F ACHANWALT R ECHTSANWALT KANZLEI

KISTNER Eisenberg im März 2015

Alles hat seinen Preis – Mindestlohn – Was müssen die Unternehmen tun? Sehr geehrter Damen und Herren, am 2015-01-01 trat der gesetzliche Mindestlohn in Kraft. Damit wurde rechtspolitisch ein Richtungswechsel eingeleitet, der sich vor allem an den Vorschriften zu seiner staatlichen Durchsetzung zeigt.1 Diejenigen Arbeitgeber, die durchweg eine höhere Arbeitsvergütung an Arbeitnehmer zahlen, könnten daher versucht sein zu glauben, das Mindestlohngesetz (kurz: MiLoG) gehe sie nichts an. Dem ist allerdings nicht so. Tatsächlich sind nahezu sämtliche Arbeitgeber betroffen und haben bestimmte Handlungspflichten. Überblick: Rechtsanwälte, Steuerberater und Medien haben Ihnen zum Ende letzten Jahres Informationen überlassen, in denen allgemein auch anhand von Beispielen zur Vergütungsermittlung, insbesondere auf die lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtliche Mindestlohnermittlung hingewiesen wurde. Dies kann naturgemäß weder die künftige Entwicklung von Praxis und Rechtsprechung vorwegnehmen noch eine individuelle Beratung im Einzelfall ersetzen. Höhe: Jeder Arbeitgeber muss prüfen, ob er nach § 1 II MiLoG den gesetzlichen Mindestlohn i.H.v. 8,50 € brutto je Zeitstunde zahlt. Entsprechend sind nach § 3 MiLoG Vereinbarungen unwirksam, die diese Lohnhöhe unterschreiten. § 1 Mindestlohn Abs. 1, 2 S. 1 „… (1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber. (2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.“ … 1

Rechtsanwälte Dr. Marcel Grobys, München, und Prof. Dr. Robert von Steinau-Steinrück, Berlin, Das MiLoG kommt – Was müssen die Unternehmen tun? NJW-Spezial Heft 24, 2014, 754 ff.

Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-2Soweit nicht die in § 24 MiLoG erwähnten Ausnahmeregelungen für die auf Grundlage des Arbeitnehmerentsendegesetzes festgelegten tariflichen Mindestlöhne sowie die nach § 3a Arbeitnehmerüberlassungsgesetz festgesetzte Lohnuntergrenze in der Leiharbeit bzw. die Übergangsregelung für Zeitungszusteller greifen, sind Lohnabreden unwirksam, die den Mindestlohn unterschreiten. § 3 Unabdingbarkeit des Mindestlohns „… Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nach § 1 Absatz 1 nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.“ Da gesetzlich der Kalendermonat die Bezugsgröße für die Feststellung ist, ob pro Zeitstunde 8,50 € brutto gezahlt wird, kann das in vielen Fällen problematisch sein, in denen in einzelnen Monaten mehr Zeitstunden geleistet werden, mit der Folge dass der Lohn pro Zeitstunde sinkt. Zum anderen stellt sich die Frage der Anrechenbarkeit verschiedener Arbeitgeberleistungen. Hier darf auf den erwähnten Überblick detailliert verwiesen werden. Möchte der Arbeitgeber erreichen, dass etwa Einmalleistungen wie Weihnachtsund/oder Urlaubsgeld etc. auf den monatlichen Mindestlohn angerechnet werden, ist eine ratierliche Festlegung im Arbeitsvertrag empfehlenswert. Unter den arbeitsvertraglichen Klauseln können Ausschlussfristen problematisch sein, da sie auch den Mindestlohn umfassen.³ Vorsorglich sollten die Arbeitsvertragsregelungen angepasst und sorgfältig die Entwicklung der Rechtsprechung beobachtet werden. Wer allerdings bis dahin zuwartet, wird sich bis zu einer Vertragsanpassung etc. grundsätzlich einen Rechtsverstoß entgegenhalten lassen müssen. Weder wird ein Irrtum zu einer Entlastung führen noch Vertrauensschutz bei bereits aus der Diskussion bekannten problematischen Regelungen greifen. Problematisch sind auch Arbeitszeitkonten. Im Zuge der Flexibilisierung der Arbeitszeit sind sie heute oft wesentlicher Bestandteil der Arbeitswelt. Auch das MiLoG trägt diesem Umstand Rechnung, enthält aber einige begrenzende Regelungen, vor allem im Hinblick auf den Ausgleichszeitraum und die Anzahl der auf das Arbeitszeitkonto einstellbaren Stunden. § 2 Abs. 2 Fälligkeit des Mindestlohns „… (2) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des … 3

Akademischer Rat Dr. Adam Sagan, Köln NZA Editorial Heft 16, 2014, Mindestlohn: Das Aus für die Ausschlussfrist

Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-3-

Mindestlohns auszugleichen, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Absatz 1 nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen.“ Somit dürfen monatlich 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht überschritten werden. Die sich auf dem Konto befindlichen Arbeitsstunden müssen spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeit oder durch Zahlung des Mindestlohns ausgeglichen werden. Entsprechen die Regelungen zum Arbeitszeitkonto diesen Vorgaben nicht, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Auszahlung des Mindestlohns für die tatsächlich geleisteten Stunden. Tipp: Dies gilt nach § 2 Abs. 2 I aE MiLoG nicht, wenn für die geleisteten Arbeitsstunden – also einschließlich der auf das Arbeitszeitkonto eingestellten – bereits der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wurde. Ist dies der Fall, können bestehende Arbeitszeitkonten unverändert geführt werden. Andernfalls sollten bestehende Regelungen überprüft werden. Problematisch sind beispielsweise die Festlegung eines Stichtages, zudem eine bestimmte Anzahl von Stunden verfallen soll, was zur Vorenthaltung von Mindestlohn führen kann. Die Möglichkeit nicht abgebaute Stunden ganz oder teilweise auf einen weiteren Zeitraum zu übertragen, kann die Überschreitung von max. 12 Monaten zur Folge haben. Dies und Ähnliches mehr sollte geprüft und an die gesetzlichen Regelungen angepasst werden. Aufzeichnungspflichten: Beschäftigt der Arbeitgeber Arbeitnehmer auch so genannte Minijober aus den in § 2a Schwarzarbeitsgesetz genannten Branchen oder aber Zeitarbeitnehmer, treffen ihn nach § 17 MiLoG umfangreiche Aufzeichnungspflichten zu Beginn, Ende und Dauer der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit. § 17 Erstellen und Bereithalten von Dokumenten „… (1) Ein Arbeitgeber, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 8 Absatz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch oder in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen beschäftigt, ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit dieser Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt aufzubewahren. Satz 1 gilt entsprechend für einen Entleiher, dem ein Verleiher eine Arbeitnehmerin oder einen Arbeitnehmer oder mehrere Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung in … Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-4einem der in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftszweige überlässt. Satz 1 gilt nicht für Beschäftigungsverhältnisse nach § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch. (2) Arbeitgeber im Sinne des Absatzes 1 haben die für die Kontrolle der Einhaltung der Verpflichtungen nach § 20 in Verbindung mit § 2 erforderlichen Unterlagen im Inland in deutscher Sprache für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Geltungsbereich dieses Gesetzes, mindestens für die Dauer der gesamten Werk- oder Dienstleistung, insgesamt jedoch nicht länger als zwei Jahre, bereitzuhalten. Auf Verlangen der Prüfbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten. (3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Verpflichtungen des Arbeitgebers oder eines Entleihers nach § 16 und den Absätzen 1 und 2 hinsichtlich bestimmter Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder der Wirtschaftsbereiche oder den Wirtschaftszweigen einschränken oder erweitern. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ohne Zustimmung des Bundesrates bestimmen, wie die Verpflichtung des Arbeitgebers, die tägliche Arbeitszeit bei ihm beschäftigter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen aufzubewahren, vereinfacht oder abgewandelt werden kann, sofern Besonderheiten der zu erbringenden Werk- oder Dienstleistungen oder Besonderheiten des jeweiligen Wirtschaftsbereiches oder Wirtschaftszweiges dies erfordern.“ Zu den betroffenen Branchen zählen gesetzlich: § 2a Mitführungs- und Vorlagepflicht von Ausweispapieren Abs. 1, 2 „… (1) Bei der Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen sind die in folgenden Wirtschaftsbereichen oder Wirtschaftszweigen tätigen Personen verpflichtet, ihren Personalausweis, Pass, Passersatz oder Ausweisersatz mitzuführen und den Behörden der Zollverwaltung auf Verlangen vorzulegen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

