspektrum, mittels der eine Trennung nach Farbe, Form bzw. Größe erfolgen kann. Die Sensorik erfolgt mittels hochauflösender Kamerasysteme (u.a. CCD-Kameras).  Sensorik im Röntgenstrahlenbereich Messgröße ist die Intensität der transmittierten Röntgenstrahlung, die prinzipiell ein Maß für die Stoffdichte ist.  Induktive Sensorik Mittels der induktiven Klassifizierung lassen sich auch Metalle, die nur schwach magnetisch oder leitfähig sind, wie z.B. VA-Stahl, sensorisch identifizieren und separieren. Neuere sensorische Systeme sind:  Wärmebildzeilensensoren  3D-Kameras  Röntgenfluoreszenzanalysatoren (auch mobile Anwendungen)  Laserinduzierte Fluoreszenzspektroskopie  Laserinduzierte Plasmaspektroskopie 2

Pretz, Thomas: Neue Techniken zur Aufbereitung von Stoffströmen, 2006. In. Bio- und Sekundärrohstoffverwertung. K. Wiemer, M. Kern (Hrsg.), Witzenhausen, S. 100-114

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Es werden immer noch überwiegend monosensorische Sortiersysteme eingesetzt, bei denen mittels einer Sensorik ein Sortiergut in 2 Fraktionen getrennt wird. Die Entwicklung schreitet jedoch voran in Richtung immer komplexerer Systeme, die z.B. verschiedene sensorische Bereiche kombinieren, die erhaltene Informationsdichte erhöhen und somit den Sortiererfolg steigern. Insbesondere die Qualität / Reinheit der erzeugten Wertstoffarten entscheidet über die Vermarktungschancen und damit die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems. Nahinfrarotspektroskopie – Als relevantes sensorgestütztes Sortierverfahren für Kunststoffe in Abfallströmen ist die Nahinfrarot (NIR)-Spektroskopie eine etablierte Technologie, die mit über 1.000 im Einsatz befindlichen Geräten (Rehrmann 2006 3 ) als Standardmodul in Sortierprozessen verschiedenster Aufgabenstellungen angesehen werden kann. In den letzten Jahren hat sich die NIR-Sortierung auch in der Sortierung von Wertstoffen aus vermischten Abfallströmen zur herausragenden Technik entwickelt. Das zu erkennende Material wird auf dem Sortierband mit infrarotem Licht (700-1400 nm) bestrahlt und der Anteil der reflektierten Strahlung in bestimmten Wellenlängenbereichen gemessen. Die Absorptionsintensität bei bestimmten Wellenlängen ist abhängig von Resonanzfrequenz der bestrahlten Moleküle. Im Ergebnis ergibt sich ein charakteristisches und unverwechselbares Absorptionsspektrum eines jeden Werkstoffs, so dass dieser sicher erkannt und, bei ausreichender Materialvereinzelung, auch separiert werden kann (Abb. 8.6).

Abb. A8.6: Funktionsschema der NIR-Spektroskopie am Beispiel der Aussortierung von FKN (entnommen aus Pretz 2005 4 )

Die Nahinfrarotspektroskopie hat sich hauptsächlich in der Sortierung von Kunststoffverpackungen durchgesetzt, weil sie die Aussortierung aller bedeutenden Kunststoffmaterialien (PP, PE, PET, PVC u.a.) ermöglicht, die sich hinsichtlich der chemischen Zusammensetzungen unterscheiden. Neben nahezu allen Kunststoffarten sind PPK, Holz und Zellstoffe problemlos identifizierbar. Grundsätzlich werden keine chemischen Elemente, wie z.B. Chlor, erkannt, sondern Werkstoffe. Da in Abfallgemischen Chlor überwiegend im PVC vorkommt, kann eine Chlorabreichung, z.B. in der Aufbereitung von Ersatzbrennstoffen, über die PVC-Detektion und -separation erreicht werden. Das in EBS ebenfalls unerwünschte Antimon kann über eine Ausschleusung von PET/Polyester ausgetragen werden (Hüskens 2006 5 ). 3

