Redaktion: Yvonne Wagner. Hendrik Baumbach. Tina Bode. Andreas Meyer. Chnstoph Otterbec.k.

Christoph Otterbeck, Joachim Schachtner (Hg.)

Konstanze Runge. Dagmar Schweitzer de Palacios Bildredaktion: Yvonne Wagner Dbersetzungen ins Englische: English Learning Consultancy. Arlette Karcher. Kirsten Ahrens mit Ausnahme der Texte auf S. 37. 58 . 131. 160. 221. 240 Das Copyright fUr die Texte liegt bei den Autorinnen und Autoren.

Schatze der Wissenschaft Die Sammlungen, Museen und Archive der Philipps- U niversiUit Marburg

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar.

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2014 Jonas Verlag

fur Kunst und literatur GmbH Weidenhauser Str. 88 D-35037 Marburg

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Philipps

Un ivers!tat ftla rburg

Jonas Verlag

Deutsches Dokumentationszentrum fUr Kunstgeschichte Bildarchiv Foto Marburg

Die Anfange des Bildarchivs. heute eines der weltweit grogten Spezialarchive zur europaischen Kunst und Architektur. gehen zuruck auf das Jahr 1913. als Richard Hamann (1879-1961). Ordinarius fUr Kunstgeschichte in Marburg. nach seiner Berufung unverzuglich den bestehenden "Photographischen Apparat" zu einem zentralen Medium fUr Lehre und Forschung des Seminars auszubauen begann. Ham:mn . ein erf:1hrener Fotograf. hJtte friih die Bedeutung und Moglichkeiten einer reprasentativen kunsthistorischen Fotosammlung erkannt. In zahl;·cichcll Kampagncn vcrgrof?,ertcil J lamanll und scin Tcalll syslelllaliscll dCll Bestand und beganllcn ein Ncgativarchiv 3nzulegen. das die Y, rvi lCaltigung und den Verkauf der Aufnahmen ermoglichte. 1929 formulierte der preugische Staat die umfassende Sammlung von Aufnahmen zur gesamten Geschichte der Kunst als Aufgabe des Bildarchivs. das sich nun unter dem Dach des neu gegrundeten .. Preugischen Forschungsinstituts fUr Kunstgeschichte" zu einem zentralen Archiv der Kunstdokumentation entwickeln konnte. Der Ausbau der Sammlung ist derweil stets weiter vorangetrieben worden und erfolgt bis heute durch hauseigene Fotokampagnen. Bestandsubernahmen und Leihgaben. Schon zu Hamanns Zeiten war die DurchfUhrung von Fotokampagnen zur Kunst und Architektur der Kulturlandschaften Europas - Frankreich. ltalien. Spanien. Griechenland sowie Deutschland und die Beneluxstaaten - eine Hauptaufgabe von Foto Marburg. Das Bildarchiv handelte dabei oftmals auch in staatlichem Auftrag. etwa beim sogenannten "Kunstschutz" wahrend der Weltkriege und bei der Dokumentation des ausgelagerten Kulturguts im Marburger Collecting Point der amerikanischen Besatzungszone nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute gewinnt das Bildarchiv wieder eine singulare Stellung bei der Dokumentation architektonischer Werke im Verlauf der fortwahrenden Veranderungen ihres Zustands. Durch den fortschreitenden Ruckbau dieses Aufgabenbereichs bei den Landesdenkrnalamtern ist die Rolle des Bildarchivs fur die fotografische Dokumentation von Architektur in verschiedenen Sanierungsstan-

gegrundet am 15.10.'913 Sammlung

Fotograflsche Aufnah-

men zur europaischen Kunst- und Arch ite ktu rgesch ichte

Anzahl der Objekte

ca.2 Millionen

Fotograflen

Linke Seite: Bernhard von Tieschowitz (links) und Richard Hamann-Mac Lean beim Fotografieren mit der so genannten Marburger Kanone im Langhaus der Kirche Sainte-Madeleine in Vezelay. '927 - Foto Marburg. Aufnahme-Nr. V '94.

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Heinrich Richard Hamann (1879-1961). 1913-1961 Professor der Kunstgeschlchte Marburg und Grunder des Bildarchivs in sci Tlcm A r bei t s ~ immcr. 1947 - Bildarchiv Foto Marburg. Aufnahme-Nr. V 420.

In

Crystal Palace. London·Sydenham. Joseph Paxton. 1854 - Philip Henry Delamotte (zu· geschr.) - Bildarchiv Foto Marburg. Fotopo· sitiv. Aufnahme-Nr. 411 .640.

Kathedrale Notre-Dame. Laon . 1155-1235. Aufnahme wahrend des Zweiten Weltkrieges im Auftrag des "KuTlstschutzes" - Bildarchiv Foto Marburg. Aufnahme-Nr. fm182188.

den. aber auch vor drohenden Abrissen oder erheblichen Umbaumagnahmen von gragter Bedeutung.

