Erscheinungsort: Wien; Verlagspostamt: A-8600 Bruck/Mur

Jahrgang 17, Ausgabe 1/13

Wir alle wollen alt werden – 16 14 12 10 8 6 4 3 97

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Nicht zuletzt durch die Entwicklungen der modernen Medizin ist die Menschheit einem ihrer großen und alten Ziele, der Verlängerung der menschlichen Lebenszeit, näher gekommen. Möglichst gesund älter als frühere Generationen zu werden, länger zu leben, gilt als Idealvorstellung. Jedes Lamento bezüglich der Last und der Gefahren einer „überalternden“ Gesellschaft bezieht sich daher offensichtlich meist immer nur auf die jeweils anderen, eigentlich wollen wir alle alt werden. Auch Intensivpatienten werden älter, ihr Alter steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an und beträgt im Mittel in den meisten Intensivstationen der industrialisierten Welt mehr als 65 Jahre und wird in den nächsten Jahren weiter steigen (Abbildung). Der Anteil der über 80-jährigen Patienten hat sich in der letzten Dekade mehr als verdoppelt. Die Ursache für diesen steigenden Anteil älterer Patienten an Intensivstationen liegt nicht nur in der mit steigender Lebenserwartung verbundenen demographischen Entwicklung. Entscheidend ist die mit dem Alter stark zunehmende Multimorbidität und auch die erhöhte Suszeptibilität, eine kritische Erkrankung auszubilden. Viele Krankheitsbilder, wie die kar-

INHALT

ISSN 1682-6833

auch mit Hilfe der Intensivmedizin

2011

Abb.: Entwicklung der Altersstruktur in 50 Intensivstationen in den Jahren von 2000 – 2011 (medianes Alter von Intensivpatienten 2011 = 68 Jahre) (aus der intensivmedizinischen ASDI-Datenbank Wien, nach Metnitz P, 2013). diale Insuffizienz, das Nierenversagen, aber auch etwa Infektionen weisen im Alter eine erhöhte Inzidenz auf. Mit einem wachsenden Bevölkerungsanteil an älteren Menschen steigt der Bedarf an intensivmedizinischen Leistungen aus den oben

angeführten Gründen überproportional an. Die Gesundheitspolitik muss daher auch erkennen, dass die vorhandenen intensivmedizinischen Kapazitäten dem epidemiologischen Wandel mit seinen Konsequenzen angeglichen werden müssen.

CO2-Elimination spart Intubation und Beatmung? • PRO-CON-Diskussion Kolloide Parenterale Ernährung doch nicht so schlecht? • Serelaxin bei der akuten Herzinsuffizienz Prognose von sehr alten Intensivpatienten • Internistische Intensivstationen • Intensivpflege

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Editorial Alter per se ist kein Hindernis mehr für eine Intensivaufnahme. Galten ältere multimorbide Personen in Zeiten des Buchklassikers „House of God“ deklassierend noch als „Gomer“ („get out of my emergency room“), so ist heute das kalendarische Alter kein Hinderungsgrund für eine Intensivaufnahme mehr. Selbstverständlich ist die Bedingung für jede Aufnahme, wie in anderen Altersklassen auch, das Vorliegen einer therapeutischen Perspektive, die zumindest potentielle Reversibilität einer schwerwiegenden Gesundheitsstörung. Inzwischen ist entgegen eines weit verbreiteten Vorurteils die Prognose von älteren Intensivpatienten bei sorgfältiger Indikationsstellung nicht wesentlich schlechter als in anderen Altergruppen. Wie zu erwarten, haben Ältere eine höhere natürliche Sterberate auch nach dem Intensivaufenthalt. Jedoch kann der dem Aufenthalt vorhergehende Gesundheitszustand in einem vergleichbaren Prozentsatz wie in anderen Altersklassen wiederhergestellt werden. Langsam – aber kontinuierlich über Jahrzehnte – hat das steigende Durchschnittsalter der Intensivpatienten die Aufgaben der Intensivmedizin grundsätzlich modifiziert. Da gerade bei älteren Multimorbiden eine Heilung bzw. eine Wiederherstellung des vorangegangenen Gesundheitszustands oft nicht mehr möglich ist, musste auch vom ursprünglichen ausschließlichen Konzept der Heilung (des „Cure“) abgegangen und wesentlich mehr auf die Pflege (auf „Care“), und wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, auf die Palliation, den Komfort („Comfort“) Wert gelegt werden. Intensivstationen haben sich allmählich auch mehr den Umständen des Sterbens zugewandt. Die Begleitung eines Patienten im Sterben ist eine wesentliche Aufgabe der Intensivmedizin bzw. aller an der Patientenbetreuung beteiligten Berufsgruppen geworden. Palliativmedizin und Intensivmedizin sind damit nicht mehr Gegensätze, sondern eine Ergänzung. Diese allmähliche Entwicklung hat grundsätzlich das Sterben und den Tod der Intensivpatienten gewandelt und hat

damit fundamentale Änderungen auch in ethischen Fragen mit sich gebracht. Das ursprünglich in der Medizin Jahrhunderte fest verankerte „Diktat des Lebens“ wurde abgelöst von einer wesentlich demütigeren Haltung, in welcher der Tod einen Teil der intensivmedizinischen Wirklichkeit darstellt. Wenn keine therapeutische Perspektive, keine Indikation zu einer intensivmedizinischen Maßnahme mehr besteht, dann kann und soll eine Behandlung, dazu zählen auch apparative Verfahren wie die Beatmung, zurückgenommen werden. Damit einhergehend hat sich auch die Terminologie für Entscheidungen am Lebensende grundsätzlich gewandelt, weg vom alten Konzept der Euthanasie (aktiv - passiv / direkt - indirekt) zu neutraleren und klareren Begriffen, wie Beendigung einer nicht mehr indizierten Therapie (was eben keine Euthanasie darstellt), Zulassen eines Sterbeprozesses bei infauster Prognose (AND = „Allow Natural Death“). Diese Entwicklung der Intensivmedizin ist auch eng mit einer oft emotional geführten Diskussion zum Thema Ressourcen-Allokation verknüpft. Zweifellos sind ungerechtfertige Therapien auch unter diesem ökonomischen Gesichtspunkt abzulehnen, ein Paradigma, das nichts mit Rationierung oder Vorenthalten von gerechtfertigen Therapien zu tun hat. Einem der wesentlichen bioethischen Grundprinzipien – der gerechten Verteilung prinzipiell limitierter Ressourcen – muss selbstverständlich auch die Intensivmedizin verpflichtet sein. Auf medizinische Aspekte zurückkommend, sollte nicht übersehen werden, dass ältere Patienten nicht nur kalendarisch älter sind, sondern auch eine veränderte Physiologie aufweisen, die vor allem durch eine geringere Kompensationsfähigkeit charakterisiert ist. Therapeutische Ziele, wie beispielsweise für Mitteldruck und Volumentherapie, spezifische Probleme der Multimorbidität und generalisierter Gefäßerkrankungen, die geänderte Pharmakokinetik, die oft bestehende Polypharmakotherapie, die anders zu führende Organunterstützung sind allesamt Probleme, mit denen sich der Intensivmediziner täglich auseinanNr. 1, 2013

dersetzen muss. Die Intensivmedizin muss sich mit diesem Themenkreis daher auch verstärkt wissenschaftlich befassen. In den letzten Jahren ist die Zahl an Publikationen dazu bereits stark angestiegen. Diese Arbeiten müssen aus der Intensivmedizin selbst kommen, sind ein originär intensivmedizinisches Thema und nicht eines der Geriatrie. Trotzdem ist auch die Geriatrie aufgerufen, sich mit diesen Entwicklungen zu befassen. Traditionell aus der Altenversorgung und Altenpflege entwickelt, wird die Geriatrie sich (auch) in ein Akutfach transformieren müssen und hat das in manchen Ländern bereits vollzogen. Intensivmedizin und Geriatrie werden in Zukunft eine engere Partnerschaft eingehen müssen, um diesem breiten gemeinsamen Themenkomplex gerecht zu werden. Die Intensivmedizin hat in den letzten Jahren eine fundamentale Entwicklung durchgemacht und dieser Wandel ist nicht zuletzt durch die geänderte Altersstruktur und die damit verbundenen Probleme stimuliert worden. Überraschenderweise sind diese tagtäglich aktuellen Fragestellungen an Intensivstationen nie als Hauptthema eines eigenen Kongresses systematisch abgehandelt worden. Die Wiener Intensivmedizinischen Tage 2013 haben daher unter dem Titel „Der Alte (= der häufigste) Intensivpatient“ dieses Thema als Schwerpunkt gewählt. Abschließend geht es nicht um eine Verharmlosung eines sehr vielschichtigen Themas, auch nicht um eine Romantisierung des Alters oder um eine Negierung der schwerwiegenden Probleme, die mit dem steigenden Durchschnittsalter unserer Intensivpatienten verbunden sind. Es geht vielmehr um einen Schritt weg von Vorurteilen, hin zu einer gerechten und fairen Chance und auch intensivmedizinisch optimalen Betreuung einer Bevölkerungsgruppe, die einen - auch in schöpferischer und intellektueller Hinsicht – ganz wesentlichen und weiter steigenden Teil unserer Gemeinschaft darstellt.

Prof. Dr. Wilfred Druml Prof. Dr. Andreas Valentin

CO2-Elimination spart Intubation und Beatmung?

„Must not intubate – must not ventilate“ Extrakorporale Lungenunterstützung statt mechanischer Beatmung bei exazerbierter COPD Avoiding invasive mechanical ventilation by extracorporeal carbon dioxide removal in patients failing noninvasive ventilation. Kluge S, Braune SA, Engel M, et al.

Intensive Care Med 2012; 38:1632-9

Department of Intensive Care Medicine, University Medical Centre Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg, Germany. PURPOSE: To evaluate whether extracorporeal carbon dioxide removal by means of a pumpless extracorporeal lung-assist (PECLA) device could be an effective and safe alternative to invasive mechanical ventilation in patients with chronic pulmonary disease and acute hypercapnic ventilatory failure not responding to noninvasive ventilation (NIV). METHODS: In this multicentre, retrospective study, 21 PECLA patients were compared with respect to survival and procedural outcomes to 21 matched controls with conventional invasive mechanical ventilation. Matching criteria were underlying diagnosis, age, Simplified Acute Physiology Score II and pH at ICU admission. RESULTS: Of the 21 patients treated with PECLA, 19 (90 %) did not require intubation. Median PaCO(2) levels and pH in arterial blood prior to PECLA were 84.0 mmHg (54.2-131.0) and 7.28 (7.10-7.41), re-

In den 1950er Jahren wurden die orotracheale Intubation und die maschinelle Beatmung als lebensrettende Innovationen gefeiert, als im Rahmen der Polio-Epidemie in Skandinavien zahlreiche Patienten durch diese Maßnahmen vor dem sicheren Tod bewahrt wurden. Die folgenden Jahrzehnte brachten einen nachhaltigen klinischen und wissenschaftlichen Schub für die Beatmungsmedizin – weiterhin getragen von dem sicheren Gefühl, den Patienten zu nützen (was zweifelsohne überwiegend stimmte) und nicht zu schaden (was aus heutiger Sicht ein Trugschluss war).

spectively. Within 24 h, median PaCO(2) levels and pH had significantly improved to 52.1 (33.0-70.1; p < 0.001) and 7.44 (7.27-7.56; p < 0.001), respectively. Two major and seven minor bleeding complications related to the device occurred. Further complications were one pseudoaneurysm and one heparin-induced thrombocytopenia type 2. Compared to the matched control group, there was a trend toward a shorter hospital length of stay in the PECLA group (adjusted p = 0.056). There was no group difference in the 28-day (24 % vs. 19%, adjusted p = 0.845) or 6-month mortality (33 % vs. 33 %). CONCLUSIONS: In this study the use of extracorporeal carbon dioxide removal allowed avoiding intubation and invasive mechanical ventilation in the majority of patients with acute on chronic respiratory failure not responding to NIV. Compared to conventional invasive ventilation, short- and long-term survivals were similar.

Obwohl in den 1980er Jahren durch Physiologen erste zaghafte Hinweise auf die schädigende Wirkung der positiven (Über-) Druckbeatmung geäußert wurden, dauerte es doch bis zur Jahrtausendwende, dass die Kollateralschäden der invasiven Beatmung (beatmungsinduzierter Lungenschaden, beatmungsassoziierte Pneumonie, unerwünschte Wirkungen tieferer Sedierung) erkannt und gewürdigt wurden: Die „milestone“-Arbeit des ARDS-Network der USA zeigte eine Reduktion der Mortalität des ARDS von 39,8% auf 31,0% durch Reduktion von Tidalvolumen und inspiratorischem Plateaudruck (ARDS NetNr. 1, 2013

work; N Engl J Med 2000; 342:1301). Seither gilt die konsequente Realisierung einer „Lungenprotektion“ als harter Qualitätsindikator in der Intensivmedizin. Zugleich mit der Etablierung der Lungenprotektion fand eine andere rasante und bemerkenswerte Entwicklung statt: Dank der Arbeit kreativer Bio-Ingenieure und neuer physiologischer Erkenntnisse mauserte sich die Technik der extrakorporalen Lungenunterstützung (ECMO) von einer „ultima-ratio“ Rescue-Therapie mit hohem Komplikationspotenzial zu einer anwenderfreundlichen, hoch-ef-

CO2-Elimination spart Intubation und Beatmung? fektiven Option mit einer deutlich reduzierten Inzidenz relevanter Komplikationen (MüllerTh, Crit Care 2009; 13:R205, Brodie DM, N Engl J Med 2011; 365:1905). Die daraus resultierende Idee, bei bestimmten Patientengruppen die Invasivität maschineller Beatmung durch ECMO weiter zu reduzieren, wurde in den letzten Jahren in kleineren Fallserien erfolgreich beschrieben: Patienten mit chronischer Lungenerkrankung, welche für eine Transplantation gelistet wurden, konnten durch ECMO so schonend beatmet werden, dass sie für ihre Transplantation eine bessere Ausgangsbasis aufwiesen (Fischer S, ASAIO J 2008; 54:3). In einer aktuellen retrospektiven Fallserie wurde dieser Weg konsequent weiter verfolgt: Bei 19 von 26 Patienten (73%), welche zur Lungentransplantation gelistet waren, wurde durch das Konzept der „awake ECMO“ eine Intubation vermieden. Die Überlebensrate nach Transplantation war in dieser Gruppe signifikant höher (60%) im Vergleich mit einer historischen Kontrollgruppe, deren Patienten vor der Transplantation intubiert werden mussten (38%) (Fuehner Th; Am J RespirCrit Care Med 2012; 185:763). Stefan Kluge aus Hamburg und Mitarbeiter stellen aktuell ein ähnliches Konzept für Patienten mit exazerbierter chronisch-obstruktiver Atemwegserkrankung (COPD) vor. Der Behandlungsalgorithmus für das im Rahmen der Exazerbation auftretende hyperkapnische Lungenversagen besteht zunächst in der intermittierenden nicht-invasiven Beatmung (NIV ) (Ram FS, Cochrane Database

1372). Dieses in Lokalanästhesie am wachen Patienten initiierte Verfahren führte durch die effektive CO2-Elimination und Entlastung der muskulären Atempumpe zu einer Vermeidung der Intubation bei 19 von 21 Patienten (90%). Im Vergleich mit einer historischen „matched-pair“ Kontrolle zeigte sich ein klarer Trend zu einer kürzeren Intensivbehandlungsdauer.

