Psychosomatische Modelle

Psychosomatische Modelle Das klassische Krankheitsmodell „Die Medizin muß Naturwissenschaft sein oder doch wenigstens auf naturwissenschaftlichem...
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Psychosomatische Modelle

Das klassische Krankheitsmodell

„Die

Medizin muß Naturwissenschaft sein oder doch

wenigstens auf naturwissenschaftlichem Boden stehen, und die Methode ist das Experiment.“ (Bernhard Naunyn, 1869 – Internistische Antrittsvorlesung)

Die naturwissenschaftlich-experimentelle Methodik ist vom Grundsatz her reduktionistisch. Das daraus abgeleitete Krankheitsmodell ist monokausal orientiert. 1 Krankheitsursache

1 Erkrankung

1 Behandlung

Synopsis: Störungsbilder in der Psychosomatik Schwere od. chronische körperliche Erkrankungen

Verhaltensstörungen bzgl. Körper z.B. Sucht, Ess-Störungen, Persönlichkeitsstörungen

Probleme mit Krankheitsbewältigung

Verborgener Ausdruck

Seelische Belastungen + Konflikte

Direkter Ausdruck

Körperliche Folgen

Funktionelle (somatoforme) Störungen

Vegetative u.a. körperliche Symptome bei psychischen Erkrankungen

Verlaufsbeeinflussung ätiologische Co-Faktoren

Spezifische, körperliche Erkrankungen (Asthma, Neurodermitis etc., sog. Psychosomatosen) Autoimmunerkrankungen (Psychoimmunologie)

Scheinbar körperlich Bedingte Symptome (Dissoziative Strg, Schmerzstörung.)

Fragen an das Modell Welche Bedeutung haben psychische und soziale Kausalfaktoren für die Entstehung des körperlichen Problems? Welche Bedeutung hat das körperliche Problem für das Erleben (Selbst-, Fremdwahrnehmung, Affekte) und Verhalten (z.B. Selbstfürsorge, Beziehungsregulation)? Welche Mechanismen werden in der Bedeutungserteilung (psychodynamisch, lerngeschichtlich, interpersonell, biologisch) wirksam?

Fallbeispiel Herr B., 50 J. Aufgabe: Welches Erklärungsmodell des Krankheitsbildes finden wir?



Gruppe 1: Bedeutung der biografischen Prägung / Prädisposition?



Gruppe 2: Psychosoziale Auslöser für Ausbruch und Verlauf der körperlichen Erkrankung ?



Gruppe 3: Somatopsychische Anteile des Krankheitsgeschehens ?

Psychosomatische Modelle / Konzepte • • • • •

Konversionsmodell (nach Freud) Theorie der De- und Resomatisierung (M. Schur) Spezifitätsmodell (F. Alexander) Alexithymie-Modell (Französische Schule) Konzept der zweiphasigen Verdrängung (Mitscherlich)

• Lerntheoretisches Modell • Stress-Modell (H. Selye) • Neuere psychobiologische Ansätze • Bio-Psycho-Soziales Modell (G. Engel)

Das Konfliktmodell Auslöser Aktueller Konflikt Aktualis. kindlicher Konflikt

Lösungsversuch Angst Angst Missglückte Abwehr

Kompromissbildung

Symptom

Krankheitsgewinn

Psychosomatische Modelle / Konzepte

Alexithymie-Modell (Französische PSOM Schule 1978)

(Anm.: sog. „Psychosomatische Struktur“ = Alexithymie-Konzept)

• Grundprinzip: Fähigkeit zum „Lesen“ bzw. „Aussprechen“ eigener Gefühle eingeschränkt (resp. ihrer Vermittlung + Verbalisierung) • Operationales Denken: qualitative Armut in der Beziehung zu eigenen seelischen Inhalten (sprachlicher Ausdruck ↓ ; Phantasien ↓ ) • Ich-Störungen: z.B. mangelnde Symbolisierungsfähigkeit, Beziehungsleere im Kontakt mit anderen Menschen • Psychosomatische Regression: Heruntergehen auf primitiveres Abwehrsystem der Somatisierung (autodestruktiv; aggressiv) • Projektive Verdopplung: der psychosomatische Patient sieht den anderen stereotyp so wie sich selbst; keine Wahrnehmung von Individualität / Originalität (typisch: „man macht ja…)

