WOLFGANG SCHILD Rechtsanwalt A. Text § 104a AufenthG

(1) Einem geduldeten Ausländer soll abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und er

1. über ausreichenden Wohnraum verfügt,

2. über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne der Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügt,

3. bei Kindern im schulpflichtigen Alter den tatsächlichen Schulbesuch nachweist,

4. die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat,

5. keine Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen hat und diese auch nicht unterstützt und

6. nicht wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, wobei Geldstrafen von insgesamt bis zu 50 Tagessätzen oder bis zu 90 Tagessätzen wegen Straftaten, die nach dem Aufenthaltsgesetz oder dem Asylverfahrensgesetz nur von Ausländer begangen werden können, grundsätzlich außer Betracht bleiben.

Wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt eigenständig durch Erwerbstätigkeit sichert, wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 erteilt. Im Übrigen wird sie nach Satz 1 erteilt; sie gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5; die §§ 9 und 26 Abs. 4 finden keine Anwendung. Von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 kann bis zum 1. Juli 2008 abgesehen werden. Von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen kann.

(2) Dem geduldeten volljährigen ledigen Kind eines geduldeten Ausländers, der sich am 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren oder, falls er zusammen mit einem oder mehreren minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebt, seit mindestens sechs Jahren, ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im

Zulassung: Amtsgericht Köln, Landericht Köln, Oberlandesgericht Köln

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Bundesgebiet aufgehalten hat, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 Satz 1 erteilt werden, wenn er es bei der Einreise minderjährig war und gewährleistet erscheint, dass es sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann. Das Gleiche gilt für einen Ausländer, der sich als unbegleiteter Minderjähriger seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat und bei dem gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann.

(3) Hat ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 begangen, führt dies zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für andere Familienmitglieder. Satz 1 gilt nicht für den Ehegatten eines Ausländers, der Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 begangen hat, wenn der Ehegatte die Voraussetzungen des Absatzes 1 im Übrigen erfüllt und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Sofern im Ausnahmefall Kinder von ihren Eltern getrennt werden, muss ihre Betreuung sichergestellt sein.

(4) Die Aufenthaltserlaubnis kann unter der Bedingung erteilt werden, dass der Ausländer an einem Integrationsgespräch teilnimmt oder eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen wird. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

(5) Die Aufenthaltserlaubnis wird mit einer Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2009 erteilt. Sie soll um weitere zwei Jahre als Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn der Lebensunterhalt des Ausländers bis zum 31. Dezember 2009 überwiegend eigenständig durch Erwerbstätigkeit gesichert war oder wenn der Ausländer mindestens seit dem 1. April 2009 seinen Lebensunterhalt nicht nur vorübergehend eigenständig sichert. Für die Zukunft müssen in beiden Fällen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Lebensunterhalt überwiegend gesichert sein wird. Im Falle des Absatzes 1 Satz 4 wird die Aufenthaltserlaubnis zunächst mit einer Gültigkeit bis zum 1. Juli 2008 erteilt und nur verlängert, wenn der Ausländer bis dahin nachweist, dass er die Voraussetzung des Satzes 1 Nr. 2 erfüllt. § 81 Abs. 4 AufenthG findet keine Anwendung.

(6) Bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis kann zur Vermeidung von Härtefällen von Absatz 5 abgewichen werden. Dies gilt bei

1. Auszubildenden in anerkannten Lehrberufen oder in staatlich geförderten Berufsvorbereitungsmaßnahmen,

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2. Familien mit Kindern, die nur vorübergehend auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind,

3. Alleinerziehenden mit Kindern, die vorübergehend auf Sozialleistungen angewiesen sind, und denen eine Arbeitsaufnahme nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Zweiten Sozialgesetzbuches nicht zumutbar ist,

4. erwerbsunfähigen Personen, deren Lebensunterhalt einschließlich einer erforderlichen Betreuung und Pflege in sonstiger Weise ohne Leistungen der öffentlichen Hand dauerhaft gesichert ist, es sei denn, die Leistungen beruhen auf Beitragszahlungen,

5. Personen, die am 1. Juli 2007 das 65. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie in ihrem Herkunftsland keine Familien haben, dafür aber im Bundesgebiet Angehörige (Kinder oder Enkel) mit dauerhaftem Aufenthalt bzw. deutscher Staatsangehörigkeit haben und soweit sichergestellt ist, dass für diesen Personenkreis keine Sozialleistungen in Anspruch genommen werden.

