Acne vulgaris Psychosomatische Aspekte

Übersichtsarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.06110.x English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg Acne vulgaris – Psychosomatische ...
Author: Lena Fleischer
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Übersichtsarbeit

DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.06110.x English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg

Acne vulgaris – Psychosomatische Aspekte Acne vulgaris – Psychosomatic aspects Volker Niemeier1, Jörg Kupfer2, Uwe Gieler3 (1) Abt. für Dermatologie und Andrologie, Justus Liebig Universität, Gießen, Deutschland (2) Abt. für Medizinische Psychologie, Justus Liebig Universität, Gießen, Deutschland (3) Abt. für Psychosomatische Medizin, Psychosomatische Dermatologie (Prof. Dr. U. Gieler), Justus Liebig Universität, Gießen, Deutschland Reproduced from JDDG; 2006 • 4:1027–1036

JDDG; 2010 • 8:S95–S104

Submitted: 24.3.2006 | Accepted: 26.6.2006

Schlüsselwörter

Zusammenfassung

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Akne ist mehr als lästige Pickel. Die Erkrankung kann mit Ängsten, depressiven Symptomen und anderen schwerwiegenden psychischen Problemen einhergehen sowie die Lebensqualität ähnlich stark beeinträchtigen wie dies bei lebensbedrohlichen oder entstellenden Erkrankungen der Fall ist. Akne kann bei Patienten – häufig unabhängig vom Schweregrad der Akne – psychische Probleme bereiten, die in der dermatologischen Behandlung Berücksichtigung finden sollten. Eine alleinige Dermatotherapie erreicht häufig nicht ihr Ziel und kann zu einer schlechten Patienten-Compliance führen. Auch bei Patienten mit leichten Akne-Formen werden gehäuft depressive Tendenzen bis hin zur Suizidalität gefunden. Aknepatienten leiden besonders unter sozialer Beeinträchtigung und verminderter Lebensqualität. Psychische Komorbiditäten bei Akne sind wahrscheinlich höher als allgemein angenommen wird. Psychosomatische Aspekte sollten immer dann besonders berücksichtigt werden, wenn der Verdacht auf depressiv-ängstliche Störungen, insbesondere bei Hinweisen auf Suizidalität, körperdysmorphe Störungen, aber auch Störungen der Compliance besteht. Idealerweise erfolgt die Behandlung bei gegebener Indikation interdisziplinär zusammen mit einem psychotherapeutisch ausgebildeten Arzt oder Psychologen. Der Dermatologe sollte aber auch selbst über Kenntnisse der psychosomatischen Grundversorgung einschließlich der Psychopharmakotherapie verfügen, um sie gegebenenfalls zusätzlich zur dermatologischen Routinetherapie einsetzen zu können.

Akne Psyche Psychosoziale Aspekte Krankheitsbewältigung bei Akne Depression Angst Psychotherapie

Keywords

Summary

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More than a cosmetic nuisance, acne can produce anxiety, depression, and other psychological problems that affect patients’ lives in ways comparable to life-threatening or disabling diseases. Emotional problems due to the disease should be taken seriously and included in the treatment plan. A purely dermatological therapy by itself may not achieve its purpose. Even mild to moderate disease can be associated with significant depression and suicidal ideation, and psychologic change does not necessarily correlate with disease severity. Acne patients suffer particularly under social limitations and reduced quality of life. Psychological comorbidities in acne are probably greater than generally assumed. Attention should be paid to psychosomatic aspects especially if depressive-anxious disorders are suspected, particularly with evidence of suicidal tendencies, body dysmorphic disorders, or also in disrupted compliance. Therefore, patients who report particularly high emotional distress or dysmorphic tendencies due to the disease should be treated, if possible, by interdisciplinary

acne psyche psychosocial aspects coping behavior depression anxiety psychotherapy