Psychosomatische Modelle / Konzepte

Lerntheoretisches Konzept 1) Annahme allgemein: bei Entstehung + Aufrechterhaltung psychischer Störungen sind Lernprozesse entscheidend ! 2) Psychische Störungen = Denk- und Verhaltensstörungen, bedingt durch unerwünschte u./o. fehlende Lernprozesse 3) Angst zentraler Faktor bei neurotischen Störungen 4) Neurotische Angst ist gelernte emotionale Reaktion (Konditionierung) 5) Transfer auf PSOM: affektives + emotionales Verhalten (z.B. inadäquate Angst) bezieht obligat körperliche Reaktionen mit ein (autonomes NS; neuroendokrines System) und kann so u.U. auch zu Gewebsschädigungen führen

Lerntheoretisches Konzept Angstkreislauf

Angst

Körpersymptom

Bewertung

Wahrnehmung

Lerntheoretisches Modell funktioneller Körperbeschwerden Lebensereignisse / Krankheitserlebnisse „Gefahr“

Autonome Dysbalance

Vermeidung, Schlafstörung, Dekonditionierung

Angst Körpersymptom

Aufmerksamkeitsfokussierung

Katastrofisierende Fehlinterpretation

Allgemeines Adaptations Syndrom Hans Selye, 1936/ 1946

Hans Selye (1907-1982)

Allgemeines Adaptations Syndrom Hans Selye, 1936/ 1946

Drei Phasen des Allgemeinen Adaptations Syndroms: 1. Alarmphase 2. Widerstandsphase 3. Erschöpfungsphase Symptomentrias unter anhaltender Stressbelastung: 1. Vergrößerung der Nebennierenrinden 2. Atrophie lymphatischer Organe (Lymphknoten und Thymus) 3. Geschwürbildung im Magen-Darm-Trakt

Psychosomatische Modelle / Konzepte

Stress-Modell • Definition von STRESS ?? - „alles, was aufregt ?“ • allgemeiner Nenner: Mißverhältnis zwischen äußerem/inneren Reiz einerseits und „normaler“ Verarbeitungsmöglichkeit andererseits • Kriterien: Hektik + Zeitdruck + Überlastung; subjektive Bewertung + zeitkritisches Moment • Konzept: von der Notfallreaktion (Cannon) zum AllgemeinenAnpassungs-Syndrom (Selye) (Alarmreaktion – Widerstand –Erschöpfung) • Distress mit organschädigendem Einfluß (Organwahl: Sollbruchstellen) • Einfache + unspezifische Theorie mit Attraktivität • Relevanz für PSOM durch Einbeziehung sozialer Spannungen in Stressbelastung Psychosozialer Stress (Life-event-Forschung)

Aktuelle psychosomatische Krankheitsmodelle Multifaktorielle Ätiopathogenese-Modelle unter Berücksichtigung von - biologischen - psychischen - sozialen Einflussfaktoren und ihrer Interdependenz in der individuellen Biographie des Patienten.

psychisch krank

Biopsychosoziale Dimensionen des Krankseins

körperlich krank

Psychosomatische Modelle / Konzepte

Bio-Psycho-Soziales Modell

George L. Engel 1914-1999

Biologisches, Psychisches und Soziales sind Teile eines Ganzen, die vielfach miteinander verflochten sind und sich gegenseitig beeinflussen.

Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Biografische Dimension Bewältigung / Gesundung

Genetik („Nature“) Kindliche Prägung

Entwicklung Reifung

Schwellensit., Krisen, Altern Störung / Krankheit

Umwelt („Nurture“) Erleben Psychophysiologie Verhalten

Tod

Folgeprobleme Krankheitsprogress

Ch. Herrmann-Lingen, UMG, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie