SOZIALBERATUNG BEI CHRONISCH NIERENKRANKEN & DIALYSEPATIENTEN
14. Nephrologisches Pflegesymposium Hamburg, 21.11.2017
Ausgangslage !
Die sozialen und sozialrechtlichen Probleme der Patienten nehmen in den letzten Jahren zu
!
Patienten können sich auf die Informationen von Behörden, Ämtern und Kassen nicht verlassen
!
Patienten müssen für Ihre Rechte kämpfen! (Widerspruch gegen Bescheide, unter Umständen auch Klage vor Gericht)
IN IHRER ORIENTIERUNGSLOSIGKEIT WENDEN SICH PATIENTINNEN UND PATIENTEN AN DAS NEPHROLOGISCHE TEAM
! Antworten geben zu können trägt zur eigenen Zufriedenheit bei ! Grundwissen minimiert den Arbeitsaufwand ! Beseitigt Probleme und Schwierigkeiten ! Verhindert Folgeprobleme
Die sozialen Themen "
Krankenkasse
"
Schwerbehinderung (Ausweis & Merkzeichen)
"
Berufstätigkeit (Erhalt, Wiedereinstieg, Entlastung)
"
Lohnersatzleistungen (Krankengeld, Sozialleistungen und Rente)
"
Pflegeversicherung
"
Vorsorge
"
Beratungsmöglichkeiten/Ansprechpartner
DIE DRAMATIK DER SOZIALEN FRAGESTELLUNGEN Herr M. wurde transplantiert. Er hatte einige Schwierigkeiten zu Beginn, nun hat sich alles stabilisiert. Zur Zeit (Donnerstag) befindet er sich in der Wiedereingliederung. Ab kommender Woche (Montag) arbeitet er wieder regulär. Am heutigen Tag wurde eine Krebserkrankung diagnostiziert. Was bedeutet das für ihn? Wie lange erhält er Krankengeld? Was kommt nach dem Krankengeld?
KRANKENGELD (§§ 44, 47 U. 48 SGB V – GESETZLICHE KRANKENVERSICHERUNG)
Die Krankenkasse zahlt Krankengeld • bei Arbeitsunfähigkeit • nach Ablauf der Lohnfortzahlung • in Höhe von 70% des Regelentgelts, aber maximal 90% des Nettoentgelts • für längstens 78 Wochen in einem Zeitraum von 3 Jahren (Aussteuerung) • wegen derselben Erkrankung
! Hinzugekommene Erkrankung in laufender Krankschreibung ! 1 Woche später – eigenständiger, neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung und Krankengeld ! Sein Krankengeldanspruch endet Oktober 17, danach kann er sich arbeitslos melden, OBWOHL er einen Arbeitsplatz hat ! Sonderform Arbeitslosengeld nach § 145 SGB III
KRANKENKASSE
MÜSSEN AUCH SOZIALHILFE-EMPFÄNGER ZUZAHLUNGEN LEISTEN? 1. Nein, da sie so wenig Geld haben 2. Ja, aber sie müssen weniger Zuzahlungen leisten 3. Ja, genau wie alle anderen Versicherten
MÜSSEN AUCH SOZIALHILFE-EMPFÄNGER ZUZAHLUNGEN LEISTEN? 1. Nein, da sie so wenig Geld haben 2. Ja, aber sie müssen weniger Zuzahlungen leisten 3. Ja, genau wie alle anderen Versicherten
Zuzahlungsregeln Es gibt keine generellen Zuzahlungsbefreiungen, nicht für chronisch kranke Menschen, nicht für arme Menschen. Belastungsobergrenzen pro Jahr: • für schwerwiegend chronisch Kranke: 1% der Jahresbruttoeinnahmen • für alle anderen Versicherten: 2% der Jahresbruttoeinnahmen → www.g-ba.de (Informationsarchiv – Richtlinien – „Richtlinie für Chroniker“)
Danach ist die ganze einberechnete Familie befreit! Auch in unterschiedlichen gesetzlichen Krankenkassen
Fahrkosten Fahrkosten zur ambulanten Behandlung werden von den Krankenkassen nicht mehr übernommen! Es gibt Ausnahmen. Vom Patienten muss immer vorher die Genehmigung der Fahrten bei der Krankenkasse beantragt werden!