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therapy. The dermatologist should have some knowledge of the basics of psychotherapy and psychopharmacology, which sometimes must be combined with systemic and topical treatment of acne in conjunction with basic psychosomatic treatment. Einleitung Acne vulgaris ist eine multifaktorielle Erkrankung, die auf einer Verhornungsstörung der Talgdrüsenfollikel beruht. Diese führt zu Komedonenbildung, einer verstärkten Talgbildung, die durch Androgene beeinflusst wird, zur Proliferation von Propionibacterium acnes und zur Entstehung einer perifollikulären Entzündung [1–4]. Genetische [5], sonstige hormonelle (z.B. Corticotropinreleasing-Hormon CRH) [6] und psychische Faktoren [7] können auch zur Erkrankung beitragen. Die Akne tritt meist in der Pubertät und Jugend auf. In der Dermatologie ist sie eines der häufigsten klinischen Bilder [8, 9]. Da Akne als normale Hautreaktion während der Pubertät angesehen wird, wenden sich weniger als 20 % der Patienten an einen Arzt [10, 11]. Prävalenz Eine Abschätzung der Prävalenz ist schwierig; aus verfügbaren Daten lässt sich eine Prävalenz zwischen 30 und 85 % bei 11–30-Jährigen entnehmen [12]. Eine repräsentative epidemiologische Studie in einer deutschen Großstadt wies auf eine Akne-Prävalenz von 26,8 % in einer der Allgemeinbevölkerung entsprechenden Stichprobe hin [13]. Die Akne-Prävalenz in einer repräsentativen Gruppe französischer Frauen (Alter 25-40 Jahre) lag bei 17 % [11]. Bei Patienten mit Akne nach der Jugendzeit, d.h. Akne im Alter von über 25 Jahren, fand sich ein später Erkrankungsbeginn bei 18,4 % der Frauen und 8,3 % der Männer [14]. Die Prävalenz einer ausgebrannten Akne wurde bislang nicht systematisch untersucht. In ihrer repräsentativen Studie gaben Poli et al. [11] sichtbare Aknenarben oder Pigmentflecken bei 49 % der untersuchten 25-40-jährigen Frauen an. Akne und auslösende Faktoren Ein häufiges Vorurteil besagt, Akne würde durch die Ernährung beeinflusst [15, 16]. Eine Literaturübersicht des Jahres 1951 wies darauf hin, dass Ernährungsfaktoren, insbesondere Schokolade, einen signifikanten Einfluss auf die Exazerbation der Akne haben [17]. Dieser Gedanke wurde später abgelehnt, hauptsächlich aufgrund einer verblinde-

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ten Studie, die vom Verband der Schokoladenhersteller (Chocolate Manufacturers Association) der USA gesponsert wurde [18, 19]. Die Frage nach dem Einfluss der Ernährung auf die Auslösung von Akne wird noch komplizierter durch den Befund, dass die Häufigkeit von Akne sowie weiterer Erkrankungen bei Eskimos zunahm, nachdem deren Ernährung sich stärker an westlichen Gewohnheiten orientierte [20]. Weitere Informationen hierzu werden zweifelsohne benötigt, da ein Zusammenhang zwischen Ernährung und Akne bislang nicht definitiv ausgeschlossen wurde [21]. Einige Patienten suchen möglicherweise in ihrer Bemühung, ihre Akne zu kontrollieren, Zuflucht in Diäten. Eine rezidivierende Akne kann andererseits auch ein kutanes Symptom einer zugrunde liegenden Essstörung sein [22]. Kürzlich veröffentlichte Studien zeigten erneut einen Zusammenhang zwischen der Ernährung und Acne vulgaris [23, 24]. Dennoch müssen weitere Studien durchgeführt werden, um eine Ernährungsempfehlungen betreffende Behandlung zu optimieren. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Akne und der Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten fand sich in einer epidemiologischen Studie in der Allgemeinbevölkerung [13]. Eine prämenstruelle Exazerbation fand sich in 78 % der Fälle als Akneursache [11]. In einer neueren Studie [16] zeigte sich allgemein, dass auslösende Faktoren heutzutage korrekter beurteilt werden als noch vor 20 Jahren [15]. Laienhyothesen zur Ätiologie der Akne sind häufig, ebenso stark lehnen Dermatologen viele dieser Beobachtungen als Mythen und fälschliche Vorstellungen ab. Angesichts dessen gibt es überraschend wenige Belege für die Wirksamkeit oder fehlende Wirksamkeit von Ernährungsfaktoren, Wasch- und Reinigungsprozeduren des Gesichts und Sonnenlichtexposition zum Management der Akne. Viele der verfügbaren Studien haben methodische Begrenzungen. Auf Basis des gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstands können Kliniker bezüglich Ernährung, Hygiene, Gesichtsreinigung und Sonnenlicht Patienten mit Akne nicht aus-