(7) Die Länder dürfen anordnen, dass aus Gründen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 Staatsangehörigen bestimmter Staaten zu versagen ist. Zur Wahrung der Bundeseinheitlichkeit bedarf die Anordnung des Einvernehmens mit dem Bundesministerium des Innern.

B. Rechtsgrundlagen

Es sind vier Rechtsgrundlagen zu unterscheiden:

1. Aufenthaltserlaubnis auf Probe (§ 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG) 2. Altfall-Aufenthaltserlaubnis nach (§ 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 104a Abs. 1 S. 2 AufenthG) 3. Altfall-Aufenthaltserlaubnis für volljährige Kinder Geduldeter (§ 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 104a Abs. 2 S. 1 AufenthG) 4. Altfall-Aufenthaltserlaubnis für Ausländer, die als unbegleitete Minderjährige eingereist sind (§ 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 104a Abs. 2 S. 2 AufenthG)

Die Rechtsgrundlagen werden wie vorstehend im Ausländerzentralregister ausgeschlüsselt (Bundesminister des Innern, Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz – im Weiteren: BMI RdZiff. 327)

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C. Voraussetzungen

I. Antragsfrist? Nach Auffassung des BMI muss der Antrag bis spätestens zum 01.07.2008 gestellt werden. Der Antragsstichtag ergebe sich aus § 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG. Nach dieser Vorschrift müsse der Antragsteller bis spätestens zum 01.07.2008 nachweisen, dass er die Anforderungen an die hinreichenden Deutschkenntnisse erfüllt. Stelle ein Ausländer erst danach den Antrag, könne er den Sprachnachweis nicht mehr rechtzeitig erbringen und erfülle bereits deshalb die gesetzlichen Anforderungen nicht (BMI -, RdZiff. 325).

Die Rechtsauffassung des BMI ist falsch.

§ 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG steht in Zusammenhang mit § 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG. § 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG („Von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 kann bis zum 1. Juli 2008 abgesehen werden.“) enthält lediglich eine befristete Absehungsbefugnis der Ausländerbehörde: die Ausländerbehörde ist ermächtigt, Aufenthaltserlaubnisse auch dann zu erteilen, wenn der Ausländer nicht über zureichende Deutschkenntnisse verfügt. Diese Befugnis endet mit Ablauf des 1.7.2008. Folge: Ab dem 2.7.2008 darf die Ausländerbehörde nicht mehr von zureichenden Deutschkenntnissen absehen. Vielmehr sind ab dann zureichende Deutschkenntnisse Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. § 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG („Im Falle des Absatzes 1 Satz 4 wird die Aufenthaltserlaubnis zunächst mit einer Gültigkeit bis zum 1. Juli 2008 erteilt und nur verlängert, wenn der Ausländer bis dahin nachweist, dass er die Voraussetzung des Satzes 1 Nr. 2 erfüllt.“) ordnet nun für den Fall des § 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG – das ist der Fall, in dem die Ausländerbehörde von ihrer Absehungsbefugnis Gebrauch macht und die Aufenthaltserlaubnis erteilt, obwohl der Ausländer noch nicht über zureichende Deutschkenntnisse verfügt - zweierlei an, zum einen, dass in den Fällen des § 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG diese Aufenthaltserlaubnis zunächst nur bis zum 1.7.2008 erteilt wird und zum anderen, dass diese Aufenthaltserlaubnis nur verlängert werden darf, wenn der Ausländer bis dahin nachweist, dass er über zureichende Deutschkenntnisse verfügt. Letztere Regelung ist mit Blick auf § 8 Abs. 1 AufenthG („Auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis finden dieselben Vorschriften Anwendung wie auf die Erteilung.“) erforderlich. Gelingt der Nachweis nicht, ist der Verlängerungsantrag abzulehnen und der Ausländer darauf angewiesen, die Aufenthaltserlaubnis erneut zu beantragen. Hierzu muss er dann über Deutschkenntnisse verfügen. § 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG steht einem solchen Antrag nicht entgegen.

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II. Aufenthalt 1. Aufenthaltsstatus: Duldung

Nach der zutreffenden Auffassung des BMI genügt es, wenn die Voraussetzungen zur Erteilung einer Duldung vorliegen. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Ausländer im Besitz einer Duldung befindet (BMI, Rz. 326).

2. Voraufenthalt

§ 104a Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass sich der Ausländer

„… ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet … aufgehalten hat.“

a) ununterbrochener tatsächlicher Voraufenthalt

Der Norm ist zunächst zu entnehmen, dass der tatsächliche Aufenthalt ununterbrochen gewesen sein muss.