Abb.: Spontanatmender Patient mit pumpenfreier extrakorporaler Lungenunterstützung (iLA, Novalung, Heilbronn). c/o Universitätsklinikum Regensburg SystRev 2004: CD0041104). Während sich hierunter in der Regel etliche Patienten soweit erholen, dass eine weitere invasive Maßnahme nicht nötig ist, gibt es bei schweren Formen der COPD „NIV-Versager“, bei denen die endotracheale Intubation erforderlich ist. Diese akut lebensrettende Maßnahme ist allerdings mit einem schlechteren Langzeit-Outcome verknüpft (Nevins ML Chest 2001; 119:1840). In der vorliegenden Arbeit wurde bei 21 Patienten im Stadium des NIVVersagens anstelle der Intubation eine extrakorporale CO2-Elimination gestartet, wobei statt einer pumpengetriebenen ECMO das Konzept der pumpenfreien Technik - nach Kanülierung von A. femoralis und V. femoralis- gewählt wurde (Abbildung). Bei diesem Verfahren ist das Herz die antreibende Pumpe, ein arterio-venöser Shunt wird generiert, in den eine künstliche Membran eingebaut ist (BeinTh, Crit Care Med 2006; 34: Nr. 1, 2013

Die Arbeit von Kluge und Mitarbeitern ist wegen des retrospektiven Designs bei kleiner Patientengruppe (noch) keine „milestone“-Untersuchung, die als uneingeschränkte Empfehlung für ein attraktives und physiologisch überzeugendes Konzept verstanden werden kann. Diese Studie hat allerdings eine wichtige PilotFunktion für weitere prospektiv-randomisierte Arbeiten: Die Vermeidung von Intubation und Beatmung mit Hilfe moderner miniaturisierter extrakorporaler Lungenunterstützungssysteme könnte – bei sorgfältiger Indikationsstellung und sicherer Anwendungsroutine – die Überlebensprognose von Patienten mit hyperkapnischem Lungenversagen deutlich verbessern: Wir müssen noch mehr lernen und akzeptieren, dass die positive Druckbeatmung einem Januskopf vergleichbar ist: Viel Nutzen, aber auch ebenso viel Schaden! Interessenskonflikte: Prof. Dr. Th. Bein erhielt Referentenhonorare von der Fa. Novalung, Heilbronn.

Prof. Dr. Thomas Bein Klinik für Anästhesiologie – Operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Regensburg thomas.bein@ klinik.uni-regensburg.de

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PRO-CON-Diskussion Kolloide

Nach VISEP, CHEST, 6S und...

Sind synthetische Kolloide noch indiziert? JA - wir benötigen weiterhin künstliche Kolloide, wenn… Die Diskussion um das Für und Wider verschiedener Kolloide nahm in den letzten Jahren groteske Züge an. Nachdem immer wieder behauptet wurde, es gebe ohnehin keine „Evidenz“, die ihre Wirksamkeit belegten, brachte 2008 die aufgeregte Diskussion um eine hochrangig publizierte Studie die Hydroxyethylstärken insgesamt im Rahmen einer Sicherheitsdiskussion in Misskredit. In der Folge wagten es die Therapeuten immer seltener, kardiale Vorlast von Patienten im Schock konsequent und aggressiv zu stabilisieren. Dies ist bedenklich, zumal selbst neueste Studien aufgrund zum Teil äußerst fragwürdiger Protokolle den Verdacht gegen den indizierten Einsatz von Kolloiden nicht wirklich erhärten konnten, wenngleich verschiedentlich anderes suggeriert wird. Im Folgenden wollen wir Begrifflichkeiten entwirren und jenseits von Politik und Polemik darstellen, welche Informationen zu isoonkotischen Präparaten vorliegen und welche eben nicht vorliegen. Unser Polarstern, dem wir uns hierbei verpflichtet fühlen, ist ausschließlich der gesamte Body of Evidence, beurteilt von gesundem Menschenverstand.

Evidence = Evidenz = RCT? Begrifflichkeiten Ein entscheidendes Missverständnis in der Diskussion um die Infusionstherapie ist der Begriff der „Evidenz“. Laut Duden ist im deutschen nämlich nicht das evident, was bewiesen (engl. evident) wurde, sondern das, was so offen-

sichtlich ist, dass es keines Beweises bedarf. „Evidenzbasierte Medizin“ ist somit eine grandiose Fehlübersetzung von evidence-based medicine, vor der wir aufgrund ihres unterschwelligen Absolutheitsanspruches warnen möchten. Wir empfehlen auch im deutschen die Verwendung des englischen Originalbegriffes. Evidence wiederum ist, entgegen vielfacher Annahmen, nicht gleichzusetzen mit outcomebasierter Evidence, also mit dem Vorliegen prospektiv durchgeführter, randomisierter, kontrollierter klinischer Studien (RCT). Vielmehr setzt sie sich, natürlich mit vernünftiger Gewichtung, aus allen verfügbaren Informationen zusammen. Im Kontext der Flüssigkeitsund Volumentherapie beinhaltet der Body of Evidence also i) physiologische und pathophysiologische Grundlagen, ii) klinische Fakten sowie iii) Outcomedaten, soweit auf die konkrete Fragestellung anwendbar. Vor allem letztere Forderung ist entscheidend, denn eines wird gerade in der Diskussion rund um die Infusionstherapie oft vergessen: Bis zum heutigen Tage ist völlig unklar, was genau das Outcome der lediglich supportiven – und damit nicht primär heilenden – Maßnahme „Infusionstherapie“ im Rahmen des multimodalen therapeutischen Behandlungspfades eines kritisch Kranken eigentlich sein soll und wie man es messen könnte.

Evidence zu isoonkotischen Präparaten I: Physiologie und Pathophysiologie Der Körper besteht zu ca. 60% aus Wasser, das zu 2/3 intrazellulär gelaNr. 1, 2013

gert ist. Der Rest (beim normalgewichtigen männlichen Erwachsenen ca. 15 l) verteilt sich zu 4/5 interstitiell und zu 1/5 intravasal. Die vaskuläre Barriere ist im Wesentlichen die Funktion einer intakten endothelialen Glykokalyx, die zusammen mit Plasmabestandteilen den Endothelial Surface Layer bildet. Ist dieser intakt, so hält er große Moleküle, z. B. Proteine und andere Kolloide, suffizient zurück, lässt Elektrolyte jedoch frei passieren. Das Zielkompartiment isotoner Kristalloide ist somit der gesamte Extrazellulärraum, also zu 80% das Interstitium. Isoonkotische kolloidale Lösungen verbleiben bei intakter vaskulärer Barriere nahezu vollständig intravasal. Unter dem Postulat, die Erhaltung der kardialen Vorlast und die Vermeidung eines interstitiellen Ödems sei erstrebenswert, eignen sich aus theoretischer Sicht isotone Kristalloide eher zum kontinuierlichen Ersatz extrazellulärer Verluste (Evaporation, Urinproduktion), isoonkotische kolloidale Präparationen hingegen zur Stabilisierung der kardialen Vorlast bei akuten intravasalen Defiziten. Die Frage „Kristalloide oder Kolloide?“ stellt sich aus physiologischer Sicht nicht.

Evidence zu isoonkotischen Präparaten II: Volumeneffekte Mit Double-Tracer-Verfahren direkt am Menschen im Steady State bestimmte intravasale Volumeneffekte liegen mittlerweile, mit Ausnahme der Gelatine, zu allen relevanten Präparateklassen vor. Soll im Angesicht akuter Blutung das Blutvolumen aufrechterhalten werden, so eignen sich isotone Kristalloide tatsächlich nur bedingt.

PRO-CON-Diskussion Kolloide So verblieb Ringer-Laktat zu weniger als 20% im Gefäßsystem, der weitaus größte Anteil wurde direkt im Interstitium abgelagert ( Jacob M; Crit Care 2012; 16:R86). Isoonkotische Präparationen von Humanalbumin und Hydroxyethylstärke hingegen waren erwartungsgemäß mit einem Volumeneffekt von rund 90% gut in der Lage, die quantitative Komponente der kardialen Vorlast zu stabilisieren. War das Blutvolumen jedoch primär normal, so führten zusätzliche, und damit nicht indizierte Kolloid- und Proteinboli ebenfalls zu einem massiven Abstrom ins Gewebe, unter Zerstörung des Endothelial Surface Layers. Der Volumeneffekt lag bei nur mehr 40% (Abbildung). Instabile Patienten ließen sich mit Kolloiden schneller und volumensparender stabilisieren als mit Kristalloiden (Marx G; Yearbook of Intensive Care and Emergency Medicine 2007:563). Klinische Untersuchungen bestätigten theoretische Überlegungen zur Verteilungskinetik von Kristalloiden und Kolloiden. Darüber hinaus sollte unter dem Postulat, der Mensch profitiere von einer intakten vaskulären Barriere, die Infusion von Kolloiden bei vorbestehender intravasaler Normovolämie grundsätzlich vermieden werden. Die infusionstherapeutische Indikation für ein Kolloid ist ausschließlich die intravasale Hypovolämie.

Evidence zu isoonkotischen Präparaten III: Outcomedaten Emanuel Rivers zeigte 2001 in seiner vielbeachteten Studie, dass eine aggressive und volumenbetonte Infusionsstrategie innerhalb der ersten 6h erfolgen muss, um dem septischen Patienten Leben und Outcome zu sichern (Rivers E; N Engl J Med 2001; 345:1368). Leider ist es bis heute nicht gelungen, diese für den Therapieerfolg entschei-

Abb.: Der intravasale Volumeneffekt isoonkotischer Kolloide ist kontext-sensitiv. Graue Kästen: Kolloid, appliziert zur Erhaltung der intravasalen Normovolämie (Infusion unter gleichzeitigem Blutentzug) zeigt einen Volumeneffekt von 90-100%. Gelbe Kästen: Kolloid, appliziert zur artifiziellen Induktion einer intravasalen Hypervolämie (Volume Loading ohne Blutentzug) wird zu 60% direkt in das Interstitium verlagert, unter Zerstörung der vaskulären Barriere. Die angegebenen Volumeneffekte sind Mittelwerte.

dende Frühphase der Stabilisierung schockierter Patienten im Rahmen großer prospektiv randomisierter Outcomestudien zu Sicherheit und Effektivität von Kolloiden abzubilden. Sowohl VISEP (n=537; kochsalzbasiertes 10% HES 200/0.5 vs. Ringerlaktat, Brunkhorst FM; N Engl J Med 2008; 358: 125) als auch 6S (n=804; balanciertes 6% HES 130/0,42 vs. Ringerazetat, Perner A; N Engl J Med 2012; 367:124) rekrutierten einen Großteil ihrer septischen Patienten erst nach hämodynamischer Stabilisierung, die selbst in den Kristalloidgruppen in der Regel unter Verwendung von Kolloiden erfolgte. Beide Studien zeigen jedoch deutlich, dass die längerfristige Verwendung dieses ursprünglich pflanzlichen Moleküls über Tage außerhalb einer soliden Indikation in hohen kumulativen Dosen ein Problem darstellt. Insbesondere auf hyperonkotische Präparationen sollte wohl verzichtet werden. SAFE (n=6.997; kochsalzbasiertes 4% Humanalbumin vs. 0,9% NaCl, Finfer S; N Engl J Med 2004; 350:2247) und Nr. 1, 2013

CHEST (n=7.000; kochsalzbasiertes 6% HES 130/0,4 vs. 0,9% NaCl, Myburgh JA; N Engl J Med 2012; 367: 1901) schlossen alle Arten von Intensivpatienten ein und fanden keine relevanten Unterschiede im GesamtOutcome. Bei penetrierendem Trauma scheint selbst die Niere von einer initialen hämodynamischen Stabilisierung mit 6% HES 130/0,4 gegenüber der Verwendung von 0,9% NaCl zu profitieren (FIRST, n=67, James MF; Br J Anaesth, 2011; 107:693). Die bislang noch nicht in Schriftform vorliegende CRISTAL-Study fand an einem gemischt-intensivmedizinischen Patientengut offensichtlich einen Überlebensvorteil für Kolloide gegenüber Kristalloiden (n=3.000). Eine kürzlich publizierte Metaanalyse zeigte, dass derzeit keinerlei Daten in der Literatur die kurzfristige perioperative Verwendung von 6% HES 130 ernsthaft in Frage stellen (van der Linden P; Anesth Analg 2013; 116:35).

PRO-CON-Diskussion Kolloide Insgesamt sprechen die derzeit verfügbaren Outcomedaten nicht gegen die Verwendung von isoonkotischen und isotonen Präparationen von HES und Humanalbumin zur Stabilisierung von hämodynamisch instabilen Patienten, auch solchen im septischen Schock. Vor längerer Anwendung des Fremdmoleküls HES über Tage mit hoher kumulativer Dosis muss jedoch deutlich gewarnt werden.

Schlussfolgerung Die derzeit immer wieder geäußerte Empfehlung, bei septischen Patienten komplett auf Kolloide zu verzichten, birgt die Gefahr der zu zögerlichen und somit insuffizienten initialen Schockbekämpfung. Daran sterben Menschen. Klinische Daten sprechen dafür, dass bei Patienten im Schock außerhalb der konservativ nicht beherrschbaren Blutung eine zeitnahe und aggressive Stabilisierung der kardialen Vorlast lebensrettend ist. Outcome-Studien zur Si-

cherheit der verschiedenen Präparate bilden diese hochsensible Phase bis heute leider nicht ab. Physiologie, Pathophysiologie und wissenschaftliche Fakten legen nahe, dass ein optimales Präparat zum schnellen und ödemsparenden Erreichen dieses Zieles isoonkotisch und isoton sein sollte. Humanalbumin mag der Hydroxyethylstärke als natürliches Plasmaprotein prinzipiell überlegen sein, es liegt jedoch bislang nicht in balancierter Form vor und ist darüber hinaus, zumindest außerhalb von Australien, relativ kostenintensiv. Im Falle der Hydroxyethylstärke sei vor längerdauernder Verwendung in hohen kumulativen Gesamtdosen nach erfolgter hämodynamischer Stabilisierung eindringlich gewarnt. Aber dass vor medikamentöser Therapie eine strenge und verantwortungsbewusste Überprüfung der Indikation zu stehen hat, sollte für den aufgeklärten Mediziner im Jahr 2013 eigentlich keine Überraschung sein.