www.g-ba.de
(Informationsarchiv – Richtlinien – „KrankenTransportrichtlinien“)
Ausnahmefälle Erstattungsfähig sind ambulante Fahrten zur: •
Onkologischen Strahlentherapie
•
Onkologischen Chemotherapie
•
Dialysebehandlung
Außerdem ambulante Fahrten für mobilitätseingeschränkte Menschen: •
Schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen aG, Bl oder H
•
Menschen ab Pflegegrad III
•
Menschen mit vergleichbaren Beeinträchtigungen
Was bedeutet das? •
Nächstgelegene Behandlungseinrichtung
•
Hin- und Rückfahrt werden getrennt beurteilt
•
Fahrten werden versteigert
•
Sammeltransporte
•
andere ambulante Fahrten werden i.d.R. nicht erstattet
Achtung! Anrufe durch die Krankenkasse
Patienten berichten immer häufiger von Anrufen durch die Krankenkasse • „Ihr Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg, ziehen Sie ihn dann doch bitte zurück?“ • „Wir wollten mal hören, wie es Ihnen geht und wann Sie denn wieder arbeiten können?“ ! Nichts am Telefon vereinbaren! Immer auf einen schriftlichen Bescheid bestehen.
Achtung!
Begutachtungen
• Finden immer häufiger in immer unterschiedlicheren Zusammenhängen statt • Gutachten können jederzeit angefordert werden • Finden nicht immer beim Facharzt statt • Betroffene berichten teilweise von kaum aushaltbaren Situationen – z.B. unverschämte/anmaßende Fragen
- - - -
Vorbereiten auf den Termin Begleitperson mitnehmen Ziel der Begutachtung überdenken Eigene Ideen und Vorstellungen überprüfen
GRUNDSÄTZLICH Bei Ablehnungen immer die Stelle einschalten, die von der Leistung profitieren würde (das Geld bekommen würde) • Sozialdienst der Rehaklinik • Firma die ein Hilfsmittel, Zusatznahrung o.ä. produziert • Pharmaunternehmen, dessen Medikament man verschrieben haben möchte
Der Grad der Behinderung (GdB) Die Vorteile/Nachteilsausgleiche sind u.a. abhängig vom zuerkannten GdB. # „Versorgungsmedizinische Grundsätze“
Dialysepatienten: Transplantierte: danach mindestens
100 GdB 100 GdB für 2 Jahre nach TX; 50 GdB
Auch Menschen im prädialytischen Stadium der Erkrankung haben schon Anspruch auf einen Grad der Behinderung!
Merkzeichen G
gehbehindert
aG
außergewöhnlich gehbehindert
H
hilflos
Bl
Blind
Gl
gehörlos
RF
Ermäßigung von der Rundfunkgebührenpflicht
B
ständige Begleitung
Neu seit 1.1.2017 Merkzeichen TBl – taubblind (noch keine Nachteilsausgleiche definiert)
Merkzeichen und Nachteilsausgleiche G/Gl
gehbehindert / gehörlos
Vergünstigung für Bus+Bahn
oder
Kfz-Steuerermäßigung 50%
aG
außergewöhnlich gehbehindert
Vergünstigung für Bus+Bahn
und
Kfz-Steuer frei
H/Bl
hilflos / blind
Freifahrt in Bus+Bahn
B
ständige Begleitung
aG/Bl Bl RF
und
Kfz-Steuer frei
Begleitperson fährt in Bus und Bahn kostenfrei mit
Parkerleichterungen/Behindertenparkplätze Blindengeld Ermäßigung von Rundfunk- und Fernsehgebühren und Telefonermäßigung (Telekom)
Vergünstigt = 80 Euro Zuzahlung zur Wertmarke pro Jahr
Weitere Nachteilsausgleiche Ermäßigung bei öffentlichen Veranstaltungen, Kurtaxe, Skipass $
$
Vergünstigungen im Bahnverkehr
$
Vergünstigungen für die Tageszeitung
$
Vergünstigte Handytarife
$
Ermäßigung bei Automobilclubs
$
Vorteile bei der Gewährung des Wohnberechtigungsscheins und des Wohngeldes
$
Vorteile/Hilfen im Arbeitsleben
$
Vorteile beim Rentenbezug
$
Vergünstigungen beim Kauf eines Neuwagens (www.bbab.de)
IN DER PRAXIS " " "