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Walter Hege (1893-1955). Lala Aufsberg (1907-1976) und vielen weiteren Fotografen, die sich auf die Dokumentation von Architektur und bildender Kunst spezialisiert haben, kommen hinzu. Neben architektonischen Monumenten und Werken der bildenden Ktinste

Zu den wichtigen Bestandstibernahmen zahlt das Bildarchiv des Kunstrna-

werden im Marburger Bildarchiv auch Ausstattungsobjekte. Kunsthandwerk

zens und Museumsgrtinders Karl Ernst Osthaus (1874-1921) mit 15.000 Negatiyen zu Kunstgewerbe und Architektur der klassischen Moderne. des Jugend-

fisch dokumentiert. Der reiche Bestand umfasst Fotografien von der Mitte des

stils und zur augereuropaischen Kunst. Auch das Archiv des Kunsthistorikers

19· Jahrhunderts bis heute. Wertvolle Originale, erhalten als Glasplattennegati-

und Sammlungsgegenstande aus Kultureinrichtungen aller Sparten fotogra-

und Foro-grafen Franz Stoedtner mit 200.000 Glasnegativen aus einem der

ve. Plan- und Rollfilme. werden in klimatisierten Raumen gelagert und sind na-

ersten kommerziellen Lichtbildvertriebe mit wissenschaftlich-padagogischer

hezu vollstandig katalogisiert. Hinzu kommen historische Fotografien. unter

Zielsetzung gehort zu den Glanzsrucken der Sammlung. Werkkonvolute von

denen sich grogformatige Salzpapier- und Albuminabzuge aus den Jahren

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(Abb. links) Nofretete, Entstehungsort: Tell el-Amarna, um '370 v. (hr., Berlin. Staatli· che Museen zu Berlin - Preueischer Kulturbesitz, Agyptisches Museum, aufgenommen im Central Collecting Point der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg - Bildar· chiv Foto Marburg, Aufnahme·Nr. 192.698. (Abb. rechts) Fagus-Werk. Hauptgebaude, Alfeld (Leine), Walter Gropius und Adolf Meyer. '9" - Bildarchiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr. fmd468903.

1850-1900. mithin aus der Friihzeit der fotografischen Kunstreproduktion und Architckturfotografic, bcfindcn. Hcutc \\'3chst das Archiy ycrsbrkt durch digitale Neuaufnahmen. Der Bestand und die Neuzugange werden nach strengen kunsthistorischen Vorgaben dokumentiert und gepflegt. AIle Fotografien werden ausftihrlich beschrieben und mit Hilfe einer Datenbank verschlagwortet und erschlossen, urn fur vieifaltige Rechercheanfragen zur Verfugung zu stehen. Da ein Archiv den grog ten Wert hat, wenn seine Bestande offentlich zuganglich sind, arbeitet Foto Marburg stetig daran, seine einzigartige Bildersammlung mit Hilfe neuester Medientechnologien fur Wissenschaft und bffentlichkeit zuganglich zu machen. Einen grog en Schritt in diese Richtung machte das Bildarchiv 1975 mit der Konzeption des "Marburger Index", eines nach dem Vorbild von Denkmalinventarbanden topografisch sortierten Verbundkatalogs der BildbesUinde mehrerer Bildarchive und Denkmalamter auf Mikrofiches, der damals fortschrittlichsten Dokumentationstechnologie. In den 1980er Jahren entstand das Regelwerk MIDAS (Marburger Informations-, Dokumentations- und Administrationssystem) fur die strukturierte Katalogisierung von Kunst- und Bauwerken sowie die Software HiDA (Hierarchischer Informations- und Dokumentations-Administrator). Mit dieser Software wurde die EDV-gesrutzte Katalogisierung im Bildarchiv Foto Marburg eingefuhrt. Das Deutsche Dokumentationszentrum fur Kunstgeschichte ist seither federftihrend an der international#h Weiterentwic1dung und Verb rei tung semantischer Standards zur Untersrutzung der Erhebung, des Austauschs und des webbasierten Publizierens von werkbezogenen Informationen in Kultureinrichtungen beteiligt. 166