Ein pauschales Plädoyer „pro Kolloid“ ist aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt ebenso unseriös wie eines „kontra Kolloid“. Wir empfehlen eine rationale Priorisierung zwischen den für die Therapie einer intravasalen Hypovolämie zur Verfügung stehenden Medikamenten. Hierbei müssen präparatebezogene Risiken und Nebenwirkungen ebenso Berücksichtigung finden wie das individuelle Problem des einzelnen Patienten. Interessenskonflikte: Die Autoren verweisen auf bestehende wissenschaftliche Kooperationen mit und Vortragstätigkeiten für Baxter, B. Braun Melsungen, CSL Behring, Fresenius Kabi, Grifols und Serumwerk Bernburg. Weitere potenzielle Interessenskonflikte bestehen nicht.

PD Dr. Matthias Jacob PD Dr. Daniel Chappell Klinik für Anästhesiologie Klinikum der Universität München [email protected]

PRO-CON-Diskussion Kolloide

Nach VISEP, CHEST, 6S und...

Sind synthetische Kolloide noch indiziert? NEIN – wir brauchen keine künstlichen Kolloide mehr! Das Grundprinzip „Primum non nocere“ bedingt, dass, egal was man in der Medizin einsetzt, immer die Frage im Vordergrund stehen muss, in welchem Verhältnis erhoffte Wirkungen zu meist unerwarteten Nebenwirkungen eines Medikaments oder eines Verfahrens stehen. Das primäre Ziel bei der Kolloidgabe ist die Verbesserung der Zirkulation durch Erhöhung des effektiven zirkulierenden Volumens bei Hypovolämie. Der dabei angenommene Mechanismus ist eine Anhebung des intravasalen kolloidosmotischen Druckes und ein damit verbundener intravaskulärer Flüssigkeitseinstrom, der die kardiale Vorlast und daraus resultierend das Schlagvolumen verbessert. Viele Aspekte dieses Therapieprinzips beruhen auf studienmäßig wenig abgesicherten Annahmen. So ist zum Beispiel unklar, wie hoch der angestrebte kolloidosmotische Druck (KOD) sein sollte. Nach der Starling-Hypothese beruht Füllung im Kapillarbett überwiegend darauf, dass sich große osmotisch wirksame Moleküle überwiegend intravasal befinden, das Interstitium einen wesentlich geringeren kolloidosmotischen Druck aufweist und der intravasal wirkende KOD einen wesentlichen Gegenpart zum Blutdruck darstellt. Diese Annahme ist jedoch nur bedingt zutreffend. Es steht zwischenzeitlich fest, dass auch große Moleküle das Gefäßsystem verlassen, ins Interstitium gelangen und von dort, einen KOD aufbauend, über das lymphatische System zurück in den Kreislauf gelangen. Der effektive KOD ergibt sich aus der Differenz zwischen intravasalem und interstitiellem KOD. Sinkt der KOD im Gefäßsystem, sinkt bei stabiler Barrierefunktion der Kapillarwand parallel dazu der KOD im Gewebe. Erst wenn der KOD im Gewebe einen hypothetischen Nullwert erreicht, sinkt der effektive Gradient zwischen Gefäßsystem und Gewebe

und es findet eine Reduktion der Gefäßfüllung statt, wie sie z. B. bei ausgeprägter Hypoproteinämie zu finden ist. Gegenspieler des KODs ist der kapilläre Perfusionsdruck, der bei gewünschter Verbesserung des effektiv zirkulierenden Volumens zunimmt und somit den Volumeneffekt eines künstlichen Kolloids teilweise wieder antagonisiert. Das erklärt den oft nur sehr kurzzeitigen Effekt von exogenen Kolloiden. Die nächste Variable ergibt sich aus der Tatsache, dass die Barrierefunktion der Gefäßwand für die Aufrechterhaltung des kolloidosmotischen Gradienten nicht immer konstant und nicht nur auf die Endothelzellen beschränkt ist. Die auf dem Endothel befindliche Glykokalix spielt eine essentielle Rolle als Barriere für große Moleküle. Kommt es zur Endothelschädigung und/oder zu starken Störungen der Glykokalix, wie z. B. bei einer schweren Sepsis, so können große Moleküle vermehrt das Gefäßsystem verlassen, was zur Reduktion des effektiven intravasalen KODs führt. Die angenommene klinische Wirksamkeit der Gabe von exogenen Kolloiden beruht primär auf kleineren pathophysiologischen Studien, die nachweisen konnten, dass Kolloide einen ca. bis zu 4-fach stärkeren Volumeneffekt (intravasalen Füllungszustand) nach sich ziehen als Kristalloide, wobei künstliche Kolloide und Albumin weitgehend die gleiche Effektivität aufweisen (Rackow EC; Crit Care Med 1983; 11:839-850; Jacob; Crit Care 2012; 16:R86). In der Sepsis ist der Volumeneffekt von künstlichen Kolloiden, vermutlich aufgrund der oben beschriebenen Veränderungen an der Endothelwand bei weitem nicht so stark ausgeprägt. So zeigte sich in der CRYSTMAS-Studie lediglich ein um 20% reduzierter Volumenbedarf (~330 ml!) zur hämodynamischen Stabilisierung durch HES gegenüber 0,9% NaCl als Kristalloid (Guidet B; Crit Care 2012; 16:R94). In der 6S-Studie wurde in der Nr. 1, 2013

HES-Gruppe sogar noch etwas mehr Flüssigkeit verabreicht als in der Kristalloidgruppe (Perner A; N Engl J Med 2012; 367:124-134). Die Gretchenfrage lautet jedoch, ob sich die fakultativ besseren Volumeneffekte der Kolloide in einem signifikant besseren Überleben unserer Patienten widerspiegeln. Beim hämorrhagischen Schock ist die Datenlage als kontroversiell einzustufen. Einige Untersuchungen weisen sogar darauf hin, dass eine verzögerte, restriktive Flüssigkeitssubstitution das Überleben möglicherweise verbessert, sowohl beim penetrierenden Trauma (Bickell WH; N Engl J Med 1994; 331:1105) als auch beim rupturierten Aortenaneurysma (Dick F; J Vasc Surg 2013; 12:10). Möglicherweise spielen hier die verstärkte Blutung infolge eines Anhebens des Blutdrucks, aber auch Beeinträchtigung der Gerinnung durch künstliche Kolloide eine Rolle. Aber selbst bei intraoperativer Vasodilatation wie sie z. B. unter Spinalanästhesie im Rahmen einer Sectio auftritt, kann der Effekt von Kolloiden nicht überzeugen (McDonald S; Anesth Analg 2011; 113:803). Wir stehen also vor der Situation eines bestenfalls fraglichen Benefits durch künstliche Kolloide. Wie sieht es aus mit deren Risiken? Allen künstlichen Kolloiden gemeinsam ist die negative Beeinflussung der Gerinnung, insbesondere eine Hemmung der Thrombozytenaggregation. Dextrane haben darüber hinaus das Problem der fast doppelt so hohen Inzidenz von anaphylaktischen Reaktionen. Aufgrund von erhöhter Rate von Niereninsuffizienz unter Gelatine (Schortgen F; Lancet 2001; 357:911-916) sowie vermehrter Histaminfreisetzung hatte sich Hydroxyethylstärke (HES) als im Körper abbaubare Substanz inzwischen in Europa als Standard-Plasmaexpander etabliert. Aber gerade diese Substanzgruppe gelangte aufgrund mehrerer Studien in den letzten Jahren ins Kreuzfeuer der Kritik. Der Abbau von HES erfolgt über Amylase in

PRO-CON-Diskussion Kolloide kleinere Stärkemoleküle. Diese gelangen entweder ins Interstitium und werden vom RHS phagozytiert oder über die Niere ausgeschieden. Bereits in den neunziger Jahren erschienen einige Fallberichte von therapieresistentem Juckreiz insbesondere nach Verabreichung bei euvolämen Patienten z. B. zur Behandlung von Hörsturz (Bork K; Br J Dermatol 2005; 152:3-12). Das weitaus größere Problem stellt jedoch eine potentielle Nierenschädigung dar. Nach der glomerulären Filtration werden die HES-Fragmente im proximalen Tubulus resorbiert, in Lysosomen gespeichert und schließlich üblicherweise abgebaut. Bei vorgeschädigter Niere oder extrem starker HES-Belastung ist der intratubuläre Abbau jedoch beeinträchtigt und es entsteht das Bild einer osmotischen Nephrose, was auch als „HES-Nephropathie„ bezeichnet werden kann (Abbildung 1). Eine erhöhte Rate von therapiepflichtigem Nierenversagen wurde erstmals in der VISEP-Studie für Pentastarch (HES 200, 0.5) beschrieben (Brunkhorst FM; N Engl J Med 2008; 358:125). Diese wurden ursprünglich den spezifischen Eigenschaften des hyperonkotischen „Pentastarch“ zugeschrieben. Zwischenzeitlich hat jedoch die 6S-Studie bei fast 800 Patienten mit schwerer Sepsis eine statistisch signifikant erhöhte Rate von Nierenersatztherapiepflichtigkeit unter HES (130/0,42) bestätigt (Perner A; N Engl J Med 2012; 367:124). Die größte bisher durchgeführte randomisierte Studie an ca. 6.700 Intensivpatienten bestätigte die erhöhte Inzidenz von schwerer akuter Nierenschädigung mit Notwendigkeit der Nierenersatztherapie durch HES (130/0,4) (Myburgh JA; N Engl J Med 2012; 367:1901). Möglicherweise ist die Gabe von HES sogar mit einem reduzierten Überleben von Intensivpatienten verbunden. Darauf wies schon die 6S-Studie hin. Eine rezent aktualisierte Meta-Analyse zeigte jedenfalls ein um 10% erhöhtes Mortalitätsrisiko für HES 130/0,4 (RR = 1,1, 95% CI 1,021,1) (Wiedermann C; Swiss Med Wkly 2013; 143: w13747; Wiedermann C; Swiss Med Wkly 2012; 142:w13656) (Abb. 2).

Fazit: Trotz kurzzeitiger, positiver hämodynamischer Effekte von Kolloiden gegenüber Kristalloiden hat bisher keine einzige Studie einen nachhaltigen Überlebens-

Abb. 1: Histologie einer transplantierten Niere, deren Empfänger 1250 ml HES 6% infundiert bekommen hatte. Proximale Tubulus-Zellen mit osmotischer Nephrose (= „HES-Nephropathie“) (nach Ebcioglu Z; Kidney Int 2006; 70:1873).

Abb. 2: Metaanalyse der Studien mit “modernen“ HES-Präparaten bezüglich des Endpunktes Mortalität (modifiziert nach Wiedermann C & Joannidis M; Swiss Med Weekly 2013; 143:w13747). vorteil durch die Gabe von künstlichen Kolloiden nachweisen können. Demgegenüber gibt es eindeutige Hinweise für substantielle Nebenwirkungen insbesondere für allergische Reaktionen und Hemmung der Thrombozytenfunktion. Im Falle von HES kommen noch Juckreiz und eine erhöhte Rate von Nierenversagen, vor allem bei Sepsis, hinzu. Darüber hinaus gibt es Hinweise für eine erhöhte Sterblichkeit von kritisch kranken Patienten, die mit HES behandelt wurden. Insgesamt erscheinen künstliche Kolloide unter diesen Nr. 1, 2013

Aspekten mehr als entbehrlich. Wir brauchen also keine künstlichen Kolloide mehr! Interessenskonflikte: Der Autor erhielt Referentenhonorare von CLS Behring

Prof. Dr. Michael Joannidis Internistische Intensivund Notfallmedizin Universitätsklinik Innere Medizin Medizinische Universität Innsbruck [email protected]

Parenterale Ernährung doch nicht so schlecht?

Parenterale Ernährung: Doch nicht so schlecht wie nach EPaNIC nahegelegt? Optimisation of energy provision with supplemental parenteral nutrition in critically ill patients: A randomised controlled clinical trial. Heidegger CP, Berger MM, Graf S, et al.

Lancet 2013; 381:385-393

Service of Intensive Care, Geneva University Hospital, Geneva, Switzerland. BACKGROUND: Enteral nutrition (EN) is recommended for patients in the intensive-care unit (ICU), but it does not consistently achieve nutritional goals. We assessed whether delivery of 100% of the energy target from days 4 to 8 in the ICU with EN plus supplemental parenteral nutrition (SPN) could optimise clinical outcome. METHODS: This randomised controlled trial was undertaken in two centres in Switzerland. We enrolled patients on day 3 of admission to the ICU who had received less than 60% of their energy target from EN, were expected to stay for longer than 5 days, and to survive for longer than 7 days. We calculated energy targets with indirect calorimetry on day 3, or if not possible, set targets as 25 and 30 kcal per kg of ideal bodyweight a day for women and men, respectively. Patients were randomly assigned (1:1) by a computer-generated randomisation sequence to receive EN or SPN. The primary outcome was occurrence of nosocomial infection after cessation of intervention (day 8), measured until end of follow-up (day 28), analysed by inten-

Nach Publikation der „Early PArenteral Nutrition in Intensive Care“ (EPaNIC)-Studie aus Belgien im Sommer 2011 ist die parenterale Ernährung (PE) bei Intensivpatienten massiv in Diskussion gekommen. Bekanntlich wurde in dieser Studie gezeigt, dass bei Intensivpatienten, bei denen eine enterale Ernährung (EE) nicht zeitgerecht aufgebaut werden kann, eine frühe gegenüber einer nach einer Woche begonnenen parenteralen Zusatzernährung zu einer Erhöhung der Rate an infektiösen Komplikationen, der Beatmungs- und Nierenersatz-

tion to treat. This trial is registered with ClinicalTrials.gov, number NCT00802503. FINDINGS: We randomly assigned 153 patients to SPN and 152 to EN. 30 patients discontinued before the study end. Mean energy delivery between day 4 and 8 was 28 kcal/kg per day (SD 5) for the SPN group (103% [SD 18%] of energy target), compared with 20 kcal/kg per day (7) for the EN group (77% [27%]). Between days 9 and 28, 41 (27%) of 153 patients in the SPN group had a nosocomial infection compared with 58 (38%) of 152 patients in the EN group (hazard ratio 0·65, 95% CI 0·43-0·97; p=0·0338), and the SPN group had a lower mean number of nosocomial infections per patient (-0·42 [-0·79 to -0·05]; p=0·0248). INTERPRETATION: Individually optimised energy supplementation with SPN starting 4 days after ICU admission could reduce nosocomial infections and should be considered as a strategy to improve clinical outcome in patients in the ICU for whom EN is insufficient.

dauer und auch der Therapiekosten führt (Casaer MP; N Engl J Med 2011; 365:506; siehe auch Nutrition-News Heft 4/11). Diese Ergebnisse haben dazu beigetragen, dass von vielen Intensivisten die PE an sich als „toxisch“ angesehen wird, mögliche Indikationen für eine PE weitgehend beschränkt wurden bzw. die PE von einigen Intensivstationen überhaupt verbannt worden ist. Nunmehr ist diese Schweizer ZweiZentrum-Studie aus Lausanne und Nr. 1, 2013

Genf erschienen, deren Ergebnisse schon seit mehr als eineinhalb Jahren auf internationalen Kongressen diskutiert wurden und die zu jenen der EPaNIC-Studie diametral entgegengesetzt ausgefallen sind (Heidegger CP; Lancet 2013, 381:385). In dieser Untersuchung wurde der Einfluss einer parenteralen Zusatzernährung (Supplemental Parenteral Nutrition – SPN) ab Tag 4 bei Intensivpatienten, bei denen nach drei Tagen eine EE nicht ausreichend (= < 60% der Ziel-Infusionsrate) aufgebaut wer-

Parenterale Ernährung doch nicht so schlecht? den konnte, gegenüber keiner Zusatzernährung auf Infektionsrate, Beatmungs- und Liegedauer bzw. Mortalität untersucht.