Rehrmann, Volker: Hochauflösende NIR-Spektroskopie zur Sortierung von Wertstoffen. In: Sensorgestützte Sortierung 2006. Schriftenreihe GDMB Gesellschaft für Bergbau, Metallurgie, Rohstoff- und Umwelttechnik e.V., Heft 107, Clausthal-Zellerfeld 4 Pretz, Thomas: Grundlagen der Aufbereitung fester Abfallstoffe und Technologien des Recyclings, 2005. Lehrstuhl für Aufbereitung und Recycling fester Abfallstoffe. RWTH Aachen. 5 Hüskens, Jürgen: Nahinfrarottechnik und deren Anwendungen bei der Abfallsortierung, 2006. In: Bio- und Sekundärrohstoffverwertung. K. Wiemer, M. Kern (Hrsg.), Witzenhausen, S. 115-119

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Die NIR-Sortierung ist ein oberflächensensitives Verfahren, so dass beschichtete oder lackierte Objekte nicht vollständig materialspezifisch identifiziert werden können. Die NIR-Technologie bedarf wie alle sensorischen Sortiersysteme möglichst konstanter Umfeldbedingungen. Gegenüber den standardisierten Bedingungen im Labor schränken die Praxisbedingungen die Leistungsfähigkeit der Technologie ein. Um eine saubere und effiziente Sortierung zu gewährleisten, müssen möglichst viele NIR-Spektren pro Objekt und Zeiteinheit erhoben werden, da nur damit eine gesicherte statistische Auswertung und eine optimale Sortierentscheidung ermöglicht wird. Die NIR-Sortierung ist insbesondere bei hellen und transparenten Kunststoffen zuverlässig einsetzbar. Lösemitteltrennung Diese Verfahren nutzen die unterschiedliche Löslichkeit der Kunststoffe und ihrer Additive oder Begleitmaterialien in Lösemitteln aus. Im Gegensatz zu den bisher aufgeführten Verfahren ist hier auch eine Abtrennung von Kunststoff-Zuschlagstoffen wie Pigmenten, Glasfasern etc. möglich. Ein Beispiel ist das SD-Verfahren („Selective Dissolution Process“). Das Prinzip dieses Verfahrens ist die selektive Lösung zerkleinerter Kunststoffe aus Gemischen mit einem Lösungsmittel bei unterschiedlichen Temperaturen. Die Gewinnung der gelösten Kunststoff-Fraktionen und die Rückführung des Lösemittels erfolgt durch Entspannungsverdampfung. Zur Trennung von vermischten Altkunststoffen wird hier also eine Fest-Flüssig-Extraktion mit Lösemittelrückgewinnung eingesetzt. Metallabtrennung Die Abscheidung von Metallpartikeln kann durch Magnetscheidung (ferromagnetische Partikel), Wirbelstromscheidung (paramagnetische Metalle) oder mittels induktiv arbeitender Metallerkennungssysteme erfolgen. Bei der Magnetscheidung bzw. der Wirbelstromscheidung handelt es sich um direkte Sortiersysteme, bei denen ein Objekt unmittelbar durch die Wirkung eines Kraftfeldes separiert wird. Mechanische Formerkennung Kunststoffgemische mit Bauteilen unterschiedlicher Form und Größe lassen sich über Verfahren wie Sieben und Sichten (z.B. mit Windsichtern oder Luftherden) trennen. Bei definierten Mischungen, wie zum Beispiel den Kunststoff-Verpackungen, lassen sich so Flaschen und Folien-Fraktionen geringer Qualität erhalten.

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A8.5 Kunststoffabfälle und Sekundärressourcen Aktuelle Studien machen beispielhaft deutlich, welche Potentiale in der Abfallbewirtschaftung liegen, wenn wir Abfälle als Rohstoffe betrachten.