Nach Auffassung des Innenministers NRW sollen Ausreisen unschädlich sein, • wenn sie aus einem ihrer Natur nach vorübergehenden Grund erfolgen (z.B. Transportbegleitungen oder Auslandsaufenthalte wegen eines Visumantrags) • und wenn Ausreise und Wiedereinreise von vornherein im Zusammenhang mit demselben Zweck stehen • und wenn sie kurzzeitig (= insgesamt bis zu drei Monate) sind Derartige Unterbrechungen sollen den Inlandsaufenthalt auch dann nicht unterbrechen, wenn sie unerlaubt oder der Ausländerbehörde zunächst nicht bekannt waren. Unerlaubte Auslandsaufenthalte oder Wiedereinreisen sollen ggf. im Rahmen der Ausschlussgründe zu prüfen sein (IM NRW - 1.1.2).

Dem IM-NRW kann gefolgt werden, soweit er vertritt, dass Ausreisen unter bestimmten Voraussetzungen den Aufenthalt im Bundesgebiet nicht unterbrechen. Es wird allerdings im Einzelfall zu prüfen sein, ob längere Auslandsaufenthalte als drei Monate gleichwohl unschädlich sind.

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b) Aufenthaltsstatus während des tatsächlichen Voraufenthaltes

Der Aufenthalt muss nach dem Wortlaut der Norm „ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erlaubt“ gewesen sein.

Die grammatikalische Auslegung ergibt, dass es nicht ausreicht, wenn der Aufenthalt lediglich in tatsächlicher Hinsicht ununterbrochen war und in irgendeinem Zeitraum geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erlaubt war. Nach Wortlaut und grammatikalischem Sinn der Norm werden nur solche Ausländer begünstigt, deren Aufenthalt durchgehend entweder geduldet und/oder gestattet und/oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erlaubt war. Hieraus folgt nicht nur, dass Zeiten, in denen der Aufenthalt zwischenzeitlich etwa aus anderen Gründen erlaubt war, nicht auf die Aufenthaltsdauer anzurechnen sind, sondern, dass solche Zeiten den geduldeten, gestatteten oder mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen erlaubten Aufenthalt unterbrechen (so auch IM NRW, a.a.O., 1.1.2).

c) Aufenthaltsdauer

§ 104a AufenthG unterscheidet • Fallgruppen mit 8-jährigem Voraufenthalt • Fallgruppen mit 6-jährigem Voraufenthalt • Fallgruppen ohne Voraufenthalt aa) § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG: bis zum 01.07.2007- 8 Jahre ununterbrochener Aufenthalt

Der Tatbestand wird von jedem Ausländer erfüllt, der sich am Stichtag 1.7.2007 acht Jahre lang ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen im Bundesgebiet aufgehalten hat. Ehegatten bzw. Lebenspartner werden nicht einbezogen, sondern müssen die Aufenthalts-Voraussetzungen in eigener Person erfüllen (IM-NRW 1.6.2).

bb) bis zum 01.07.2007 - 6 Jahre ununterbrochener Aufenthalt

i) § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG: Ausländer in häuslicher Gemeinschaft mit mj. ledigem Kind

Wortlaut / grammatikalische Auslegung ergeben nicht, dass der Ausländer zum Stichtag in häuslicher Gemeinschaft mit mindestens einem minderjährigen ledigen Kind lebt. Es mag etwas

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anderes gewünscht oder beabsichtigt sein. Dies geben Wortlaut und grammatikalischer Sinn der Vorschrift aber nicht her.

Der Begriff der „häuslichen Gemeinschaft“ fordert (im Unterschied zum Begriff „familiäre Lebensgemeinschaft“) nicht das Bestehen der Elternschaft oder des Sorgerechts. Es mag etwas anderes gewünscht sein. Der Begriff gibt dies aber nicht her.

iii) § 104a Abs. 2 S. 2 AufenthG: Ausländer, der sich als unbegleiteter Minderjähriger seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Es genügt, wenn der Ausländer bis zum 1.7.2007 sechs Jahre (ununterbrochen geduldet, gestattet pp) im Bundesgebiet als unbegleiteter Minderjähriger gelebt hat. Eintritt der Volljährigkeit vor oder nach dem Stichtag ist unschädlich (so auch BMI, a.a.O., Rz. 341; IM NRW, a.a.O., 2.2).