reichend beraten. Ratschläge können teilweise nur individuell erteilt werden und sowohl Kliniker als auch Patienten sollten sich deren Begrenzungen bewusst sein [25]. Stress und Emotionen als auslösende Faktoren Nicht nur Patienten, sondern auch Medizinstudenten und Ärzte sind der Meinung, emotionale Faktoren seien für den Akneverlauf von großer Bedeutung [11, 26–29]. Stress wurde in 50 % der Fälle als Auslöser der Akne angegeben [11]. „Stress“ ist nach Meinung von 67 % der befragten Medizinstudenten im sechsten Studienjahr sogar ein wichtiger beeinflussender Faktor [29]. Es wurde zwar seit langem vermutet, emotionaler Stress sei verantwortlich für eine Exazerbation der Acne vulgaris, bisherige Berichte über eine Beeinflussung des Schweregrads der Akne durch emotionale Faktoren beruhten jedoch hauptsächlich auf anekdotischen Erzählungen. Inzwischen haben einige experimentelle Studien den Beleg dafür erbracht, dass Stress tatsächlich zu einer Exazerbation der Akne führt. In einer älteren Studie zeigten Lorenz et al. [30] bereits, dass die Anzahl der Akneläsionen sich innerhalb von Tagen nach einem belastenden Gespräch, in dem absichtlich Ärger hervorgerufen wurde, erhöhte. Die bekannte Ätiopathologie der Akne weist darauf hin, dass psycho-neuro-endokrinologische und psycho-immunologische Zusammenhänge existieren. Nur in wenigen Studien wurde dieser Zusammenhang untersucht, obwohl bekannt ist, dass Hormone, die über einen ZNS-Kreislauf gesteuert werden, an der Pathogenese der Akne beteiligt sind [31, 32]. Es wurden verschiedene Mechanismen dafür vorgeschlagen, weshalb Stress die Acne vulgaris verschlimmern könnte. In neueren Studien gab es Hinweise darauf, dass die menschlichen talgproduzierenden Zellen funktionelle Rezeptoren für Corticotropin-releasing-Hormon, Melanocortine, Beta-Endorphin, vasoaktives intestinales Polypeptid, Neuropeptid Y und Calcitonin-Gen-related Peptid exprimieren [6, 33]. Nach Bindung von Liganden modulieren diese Rezeptoren die Produktion

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inflammatorischer Zytokine, Proliferation, Differenzierung, Lipogenese und Androgenmetabolismus in Sebozyten. Über ihre autokrinen, parakrinen und endokrinen Wirkmechanismen scheinen diese neuroendokrinen Faktoren zentral und lokal induzierten Stress auf die Talgdrüsen zu übertragen, was schlussendlich den klinischen Verlauf der Akne beeinflusst [34]. Eine Erhöhung von Corticosteroiden und Androgenen in der Nebenniere, beides Hormone, die bekanntermaßen eine Akne verschlimmern, findet sich in Zeiten emotionaler Belastung. Substanz P kann die Lipogenese der Talgdrüsen stimulieren, der eine Proliferation von Propionibacterium acnes folgen kann und die über eine Provokation entzündlicher Reaktionen über die Mastzellen einen starken Einfluss auf die Talgdrüsen ausüben kann [35]. Schließlich kann psychischer Stress die Wundheilung um bis zu 40 % verlangsamen [36], das könnte ein Faktor in der Abheilung von Akneläsionen sein (Abbildung 1). Kraus [37] beobachtete 56 Tage lang vor, während und nach Universitätsexamina neun männliche Studenten und gab eine Zunahme von Pusteln mit einem Maximum kurz nach dem Examen an. Scholz [38] reproduzierte diese Ergebnisse in einer ähnlichen Studie. Das Ausmaß, in dem gravierende Lebensereignisse eine Akne triggern oder verschlimmern können, wurde bislang nicht systematisch untersucht [39, 40]. Bei Patientinnen wurden 13 Fälle von postpubertärer Akne beschrieben, deren Erkrankungsbeginn dabei in Verbindung mit einer Trennung vom Ehepartner stand [41]. In einer prospektiven Kohortenstudie mit einer Gruppe von 22 freiwilligen Studenten (15 Frauen und 7 Männer) wurden die Probanden mit Hilfe der Leeds-Akneskala nach dem Schweregrad ihrer Akne eingeteilt, die subjektive Stärke des Stresses wurde mit dem Perceived Stress Scale-Fragebogen [42] sowohl in Zeiten ohne Examina als auch in Examenszeiten untersucht. Die Probanden hatten während der Examina einen signifikant höheren durchschnittlichen Schweregrad der Akne bei höherem, subjektiven Stress [43]. Differentialdiagnose aus psychosomatischer Sicht Psychogene Exkoriation (ICD-10 L 70.5, L 98.1) Synonyme: neurotische Exkoriation, Acne excoriée, pathologisches oder zwanghaftes

ZNS

über

Hypothalamus, Hypophyse ACTH Nebennierenrinde

gonadotrope Hormone Gonaden

Androgenausscheidung

Neurotransmitter

TSH, STH

Erhöhte androgene Stimulierbarkeit der Talgdrüsen

Immunsystem

Verstärkte Talgsekretion

Komedonen Entzündung Abbildung 1: Mögliche psycho-endokrinologische und psycho-immunologische Faktoren, die den Verlauf der Akne beeinflussen.