Behandlung von Post-Consumer Kunststoffabfällen 2007 EU 27 + 2 (in kt) Switzerland Denmark Germany Sweden Belgium Austria Netherlands Luxembourg Norway France Italy Slovakia Czechia Spain Finland UK Hungary Slovenia Portugal Latvia Ireland Romania Poland Estonia Bulgaria Malta Greece Cyprus Lithuania

86

282

50

2.307

98 149 98 186 5 59 503 1.182 710 806 28 37 96 25 503 287 23 34 602 234 50 35 16 2 56 61 13 1 65 0 65 28 184 5 6 0 18 1 1 0 35 0 2 0 5 0 0%

2 11 172 24 40 37 129 4 42

265 1.330

20%

238 317 289 578 18 139 1.426 1.991 129 260 1.768 131 2.612 284 62 418 58 291 531 1.086 44 186 14 511 32 110 40%

60%

Recycling Recycling Energy Energet. Verwertung Recovery Disposal Deponierung

80%

100%

1 Quelle: Consultic

Abbildung A8.7: Verwertung von Kunststoffabfällen

Eine von Prognos im Jahre 2008 veröffentlichte Studie „Resource savings and CO2 reduction potential in waste management in Europe and the possible contribution to the CO2 reduction target in 2020“ weist aus, dass ungefähr 50 Prozent der Abfälle insgesamt in Europa immer noch ungenutzt deponiert werden. Diese Rate findet man ziemlich genau auch für die Kunststoff-Fraktion in Abfällen wieder. Eine von der Kunststoffindustrie veröffentlichte Detailstatistik macht die heute noch bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen EU Staaten deutlich (Abb. A8.7). Während in neun Ländern bereits über 80 Prozent der Kunststoffabfälle stofflich oder energetisch genutzt werden, werden in zehn Ländern über 80 Prozent dieser Sekundärressourcen ungenutzt abgelagert. Die oben zitierte Prognos Studie weist beeindruckende Effizienz- und Klimaschutzpotentiale durch ein optimiertes und intelligentes Abfallmanagement für Europa aus. Bei einer konsequenten Umsetzung einer auf Ressourcennutzung ausgerichteten Abfallpolitik, d.h. unter anderem einer klaren „Divert-from-Landfill“ Strategie für heizwertreiche Abfälle, könnten klimarelevante Emissionen vermieden werden, die in der Summe etwa einem Drittel der europäischen Kyoto-Ziele entsprechen (für die Ressourcenpotentiale für einzelne Materialien wird auf die Studie verwiesen). Bemerkenswert ist dabei, dass diese positiven Effekte zahlenmäßig sogar etwas höher ausfallen, wenn man von einer flexiblen Anwendung der Verwertungshierarchie ausgeht, d.h. wenn in gewissem Umfang effiziente energetische Nutzung von Abfällen ein weniger effizientes werkstoffliches Verwerten ersetzt. Kunststoffe repräsentieren einen Masseanteil von nur ungefähr 2 Prozent der gesamten betrachteten Abfälle in der Prognos Studie und tragen entsprechend auch nur im kleinen Prozentbereich zur Reduktion klimarelevanter Emissionen durch eine intelligente Abfallbewirtschaftung bei. In absoluten Zahlen weist die Prognos Studie für Europa immerhin ein CO2 Reduktionspotential von jeweils etwa 4,5 Mio. t/a durch

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stoffliche und energetische Verwertung von Kunststoffabfällen aus – im Vergleich zum Stand der Verwertung im Jahr 2004 würde das jeweils eine Steigerung von ungefähr 80 Prozent bedeuten. Deutlicher werden die Potentiale einer optimierten Nutzung von Kunststoffen als Sekundärressource, wenn man entsprechende Untersuchungen länderspezifisch und auf tatsächliche Einsatzbereiche ausrichtet. In einer von tecpol beauftragten aktuellen Studie zu Ersatzbrennstoffen (EBS) wird von den Autoren (Umwelt & Ingenieure) abgeschätzt, dass in Großbritannien > 7 Prozent des industriellen Energiebedarfs auf diesem Wege bereitgestellt werden könnte – bereits 20 Prozent Kunststoffe in EBS tragen aufgrund ihres hohen Heizwertes ungefähr 40 Prozent zur Inputenergie bei. Die Studie berechnet, dass allein durch einen solchen EBS-Einsatz ungefähr 1,7 Mio. t/a CO2 vermieden werden können. Für eine umfassende Bewertung der Möglichkeiten einer zukünftigen Abfallbewirtschaftung müssen Umweltaspekte und ökonomische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Dies geschieht z.B. in so genannten Öko-Effizienzanalysen. Zu methodischen Details siehe: http://www.basf.com/group/corporate/de/sustainability/eco-efficiency-analysis/what-is Eine solche Untersuchung (Abbildung 8.8) für Kunststoffabfälle in den fünf größten Volkswirtschaften in Europa (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien) ergab – in vollem Einklang mit den Ergebnissen der o.g. Prognos Studie:  Eine „Divert-from-Landfill“ Strategie ist der entscheidende Ansatz für die Optimierung der Abfallbewirtschaftung  Die heute noch in der EU favorisierten Regelungsansätze über produktbezogene (Recycling-) Unterquoten sind deutlich weniger öko-effizient