c) keine Anforderungen an die Aufenthaltsdauer

aa) Minderjähriges Kind, das in häuslicher Gemeinschaft mit einem Ausländer lebt: Das Kind wird einbezogen (so auch BMI, a.a.O. Rz. 339; IM NRW, a.a.O., 1.6.1). Die Einbeziehung setzt voraus, dass der Ausländer alle Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 AufenthG erfüllt.

bb) Volljähriges Kind eines Ausländers, der sich am Stichtag 8 bzw. – falls der Ausländer in häuslicher Gemeinschaft mit einem minderjährigen Kind lebt - 6 Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat, wenn es bei der Einreise minderjährig war (§ 104a Abs. 2 S. 1 AufenthG; so auch BMI, a.a.O., Rz. 340; IM NRW, a.a.O., 2.1). Das volljährige Kind braucht selbst keine Voraufenthaltsvoraussetzungen zu erfüllen.

Der Norm ist nach Wortlaut und grammatikalischem Sinn nicht zu entnehmen, dass das Kind vor oder an dem Stichtag eingereist sein oder seine bisherige Ausbildung im Bundesgebiet gehabt haben muss. Es mag etwa anderes gewünscht sein. Wortlaut und grammatikalischer Sinn geben dies aber nicht her.

III. Integrationsvoraussetzungen 1. Sicherung des Lebensunterhalts

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Der Lebensunterhalt ist gesichert, wenn der Ausländer ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann (§ 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG). Gefordert ist ein Einkommen, das perspektivisch auf Dauer bezogen wird. Dies ist zu bejahen, wenn der Ausländer in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht. Bei befristeten Arbeitsverhältnissen kommt es darauf an, ob eine Anschlussbeschäftigung zu erwarten ist (so zutreffend IM-NRW 1.2.2.2 unter Hinweis auf Nr. 2.3.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI). Kindergeld, Erziehungsgeld, sowie Mittel, die auf Beitragsleistungen beruhen (Arbeitslosengeld I, Leistungen aus der Kranken- oder Rentenversicherung) sind lebensunterhaltssicherndes Einkommen. Besteht ein Anspruch auf Bezug von Leistungen nach SGB II oder SGB XII oder auf Wohngeld, wird der Lebensunterhalt nicht vollständig eigenständig gesichert (so zutreffend IM-NRW 1.2.2.1).

a) Der Ausländer sichert den Lebensunterhalt nicht

In diesem Fall

aa) wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG als Aufenthaltserlaubnis auf Probe erteilt (§ 104a Abs. 1 S. 3 AufenthG), wenn der Ausländer ansonsten alle zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 104a Abs. 1 AufenthG erfüllt.

Nach Auffassung des IM-NRW ist bei Erwerbsunfähigen und solchen Ausländern, die bis zum 31.12.2009 das 65. Lebensjahr vollenden werden, bereits bei Antragstellung zu prüfen, ob voraussichtlich die Verlängerungsvoraussetzungen vorliegen werden. Dabei sind die Ausnahmetatbestände nach Absatz 6 Satz 2 Nr. 4 und 5 zu berücksichtigen (IM-NRW 5.1.1). Persönliche Anmerkung:

Der Ausschluss von Menschen, die etwa wegen Krankheit oder Alters nur beschränkt leistungsfähig oder leistungsunfähig sind, enttarnt die Altfallregelung. Es handelt sich nicht um eine Regelung mit humanitären Ansprüchen, sondern um eine solche, die der Maxime folgt: Wenn wir diese Leute schon nicht loswerden, dann suchen wir uns zumindest diejenigen heraus, die uns zu irgendetwas nütze sind und machen deren Potentiale nutzbar. Für die besonders Hilfsbedürftigen dagegen soll der Zustand der Perspektivlosigkeit erhalten bleiben. Die systematische Zuordnung des § 104a AufenthG zum 5. Abschnitt des 2. Kapitels des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt aus … humanitären … Gründen) dürfte verfehlt sein.

bb) kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt werden, wenn der Ausländer das bei der Einreise minderjährige, im Zeitpunkt der Entscheidung volljährige Kind eines geduldeten Ausländers ist, der sich am Stichtag seit mindestens acht bzw. seit sechs Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen aufgehalten hat, gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Wolfgang Schild Rechtsanwalt Hohenstaufenring 63 50674 Köln

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Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (§ 104a Abs. 2 S. 1 AufenthG) und gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden kann.

bb) kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt werden, wenn der Ausländer sich bis zum Stichtag seit mindestens sechs Jahren als unbegleiteter Minderjähriger geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen aufgehalten hat, gewährleistet erscheint, dass er sich auf Grund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland einfügen kann (§ 104a Abs. 2 S. 2 AufenthG) und gemäß § 5 Abs. 3 AufenthG vom Erfordernis der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden kann.

b) Der Ausländer sichert den Lebensunterhalt

In diesem Fall wird die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt (§ 104a Abs. 1 S. 2 AufenthG, Rechtsfolgenverweisung).