im Baugewerbe, im Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, im Personenbeförderungsgewerbe, im Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe, im Schaustellergewerbe, bei Unternehmen der Forstwirtschaft, im Gebäudereinigungsgewerbe, bei Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen, 9. in der Fleischwirtschaft. (2) Der Arbeitgeber hat jeden und jede seiner Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nachweislich und schriftlich auf die Pflicht nach Absatz 1 hinzuweisen, diesen Hinweis für die Dauer der Erbringung der Dienst- oder Werkleistungen aufzubewahren und auf Verlangen bei den Prüfungen nach § 2 Abs. 1 vorzulegen.“ … Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-5Auftraggeberhaftung: Besonders gravierend ist die neu geltende Aufaggeberhaftung. Danach haftet der Arbeitgeber als Auftraggeber jeglicher Werk- oder Dienstleistung für den Fall, dass ein Sub- oder ein Nachunternehmer den Mindestlohn nicht zahlt. 4 Dieser weit reichenden Haftung lässt sich praktisch schwer begegnen. Erforderlich ist eine Vertragsgestaltung, die neben Freistellungsansprüchen und Vertragsstrafen möglichst auch Bankbürgschaften und Einbehalte vorsieht wie umfangreiche Informationspflichten der Subunternehmen. Weiterhin sollte sich der Auftraggeber das Recht einräumen lassen, bei den Subunternehmen Stichprobenkontrollen durchführen zu können. Es liegt auf der Hand, dass nicht alle dieser Klauseln in jeder Konstellation vertraglich durchsetzbar sind Durchsetzung des Mindestlohns: Zuständig für die Kontrolle sind die Behörden der Zollverwaltung, intern die Abteilung „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (kurz: FKS). Diese verfügt mittlerweile über rund 7.000 Bedienstete flächendeckend im Bundesgebiet. 5 In der Rheinpfalz Nr.: 5 vom 2015-01-07 hieß es wie folgt: „ Während der Deutsche Gewerkschaftsbund vor Tricksereien wegen der geringen Zahl von Kontrolleuren warnt, sieht (sich) … nun auch die für Mindestlohnverstöße zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit „angemessen ausgestattet.“ Außerdem erhalte der FKS-Bereich bis 2019 bundesweit pro Jahr 320 zusätzliche Mitarbeiter – dass seien insgesamt weitere 1.600 Kontrolleure. Das Hauptzollamt ist zuständig für das mittlere und nördliche Rheinland-Pfalz. Derzeit arbeiten dort 600 Beschäftigte, rund 150 davon im FKS-Bereich an den Standorten Koblenz, Trier und Mainz. Zöllner haben im Jahr 2013 im Bezirk des Hauptzollamtes Koblenz 1.369 Arbeitgeber sowie fast 14.000 Personen überprüft. „Es wurden 3.110 Strafverfahren und 1.473 Bußgeldverfahren eingeleitet“ berichtet die Rheinpfalz. Der festgestellte Schaden lag bei 20,3 Million €. Befugnisse der Behörden: Die Befugnisse der Behörden der Zollverwaltung und anderer Behörden ergeben sich aus §§ 14, 15 sowie 18 MiLoG und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz. Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen die oben genannten Vorschriften des Mindestlohngesetzes verstößt, handelt ordnungswidrig (§ 21 I MiLoG). Diese Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis 500.000 € geahndet werden (§ 21 II MiLoG). Bei einem mit wenigstens 2.000 € belegten Verstoß sollen die Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden (§ 19 MiLoG). In Betracht kommen kann auch eine Strafbarkeit nach § 266a StGB. … 4 5