Öko-Effizienzanalyse “Kunststoffverwertung” D – F – I – UK - SP Verschärfung der (Recycling-) Quoten bedeutet

Umweltwirkung (norm.)

0,6

 abnehmender Grenznutzen  bei steigenden Kosten  komplexes Monitoring & divergierende Entwicklungen in der EU

“Divert-from-Landfill” ist die öko-effizienteste Option

1,0

 in einem weiten Bereich des Recyclings  sogar 100% energetische Verwertung ist besser als 2015 Quoten  transparentes & schlankes Monitoring

Base Case 2004 Verschärfte 2015 Quoten Divert-from-Landfill (8/15% MR)

1,4 1,4

1,0

0,6

Divert-from-Landfill – 100% ER

Kosten (norm.)

Quelle: BASF SE / tecpol

Abb. A8.8: Öko-Effizienzanalyse von Abfallmanagementstrategien für Kunststoffe

Mit dem heutigen Wissen lassen sich damit recht verlässlich Aussagen darüber treffen, welche Randbedingungen notwendig sind, um eine primär auf Daseinsvorsorge ausgerichtete Abfallbewirtschaftung zu einer öko-effizienten Sekundärrohstoffwirtschaft weiter zu entwickeln:  Der entscheidende Schritt muss im Denken erfolgen. Abfälle sind Rohstoffe. Sie auf Deponien zu entsorgen ist nicht mehr zeitgemäß. Es stimmt optimistisch, dass immer mehr relevante Kreise sich

10 Anhang A8 hinter dem Konzept „Divert-from-Landfill“ sammeln und mehr noch, dass die wirtschaftlichen Akteure stoffstromorientierten Geschäftsmodellen folgen. Die Politik ist aufgefordert auf europäischer und nationaler Ebene diesen aus ökologischen wie ökonomischen Gründen richtigen Weg zu befördern. Klare Rahmensetzungen und das Nutzen der Marktkräfte müssen – wie in jedem Wirtschaftsbereich – der primäre Ansatz sein. Detailregulierungen sind dort notwendig, wo sie der Gefahrenabwehr dienen. Die immer noch heftig geführten Diskussionen um die „richtige“ stoffliche Recyclingquote sollte überwunden werden; wir wissen heute, dass sie eine sich zur Sekundärrohstoffwirtschaft weiter entwickelnden Abfallbewirtschaftung mehr behindert als nützt. Diese grundsätzliche Orientierung muss angepasst an die jeweiligen Gegebenheiten einzelner Länder umgesetzt werden. Hierzu zählt nicht zuletzt auch die Berücksichtigung der ökonomischen Leistungsfähigkeit im Einzelfall.





Ökonomie: Kunststoffabfälle als Sekundärressourcen Kosten [€/t] Switzerland Sweden Denmark Germany Belgium Austria Luxemburg

100

Netherlands Norway France Italy Portugal

50

Spain Slovakia Finland Czechia United Kingdom

0

Slovenia Ireland Hungary Latvia

Deponie als Option

Poland Estonia Lithuania

„billig“

Malta

Erträge

Cyprus

nicht gegeben/ teuer

Greece

0

20

Nutzung Werkstoff

40

60

80

100

Nutzung [%]

– sortenrein/sauber - Ökonomie getrieben – Kosten-/Markt-limitiert

Spezifische Nutzung Energie/Rohstoff Energetische Nutzung in MVAs

– Mischfraktionen (gem. mit anderen Heizwertträgern) – Kosten-/Markt-limitiert

– verbleibende (kleine) Kunststoffanteile im Restabfall – bildet oberen Kosten-Benchmark

 Kunststoffverwertung konkurriert mit Deponierung  Beachte: Regionale Vorbedingungen und Technologieentwicklung Quelle: tecpol