Der Unterhalt von Ehegatten muss gesichert sein, entweder durch eigenes Einkommen und/oder durch Einkommen des Ausländers. Hat der Ehegatte kein oder ein seinen Lebensunterhalt nicht vollständig sicherndes Einkommen und reicht das Einkommen des Ausländers nicht aus, auch den Lebensunterhalt des Ehegatten zu sichern, kann dem Ehegatten die Aufenthaltserlaubnis nicht nach § 23 Abs. 1 S. 1 AufenthG erteilt werden.

2. hinreichender Wohnraum (§ 104a Abs. 1 Ziff. 1 AufenthG)

Liegt auch vor, wenn der Ausländer in einer kommunalen Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist (so zutreffend IM NRW, 1.1.4.1)

2. Zureichende Deutschkenntnisse (§ 104a Abs. 1 Ziff. 2 AufenthG)

a) Umfang und Nachweis der Sprachkenntnis

Gefordert werden Sprachkenntnisse der Stufe A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprache.

Es genügen mündliche Sprachkenntnisse. Schriftliche Sprachkenntnisse (lesen, schreiben) sind nicht gefordert und können daher nicht verlangt werden.

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Die Sprachkenntnisse gelten in der Regel als nachgewiesen, wenn der Ausländer bereits in der Vergangenheit einfache Gespräche bei einer Ausländerbehörde ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers führen konnte (so zutreffend IM NRW, a.a.O., 1.1.4.2). Das gelegentlich anzutreffende Verlangen von Ausländerbehörde, gleichwohl etwa Bescheinigungen einer Volkshochschule vorzulegen, ist rechtswidrig.

Die Sprachkenntnisse gelten in der Regel ferner als nachgewiesen, wenn der Ausländer mehrere Jahre eine deutsche Schule mit Erfolg besucht oder eine Berufsausbildung im Bundesgebiet abgeschlossen hat oder bereits aussagekräftige Bescheinigungen z.B. einer Volkshochschule vorliegen (so zutreffend IM NRW, a.a.O., 1.1.4.2).

b) Absehungsbefugnis

aa) Von dem Erfordernis hinreichender deutscher Sprachkenntnisse kann abgesehen werden (§ 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG), d.h. die Ausländerbehörde ist ermächtigt, die Aufenthaltserlaubnis auch dann zu erteilen, wenn der Ausländer noch nicht über hinreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Die Absehungsbefugnis steht nicht im Belieben der Ausländerbehörde oder des Ausländers, sondern ist an die Voraussetzung geknüpft, dass hinreichende Deutschkenntnisse tatsächlich nicht vorliegen.

bb) Die Absehungsbefugnis ist befristet bis zum 1.7.2008 (§ 104a Abs. 1 S. 4 AufenthG), d.h. ab dem 1.7.2008 ist die Ausländerbehörde nicht mehr ermächtigt, die Aufenthaltserlaubnis auch dann zu erteilen, wenn zureichende deutsche Sprachkenntnisse nicht vorliegen.

cc) Liegen die Voraussetzungen der Absehungsbefugnis vor und macht die Ausländerbehörde von der Absehungsbefugnis Gebrauch, d.h. erteilt sie die Aufenthaltserlaubnis, obwohl der Ausländer nicht über zureichende Deutschkenntnisse verfügt, darf die Aufenthaltserlaubnis nur bis zum 1.7.2008 erteilt und nur verlängert werden, wenn der Ausländer bis dahin nachweist, dass er zwischenzeitlich zureichende Deutschkenntnisse erworben hat (§ 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG).

Der Nachweis zwischenzeitlich erworbener hinreichender Deutschkenntnisse unterliegt keinen höheren Anforderungen als der Nachweis hinreichender Deutschkenntnisse bei Antragstellung.

Misslingt der Nachweis, darf die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden. Der Ausländer ist dann gehalten, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis erneut zu beantragen und den Nachweis hinreichender Deutschkenntnisse im Rahmen dieses Antragsverfahrens zu erbringen.