Diese Ergebnisse sind umso erstaunlicher, als der Unterschied der Energiezufuhr zwischen beiden Gruppen nur sehr moderat war (103% gegenüber 77% des Ernährungszieles)

Wie kann man erklären, warum zwei prospektive kontrollierte Studien zu einem sehr ähnlichen Thema zu so unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind? Die möglichen Limitationen der EPaNIC-Studie wurden an dieser Stelle schon diskutiert (siehe Druml W, Intensiv-News Heft 4/2011). Hier sollen kurz die Unterschiede zwischen diesen Untersuchungen angesprochen werden, die die differierenden Ergebnisse zumindest zum Teil erklären könnten (siehe Tabelle). Der erste und sehr wichtige Unterschied besteht in der klinisch wesentlich relevanteren Patientenselektion und der korrekteren Indikationsstel-

EPaNIC

SPN

Indikation für PE ICU-Aufenthaltsdauer (>50% der inkludierten Patienten)

fraglich < 3 Tage

klar definiert > 9 Tage

Patienten Extra i.v. Glukose-Zufuhr (g) Energieziel (kcal/kgKG/Tag) Energieziel erreicht Proteinzufuhr (g/kgKG/Tag) Glukose-Kontrolle-Ziel (mg/dl) Mortalität (%)

vorwiegend (herz-) chirurgisch 100 Tag 1 / 200 Tag 2 25 - 35 Tag 2-3 ca. 0.6 80 - 110 11

gemischt keine 25 – 30 Tag 4-5 ca. 1.2 < 150 17

1,0 p = 0.0338 Anteil ohne nosokomiale Infektionen

Die bemerkenswerten Ergebnisse: Der primäre Studienendpunkt, die Rate an nosokomialen Infektionen (Blut, Lunge, Harn, Abdomen, andere) wurde unter einer SPN von 38 auf 27% (p < 0.034), die Zahl der Infektionen pro Patient signifikant vermindert (p < 0.025). Die Anzahl der Antibiotikatage waren vermindert, die der Antibiotika-freien Tage erhöht (p < 0.001 bzw. p > 0.02). Die Beatmungsdauer von Patienten ohne nosokomiale Infektionen wurde vermindert (p < 0.003). Liegedauer und Mortalität (Intensivstation/Spital) waren nicht unterschiedlich (mit einem Trend zur Besserung unter SPN).

Tabelle: Wesentliche Unterschiede der EPaNIC- und SPN-Studien

SPN EN

0.9 0.8 0.7 0.6 0.5 0

9 Tage nach Aufnahme and der ICU

28

Abb. 1: Kaplan-Meier-Analyse der nosokomialen Infektionen (modifiziert nach Heidegger CP, Lancet 2013; 381:385). SPN=Supplementierende parenterale Ernährung, EN=Enterale Ernährung lung zur PE. Waren in der EPaNIC nach drei Tagen schon > 50% der meist kardio-chirurgischen Patienten von der Intensivstation entlassen (hatten also nach internationalen Richtlinien keine Indikation für eine künstliche Ernährung), so wurden in die SPN-Studie nur Patienten mit mindestens 5 Tagen Aufenthaltsdauer auf der Intensivstation eingeschlossen.

hohe (wiederum durch keine internationale Empfehlung gedeckte) parenterale Glukosezufuhr erhalten. Das vor allem für Patienten mit niedrigem BMI überhöhte Energieziel (da nach idealem Körpergewicht berechnet) wurde schon am 3. Tag erreicht – was nach allen Empfehlungen einen zu raschen Ernährungsbeginn bei gleichzeitig überhöhter Zufuhr darstellt.

In der EPaNIC-Studie haben Patienten in der „früh-parenteralen“ Gruppe an den ersten beiden Tagen eine

In der EPaNIC-Studie haben viele Patienten daher in der früh-parenteralen Gruppe zu früh eine kalorisch

Nr. 1, 2013

Parenterale Ernährung doch nicht so schlecht? überhöhte Ernährung erhalten, während die Kontrollgruppe massiv hypokalorisch ernährt wurde. Das Proteinziel, von dem wir heute wissen, dass es ebenso wichtig wie das Energieziel ist, wurde in beiden Gruppen bei weitem nicht erreicht. Der Energiebedarf in der neuen SPNStudie wurde bei etwa 60% der Patienten mittels indirekter Kalorimetrie ermittelt. Ob diese individualisierte Ermittlung des Energieumsatzes tatsächlich zu einer Änderung der Energiezufuhr oder der Prognose beigetragen hat, geht aus der Publikation nicht hervor. Ingesamt bestehen also gravierende Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungen, die die differierenden Ergebnisse zumindest zum Teil, aber kaum vollständig erklären können (Tabelle). Die „externe Validität“, also die Relevanz für die klinische

Routine der SPN-Studie ist sicherlich wesentlich höher einzuschätzen als jene der EPaNIC-Studie mit ihren schwerwiegenden Limitationen.

Die Folgerungen für die klinische Praxis sind nicht sehr umfangreich oder neuartig, da diese Studie mehr oder weniger die Ernährungs-Empfehlungen der ESPEN stützt: Bei Intensivpatienten beginne mit der Ernährung früh (innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme), beginne enteral mit niedriger Infusionsrate, verfolge – je nach gastrointestinaler und metabolischer Toleranz - einen schrittweisen Ernährungsaufbau. Wenn dieser Ernährungsaufbau enteral (unter Maßnahmen zur Verbesserung der gastrointestinalen Toleranz, wie der Gabe von Prokinetika, Anlegen einer Jejunalsonde) nach drei Tagen nicht möglich ist und der Patient

länger eine künstliche Ernährung benötigen wird, sollte eine ergänzende PE erfolgen. Eines hat diese Studie aber eindrücklich belegt, eben das Faktum, dass eine adäquat geplante, sorgfältig durchgeführte und überwachte PE weder toxisch noch mit spezifischen Komplikationen verbunden ist, sondern in definierten Situationen die optimale Maßnahme darstellt, eine quantitativ und qualitativ ausreichende Ernährung bei kritisch-kranken Patienten sicherzustellen. Interessenskonflikte: Der Autor hat Forschungsförderungen und Vortragshonorare von verschiedenen Ernährungsfirmen erhalten.

Prof. Dr. Wilfred Druml Abteilung für Nephrologie Medizinische Universität Wien [email protected]

W W W. I N T E N S I V M E D. D E

13. – 15. Februar 2013

Symposium Intensivmedizin + Intensivpflege Bremen

im Messe und Congress Centrum Bremen

HCCM

CONSULTING

Serelaxin bei der akuten Herzinsuffizienz

Therapie der akuten Herzinsuffizienz: Time to RELAX? Serelaxin, recombinant human relaxin-2, for treatment of acute heart failure (RELAX-AHF): A randomised, placebo-controlled trial. Teerlink JR, Cotter G, Davison BA, et al.

Lancet 2013; 381:29-39

University of California at San Francisco and San Francisco Veterans Affairs Medical Center, San Francisco, USA. BACKGROUND: Serelaxin, recombinant human relaxin-2, is a vasoactive peptide hormone with many biological and haemodynamic effects. In a pilot study, serelaxin was safe and well tolerated with positive clinical outcome signals in patients with acute heart failure. The RELAX-AHF trial tested the hypothesis that serelaxin-treated patients would have greater dyspnoea relief compared with patients treated with standard care and placebo. METHODS: RELAX-AHF was an international, double-blind, placebo-controlled trial, enrolling patients admitted to hospital for acute heart failure who were randomly assigned (1:1) via a central randomisation scheme blocked by study centre to standard care plus 48-h intravenous infusions of placebo or serelaxin (30 µg/kg per day) within 16 h from presentation. All patients had dyspnoea, congestion on chest radiograph, increased brain natriuretic peptide (BNP) or N-terminal prohormone of BNP, mild-to-moderate renal insufficiency, and systolic blood pressure greater than 125 mm Hg. Patients, personnel administering study drug, and those undertaking study-related assessments were masked to treatment assignment. The primary endpoints evaluating dyspnoea improvement were change from baseline in the visual analogue scale area under the curve (VAS AUC) to day 5 and the proportion of patients with moderate or marked dyspnoea improvement measured by Likert scale during the first 24 h, both

Die Herzinsuffizienz nimmt in den letzten Jahren stetig zu und wird als das führende kardiale Krankheitsbild des 21. Jahrhunderts angesehen ( Janssens U; Med Klin Intensivmed Notfmed 2012; 107:397). Die Herzinsuffizienz ist ein fortschreitendes chronisches Krankheitsbild, welches mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert ist. Die Krankenhaussterblichkeit bei aku-

analysed by intention to treat. This trial is registered at ClinicalTrials.gov, NCT00520806. FINDINGS: 1161 patients were randomly assigned to serelaxin (n=581) or placebo (n=580). Serelaxin improved the VAS AUC primary dyspnoea endpoint (448 mm × h, 95% CI 120-775; p=0·007) compared with placebo, but had no significant effect on the other primary endpoint (Likert scale; placebo, 150 patients [26%]; serelaxin, 156 [27%]; p=0·70). No significant effects were recorded for the secondary endpoints of cardiovascular death or readmission to hospital for heart failure or renal failure (placebo, 75 events [60-day Kaplan-Meier estimate, 13·0%]; serelaxin, 76 events [13·2%]; hazard ratio [HR] 1·02 [0·74-1·41], p=0·89] or days alive out of the hospital up to day 60 (placebo, 47·7 [SD 12·1] days; serelaxin, 48·3 [11·6]; p=0·37). Serelaxin treatment was associated with significant reductions of other prespecified additional endpoints, including fewer deaths at day 180 (placebo, 65 deaths; serelaxin, 42; HR 0·63, 95% CI 0·42-0·93; p=0·019). INTERPRETATION: Treatment of acute heart failure with serelaxin was associated with dyspnoea relief and improvement in other clinical outcomes, but had no effect on readmission to hospital. Serelaxin treatment was well tolerated and safe, supported by the reduced 180-day mortality.

ter Herzinsuffizienz ist mit 15,8% erschreckend hoch, 32% der Patienten werden innerhalb eines Jahres wieder stationär aufgenommen (Tsuyuki RT; Can J Cardiol 2003; 19:436). Während die Therapie der chronischen Herzinsuffizienz im ambulanten Sektor in den vergangenen Jahren eine stetige auch prognoseverbessernde Entwicklung genommen hat, bleiben Nr. 1, 2013

die therapeutischen Möglichkeiten in der akuten Behandlungssituation beschränkt. Neben Nesiritide (O'Connor CM; N Engl J Med 2011; 365:32) wurden im vergangenen Jahrzehnt einige Substanzen in klinischen Studien untersucht, die direkt in die pathophysiologischen Abläufe eingreifen und zumindest unter theoretischen Gesichtspunkten viel-

Serelaxin bei der akuten Herzinsuffizienz versprechend erschienen. Leider erfüllten sich wie bei Nesiritide die in diese Substanzen gesetzten Hoffnungen nicht ( Janssens U; Med Klin Intensivmed Notfmed 2012; 107:397): ■ Endothelin Antagonist Tezosentan (McMurray JJ; JAMA 2007; 298: 2009) ■ Vasopressin (V2) Rezeptorantagonist Tolvaptan (Konstam MA; JAMA 2007; 297:1319) ■ Adenosin A 1-Rezeptorantagonist Rolofyllin (Massie BM; N Engl J Med 2010; 363:1419) Derzeit werden weitere Substanzen mit unterschiedlichen Wirkprinzipien in klinischen Studien auf Wirksamkeit und Effizienz bei der akuten Herzinsuffizienz untersucht. Neben Istaroximon (Shah SJ; Am Heart J 2009; 157: 1035), Omecamtiv Mecarbil, ein Myosin-Aktivator (Cleland JG; Lancet 2011; 378:676) und Guanylatcyclase-Aktivatoren (Lapp H; Circulation 2009; 119: 2781) erscheint vor allem das humane rekombinante Relaxin-2 (Serelaxin) als vielversprechender Therapieansatz. Beim Menschen sind drei Relaxine sowie vier Relaxin-Rezeptoren bekannt. Relaxin spielt während der Schwangerschaft eine zentrale Rolle bei hämodynamischen und renovaskulären Anpassungsvorgängen. In pharmakologischen Modellversuchen induziert Relaxin eine systemische und renale Vasodilatation, verbessert die arterielle Compliance und eine Zunahme des Herzzeitvolumens (Teichman SL; Heart Fail Rev 2009; 14:321). Relaxin inhibiert darüber hinaus die vasokonstriktorischen Effekte von Endothelin und Angiotensin II. Die Phase-II-Dosisfindungsstudie PreRELAX-AHF zeigte einen günstigen Einfluss von Serelaxin auf Dyspnoe und sekundäre Endpunkte (Teerlink JR; Lancet 2009; 373:1429). Vor diesem Hintergrund wurden nun die Daten der prospektiv doppelblind randomisierten placebokontrollierten RELAX-AHF-Studie publiziert (Teerlink JR; Lancet 2013; 381:29). 1161 Patienten wurden der Serelaxin-Gruppe