Abb. A8.9: Ökonomie: Kunststoffabfälle als Sekundärressourcen Eine Abschätzung von tecpol (Abbildung 8.9) zeigt wie Kunststoffabfälle dann in einem Mix von im Markt immer weiter optimierten Möglichkeiten optimal genutzt werden können. Es wird deutlich, dass die stoffliche und die energetische Nutzung der Sekundärressource Kunststoffabfälle bei heutigen Umfeldbedingungen jeweils ungefähr ein Viertel des Gesamtpotentials erschließen können. In den EU Ländern, die heute noch weniger als 15 – 20 Prozent Kunststoffe werkstofflich nutzen, muss vermutet werden, dass grundsätzliche Infrastrukturvoraussetzungen für eine Abfallbewirtschaftung (insbes. Erfassungssysteme) nicht entwickelt sind. Weitere Verbesserungen im Bereich der Aufbereitungstechnologie aber auch steigende Marktnachfrage können sowohl der stofflichen wie auch der spezifisch energetischen Nutzung Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Müllverbrennungsanlagen-Pfad erbringen. Gleichzeitig kann aber eine bessere Einbindung von Müllverbrennungsanlagen in Energieabnehmerstrukturen auch deren Attraktivität erhöhen.

8 Verwertung von Kunststoffen 11 Aber: Ist ein solcher Perspektivenwechsel realistisch und verantwortbar? Werden dabei die erreichten Umwelt- und Sicherheitsstandards gewährleistet? Beide Fragen können - zumindest was kunststoff- und heizwertreiche Abfälle betrifft – belegbar mit JA beantwortet werden:  In Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern ist - durch im Detail unterschiedliche Regelungen (Verordnungen oder Abgaben) - die Deponierung solcher Abfälle bereits stark eingeschränkt  In diesen Ländern wurden Kunststoffabfälle im Markt zu über 80 Prozent verwertet – in Deutschland sogar zu über 95 Prozent.  Entscheidend für diesen Erfolg im Sinne der Ressourcennutzung und –effizienz ist der Einsatz eines Mixes der verfügbaren Verwertungsoptionen (werkstofflich, rohstofflich und energetisch).  Die heute verfügbaren Technologien zur Abfallvorbehandlung und zur Verwertung ermöglichen nach der einhelligen Bewertung staatlicher Stellen die Aufbereitung und Nutzung dieser Ressourcen ohne dass dadurch die erreichten Umwelt- und Sicherheitsstandards gefährdet wären. Dies gilt in Bezug auf kunststoffreiche Abfälle für alle prinzipiellen Nutzungspfade, d.h. für werkstoffliche und rohstoffliche Nutzung ebenso wie für die energetische Nutzung in speziellen Anlagen oder in modernen Müllkraftwerken mit Energieauskopplung.  Aktuelle Studien (z.B. von PROGNOS) zeigen, dass durch eine Divert-from-Landfill Strategie der Beitrag der Abfallbewirtschaftung zum Klimaschutz deutlich gesteigert und optimiert wird. Aber: Brauchen wir nicht weiterhin spezielle Vorschriften für die Nutzung von Abfällen als Sekundärressourcen und sind dann nicht gerade möglichst ambitionierte Verwertungs- und Recyclingquoten besonders wirksam, um eine optimale Umweltleistung zu erreichen? Diese beiden Fragen können ebenso klar und belegbar mit NEIN beantwortet werden:  Sekundärressourcen müssen grundsätzlich nicht anders behandelt werden, als primäre Rohstoffe – und für diese sind verlässliche Regelwerke etabliert, die eine sichere und umweltverantwortliche Nutzung gewährleisten.  Eine Vielzahl von unabhängigen Studien belegen, dass ein im Markt optimierter Mix aus Verwertungswegen einer starren Festlegung von Quoten und Unterquoten unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten überlegen ist. Ausdrücklich hingewiesen werden soll darauf, dass auch bei einer solchen Strategie abfallspezifische Regelungen notwendig sein werden, um z.B. Aspekte zu klären wie: Abgrenzung von Abfall und Rohstoff/Produkt, Verbringung von Abfällen über Ländergrenzen und Umgang mit Abfällen generell sowie mit besonderem Gefährdungspotential.