Rechtsanwälte Dr. Marcel Grobys pp. a. a. O. m. w. N. Prof. Dr. Frank Maschmann, Die staatliche Durchsetzung des allgemeinen Mindestlohns nach den §§ 14 ff. MiLoG, NZA 17/2014, S. 929 ff.

Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-6Das Prüfverfahren dient der Abwehr von Gefahren, die von der Nichteinhaltung des Mindestlohns ausgehen. Es richtet sich gegen den Arbeitgeber als potenziellen oder manifesten Störer, der an der Aufklärung des Sachverhalts umfassend mitzuwirken hat. Wird ein Bußgeldverfahren eingeleitet, endet jede Pflicht zur Mitwirkung. Stattdessen gelten die Vorschriften des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und seinen Zwangsbefugnissen. Beide Verfahren auseinander zu halten fällt schon deshalb schwer, weil der Verstoß gegen Mitwirkungspflichten im Prüfverfahren selbst eine Ordnungswidrigkeit bedeutet, für deren Verfolgung wieder die Verfahrensregelungen der Strafprozessordnung gelten. Unter welchen Voraussetzungen Kontrollen stattfinden ist nicht geregelt. Besorgte Arbeitgeber fragen deshalb, ob in Zukunft Zöllner bei ihnen bewaffnet nach dem Rechten schauen, um durch unangemeldete Stichproben ein wenig „Verfolgungsdruck“ aufzubauen. Ganz so abwegig ist das nicht, wenn man die Merkblätter betrachtet, mit den der Zoll Betroffene rein vorsorglich über ihre Pflichten aufklärt: „In Aussicht gestellt werden dort nämlich „verdachts- und anlasslose“ Kontrollen, „mit denen jederzeit zu rechnen ist.“ 6 Aus der Rechtsprechung vor Inkrafttreten des Schwarzarbeitsgesetzes und einer wortgleichen Regelung kam das damals zuständige Bundessozialgericht am 2011-03-01 zu folgendem Urteil: „… auch wenn eine effektive Prüfungstätigkeit der berechtigten Behörde nicht gefährdet werden darf, so darf doch ein wirksamer Rechtsschutz der duldungsverpflichtenden Arbeitgeber durch ein uneingeschränktes Vorgehen der Erlaubnisbehörde nicht vereitelt werden.“ 7 Weit einfacher macht es sich der mittlerweile zuständige Bundesfinanzhof 8. Ohne jede Begründung stellt dieser lapidar fest: „… Besondere Anforderungen an die Prüfungsanordnung stellt das Gesetz nicht.“ Ermittlungen zur Feststellung von Schwarzarbeit wären aussichtslos, würden sie vorher angekündigt“. Auch dürfte vermehrt mit Anzeigen von Arbeitnehmern zu rechnen sein, die die Nichteinhaltung des Mindestlohns rügen. Bitten um vertrauliche Behandlung der Anzeige, kann der Zoll nur für das Prüf- und Bußgeldverfahren zusichern. Kommt es später zu einem Strafverfahren – etwa wegen § 266a StGB – ist die Staatsanwaltschaft an diese Zusicherung nicht gebunden. Vor ihr hat der Anzeigeerstatter als Zeuge zu erscheinen und auszusagen (§ 130a StPO). Für Hinweise von Arbeitnehmern gelten zudem die Regeln für das so genannte externe Whistleblowing. Wegen des Gebots der Rücksichtnahme (§ 241 II BGB) trifft den Arbeitnehmer die Pflicht, den Mindestlohn zunächst innerbetrieblich geltend zu machen, jedenfalls soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Der Zoll darf nur dann verständigt werden, wenn Abhilfe berechtigterweise nicht zu erwarten ist. Wegen der spärlichen gesetzlichen Regelungen und gespaltenen Auffassung im Schrifttum bleibt auch hier die Rechtsentwicklung abzuwarten. … 6 7 8