Aufkratzen der Haut und Dermatotillomanie. Die psychogene Exkoriation ist durch exzessives Kratzen oder Aufkratzen von normaler Haut oder Haut mit geringfügigen Oberflächenunregelmäßigkeiten gekennzeichnet. Schätzungen zufolge tritt sie bei 2 % der dermatologischen Patienten auf. Psychiatrische Begleiterkrankungen bei Patienten mit psychogener Exkoriation, insbesondere Stimmungs- und Angststörungen, sind häufig. Patienten mit psychogener Exkoriation haben häufig Begleiterkrankungen wie Zwangsstörungen, körperdysmorphe Störungen, Substanzabusus und Borderline-Persönlichkeitsstörungen [44]. Es gibt nur wenige Studien zur medikamentösen Behandlung mit Psychopharmaka von Patienten mit psychogener Exkoriation. Fallstudien, offene Studien und kleine Doppelbindstudien haben die Wirksamkeit selektiver Serotonin(5-Hydroxytryptamin; 5-HT) Wiederaufnahmehemmer bei psychogener Exkoriation gezeigt [44, 45]. Es gibt keine kontrollierten Studien zu Verhaltensoder psychodynamischer Therapie bei psychogener Exkoriation. Therapien, die sich in Fallberichten als wirksam erwiesen haben, umfassten eine verhaltenstherapeutische Technik, die als habit reversal („Umkehrung von Gewohnheiten“) bezeichnet wird, Programme mit verschie-

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denen Komponenten wie Selbstbeobachtung, Aufzeichnen von Zeiten mit Kratzen und Maßnahmen, die zu alternativen Reaktionen als Kratzen führen, sowie einem „eklektischen“ Psychotherapieprogramm mit einsichtsorientierten und verhaltensorientierten Modulen [44, 46]. Körperdysmorphe Störung (BDD) (ICD-10 F 45.2) Synonyme: Dysmorphophobie, Nihilodermie, dermatological non-disease („dermatologische Nicht-Krankheit“) [47], dermatologische Hypochondrie [48]. Die körperdysmorphophobe Störung (Body dysmorphic disorder [BDD]) ist ein Syndrom, das dadurch charakterisiert ist, dass eingebildete oder geringfügige Defekte des eigenen Erscheinungsbildes zu Störungen führen. Hierbei handelt es sich zwar um eine psychische Erkrankung, die meisten betroffenen Patienten kommen jedoch zum Dermatologen oder plastischen Chirurgen, um ihren beobachteten vermeintlichen Defekt behandeln zu lassen. Operative Therapien sind normalerweise für den Patienten und den Arzt nicht zufrieden stellend. Eine psychotherapeutische Behandlung ist eine Herausforderung [49]. Die BDD hat in der Allgemeinbevölkerung eine Prävalenz von 0,7–5 % [50, 51]. Bei dermatologischen Patienten und Patienten in