Abb.: Verbesserung der Dyspnoe im Verlauf. (A) Fläche unter der visuellen Analogskala (Area under the curve = AUC) bis Tag 5. Ansteigende Werte reflektieren eine Verbesserung der subjektiv empfundenen Dyspnoe. (B) Verbesserung der subjektiven Dyspnoe nach 6, 12 und 24 Stunden anhand einer Likert-Skala mit sieben Antwortmöglichkeiten. Verglichen wurden Patienten der Serelaxin-Gruppe mit den Patienten der Placebo-Gruppe (modifiziert nach Teerlink JR; Lancet 2013; 381 [9860]:29). (SG, n = 581) und einer PlaceboGruppe (PG, n = 580) zugewiesen. Einschlusskriterien waren Dyspnoe, nachweisbare pulmonale Stauung bei der Röntgenuntersuchung des Thorax, erhöhtes BNP oder NT-proBNP, leichte bis mittelschwere Niereninsuffizienz und ein systolischer Blutdruck > 125 mmHg. Die Patienten der SG erhielten über 48 Stunden intravenös Serelaxin (30 µg/kgKG pro Tag). Als primäre Endpunkt wurde die Fläche unter der Kurve der visuellen Analogskala (0 bis 100 mm Skala) bezüglich der Dyspnoe vom Einschluss bis Tag 5 sowie der Anteil der Patienten mit relevanter bis deutlicher Verbesserung der Dyspnoe innerhalb von 24 Stunden (LikertSkala) festgelegt. Serelaxin verbesserte signifikant die Dyspnoe bis Tag 5 (p = 0,007), die anNr. 1, 2013

hand der visuellen Analogskala gemessen wurde (Abbildung). Allerdings zeigte sich keine signifikante Verbesserung der subjektiv empfundenen Dyspnoe innerhalb der ersten 24 Stunden, die anhand der Likert-Skala erfasst wurde (Abbildung). Aufgrund der statistischen Vorgaben war der primäre Endpunkt somit erreicht, da falls nur einer der beiden primären Endpunkte ein signifikantes Ergebnis erzielt, das Signifikanzniveau unter 0,025 liegen muss. Innerhalb der ersten 5 Tage wurde das Risiko einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz durch Serelaxin signifikant reduziert, bis Tag 14 wurde das relative Risiko um 30% reduziert. Die Krankenhausliegedauer wurde in der SG signifikant um 0,9 Tage verkürzt. Die kardiovaskuläre Sterblichkeit wurde bis zum Tag 180 in der SG signifi-

Serelaxin bei der akuten Herzinsuffizienz kant reduziert (Risikoratio 0,63 [95% Konfidenzintervall 0,41 - 0,96, p = 0,028, Number needed to treat 29). Es gab keinen signifikanten Effekt auf die 30-Tages-Sterblichkeit sowie die Gesamtsterblichkeit, Krankenhauswiederaufnahme wegen Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz innerhalb der ersten 60 Tage.

der PG wiesen eine NYHA Klasse II (38%) bzw. NYHA Klasse III (44%) auf. 51% der PG-Patienten hatten eine ischämische Herzkrankheit. Sicherlich erfasst die Studie eine große Gruppe potentieller Patienten mit akuter Herzinsuffizienz – aber eben nicht alle. Das sollte bei der Interpretation berücksichtigt werden.

Das begleitende Editorial verweist auf einige Schwächen der Studie, bleibt aber in seiner endgültigen Bewertung positiv und empfiehlt die Substanz dem klinisch tätigen Arzt auf Grund seiner dokumentierten klinischen Wirksamkeit und gleichzeitig günstigem Sicherheitsprofil (Konstam MA; Lancet 2013; 381:5).

Wie alle vorangegangenen großen Studien zur medikamentösen Intervention bei der akuten Herzinsuffizienz besteht auch bei der aktuellen Studie ein ähnliches Problem: Die Wahl bzw. die Erfassung des primären Endpunkts. Die eingesetzten Messinstrumente zur Erfassung der Dyspnoe (visuelle Analogskala und auch die Likert-Skala) sind unzureichend akkurat, reproduzierbar und nicht ausreichend sensitiv zur Erfassung bedeutsamer Veränderungen (Allen LA; J Am Coll Cardiol 2009; 53:2248).

Der Leser bleibt dennoch etwas ratlos zurück: Der primäre Endpunkt wurde nur durch das sehr moderat signifikante Ergebnis der visuellen Analogskala nach 5 Tagen erzielt, die Likert-Skala zeigte innerhalb der ersten 24 Stunden keinen signifikanten Unterschied. Damit wurde zwar ein statistisch signifikantes Ergebnis erzielt, dennoch bleibt die klinische Bedeutung weiterhin unklar. Dabei nützt es auch nichts, auf den Tag 180 zu blicken und die dort festgestellte Reduktion der kardiovaskulären Sterblichkeit und der Gesamtsterblichkeit als indirekten Beweis der Wirksamkeit der Prüfsubstanz zu werten. Das Studienkollektiv besitzt keine ausreichende Stichprobengröße, um Aussagen zur Sterblichkeit auf ein ausreichendes Signifikanzniveau zu heben. Diese Ergebnisse sind ausschließlich hypothesengenerierend und müssen dringend durch eine prospektive Studie abgesichert werden. Bei einem zukünftigen Einsatz der Substanz bzw. einer Zulassung müssen die Einschlusskriterien der Studie berücksichtigt werden. Es handelte sich um ältere Patienten (PG 71,6 ± 11,6 Jahre) mit einer mittelschwer reduzierten Pumpfunktion (Ejektionsfraktion PG 38,7 ± 14,8 %) und einem systolischen Blutdruck von 142,2 ± 16,2 mmHg (PG). Die meisten Patienten

Unabhängig von der medikamentösen Therapie kann es zu einer raschen Änderung der Dyspnoe kommen. Im Placeboarm verschiedener randomisierter Studien kam es zu einer substantiellen Verbesserung der Dyspnoe innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Studienbeginn (Costanzo MR; J Am Coll Cardiol 2007; 49:675, Gheorghiade M; JAMA 2007; 297:1332, McMurray JJ; JAMA 2007; 298:2009). Es muss auch einwandfrei und zweifelsfrei ein eindeutiger Zusammenhang zwischen einer Verbesserung der Dyspnoe und einem relevanten klinischen Endpunkt nachweisbar sein. Die Tatsache, dass an Tag 180 die kardiovaskuläre Sterblichkeit in der SerelaxinGruppe reduziert wurde, beweist an dieser Stelle nichts - auch wenn sich dieser Trend schon relativ früh andeutet. Zweifelsfrei müssen Phase-III-Studien klinisch bedeutsame Endpunkte untersuchen, die über einen adäquaten Zeitraum erfasst werden. Die (kardiovaskuläre) Sterblichkeit nach Entlassung und relevante, nicht-tödliche Ereignisse (wie erneuter Krankenhausaufenthalt) sollten hierbei die erste Priorität besitzen. Nr. 1, 2013

Angesichts der Ereignisraten erfordert ein solcher Endpunkt ein entsprechend großes Studienkollektiv zwischen 1.000 und 10.000 Patienten (Allen LA; J Am Coll Cardiol 2009; 53:2248). Die Symptomverbesserung bleibt sicher ein weiteres, wichtiges Therapieziel. Die Verbesserung im Vergleich zur Standardtherapie sollte schnell einsetzen, substantiell und jenseits der ersten Behandlungsstunden anhaltend sein (Allen LA; J Am Coll Cardiol 2009; 53: 2248). Über die Behandlungskosten werden verständlicherweise in Phase-III-Studien zunächst keine Angaben gemacht. Angesichts der immensen Entwicklungskosten ist davon auszugehen, dass nach erfolgter Zulassung der Substanz ein entsprechend hoher Preis für die 48Stunden-Infusion Serelaxin entrichtet werden muss. Wir benötigen daher dringend Kosten-Effektivitäts-Analysen im zeitlich nahen Umfeld einer Zulassung einer neuen Substanz, um eine valide Einschätzung abschließend vornehmen zu können.

Fazit: Eine interessante Substanz, eine exzellent durchgeführte Studie, ein positives Ergebnis zugunsten der Prüfsubstanz. Das hierfür eingesetzte Messinstrument bleibt fragwürdig. Unabhängig davon sollte Serelaxin weiter intensiv beobachtet werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich nunmehr eine große Studie mit einem harten Endpunkt anschließt, die die vorliegenden Ergebnisse untermauert. „Nichts setzt dem Fortgang der Wissenschaft mehr Hindernis entgegen, als wenn man zu wissen glaubt, was man noch nicht weiß.“ Georg C. Lichtenberg (1742-1799), Mathematiker, Physiker, Schriftsteller, Philosoph, erster dt. Prof. für Experimentalphysik

Interessenskonflikte: Keine

Prof. Dr. Uwe Janssens Klinik für Innere Medizin St. Antonius Hospital Eschweiler [email protected]

Prognose von sehr alten Intensivpatienten

„The Times They Are A-Changin“ – Altersentwicklung und Prognose der Intensivstationspopulation Development of demographics and outcome of very old critically ill patients admitted to intensive care units. Ihra GC, Lehberger J, Hochrieser H, et al.

Intensive Care Med 2012; 38:620-6

Department of Anesthesiology and General Intensive Care, Medical University of Vienna, Vienna, Austria. PURPOSE: To evaluate the development of demographics and outcome of very old (>80 years) critically ill patients admitted to intensive care units. SETTING: All consecutive patients admitted to 41 Austrian intensive care units (ICUs) over an 11-year period. METHODS: We performed a retrospective cohort study of prospectively collected data. To compare parameters over time, patients were divided into three groups (group I from 1998 until 2001, group II from 2002 to 2004, and group III from 2005 to 2008). RESULTS: A total of 17,126 patients older than 80 years of age were admitted over the study period. The proportion of very old patients increased from 11.5% (I) to 15.3% (III) with a significant higher prevalence of females in all groups (on average 63.2%). Severity of ill-

Die Altersstruktur der mitteleuropäischen Bevölkerung verändert sich kontinuierlich in eine Richtung – der Zunahme älterer Bevölkerungsgruppen. Die derzeitigen Prognosen für die Industriestaaten gehen davon aus, dass in den kommenden Jahrzehnten der Anteil der älter als 60-Jährigen von etwa 20% auf etwa 30% steigen wird. Dies hat auch für die Intensivmedizin bereits in naher Zukunft gravierende Auswirkungen. Internationale Studien prognostizieren aufgrund der veränderten Altersstruktur der Bevölkerung eine Zunahme der Inzidenz beatmungspflichtiger PatientInnen um ca. 2-3% pro Jahr (Needham DM; Crit Care Med 2005; 33:574). Daraus ergeben sich wesentliche Implikationen. Erstens, falls die Ressourcen weiter in gleicher Weise genutzt werden, sind deutlich mehr Beatmungsplätze er-

ness also increased over time, even when corrected for age. Use of noninvasive mechanical ventilation increased over the years. However, risk-adjusted mortality rates [observed-to-expected (O/E) ratios] decreased from 1.14 [confidence interval (CI) 1.11-1.18] to 1.02 (CI 0.99-1.05). This improvement in outcome was confirmed on multivariate analysis: for every year delay in ICU admission, the odds to die decreased by 3%. Moreover, females exhibited a better outcome compared with males. CONCLUSIONS: The relative and absolute numbers of very old patients increased over the study period, as did the severity of illness. Despite this, risk-adjusted hospital mortality improved over the study period. Females dominated in the very old patients and exhibited moreover a better outcome compared with males.

forderlich. Zweitens werden mehr Intensivmediziner nötig sein. Drittens, mit diesen Problemen wird auch ein neuer Diskurs über die Nutzung der verfügbaren intensivmedizinischen Ressourcen angestoßen, indem die Rolle älterer PatientInnen und ihr Outcome hinterfragt werden. Die ersten beiden Punkte – mehr Beatmungsplätze sowie mehr Intensivmediziner – stellen gesundheitspolitische Themen dar. Dies scheint noch nicht ausreichend wahrgenommen zu werden. Vielmehr wird immer wieder behauptet, dass Österreich und auch Deutschland zuviel intensivmedizinische Kapazitäten im internationalen Vergleich aufweisen würden. Die Dynamik der Bevölkerungsentwicklung trifft jedoch auf einen bereits jetzt zu sehenden Mangel an IntensivmedizinerInnen und dieser Trend wird sich in den nächsten JahNr. 1, 2013

ren bei steigender Nachfrage noch verschärfen. In anderen Ländern wurde dies bereits erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen durch Ausbildung qualifizierter MitarbeiterInnen gesetzt (Angus DC; JAMA 2000; 284:2762). Kann man die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht automatisch erweitern, so folgt unmittelbar die Diskussion über die gegenwärtige Nutzung. Ist sie adäquat? Kann man etwas verbessern? Wo könnte eine Triage ansetzen, wenn notwendig? Gerade die ansteigende Zahl an älteren PatientInnen fokussiert die Diskussion rasch auf diese Fragestellungen. Wie sieht es nun tatsächlich mit der Prognose älterer PatientInnen aus? Zur Prognose intensivmedizinisch betreuter alter und älterer Menschen gibt es inzwischen einige Studien, darunter auch Daten aus Österreich. In allen Stu-

Prognose von sehr alten Intensivpatienten dien zeigt sich, dass sich der Anteil der „elderly“ „old“ „very old“ über die Jahre erhöht (Abbildung). In Österreich stieg der Anteil der über 80-Jährigen zwischen 1998 und 2008 von ca. 11 auf 15% Anteil an der Gesamtkohorte pro Jahr (Ihra GC; Intensiv Care Med 2012; 38: 620). Das bedeutet eine Steigerung um fast 30% innerhalb einer Dekade! Neben der Inzidenz stieg über die Jahre auch der durchschnittliche Schweregrad der Erkrankung in diesem Kollektiv. Dennoch zeigte sich – ähnlich wie im Gesamtkollektiv aller PatientInnen – eine Abnahme der Risiko-adjustierten Mortalität – also eine Verbesserung der Prognose. Im Vergleich zwischen PatientInnen von < und > 80 Jahren zeigte sich, dass ältere PatientInnen einen deutlich höheren Anteil weiblicher Personen aufweisen (38,6 vs. 63.2%). Die Liegedauer ist mit 3,0 (2–6) Tagen bei älteren PatientInnen kürzer. Die Spitalsmortalität ist bei den über 80-Jährigen mit 31% etwa doppelt so hoch wie bei PatientInnen < 80 Jahren, auch Risikoadjustiert sterben ältere PatientInnen vermehrt (Tabelle). Die Daten zeigen darüber hinaus noch zwei weitere Sachverhalte. Erstens, der Unterschied im Schweregrad der Erkrankung ist nach Korrektur der Alterspunkte zwischen den Altersgruppen nicht mehr so ausgeprägt (18 vs. 15). Zweitens ist die Mortalität mit 31% bei den über 80-Jährigen zwar hoch – dennoch sollte man nicht außer Acht lassen, dass 69% dieser PatientInnen das Spital wieder lebend verlassen! Aus einer Studie von Somme et al. wissen wir, dass alte PatientInnen auch nach der Entlassung aus dem Spital eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen (Somme D; Intensive Care Med 2003; 29:2137). Dennoch kann man auch hier eine Angleichung der Absterberate an die jüngerer PatientInnen beobachten. Damit kann man festhalten, dass die Prognose selbst wirklich alter PatientInnen generell nicht schlecht ist – also dass Alter per se nicht mit „negativem Outcome“

Abb.: Entwicklung der Altersstruktur von Intensivpatienten von 50 Intensivstationen in den Jahren von 2000 – 2011. Vor allem die Altersgruppen 68 bis 72, 83 bis 87 sowie 88 bis 92 haben stark zugenommen (nach Metnitz P 2013, ASDI-Datenbank Wien).