GdB bei Dialyse meist kein Problem – Achtung bei PDPatienten GdB Prädialyse schwieriger Größten Schwierigkeiten bzgl. Merkzeichen
Wichtig! ! Praxis gibt med. Auskunft über Diagnosen etc. ! Patient stellt AUSWIRKUNGEN auf sein Leben dar, z.B. → beruflich → Familie → soziales Leben → Mobilität Einfache Worte, anschaulich und nachvollziehbar
BERUFSTÄTIGKEIT UND SCHWERBEHINDERUNG Integrationsämter und Integrationsfachdienste bieten Beratung an. #
www.integrationsaemter.de dort unter „Kontakt“
#
Integrationsfachdienste beraten und können mancherorts vermitteln
UNTERSTÜTZUNGS- ODER ENTLASTUNGSMÖGLICHKEITEN 1. Unterstützung durch die Rentenversicherung a. Halbe Erwerbsminderungsrente + halbe Stelle 2. Unterstützung durch die Krankenkasse a. Voller Ausgleich auf Grundlage der Empfehlungen des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen b. „Teilkrankengeld“
UNTERSTÜTZUNGS- ODER ENTLASTUNGSMÖGLICHKEITEN 2. Unterstützung durch die Krankenkasse c. Lohnausgleich durch KK für den Beutelwechsel bei PD während der Arbeitszeit 3. Unterstützung durch das Integrationsamt a. Ausgleich für Mehrbelastung
IN DER PRAXIS Patienten sollten sich um Unterstützung und Entlastung bemühen! Und zwar immer bevor sie die Arbeitsstelle reduziert!
SOZIALLEISTUNGEN 1. Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II) 2. Grundsicherung im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung 3. Sozialhilfe
Für alle: • 409 EUR + Kosten der Unterkunft + Heizung (2018: 416 Euro) • Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung • Prädialyse 10% = 40,90 € • Dialyse 20% = 81,80 € • Verschlechternde Transplantatfunktion = Prädialyse
Patienten ermutigen dass Sie immer alle Beeinträchtigungen aufführen
RENTE Patientinnen und Patienten müssen sich gut beraten lassen! % Rentenberatungsstellen % Sozialverbände
beraten gut
einschalten
PFLEGEVERSICHERUNG 2017 Aufhebung der Unterscheidung ! Pflegebedürftige mit körperlichen Einschränkungen ! Pflegebedürftige mit kognitiven und psychischen Einschränkungen
• 3 Pflegestufen werden zu 5 Pflegegraden • Die Orientierung an Zeitwerten fällt weg. Der Grad der Selbstständigkeit ist relevant !
Beratung durch die Pflegestützpunkte
Vorsorgemöglichkeiten
Patientenverfügung
Betreuungsverfügung
Vorsorgevollmacht
Vorlagen beim Bundesjustizministerium
Die wichtigsten Anlaufstellen • Das Nierentelefon (Mittwoch 16 – 18 Uhr 0800/ 248 48 48 ) • Sozialverbände VdK oder SoVD • Allgemeine Sozialberatungsstellen der Kirchen • Integrationsamt • Pflegestützpunkt • Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen
WAS BEWIRKT DAS GESPRÄCH ÜBER SOZIALE THEMEN? • Schafft Vertrauen und Verständnis • Tragfähige Beziehung / Arbeitsbündnis • Kontaktaufnahme • Informationsgewinn • Umfassende Betreuung der Patientinnen und Patienten – … bedeutet auch, dass dies gewollt sein muss • Eskalationen verhindern / Fehlentwicklungen frühzeitig entgegensteuern • Ressourcen nutzen – Schwachstellen identifizieren
GRUNDSÄTZLICHE HINWEISE •
Vertraulichkeit
•
Freiwilligkeit
•
Keine Versprechungen
•
Nicht für die Behörde argumentieren! (Kampf nicht eingehen und sich selbst damit schützen)
•
Distanz zur Situation
•
Versuchen, sich nicht anstecken zu lassen
•
Manche Patienten neigen dazu Schwierigkeiten zu groß, manche neigen dazu Schwierigkeiten zu klein darzustellen
Herzlichen Dank!