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c) Nichterforderlichkeit hinreichender Deutschkenntnisse

Hinreichende Deutschkenntnisse sind nicht erforderlich, wenn der Ausländer diese Voraussetzung wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen kann (§ 104a Abs. 1 S. 5 AufenthG).

3. Nachweis Schulbesuch (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthG)

Hat ein Ausländer schulpflichtige Kinder, setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an ihn voraus, dass er nachweist, dass diese die Schule besuchen. Eine positive Schulabschlussprognose ist nicht gefordert (so auch IM NRW 1.1.4.3). Dies gilt auch dann, wenn sich der Ausländer auf einen achtjährigen Voraufenthalt berufen kann.

IV. Ausschlussgründe Nach Auffassung des IM-NRW soll es bei den Ausschlussgründen des § 104a AufenthG einer wertenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalles bedürfen (IM NRW 1.1.5.1)

a) Täuschung der Ausländerbehörde (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG)

… die Ausländerbehörde nicht vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht …

Nach Auffassung des IM-NRW sollen nur solche Täuschungen relevant sein, denen einiges Gewicht zukommt. Dabei soll die Kausalität zwischen der Täuschungshandlung und der Nichtbeendigung des Aufenthaltes im Bundesgebiet ein bedeutendes, aber nicht zwingend entscheidendes Kriterium darstellen. Habe der Ausländer z.B. in einer Mehrzahl von Fällen getäuscht oder eine Täuschung über mehrere Jahre aufrechterhalten, könne diesen Täuschungshandlungen auch dann ein zum Ausschluss führendes Gewicht zukommen, wenn der Betreffende aus anderen Gründen (z.B. wegen Weigerungshaltung von UNMIK) nicht hätte abgeschoben werden können (IM NRW 1.1.5.1).

Erforderlich für einen Ausschluss ist in jedem Fall Vorsatz und, dass sich die Täuschung auf aufenthaltsrechtlich relevante Umstände bezieht. Angaben betreffend die Identität und die Staatsangehörigkeit dürften wegen § 5 Abs. 1 Ziff. 1a AufenthG immer aufenthaltsrechtlich relevant sein.

b) Hinauszögern, behindern (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG) Wolfgang Schild Rechtsanwalt Hohenstaufenring 63 50674 Köln

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… oder behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat, …

Nach Auffassung des IM-NRW ist ein gezieltes und nachhaltiges Unterlaufen der Aufenthaltsbeendigung erforderlich, z.B. durch Untertauchen, Vernichten oder Unterdrücken von Urkunden, beharrliche Verweigerung der Mitwirkung bei der Passbeschaffung, widersetzliches Verhalten bei Vollstreckungsmaßnahmen (IM-NRW 1.1.5.1).

(aa) Sukzessive Asylanträge, Folgeanträge

Nach Auffassung des IM-NRW soll der Ausschlussgrund „vorsätzliches Hinauszögern der Aufenthaltsbeendigung“ auch im Falle sukzessiver Asylantragstellungen von Familienangehörigen oder im Falle wiederholter Folgeanträge vorliegen können. Zu prüfen sei, ob die sukzessiven Asylantragstellungen erkennbar von dem Motiv des zeitlichen Hinauszögerns der Aufenthaltsbeendigung getragen oder ob nach den Umständen des Einzelfalles die zeitlich auseinander fallenden Asylantragstellungen der Familienmitglieder sachlich vertretbar waren. Bei wiederholten Folgeanträgen könne von einem vorsätzlichen Hinauszögern der Aufenthaltsbeendigung insbesondere dann nicht ausgegangen werden, wenn von dem Ausländer bei der jeweiligen Antragstellung Gründe angegeben worden seien, die in der Zusammenfassung den ernsthaften Vortrag eines bisher nicht erwähnten bzw. nicht geprüften Schutzbedürfnisses erkennen ließen (IM-NRW 1.1.5.1).

bb) Kirchenasyl

Ob die Inanspruchnahme des sog. Kirchenasyls als vorsätzliches Hinauszögern oder Behindern zu werten sei, setzt nach Auffassung des IM-NRW eine Prüfung im Einzelfall voraus, da nur bei einem gezielten und nachhaltigen Unterlaufen der Aufenthaltsbeendigung der Ausschluss der Aufenthaltserlaubnis in Betracht komme (IM-NRW 1.1.5.1).