Tabelle: Vergleich von IntensivpatientInnen < 80 und > 80 Jahren (modifiziert nach Ihra GC; Intensiv Care Med 2012; 38:620)

Alter, Jahre (Median und quartilen) Weibliches Geschlecht, % ICU-LOS, Tage Mechanische Beatmung, PatientInnen, % Aufnahmetyp, % Medizinisch Geplant chirurgisch Ungeplant chirurgisch SAPS-II-Score SAPS-II-Score alterskorrigiert Mortalität an der IBS, % Mortalität im Spital, % SAPS-II-O/E-Ratio (95% CI)

≤ 80 (n = 110,028)

> 80 (n = 17,126)

p-Wert

62 (49 – 72) 38,6 3,0 (2–7) 55

84 (82 – 87) 63,2 3,0 (2–6) 50,3

< 0.0001 < 0.0001 < 0.0001 < 0.0001

53 28,1 18,9 26 (18-38) 15 (8-27) 11,4 15,9 0,93 (0,92-0,94)

55,1 19,5 25,5 36 (29-48) 18 (11-30) 20,2 31 1,08 (1,06-1,1)

< 0.0001 < 0.0001 < 0.0001 < 0.0001 < 0.0001 < 0.0001 < 0.0001

gleichzusetzen ist. Dass die durchschnittliche Überlebensdauer dieser Personen nach einem Intensivaufenthalt kürzer sein muss als die einer jüngeren Vergleichsgruppe, ist vorhersehbar und ergibt sich aus der Tatsache, dass diese Menschen dem Ende ihres Lebensweges auch vor einer intensivmedizinischen Betreuung bereits näher standen. Therapeutische Entscheidungen bei alten IntensivpatientInnen müssen daher sorgfältig abgewogen werden. Eine „Triage“ Nr. 1, 2013

aufgrund des Alters alleine scheint aufgrund der vorliegenden Daten nicht gerechtfertigt. Vielmehr sollte in solchen Situationen immer eine individuelle Entscheidung mit Berücksichtigung aller relevanten Aspekte getroffen werden.

Prof. DDr. Philipp Metnitz Klinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin & Schmerztherapie Medizinische Universität Wien [email protected]

Internistische Intensivstationen

Geriatrie – unverzichtbarer Bestandteil moderner Intensivmedizin Klinik für Notfall- und Internistische Intensivmedizin am Klinikum Nord Als fester Bestandteil der Medizinischen Klinik 2 am Klinikum Nürnberg war die Intensivstation mit 10 internistischen Behandlungsplätzen lange Zeit wohl ein Unikat in der Krankenhauslandschaft. Die Behandlungseinheit war der geriatrischen Klinik und dem assoziierten Lehrstuhl zugeordnet. Und damit waren nicht nur die Patienten speziell, sondern auch ein wenig die Mitarbeiter, die schon sehr früh die Zeichen der Zeit erkannten und sich auf die Versorgung geriatrischer Patienten ausgerichtet haben. Bedingt durch den demographischen Wandel war es nötig, auf die Patientenbedürfnisse zu reagieren und die Notfallstrukturen, präklinisch wie klinisch, in der Versorgung geriatrischer Patienten zu unterstützen und so hat die Intensivstation zunehmend einen geriatrischen Schwerpunkt entwickelt. Neben den gängigen modernen intensivmedizinischen Behandlungsverfahren wird auch geriatrische Expertise vorgehalten. Viele Mitarbeiter der Station verfügen über Zusatzweiterbildungen wie „Der alte Mensch im Krankenhaus“, „Demenz im Krankenhaus“ oder andere geriatrietypische Belange und setzen diese spezifischen Aspekte in der täglichen Patientenversorgung um. „Die Arbeit mit alten Menschen in Akutsituationen macht unheimlich viel Freude...!“ so die Stimmen von Mitarbeitern. Es ist immer wieder eine besondere Herausforderung, geriatrische Patientinnen und Patienten, die ja immer an mehreren Krankheiten gleichzeitig lei-

Zentrum für Altersmedizin – Intensivstation komplettes 2. OG

Teambesprechung Intensivstation den, im hochtechnischen Umfeld einer Intensivstation zu behandeln und dabei großen Wert auf die persönliche Zuwendung und frühzeitige Disposition der Weiterbehandlung zu legen, um eine Rückkehr ins gewohnte soziale Umfeld zu ermöglichen. Dies bedeutet, dass bereits während des Intensivaufenthaltes sowohl Physiotherapeutinnen/therapeuten als auch Logo- und Ergotherapeutinnen aktiv in den Genesungsprozess eingebunden sind. Zusätzlich zum kardiopulmonalen Standardmonitoring (Oxygenierung, AtemNr. 1, 2013

frequenz, Herzfrequenz, invasive und nicht-invasive Blutdruckmessung) kann eine kontinuierliche Körperkerntemperaturmessung und ein kontinuierliches hämodynamisches Monitoring mittels PiCCO-System durchgeführt werden. Sonographie und Echokardiographie für die Diagnostik am Krankenbett stehen ebenso rund um die Uhr zur Verfügung, wie Hämofiltrationsgeräte zur extrakorporalen Nierenersatztherapie und Kühlgeräte zum Temperaturmanagement nach Reanimation und ein Kreislaufunterstützungssystem (Cardiohelp). Für die verschiedensten Beatmungsformen stehen moderne Geräte inklusive NIV und Hochfrequenz-Oszillationsventilation zur Verfügung. Neben dieser Geräteausstattung gehören ein grundlegendes geriatrisches Assessment bzw. Screening-Tools ebenso zum Repertoire der hochmotivierten Truppe, wie fundierte Kenntnisse altersphysiologischer Prozesse verschiedener Organsysteme, die für die intensivmedizinische Behandlung von Bedeutung sind. Auch auf die besonderen Veränderungen des Nervensystems mit mehr oder minder ausgepräg-

Internistische Intensivstationen ten visuellen, auditiven und kognitiven Defiziten wird ein besonderes Augenmerk gelegt. Da für die geriatrischen Patienten die intensivmedizinischen Behandlungsansätze hinsichtlich der Therapieziele unter den Aspekten Lebensqualität und Autonomie immer wieder kritisch hinterfragt werden müssen, führt diese Aufgabe das Behandlungsteam über die Berufsgruppen hinaus eng zusammen. Bei der Aufgabe, Patienten und Angehörige über die Chancen und die Probleme und Risiken der modernen Intensivmedizin aufzuklären, stehen den Ärzten und Pflegekräften unserer Station das Klinikseelsorgeteam, eine gewachsene Liaison mit der psychosomatischen Klinik und das klinische Ethikforum mit Rat und Tat zur Seite. Hier sind Teamgeist und gemeinschaftliches überzeugtes Handeln explizit gefragt. Die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Arbeit der Abteilung liegen in der Erforschung schwerer Infektionen, vornehmlich der unteren Atemwege, sowie der Anwendung der nicht-invasiven Beatmung in der Gruppe der älteren Patienten. Aufgrund dieser Expertise arbeiten wir stellvertretend für die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG) an der Erstellung der S3-Leitlinie „Nicht-invasive-Beatmung“ und der S2-Leitlinie „Prolongiertes Wea-

Patientenübernahme Intensivstation ning“ mit und vertreten die Sektion Geriatrie in der Deutschen Sepsis Gesellschaft e. V. Über die Jahre wurde die spezialisierte Einrichtung geschätzt, geprägt durch die Notwendigkeit, die zunehmend ältere Bevölkerung der Stadt zu versorgen und im Zuge der Neuorganisation der Internistischen Intensivstationen am Klinikum Nürnberg Nord in den Verbund der medizinischen Intensiveinheiten integriert. Das neue Dr. h.c. Theo-Schöller-Haus am Klinikum Nürnberg Nord entspricht als Zentrum für Altersmedizin in allem den Anforderungen eines modernen Krankenhauses. In diesem neu gebauten Klinikumsanteil arbeiten nun Geriatrie, Neurologie, Psychiatrie, Palliativmedizin und Intensivmedizin Hand in Hand. So bleibt geriatrisches Knowhow erhalten und kann in andere Fachabteilungen eingebracht werden.

In den lichtdurchfluteten, hellen und großzügig angelegten Räumen ist eine freundliche Atmosphäre für die Patienten und Mitarbeiter entstanden und ein Arbeiten auf höchstem medizinischen Stand möglich. Es werden nun bis zu 40 internistische Intensivpatienten im 3-Schichtsystem ärztlich und pflegerisch behandelt. Zusätzlich betreut das Team der Intensivstation den Reanimations- und Notfallalarm für die angrenzenden Allgemeinstationen und den Besucherbereich, wie auch den Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des Hauses. Erstmals übernahm ein Intensivmediziner und Geriater die Bereichsleitung einer neu zusammengeführten Intensiveinheit und die Abteilung kann sich unbesorgt den Herausforderungen des demographischen Wandels in der Patientenversorgung stellen. Die Geriatrie ist somit integraler Bestandteil der Intensivmedizin im Versorgungsauftrag älterer Menschen der Metropolregion Nürnberg.

Internistische Intensivmedizin KNN Prof. Dr. Michael Christ Chefarzt Klinik für Notfallund Intensivmedizin [email protected]

PD Dr. Hans Jürgen Heppner Bereichsleitender Oberarzt [email protected]

FEHLERTEUFEL Beim Beitrag „Blutdruckmanschette zur Prävention des akuten Nierenversagens?“ ist das Abstract leider mit den falschen Autoren, der falschen Institution und der falschen Zeitschrift angeführt. Das richtige Zitat sollte heißen: Er F, Nia AM, Dopp H, Hellmich M, Dahlem KM, Caglayan E, Kubacki T, Benzing T, Erdmann E, Burst V, Gassanov N. Ischemic preconditioning for prevention of contrast medium-induced nephropathy: Randomized pilot RenPro Trial (Renal Protection Trial). Circulation 2012; 126:296-303 Wir entschuldigen uns für diesen Fehler auch bei den Autoren dieser interessanten Arbeit.

Nr. 1, 2013

Redaktion Intensiv-News

Rätsel / Impressum

Intensivmedizinisches Rätsel Waagerecht: 1 Starkes Analgetikum (Wirkstoff) 7 Abk. für Transösophageale Echokardiographie 9 Stimmritze = ... glottidis 10 Antioxidativ wirkendes Vitamin: Vitamin … 11 Fortschreitende nekrotisierende Granulomatose der oberen Luftwege: Morbus … (Eponym) 13 Palpebra auf deutsch 14 Gefässäste 16 Botenstoff des Immunsystems (Abk.) 18 Den Darmausgang betreffend 20 Abk. für Nervensystem 21 Schwerwiegende Komplikation einer Wundinfektion 22 Vasodilatierendes Molekül der Gefäßwand (Chem. Elementsymbol) 23 Klinische Einteilung der ventrikulären Arrhythmien (Eponym) 25 Abk. für Zervixabstrich 26 Innerste Gefässschicht 27 Teil des juxtaglomerulären Apparates: ...kissenzellen 28 Erregerbedingt 29 Leichtmetall, das bei bipolarer Störung hilft (chem. Elementsymbol) Senkrecht: 1 Lipidgemisch, das die Axone von Nervenzellen umhüllt 2 Schmerzhafte Einblutung in die Ohrmuschel: …hämatom 3 Für den M. Hodgkin typische mehrkernige Riesenzelle: Sternberg...-Zelle (Eponym) 4 Palliative Maßnahme zur enteralen Ernährung: ...-Anlage (Abk) 5 Erbliche Sphingolipidose: ...-Pick-Krankheit 6 Befund bei peripherer Fazialisparese: ...ophthalmus 8 Mischgeschwulst, die Anteile aus allen drei Keimblättern enthalten kann 9 Transkriptionsprodukt einer Zelle (Abk.) 11 Parkinson-Symptome, Leberzirrhose und Kayser-Fleischer-Kornealring sind Kennzeichen dieser Erkrankung (Eponym) 12 Glutamatantagonist zur Behandlung der amyotrophen Lateralsklerose 15 Medikamentenapplikationsart 17 Rückbildungsfähige Bewusstseinsstörung mit Halluzinationen und vegetativer Entgleisung 19 Ion, dessen Einstrom in die Nervenzelle das Aktionspotenzial einleitet (Chem. Elementsymbol) 21 Dakryorhinozystostomie = Operation nach ... (Eponym) 22 Hautleishmaniose: ...beule 24 Steinfrucht, deren Blätter wirksam sind bei chronischem Hautekzem: …nuss

Die Buchstaben in den Kreisen ergeben das Lösungswort. Die Auflösung finden Sie auf Seite 25.

IMPRESSUM Herausgeber: Offizielles Organ der FASIM – Verband der intensivmedizinischen Gesellschaften Österreichs Österreichische Gesellschaft für Internistische und Allgemeine Intensivmedizin und Notfallmedizin (ÖGIAIN) Deutsche Gesellschaft für internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) Deutsche Sepsis-Gesellschaft e.V. (DSG) - Österreichische Sepsis-Gesellschaft Erscheinungsort: Wien; Verbreitung: Deutschland, Österreich, Schweiz Für den Inhalt verantwortlich: Prof. Dr. Wilfred Druml, Prof. Dr. A. Valentin, Prof. Dr. Karl Werdan, DGKP Christian Vaculik Beirat: Prof. Dr. M. Buerke, Prof. Dr. H. Burgmann, Prof. Dr. Frank M. Brunkhorst, PD Dr. Martin Dünser, Prof. Dr. R. Erbel, Prof. Dr. H. Gerlach, Prof. Dr. U. Janssens, Prof. Dr. M. Joannidis, Prof. Dr. H.P. Kierdorf, Priv.-Doz. Dr. Stefan Kluge, Prof. Dr. A. Laggner, Prof. Dr. K. Lenz, Prof. Dr. Christian Madl, Prof. Dr. K. Reinhart, Prof. Dr. B. R. Ruf, Prof. Dr. E. Schmutzhard, Prof. Dr. G.W. Sybrecht, Prof. Dr. H.J. Trappe, Prof. Dr. T. Welte, Prof. Dr. Ch. Wiedermann Der Inhalt namentlich gekennzeichneter Beiträge spiegelt die Meinung der Verfasser wider und muss nicht mit jener der ÖGIAIN, DGIIN, DSG, Österreichischen Sepsis-Gesellschaft bzw. der Redaktion und dem Verlag übereinstimmen. Bei Beiträgen mit der Kennzeichnung Pharma- bzw. Med. Tech.-Forum haftet für den Inhalt der Auftraggeber (Wirtschaft). Ziele der INTENSIV-News: Information und Diskussionsforum zu aktuellen Themen der Intensivmedizin und Notfallmedizin Kommentare und Zuschriften erbeten an: Für die ÖGIAIN: [email protected] und [email protected]; für die DGIIN: [email protected]; für die DSG: [email protected]; für die Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege: [email protected]; Internet: www.intensivmedizin.at Heftpreis: €10,-, Jahresabonnement: €60,Copyright & allgemeine Hinweise: Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffentlichung erwirbt der Verlag vom Autor alle Nutzungsrechte, insbesondere das Recht der weiteren Vervielfältigung und Verbreitung zu gewerblichen Zwecken mit Hilfe fotomechanischer oder anderer Verfahren sowie im Internet. Die Zeitschrift sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen sind anhand anderer Literaturstellen oder der Packungsbeilage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Der Verlag übernimmt keine Gewähr.