Wissenschaftlel'innen und Wissenschaftler, Shldierende sowie Privatperso· nen konnen die Sammlung in einem Online-Bildportal einsehen. Seit 1999 sind die Bestande des Bildarchivs Foto Marburg sowie rund eine Million weitere Bilder von ca. 50 Parmerinstitutionen tiber die Verbunddatenbank "Bildindex zur Kunst und Architektur" im Internet verfUgbar. Damit bietet Foto Marburg Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und Privatpersonen aus aller Welt ein modernes Forschungsinstrument und einen einfachen, zentralen Zugriff auf sonst weit verstreute Objekte. Foto Marburg ist uberzeugt. dass eine Sammlung mit wissenschaftlichem Anspruch nur mit permanenter, eigenstandiger Forschung funktionieren und del' wissenschaftlichen Gemeinschaft von Nutzen sein kann. Deshalb versteht sich das Deutsche Dokumentationszentrum fUr Kunstgeschichte als Kompetenzknotenpunkt fUr die Forschung zur Geschichte, Praxis und Theorie der Oberlieferung von visuellem Kulturgut, insbesondere der Erkundung der damit verbundenen medialen Transformationsprozesse, der Bedingungen des Speicherns von Wissen in visuellel' Form und del' Bedeutung del' Erinnerung visupller Kllltm in der Gpsplh:chafi. 1m Allstallsch mit zahlrpichpn anderen Sammlungen und Institutionen widmet sich die hauseigene Forschung diesen Themen :1111" Grl.lndlage jahrzehntebngen praktischen lImgang" mit den entsprechenden Objekten. Die Frage nach der Erinnerung und Bewahrung des kulturellen Erbes - also nach der Hauptaufgabe des Archivs - ist nicht allein eine technische nach Moglichkeiten der Datenspeicherung und Konservierung verschiedenster Medien, sondem immer auch eine inhal.t1iche. Darum wird bei Foto Marburg nicht nur anwendungsorientiert zur Foto- und Informationstechnik geforscht, sondem gerade auch kunsthistorisch und bildwissenschaft-

(Abb. links) Karl Muller'sches Volksbad. Damenbad. Munchen, Karl Hocheder, 1901. aufgenommen 1m Rahmen des tU·ProJekts

Partage

Plu~

- Bildarchiv Foto M arb urg,

Aufnahme-Nr. fmd481343. (Abb. rechts) Kaiser-Wilhelm-Turm im Bau, Marburg, 1887-1890 - Ludwig Bickell, Bild· archiv Foto Marburg, Aufnahme-Nr. 810·473·

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lich - oftmals an Problemstellungen . die sich direkt aus der dokumentarischen Praxis ergeben. Ergebnisse und Erkenntnisse werden sowohl in Tagungen. Workshops und regelmagigen Arbeitsgesprachen vorgestellt als auch in einer eigenen Buchreihe publiziert und in Ausstellungen prasentiert. Das UNESCO Archives Portal fi.ihrt Foto Marburg seit 2006 in seiner Liste auf. Seit 2009 firmiert das Bildarchiv unter dem Namen Deutsches Dokumen· tationszentrum fUr Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg und ist seither eine zentrale Einrichtung der Universitat mit eigenstandigem Forschungsauftrag und definierten Serviceaufgaben. Seit 2014 werden Bestande in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen.

Dennis Janzen

German Center for Documentation of History of Art Bildarchiv Foto Marburg The German Center for Documentation of History of Art - Bildarchiv Foto Marburg is a central institution of the Philipps-University. More than two million original photographs make it one of the largest collections worldwide on European history of art and architecture. Since its foundation in 1913. the collection has continuously been extended by means of new acquisitions. items on loan and photo campaigns. Besides cataloging and making the photographs publicly accessible. another central task is scientific research regarding medial tradition. documentation and the interpretation of buildings and works of art. Together with the inventory of more than 80 other cultural institutions. the collection can be viewed and researched online on www.bildindex.de.

Df'utschf'S DokumentationS7f'ntnlm fiir Kunstgeschichte -

Literatur

Bildarchiv Foto Marburg Dircktorcn: Prof. Dr. I lubert Locher. Dr. Christian Bracht Bicgenstr. II. 35037 Marburg . Telefon: 06421/28-23600 (Service-Abteilung) E-Mail: [email protected] http://wwwfotomarburg.de http://www.biLdindex.de

Sprenger. Michael H. (2005): Das Kunstgeschichtliche Seminar und das Preugische Forschungsinstitut der Marburger Universitat im Nationalsozialismus. In: Nikola Doll. Christian Fuhrmeister und Michael H. Sprenger (Hg.): Kunstgeschichte im Nationalsozialismus. Beitrage zur Geschichte einer Wissenschaft zwischen 1930 und 1950. Weimar: Verlag und Datenbank fur Geisteswissenschaften. S. 71-R4. Bracht. Christian (2009): Foto Marburg. Ein klassisches Bildarchiv und die digitale Bilderwelt. In: Irene Ziehe und Ulrich Hagele (Hg.): Digitale Fotografie. Kulturelle Praxen eines neuen Mediums (Visuelle Kultur. Studien und Materialien. Bd. 4). Munster: Waxmann. S. 157-166. Matyssek. Angela (2009): Kunstgeschichte als fotografische Praxis. Richard Hamann und Foto Marburg (Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte. Bd. 7). Berlin: Mann. Locher. Hubert (2011): Hamann's Canon: The Illustration of the Geschichte der Kunst (1~) and the Photo Archive of the Kunstgeschichtliches Seminar in Marburg. In: Costanza Caraffa (Hg.): Photography and the Photographic Memory of Art History. Berlin/Munchen: Deutscher Kunstverlag. S. 265-280. 168

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