cc) Freiwilligkeitserklärung

Bei der Prüfung einer vorsätzlichen Behinderung durch Nichtabgabe der sog. Freiwilligkeitserklärung sei insbesondere die Frage der Zumutbarkeit der Abgabe der erforderlichen Erklärung, die Motivlage für das Verhalten des Betroffenen sowie die Frage der Kausalität zwischen der Nichtabgabe der Erklärung und dem Nichtvollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen in die Betrachtung einzubeziehen. Sei der Betroffene seinen für die Aufenthaltsbeendigung erforderlichen Mitwirkungspflichten im Übrigen nachgekommen und weigere er sich lediglich, die Erklä-

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rung zur freiwilligen Ausreise zu unterschreiben, so komme diese Weigerung (nur) dann als Ausschlussgrund gemäß Absatz 1 Satz 1 Ziffer 4 in Betracht, wenn sie für die Verhinderung / nachhaltige Verzögerung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ursächlich war.

Diese Auffassung ist mit der geltenden Gesetzeslage nicht zu vereinbaren.

Die Freiwilligkeitserklärung beinhaltet den Ausdruck des auf einem freien Willen beruhenden Ausreisewunsches. Das bundesdeutsche Ausländerrecht generiert bei Vorliegen der Voraussetzungen aber keinen Wunsch zur Ausreise, sondern eine Pflicht zur Ausreise. Der Betroffene ist verpflichtet, auszureisen. Er ist nicht verpflichtet, ausreisen zu wollen. Die Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung ist in den Fällen, in denen ein Ausländer zwar bereit ist, sich der Ausreisepflicht zu beugen, sich die Ausreise aber nicht wünscht, die Abgabe einer schriftlichen Lüge. Ausländer sind zur Abgabe einer schriftlichen Lüge nicht verpflichtet. Soweit eine Ausreise oder Abschiebung wegen der Weigerung der Abgabe einer schriftlichen Lüge scheitert, ist dies nicht dem betroffenen Ausländer zu Last zu legen. Dieser verhält sich rechtstreu. Problemursache ist das Erfordernis der Freiwilligigkeitserklärung. Lösungsversuche haben an der Problemursache, also am Erfordernis der Freiwilligkeitserklärung anzusetzen. Die Bundesrepublik mag sich auf diplomatischem Wege etwa mit der iranischen Regierung darüber einigen, dass diese die Erteilung von Pässen oder Passersatzpapieren fortan nicht mehr von der Abgabe einer Freiwilligkeitserklärung abhängig macht.

c) Bezüge zu extremistischen oder terroristischen Organisationen oder deren Unterstützung (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AufenthG)

Nach Auffassung des IM-NRW soll dieser Ausschlussgrund erfüllt werden, wenn entsprechende Erkenntnisse Anlass zu Sicherheitsbedenken geben. Es sei nicht erforderlich, dass ein Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 AufenthG vorliegt (IM-NRW 1.1.5.2).

d) Straftaten (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AufenthG)

Irrelevant sind Verurteilungen wegen fahrlässiger Straftaten, Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straftaten nach dem StGB zu Geldstrafen von bis zu 50 Tagessätzen und Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straftaten nach § 95 AufenthG, § 92 AuslG und § 85 AsylVfG zu Geldstrafen von bis zu 90 Tagessätzen.

Ist der Ausländer wegen vorsätzlicher Straftaten nach dem StGB zu Geldstrafen von insgesamt weniger als 50 Tagessätzen und dazu wegen vorsätzlicher Straftaten nach dem AufenthG /

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AuslG / AsylVfG verurteilt, so sollen die Straftaten insgesamt erst dann beachtlich sein, wenn die Summe aller Geldstrafen 90 Tagessätze übersteigt (IM-NRW 1.1.5.3).

e) Erstreckung der Wirkung von Straftaten auf Familienangehörige, § 104a Abs. 3 AufenthG

Die Norm ordnet an, dass für den Fall, dass ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne des § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 6 AufenthG (s. vorstehend d) begangen hat, dies zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für andere Familienmitglieder führt (§ 104a Abs. 3 S. 1 AufenthG). Hat der Ehegatte eines straffälligen Ausländers selbst keine relevanten Straftaten begangen und erfüllt er die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG in eigener Person, soll ihm ein weiterer Aufenthalt gleichwohl nur ermöglicht werden können, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist (§ 104a Abs. 3 S. 2 AufenthG). Für betroffene Kinder im Alter zwischen 14 und 17 Jahren sieht § 104b AufenthG einen Aufenthalt vor.