Prof. Dr. Frank Maschmann a. a. O., S. 930 m. w. N. BSG, NZA 2011, 1026 Rn. 12 ff. BFH NZA-RA 2013,148 Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-7Jedenfalls empfiehlt es sich nicht, die Mitwirkung bei der Prüfung zu verweigern, dafür ein Bußgeld zu kassieren, um sodann vor dem Strafgericht die Unzulässigkeit der Zollkontrolle zu reklamieren. Besser wird es sein, die Kontrolle einstweilen hinzunehmen und gegen sie erst im Nachhinein gegebenenfalls im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage vor dem Finanzgericht vorzugehen (§ 23 Schwarzarbeitsgesetzes, § 100 I 4 Finanzgerichtsordnung) Gegenstand: Vorrangiger Gegenstand der Zollkontrolle ist, ob der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern termingerecht mindestens den Mindestlohn zahlt und damit seinen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen nach § 20 MiLoG nachkommt. § 20 Pflichten des Arbeitgebers zum Mindestlohn „… Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sind verpflichtet, ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Absatz 2 spätestens zu dem in § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Zeitpunkt zu zahlen.“ Sie wird begleitet von der Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit (§ 17 I MiLoG) sowie zum Bereithalten von Dokumenten (§ 17 II MiLoG). Insoweit darf auf das von mir zur Verfügung gestellte Muster9 hingewiesen werden. Doch damit nicht genug. Da § 15 MiLoG uneingeschränkt auf die Prüfungsaufgaben nach § 2 Schwarzarbeitsgesetz verweist, darf der Zoll sogleich überprüfen, ob der Arbeitgeber seine Meldepflichten nach § 28a SGB IV erfüllt und Ausländer nur nach Maßgabe von § 284 I SGB III, § 4 III AufenthG beschäftigt. Weitere Ermittlungskompetenzen – etwa hinsichtlich der Einhaltung von lohnsteuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften – stehen ihm im Prüfverfahren nicht zu. Aufzeichnung der Arbeitszeit: Die bußgeldbewährte Aufzeichnungspflicht für geringfügig Beschäftigte sämtlicher Branchen bedeutet bei 450 €-Jobs max. 53 Stunden monatlich. Die Aufzeichnungspflicht besteht auch dann, wenn ein geringfügig Beschäftigter ein zweites oder weiteres Arbeitsverhältnis eingeht. Neben der Gefahr des Verlustes der Freiheit von der Sozialversicherungspflicht wegen der Zusammenrechnung besteht weiterer Handlungsbedarf. Aufgezeichnet werden müssen alle Arbeitszeiten, auch die unterhalb von 8 Stunden arbeitstäglich geleisteten. Zu erfassen sind dabei Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, d.h. auch alle Pausen (§ 17 I 1 MiLoG). Die Arbeitszeit ist täglich, spätestens bis zum Ablauf des siebten auf den Tag der Arbeitsleistung folgende Kalendertages aufzuzeichnen. Besondere Formvorschriften enthält das Gesetz nicht. … 9