Verleger/Anzeigen: Medicom Verlags GmbH, Koloman-Wallisch-Platz 12, Postfach 1, A-8600 Bruck/Mur, Tel.: +43/3862/56 400-0, Fax: +43/3862/56 400-16 Medicom Schweiz Verlags GmbH, Baarerstrasse 86a, CH-6300 Zug E-Mail: [email protected], Intensiv-News-Archiv unter: www.medicom.cc

Nr. 1, 2013

Kongresse

www.dgiin.de Nr. 1, 2013

Kongresse ■

DINK 2013 – Deutscher Interdisziplinärer Notfallmedizin-Kongress 28. Februar - 2. März 2013 Rhein-Main-Hallen WIESBADEN, Deutschland Information: [email protected] www.dink2013.de



H.I.T. 2013 Die VI. Hamburger Intensivtage 2013 31. Mai - 1. Juni 2013 Curio-Haus Hamburg HAMBURG, Deutschland Information: [email protected] www.hit2013.de



Sepsis und Multiorganversagen 2. März 2013 Klinikum Nürnberg Süd NÜRNBERG, Deutschland Information: [email protected]





ICU-Beginner-Kurs 2013 Internistische Intensivmedizin – Intensivkurs für Einsteiger 18. - 23. März 2013 AIXTRA, Universitätsklinikum Aachen AACHEN, Deutschland Information: www.aey-congresse.de

4. Konstanzer Symposium - KOSII 2013 Interdisziplinäre Intensivmedizin / Intensivpflege 7. - 8. Juni 2013 Klinikum Konstanz KONSTANZ, Deutschland Information: [email protected] www.luecke-kongressse.de



45. Gemeinsame Jahrestagung der DGIIN und ÖGIAIN „Der chronisch kritisch kranke Patient” 19. - 22. Juni 2013 Estrel Convention Center BERLIN, Deutschland Information: www.dgiin.de www.aey-congresse.com/dgiin2013

DAC 2013 – Deutscher Anästhesie-Congress „Mit Herz und Verstand“ 20. - 22. April 2013 NürnbergConvention Center Ost NÜRNBERG, Deutschland Information: [email protected] www.dac2013.de



Freiburger Kurs für Klinische Notfallmedizin 22. - 26. April 2013 Margarete Ruckmich Haus FREIBURG im Breisgau, Deutschland Information: www.aey-congresse.de



Beatmungs-Seminar 2013 (mit Rookie-Seminar) 26. - 27. April 2013 Museum Arbeitswelt STEYR, Oberösterreich Information: www.intensivmedizin.at



35. ESPEN Congress 2013 31. August - 3. September 2013 LEIPZIG, Deutschland Information: www.espen.org



Weimarer Sepsis Update 2013 „Consensus & Controversies“ 4. - 6. September 2013 Congress Centrum Neue Weimarhalle WEIMAR, Deutschland Information: [email protected] www.sepsis-2013.de

Auflösung

Intensivmedizinisches Rätsel

Waagerecht 1 MORPHIN 7 TEE 9 RIMA 10 E 11 WEGENER 13 LID 14 RAMI 16 IL 18 ANAL 20 NS 21 TETANUS 22 NO 23 LOWN 25 ZA 26 INTIMA 27 POL 28 VIRAL 29 LI



Die Buchstaben in den Kreisen ergeben das Lösungswort. Die Auflösung finden Sie auf Seite 24.

Senkrecht 1 MYELIN 2 OT 3 REED 4 PEG 5 NIEMANN 6 LAG 8 TERATOM 9 RNA 11 WILSON 12 RILUZOL 15 NASAL 17 DELIR 19 NA 21 TOTI 22 NIL 24 WAL

33. ISICEM – International Symposium on Intensive Care and Emergency Medicine 19. - 22. März 2013 Brussels Congress Center (SQUARE) BRÜSSEL, Belgien Information: [email protected] www.intensive.org

Das Lösungswort lautet „GERONTOLOGIE“



Nr. 1, 2013

Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege

„Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück“: Pflegepersonalabbau gefährdet Sicherheit von Intensivpatienten Der Begriff Pflegenotstand beschreibt nicht nur ein mögliches Zukunftsszenarium für deutsche Kliniken, sondern begegnet den meisten Pflegenden bereits jetzt in ihrem täglichen Arbeiten. Das Arbeiten in Unterbesetzung ist der Normalfall und individuelle Wünsche und Bedürfnisse der Patienten innerhalb der pflegerischen Versorgung werden zum Luxus. Ein Pflegepersonalmangel im Bereich der Intensivpflege könnte den Patienten jedoch noch mehr als nur diesen Luxus kosten. Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (DIP) führt bereits seit 2001 in regelmäßigen Abständen pflegewissenschaftliche Studien (PflegeThermometer) durch. Untersucht werden dabei die Zusammenhänge zwischen der Pflegepersonalausstattung und der Versorgungsqualität aus verschiedenen Perspektiven. Im Jahr 2012 haben sich Pflegewissenschaftler mit der Situation der Pflege und Patientenversorgung auf Intensivstationen (ICU) im Krankenhaus auseinandergesetzt (Isfort, M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:1). Mit den schriftlichen Befragungen von 535 Leitungskräften wurde es möglich, Daten und Zahlen zu liefern, die die Entwicklungen auf den deutschen Intensivstationen abbilden und langfristig beobachtbar machen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass nicht nur die Versorgungsintensität in den letzten 10 Jahren drastisch zugenommen hat, sondern dabei immer weniger Krankenhäuser eine intensivmedizinische Versorgung ermöglichen können. In immer weniger In-

Abb. 1: Intensivmedizinische Versorgung im Krankenhaus 2002 bis 2010 (nach Isfort M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:2)

Abb. 2: Betreuungsrelationen auf Intensivstationen (nach Isfort M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:2) tensivstationen müssen folglich zunehmend mehr Intensivpatienten versorgt werden (Abb. 1). Die befragten Leitungskräfte beschreiben neben diesen steigenden Anforderungen an die Intensivpflegenden eine Nr. 1, 2013

zunehmende hohe fachliche Verantwortung. Ein hoher Grad an pflegerischer Mitbestimmung bei der Beatmungssteuerung und -therapie und die teilweise hohe Selbstständigkeit der Intensivpflegenden bei der Medikamentenanpassung, im Speziellen bei der

Pflegepersonalabbau Sedativa-, Insulin- und Katecholamingabe, verdeutlichen diese hohe Verantwortung (Isfort M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:1). „[Die Intensivpflegenden] sind die Garanten für eine funktionierende Versorgung, regulieren zeitnah kritische Zustände und reagieren auf klinische Veränderungen beim Patienten“ (Isfort M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:1). Die von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) geforderte Betreuungsrelation von 1 Pflegeperson zu maximal 2 beatmeten Patienten (1:2) wird in jeder fünften Klinik überschritten und 1 Pflegeperson ist teilweise für bis zu 4 beatmete Patienten verantwortlich (Abb. 2). Strukturelle Schwierigkeiten bei der Pflegepersonalbesetzung und steigende Arbeitsanforderungen auf den deutschen Intensivstationen führen nach den Ergebnissen des Pflege-Thermometers 2012 zu Mängeln in der Patientenversorgung. Die durch die hohe fachliche Verantwortung der Pflegenden notwendige umfassende Beobachtung und kontinuierliche Begleitung der Patienten werden unmöglich und kritische Zwischenfälle zählen mittlerweile nicht mehr nur als Einzelfälle (Abb. 3). So ist es u. a. neben hygienischen Mängeln und unnötigen freiheitseinschränkenden Maßnahmen auch in mehr als jeder dritten Klinik zur einer Selbstextubation durch den Patienten aufgrund von Pflegepersonalmangel gekommen (www.dip.de/ fileadmin/data/pdf/projekte/Pflege_Thermometer_2012.pdf ). Die Patientensicherheit ist zunehmend gefährdet. Doch wie sind diese Ergebnisse des Pflege-Thermometers einzuordnen? Von repräsentativen Daten kann bei dieser deskriptiven Studie nicht gesprochen werden, was auch nicht Ziel die-

Abb. 3: Vermeidbare Zwischenfälle auf der ICU (nach Isfort M; Die Schwester der Pfleger 2012; 51:2)

Tabelle 1: Beispielhafte Ergebnisse Betreuungsrelation Auswirkung auf den Patienten

Literaturverweis

1:1,5 1:2 1:2 1:2 1:2

Hugonnet S; Crit Care Med 2007; 11:R80 Binnekaden JM; Heart Lung 2003; 32:190 Pronovost PJ; Eff Clin Pract 2001; 4:199 Kane RL; Med Care 2007; 45:1195 Amaravadi RK; Int Care Med 2000; 26:1857

reduziert nosokomiale Infektionen um 30% reduziert kritische Zwischenfälle um 33% reduziert die Komplikationsrate um 30% reduziert die Selbstextubationsrate um 51% verringert generell die Beatmungszeiten

ser Studienreihe ist. Die Untersuchung soll auf die pflegerische Situation innerhalb der deutschen Intensivstationen aufmerksam machen und einen öffentlichen Diskurs anregen. Den deskriptiven Ergebnissen des Pflegethermometers fehlt es nichtsdestotrotz an einer wissenschaftlich fundierten Aussagekraft. Die pflegewissenschaftlich klinische Studienlage ist in Deutschland generell sehr rar und hat aus internationaler Sichtweise noch erheblichen Entwicklungsbedarf (Behrens J; www.ipp. uni-bremen.de/srv/www.ipp.uni-bremen. de/web/downloads/abteilung3/agenda_ pflegeforschung.pdf; 2012). Um die Ergebnisse des Pflege-Thermometers zu untermauern, braucht es wissenschaftlich klinische Studien, die sich mit dieser Thematik auseinanderNr. 1, 2013

setzen. Aus diesem Grund wagen wir einen Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus. Was sagen internationale Studien zu den Auswirkungen der Pflegepersonalbesetzung auf die Patienten in der Intensivpflege? Nach einer Recherche in internationalen Datenbanken konnten drei Übersichtsarbeiten gefunden werden. Diese Reviews haben jeweils mehrere Studien zusammengefasst, die sich mit der Pflegepersonalbesetzung und deren Auswirkung auf die Patienten im Intensivbereich auseinandergesetzt haben. In Tabelle 1 werden beispielhafte Ergebnisse einzelner Studien aufgezeigt, wobei die Pflegepersonalbesetzung anhand der Betreuungsrelation dargestellt wird. Die in die drei Übersichten eingeschlossenen 64 Studien zeigen zusammenfassend einen Trend zwischen

Pflegepersonalabbau einer sinkenden Pflegepersonalbesetzung und gleichzeitig steigenden Anzahl an unerwünschten Auswirkungen auf die Patienten im Intensivpflegebereich. Im Umkehrschluss kann eine steigende Pflegepersonalbesetzung unerwünschte Ereignisse, wie Infektionen und andere Komplikationen verringern. Diese wissenschaftlichen Schlussfolgerungen können als Argumentationsgrundlage bei Pflegepersonaldebatten einen großen Einfluss haben. Eine Übertragung dieser Ergebnisse auf den Einzelfall, das heißt, auf sämtliche Intensivstationen und jeden Patienten, ist jedoch nicht möglich. Die Studiendesigns der eingeschlossenen Studien variieren von Studie zu Studie. Neben vielen empirisch beobachtenden Studien wurden auch Fall-Kontroll-Studien und Kohortenstudien durchgeführt. Zudem sind die Studien an sich sehr heterogen. So wurden diese in unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen,

pflegerischen Ausbildungsstandards und Fachkraftquoten durchgeführt. Auch die zu messenden Variablen, wie die Pflegepersonalbesetzung und die Auswirkung auf den Patienten, wurden unterschiedlich definiert und unterschiedlich gemessen. Aus diesem Grund hat jede Studie eine Aussage für sich, lässt sich jedoch nicht mit den Aussagen der anderen zusammenfassen.

fachlich verantwortliche Pflegende ist eine pflegewissenschaftliche Komponente notwendig, damit „die Pflege“ gestärkt und verhandlungsfähig wird. Klinische Pflegeforschung im Sinne der Sicherung und Verbesserung der Pflegequalität kostet den Pflegenden keine Stellen, sondern stärkt diese vor Ort und gibt ihnen eine Stimme und Verhandlungspotential.

Um aussagekräftigere Erhebungen in Deutschland durchführen zu können, braucht es neben größeren multizentrischen Studien auch die Entwicklung einer Messmöglichkeit bzw. eines Instruments, um die Pflegepersonalbesetzung und unerwünschte Auswirkungen auf den Patienten sicherer untersuchen zu können (West E; Int J Nurse Stud; 2007; 46:993). Hierzu sind Pflegewissenschaftler vor Ort, in den Kliniken, im Bereich der Intensivstationen notwendig, die solche Studien vorbereiten, durchführen und auswerten können. Neben der „Manpower“ am Bett durch

Ohne eine Weiterentwicklung und Akademisierung der Pflege ist der Weg in den Pflegenotstand unumgänglich und die Patientensicherheit ist zunehmend gefährdet.

Susanne Schuster, BA Pflegemanagement, MScN Klinik für Notfall- und Intensivmedizin Klinikum Nürnberg [email protected]

Arbeitsgemeinschaft für Intensivpflege

Musiktherapie im Kontext der Intensivmedizin Musiktherapie wird seit Herbst 2007 an der Universitätsklinik für Innere Medizin am AKH Wien angeboten. Auf Initiative von Prof. Dr. Klaus-Felix Laczika betreuen zweimal wöchentlich unter der Leitung von Priv. Doz. Mag. Dr. Gerhard Tucek Studierende der IMC Fachhochschule Krems sowie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien PatientInnen der Intensivstation 13i2. Dieser Beitrag soll Einblicke in grundlegende Ideen musiktherapeutischen Arbeitens im Rahmen dieses Praxisfeldes geben.