§ 104a Abs. 3 AufenthG erfasst ihrem Wortlaut nach Familien, nicht auch lebenspartnerschaftliche Gemeinschaften oder eheähnliche Lebensgemeinschaften. In Fällen solcher Gemeinschaften soll die Strafbarkeit eines Partners nach der Gesetzesbegründung regelmäßig im Rahmen der Soll-Regelung des Absatzes 1 Satz 1 zu berücksichtigen sein (BMI, RdZiff. 342; a.A.: IMNRW bezogen auf Partner eheähnlicher Lebensgemeinschaften). Anmerkungen:

Diese Vorschrift lehnt sich an die Regelung im IMK-Beschluss vom 17.11.2006 an und dürfte zu den dunkelsten Kapiteln der Altfallregelung zählen. Sie ordnet die Zufügung von Nachteilen ohne Rücksicht auf ein Verschulden oder sonstiges Vertretenmüssen an. Es geht um Sippenhaft (vom IM-NRW schamhaft als „Mithaftung“ umschrieben (IM-NRW RdZiff. 3).

Die Erwägungen der Gesetzesbegründung zu dieser Norm, die vom BMI unverändert übernommen wurden (BMI RdZiff. 342) (Kinder teilen das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern, auf Grund der häuslichen Gemeinschaft sei ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder nicht auszuschließen, dies gelte auch für das Verhältnis der Geschwister untereinander, bei straffälligen Kindern sei der Ausschluss der Eltern im Hinblick auf ihre Aufsicht- und Erziehungspflicht gerechtfertigt) zeichnen sich durch eine intellektuelle Schlichtheit aus, die ansonsten nur in einschlägigen Boulevardblättern oder in Bierzelten ihren Ausdruck findet.

Die verfassungsrechtliche Haltbarkeit dieser Norm dürfte etwa mit Blick auf Art. 2 und 3 GG fraglich sein.

V. Weitere Vorschriften 1. Integrationsvereinbarung (§ 104a Abs. 4 AufenthG) Wolfgang Schild Rechtsanwalt Hohenstaufenring 63 50674 Köln

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Nach § 104a Abs. 4 AufenthG kann die Aufenthaltserlaubnis unter der Bedingung erteilt werden, dass der Ausländer an einem Integrationsgespräch teilnimmt oder eine Integrationsvereinbarung abgeschlossen wird. Diese Regelung soll den Ausländerbehörden die Möglichkeit der individuellen Beratung und der Kontrolle der Integrationsfortschritte verschaffen. Wurde eine Integrationsvereinbarung geschlossen, ist eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von der Erfüllung der eingegangenen Integrationsverpflichtung abhängig (BMI RdZiff 345).

Die Befugnis zum Abschluss einer Integrationsvereinbarung ist inhaltlich durch § 104a AufenthG beschränkt, d.h. sie eröffnet nicht die Möglichkeit, Bedingungen zu vereinbaren, die über das hinausgehen, was durch § 104a AufenthG zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis verlangt wird.

2. Ausschluss der Fiktionswirkung, § 104a Abs. 5 S. 5 AufenthG

Nach § 104a Abs. 5 S. 5 AufenthG ist § 84 Abs. 4 AufenthG ausgeschlossen. Ein Verlängerungsantrag oder ein Antrag auf Erteilung einer anderen Aufenthaltserlaubnis bewirkt daher nicht, dass der Aufenthaltstitel bis zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag bzw. Antrag als fortbestehend gilt.

VI. Gültigkeiten

Die Aufenthaltserlaubnis auf Probe wie die Altfall-Aufenthaltserlaubnisse werden, wenn bei nicht zureichenden Deutschkenntnissen von der Absehungsbefugnis Gebrauch gemacht wird und ansonsten alle Voraussetzungen erfüllt sind, bis zum 1.7.2008 (§ 104a Abs. 5 S. 4 AufenthG), ansonsten bis zum 31.12.2009 (§ 104a Abs. 5 S. 1 AufenthG) erteilt.

VII. Familiennachzug

Ein Familiennachzug zu Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 S. 1 AufenthG (Aufenthaltserlaubnis auf Probe) ist ausgeschlossen (§ 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG).

Ein Familiennachzug zu Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 104a Abs. 1 S. 2, 23 Abs. 1 AufenthG (Altfall-Aufenthaltserlaubnis) ist unter den Voraussetzungen des § 29 Abs. 3 S. 1 AufenthG möglich.

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