Vordruck Rechtsanwalt Uwe Kistner, Stand 2014-11

Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

-8Ordnungswidrig für den Arbeitgeber ist das Nichterstellen einer Aufzeichnung, das nicht richtige, nicht vollständige oder auch nicht rechtzeitige Erstellen. Als Nachweise in Betracht kommen daher Stundenzettel, Stempeluhrkarten, Lohnlisten und ähnliche Unterlagen, auf denen die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeit festgehalten wird. Die Arbeitszeit kann auch durch elektronische Datenverarbeitungsanlagen und sonstige Zeiterfassungssysteme aufgezeichnet werden, sofern die dort gespeicherten Daten bei einer Kontrolle jederzeit abrufbar sind. Die Aufzeichnungspflicht kann der Arbeitgeber auch auf den Arbeitnehmer übertragen, der die Arbeitszeiten dann beispielsweise im Wege der Selbstaufschreibung erfasst. Verantwortlich bleibt aber nach wie vor der Arbeitgeber. Er muss deshalb sicherstellen, dass die Arbeitnehmer Beginn und Ende ihrer täglichen Arbeitszeit auch tatsächlich aufzeichnen. Dazu hat er die erforderlichen Aufzeichnungsmittel zur Verfügung zu stellen, die Mitarbeiter anzuleiten und anzuweisen, die Aufzeichnungen regelmäßige durch Stichproben zu überprüfen und bei Unterlassungen die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Die Aufzeichnungen sind mindestens zwei Jahre lang, beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt, aufzubewahren (§ 17 I 1 MiLoG). Die Bereithaltung ist am Ort der Beschäftigung zu erfüllen. Vorzulegen sind zumindest die Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen nach § 2 NachwG, die nach § 8 II Nr. 6 Beitragsverfahrensordnung zu den Entgeltunterlagen gehört, sowie alle Belege die sich auf die tatsächliche Entgeltzahlung beziehen, also etwa Überweisungsträger Kontoauszüge, Quittungen. § 2 Nachweispflicht „… (1) Der Arbeitgeber hat spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, 2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, 3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, 4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, 5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, 6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, 7. die vereinbarte Arbeitszeit, 8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, 9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, 10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. … -9– Copyright Kanzlei Kistner 2015-03

Bei Arbeitnehmern, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausüben, ist außerdem der Hinweis aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer in der gesetzlichen Rentenversicherung die Stellung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers erwerben kann, wenn er nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch auf die Versicherungsfreiheit durch Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber verzichtet.“ Enthält das ausgezahlte Arbeitsentgelt Bestandteile, die nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen, wie etwa Zuschläge für Überstunden oder für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen oder unter erschwerten Bedingungen bzw. Ersatz für besondere Aufwendungen, müssen die Belege so vollständig sein, dass die Beamten das reine Mindestentgelt ermitteln können. Bußgeldverfahren: Der Zoll ist nicht nur Prüf-, sondern auch Bußgeldbehörde die für die Ahndung sämtlicher der in § 21 MiLoG genannten Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. Zugleich ist er zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten befugt, die mit seinem Prüfauftrag unmittelbar zusammenhängen. Da der Zoll damit in Ermittlungskompetenzen der Polizei, aber auch der Finanzämter, der Steuerfahndung sowie der Prüfdienste der Rentenversicherungsträger eingreift, ist die Reichweite seiner diesbezüglichen Zuständigkeit fraglich. Zusammenfassung: Aus dem Mindestlohngesetz folgen für fast alle Arbeitgeber Umsetzungserfordernisse. Diese zum Teil erheblichen Forderungen werden begleitet durch die FKS. Nach Studien sollen 4,6 – 8,4 Mio. Beschäftigte unter den Mindestlohn fallen. Die FKS wird im Bereich der Mindestlohnverstöße einerseits kleine Fälle aufdecken und andererseits gegen organisierte Formen vorgehen. Sie wird weiter große und kleine Schwarzarbeitsfälle aufdecken und für deren Ahndung sorgen. Vorsichtige Arbeitgeber werden eine Anpassung der Personalbearbeitung veranlassen, insbesondere auf eine Änderung der Arbeitsverträge hinwirken, damit auch der aufstocken Friseurin im Mecklenburg-Vorpommern geholfen wird, ohne gesetzlich Steuern und Sozialversicherung zu reformieren? Mit Sicherheit nicht!? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Kistner Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Anlage: Vordruck Rechtsanwalt Uwe Kistner Arbeitszeitnachweis, Stand 2014-11

Copyright Kanzlei Kistner 2015-03