Fallbeispiel Frau M. ist nach einer überstandenen Lungenoperation wach und ansprechbar. Ihre Entzündungswerte sind hoch und sie fiebert mit über 40°C. Sie ist tracheotomiert und wird über eine Beatmungsmaschine assistiert beatmet. Der Musiktherapeut tritt an ihr Bett, nimmt ihre Hand und beginnt leise im Rhythmus ihres maschinell unterstützten Atemrhythmus zu summen. Sie hält mit dem Therapeuten Blickkontakt. Die Überwachungsgeräte beginnen zu piepsen und die für die Patientin zuständige Pflegerin überprüft alle Schläuche, die zu den Versorgungsgeräten führen. Frau M. lässt sich dadurch nur kurz ablenken – sie scheint diese Vorgänge bereits gewohnt zu sein – und taucht dann wieder in die Musik ein. Es ist eine zunehmend entspannte und sich vertiefende Atmung zu beobachten. Der Monitor bestätigt die Beobachtung; die Herzfrequenz sinkt ab. Frau M. lächelt den Therapeuten an und gibt ihm damit zu verstehen, dass ihr die Musik gefällt. Am Überwachungsmonitor zeigt sich nun ein geringer Anstieg der Herzfrequenz. Die Co-Therapeutin – ebenfalls eine Studierende des Studiengangs Musiktherapie an der IMC Fachhochschule Krems – setzt sich nun mit ihrer Gitarre an das Bett und begleitet das Summen des Therapeuten auf dem Instrument. Als das Summen zu einem Ende kommt,

wechselt die Co-Therapeutin in ein österreichisches Volkslied. Frau M. reagiert darauf, indem sie ihren Kopf und ihre Beine im Takt zu wiegen beginnt. Das TherapeutInnenteam beginnt nun das Lied mehrstimmig zu singen. Es entsteht ein intimer Begegnungsraum zwischen den interagierenden Personen. Frau M. lächelt und beginnt mit einem Arm im Takt zu dirigieren. Ihre Herzfrequenz sinkt leicht. Nach einigen Minuten wird sie sichtlich müde und die TherapeutInnen beenden die Sitzung, mit dem Versprechen, am übernächsten Tag wiederzukommen. Die Videoanalyse des therapeutischen Geschehens in Verbindung mit der Analyse der ebenfalls aufgezeichneten EKG-Daten zeigt eine fast durchgängige Synchronisation des Herzschlages von Fr. M. mit dem Rhythmus des Liedes.

Die Bedeutung der „musikalischen Biografie“

Dieses Fallbeispiel gibt Einblick in typische psychovegetative Reaktionen im Rahmen einer musiktherapeutischen Behandlung in einer Intensivstation. Diese sind das Ergebnis eines Zusammenwirkens von Musik und gezielter PatientIn-TherapeutInnen-Interaktion. Diese Interventionen finden in den Krankenzimmern statt, wobei bisweilen zwei Studierende mit einem Patienten arbeiten. Bei komatösen oder bewusstseinsgetrübten PatientInnen arbeitet ein/e TherapeutIn körpernahe, während die zweite Person - wie im anfänglichen Fallbeispiel beschrieben - den musikalischen Rahmen für das therapeutische Beziehungsgeschehen gestaltet.

Kulturelle Prägung meint hier, dass bestimmte Klangmuster, ähnlich wie optische Reize oder Gerüche, das Leben eines Menschen von Beginn an begleiten und sich kontextgebunden einprägen. Angelehnt an den Dirigenten Simon Rattle lässt sich verallgemeinernd sagen, dass „Musik nicht das ist, was sie ist, sondern das, was sie dem Menschen bedeutet“. Biografisch solcherart kodierte Musik eröffnet im Rahmen der therapeutischen Arbeit mit PatientInnen oft den Zugang zu Erinnerungen an frühere Erlebnisse. Dieses „sinnenhafte“ Erinnern bleibt auch dann erhalten, wenn die Kognition nicht mehr im vollen Umfang zur Verfügung steht.

Nr. 1, 2013

Musik vermag im Gehirn gleichermaßen das Belohnungszentrum zu aktivieren und das Stress- & Angstzentrum (Mandelkern) zu deaktivieren. Methodisch wird diese Erkenntnis im Rahmen rezeptiver Musiktherapie umgesetzt. Trotz dieses beeindruckenden Wirkeffekts zerbricht die vielfach geäußerte Meinung, dass eine bestimmte Art von Musik (bzw. ein konkretes Musikstück) auf alle PatientInnen (und deren Krankheitsbilder) gleichermaßen heilsam wirkt, an der klinischen Realität. Der Grund liegt sowohl in der kulturellen, als auch individuellen musikalisch-biografischen Prägungen jedes Menschen sowie am jeweiligen Behandlungskontext.

Musiktherapie Musiktherapie versucht daher bei dem/der jeweiligen PatientIn an biographisch positiv besetzte Musik(erfahrungen) anzudocken. Um damit im therapeutischen Prozess zu reüssieren, bedarf es empathischer und musikalisch gut ausgebildeter TherapeutInnen.

Der Wirkfaktor „Beziehung“ Ergänzend zu den in der Intensivmedizin selbstverständlicherweise dominierenden biomedizinischen Behandlungsmodellen fokussieren sich MusiktherapeutInnen auf „beziehungsmedizinische“ Aspekte. Auch diese lassen sich mittlerweile wissenschaftlich gut begründen. Neuere Studien zeigen, dass selbst auf genetischer Ebene das menschliche Gehirn auf Kommunikation und Kooperation ausgerichtet ist (Bauer 2006, Insel 2003). Studien belegen auch, dass soziale Ausgrenzung die Aggressionsbereitschaft erhöht (Eisenberger et al. 2003). Es konnte gezeigt werden, dass soziale Ausgrenzung nicht nur auf die Psyche wirkt, sondern auch auf biologische Korrelate. Soziale Zuwendung führt etwa zu Ausschüttung von Dopamin, Oxytocin und endogenen Opioiden, während die Ausschüttung derartiger „Glückshormone“ unterbleibt, wenn einer anderen Person grundlos Schmerz zufügt wird. Gelingende Begegnung hängt aus der Sicht der Neurowissenschaften von fünf Aspekten ab: 1. Sehen und Gesehen-Werden 2. Gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber etwas Drittem 3. Emotionale Resonanz 4. Gemeinsames Handeln 5. Wechselseitiges Verstehen von Motiven und Absichten Diese fünf Beziehungsqualitäten sind auch für eine gelingende musikalische Interaktion prägend: Musik erreicht den Menschen auch dort, wo pharmakologische bzw. verbal kognitive Methoden den/die PatientIn nicht (mehr) erreichen. Durch gemeinsames (musikalisches, bzw. stimmliches) Handeln entsteht in der Regel emotionale Resonanz, was ein wechselseitiges Verstehen von (guten)

Absichten erleichtert. Eine gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber etwas „Drittem“ entsteht automatisch im musikalischen Dialog. Weshalb ist dies im Kontext einer Intensivstation bedeutsam? Nicht selten werden von nicht-sedierten Patienten medizinisch oder pflegerisch indizierte Maßnahmen wie z. B. das Absaugen von Schleim aus der Lunge als belastend und ängstigend wahrgenommen. Menschlicher Kontakt wird hier im Erleben eines/r PatientIn oft zum schmerzhaften „Risiko“. Musiktherapie vermag hier eine zusätzliche Begegnungsqualität abseits funktionaler Notwendigkeiten in den Stationsalltag zu bringen. Diese setzt nicht an der Behebung einer Störung an, sondern an entspannendem und/oder freudvollem Erleben.

Regulation und Beziehung als therapeutische Kernelemente Bei sedierten PatientInnen, die zu oben beschriebenen (inter)aktiven Kommunikationsformen nicht in der Lage sind, sind TherapeutInnen darauf angewiesen, vegetative Signale lesen und deuten zu lernen. Zugang finden MusiktherapeutInnen in diesem Fall über Atemmuster, Muskeltonus, Vitalparameter sowie Mimik, Gestik, Laute und Bewegungsstrukturen des intensivpflichtigen Patienten. MusiktherapeutInnen arbeiten bei diesen PatientInnen sehr körpernahe und versuchen die vegetativen Reaktionen auf ergotrope (aktivierende) bzw. trophotrope (entspannende) Musik- und Gesangsangebote auf der Grundlage der jeweiligen vegetativen Reaktion zu deuten. Musiktherapie will hier durch die Einflussnahme auf autonome, vegetative Regelkreise bei der Rückgewinnung der Selbstregulation unterstützen. Regulation meint die Fähigkeit des Menschen, auf akute Belastungsphasen adäquat zu reagieren und nach Abklingen dieser Phasen wieder in einen körperlich und mental entspannten Ruhezustand zurückzukehren, wobei Entspannung (Erholung) eine Regeneration (AdaptaNr. 1, 2013

tion) des Gesamtorganismus nach sich zieht. Während ein gesunder Organismus in der Lage ist, auf innere Impulse und äußere Umweltreize dynamisch und flexibel zu reagieren, führt Krankheit auch zu reduzierten, starren und konfusen biologische Rhythmen. Hierbei spielt das Autonome Nervensystem (ANS) eine Schlüsselrolle, indem es die hämodynamische Stabilität aufrecht erhält, kardiovaskuläre, thermoregulatorische, gastrointestinale, urogenitale, exokrin-endokrine und pupillomotorische Funktionen reguliert und so die Erhaltung des inneren Gleichgewichts im menschlichen Organismus gewährleistet. Ein wesentlicher Schlüssel zum Therapieerfolg liegt darin, das Potential und die Grenzen der jeweiligen Interventionstechniken realistisch einzuschätzen und an die Bedürfnisse der PatientInnen sowie die Erfordernisse des laufenden Therapieprozesses anzupassen. Für an einer Intensivstation tätige MusiktherapeutInnen ist es klar, dass medizinische Maßnahmen immer vorrangig sind. Zudem ist es im Hinblick auf Fragen des Schmerzgedächtnisses sinnvoll, Musiktherapie möglichst nach schmerzhaften, diagnostischen, medizinischen und pflegerischen Maßnahmen durchzuführen. Seit 2007 hat sich am Wiener Allgemeinen Krankenhaus in der Station 13i2 eine vorbildliche Zusammenarbeit zwischen Medizin, Pflege und Musiktherapie entwickelt. Gegenwärtig sind mehrere Studien im Bereich der Intensivmedizin in Vorbereitung, die sich u. a. mit der Frage befassen, welchen Beitrag Musiktherapie bei der Entwöhnung von beatmungspflichtigen PatientInnen vom Respirator zu leisten vermag.

Priv. Doz. Mag. Dr. Gerhard Tucek Programme Director Music Therapy Department of Health IMC Fachhochschule Krems University of Applied Sciences Krems [email protected]

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Schneller informiert mit Intensiv-News e-p@per Lesen Sie wann immer und wo immer Sie- Nr 1/2011 wollen INDEX

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Medical Emergency Team

Characteristics and outcomes of patients receiving a medical emergencyteam review for acute change in conscious state or arrhythmias. Downey AW, Quach JL, Haase M, et al. Department of Intensive Care, Austin Hospital, University of Melbourne, Australia.

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a) eine adäquate Therapie einzuleitenund weiterzuführen, b) das Atemwegsmanagement zu beherrschen, c) zentrale Venenzugänge anlegen zu können und d) am Bett des Patienten eine möglicherweise später notwendige Intensivbehandlung zu beginnen (De-Vita MA; Crit Care Med 2006; 34:2436). Die australische Arbeitsgruppe um Rinaldo Bellomo untersucht in der vorliegenden retrospektiven Studie die Diagnosen und Prognose von Patienten, bei denen das MET aktiviert wurde. Dabei beschränken sie sich auf die Symptome „akute Veränderungen der Bewusstseinslage“ und „Arrhythmien“,denn aufgrund vorangegangener Analysen bestand die Vermutung, dass Änderungen der Bewusstseinslage deutlich verzögert erfasst und gemeldet werden, Arrhythmien hingegen auf Grund der Akuität des Symptoms schneller erfasst werden. Zusätzlich wurden die Inzidenz und Dauer einer verzögerten Aktivierung des MET undder Zusammenhang zur Prognose der betroffenen Patienten analysiert. Insgesamt wurde zwischen September 2000

Crit Care Med 2008; 36:477-81

in>10% of patients. A history of ischemic heart disease (p 120 / Minute bzw. Abfall unter 40 / Minute vor. Als verzögerte MET-Aktivierung wurde jede Meldungmehr als 30 Minuten nach primär beobachtetem Ereignis festgelegt. Obwohl in beiden Gruppen die Anzahl der auf die Intensivstation aufgenommenen Patienten sich nicht unterschied, war die Intubationsrate in der MET-ACCS Gruppe im Vergleich zur MET-A-Gruppe signifikant höher (24% versus 10%, p = 0,014). In der MET-ACCS-Gruppe verstarben im Krankenhaus darüber hinaus mehr Pa-

COVERBILD: Bestehen bei einem Patienten dringliche, nicht gelöste Probleme und befindet er sich deshalb in unmittelbarer Gefahr, erfasst der afferente Schenkel das Ereignis und triggert eine systematische Antwort. Die ausgelösten Aktionen stellen als Bestandteil des efferenten Schenkels die Stabilisierung des Patienten sicher und sorgen füreine Verlegung des Patienten – so nötig – in einen Behandlungsbereich, der den Bedürfnissen des Patienten entspricht (z. B. Intermediate Care Unit oder Intensivstation). Daten jedes Ereignisses werden systematisch erfasst und gesammelt und anschließend ausgewertet, um zukünftige Probleme zu verhindern bzw. darauf adäquat vorbereitet zu sein. Dabei stehen die Häufigkeit der kritischen Ereignisse, die benötigten Ressourcenund das Behandlungsergebnis im Mittelpunkt des Interesses. Die administrative und/oder ärztliche Leitungüberblickt und steuert alle Komponenten des afferenten und efferenten Schenkels und sorgt für ausreichendeRessourcen. MET = Medical emergency team; RRT = Rapid response team; CCO = Critical care outreach

Autoren: Prof. Dr. med. Uwe Janssens, Medizinische Klinik St.-Antonius-Hospital Eschweiler, [email protected] PD Dr. med. Jürgen Graf, Klinik für Anästhesie und Intensivtherapie Klinik für Herz- und thorakale Gefäßchirurgie Philipps-Universität Marburg 6

Nr. 1, 2009

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Objective: To describe the characteristics and outcomes of patients receiving a medical emergency team (MET) review for the MET syndromes of acute change in consciousstate or arrhythmia and to assess the effect of delayed METactivation on their outcomes. Design: Retrospective analysis of medical records. Setting: University teaching hospital. Patients: Two cohorts of 100 patients for each of the METsyndromes of acute change in conscious state or arrhythmia. Interventions: None. Measuremenets and main results: We collected informationon patient demographics, comorbidities and presence of sepsis, hypovolemia, cardiogenic shock and patient outcome. We also documented the presence and duration ofdelayed MET activation. The median age for both syndromes was >70 yrs, and major comorbidities were present

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