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Zentren für ästhetische Medizin wird eine Häufigkeit zwischen 11,9 % und 18,4 % beschrieben [52, 53]. In einer Studie mit 188 Patienten mit BDD hatten 46 % der Patienten sich zuvor an einen Dermatologen gewandt, 38 % waren auch tatsächlich dermatologisch behandelt worden [54]. Gelegentlich kommen Patienten mit BDD zum Arzt und klagen über eine schwerwiegende, entstellende Akne [55–57]. Typischerweise besteht bei BDD eine starke Diskrepanz zwischen den subjektiven Beschwerden und den objektiven ärztlichen Befunden [58]. In den meisten Fällen lassen sich emotionale Begleiterkrankungen diagnostizieren. Patienten mit einer körperdysmorphen Störung haben ein höheres Suizidrisiko [52], 22 % der Patienten mit BDD haben in Untersuchungen bereits einen Suizidversuch unternommen [47, 59]. Die Überweisung zu einem Psychotherapeuten, die normalerweise indiziert ist, erfordert ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen seitens des Dermatologen. Bei Patienten, bei denen es eine starke Diskrepanz zwischen dem subjektiven und den objektiven Befunden des Arztes gibt, sind psychodiagnostische und therapeutische Maßnahmen indiziert [47, 59, 60]. Die Mehrzahl von Patienten mit BDD bemühen sich um eine nicht-psychiatrische Behandlung und erhalten sie häufig auch. Operativ-ästhetische Maßnahmen verbessern jedoch nur selten die BDDSymptome. Organmediziner sollten sich der BDD, ihres klinischen Bildes und wirksamer Therapien bewusst sein (z. B. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer in Verbindung mit kognitiver Verhaltenstherapie oder psychodynamische Therapieverfahren wie tiefenpsychologische Psychotherapie). Kurze Fragebögen zur Selbstwahrnehmung können Patienten miit BDD gut erfassen. Da Betroffene mit BDD häufig primär in nichtpsychiatrische Behandlung kommen, sollten somatische Behandler eine BDD diagnostizieren können und die Patienten ggf. zu einer geeigneten (psychotherapeutischen) Behandlung überweisen [61]. Akne und hautspezifische Fragebögen Es gibt viele Möglichkeiten, über die Hauterkrankungen die Lebensqualität (quality of life (QOL)) von Patienten beeinflussen zu können. Methoden zur Messung der QOL in der Dermatologie

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wurden von Finlay beschrieben [62]. Hierzu gehören allgemeine Gesundheitsparameter, hautspezifische Parameter wie der Dermatology Life Quality Index (DLQI), die Dermatology Quality of Life Scales (DQOLS), der Dermatology Specific Quality of Life (DSQL), und der Acne Disability Index (ADI) sowie der Skindex [63, 64]. Befunde, die mittels des Skindex, eines validierten Instruments mit 29 Items auf drei Skalen (Funktionsfähigkeit, Psyche und Symptome) und einem zusammengesetzten Score (Durchschnitt der Skalen), erhoben wurden, um die Auswirkungen von Hauterkrankungen auf die Lebensqualität eines Patienten zu messen, zeigten, dass Patienten mit Akne (n ⫽ 60) aufgrund ihrer Hauterkrankung unter Störungen der Funktionsfähigkeit und Emotionen litten, die denen von Patienten mit Psoriasis ähnlich waren, jedoch weniger körperliche Symptome angaben. Unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung waren ältere Erwachsene durch ihre Akne stärker beeinträchtigt [65]. Der Marburger Hautfragebogen-MHF (Adjustment to Chronic Skin Diseases Questionnaire [CSD]) deckt wichtige Bereiche des Umgangs mit Akne ab, insbesondere soziale Ängste, Hilflosigkeit, ängstlich-depressive Verstimung und Beeinflussung der Lebensqualität [66–68]. Aknepatienten hatten in allen MHFSkalen signifikant höhere Scores, außer in der Skala für ängstlich-depressive Verstimmung [16]. Patienten mit höherer Bildung hatten geringere MHF-Scores, was darauf hinweist, dass sie informierter sind, besser mit der Erkrankung umgehen können und subjektiv weniger dadurch beeinträchtigt sind. Eine höhere Bedeutung der Erkrankung für Patienten mit geringerer Bildung wurde auch von Gloor et al. angegeben [15]. Messungen der psycho-sozialen Beeinträchtigung sind zu Forschungszwecken erforderlich und können für die klinische Praxis sowie die Beurteilung neuer medikamentöser Therapien von Bedeutung sein. Beeinträchtigung und Lebensqualität Die Bedeutung der psychosomatischen Komponente in der Pathogenese der Akne wird unterschiedlich beurteilt. Eine sekundäre emotionale Beeinträchtigung aufgrund der Entstellung durch die Erkrankung ist jedoch nahezu unumstritten [7, 38, 69–72]. Die psychische Beeinträchtigung durch Akne wurde be-

reits von Sulzberger und Zaidens betont [26]: „Es gibt vermutlich keine einzelne Erkrankung, die zu stärkerem psychischem Trauma, stärkerem Streit zwischen Eltern und Kindern, stärkerer allgemeiner Unsicherheit und Gefühlen der Unterlegenheit sowie einem stärkeren psychischen Leidensdruck führt als die Acne vulgaris”. Psychische Aspekte werden dennoch in der Therapie von Akne-Patienten häufig vernachlässigt, was zu einer mangelnden Compliance führen kann und dazu, dass der Patient mit der Therapie unzufrieden ist [10, 73, 74]. Koo [75] warnt davor, die Akne nur als „kosmetisches Problem“ anzusehen. Nahezu 70 % von 4.597 befragten Aknepatienten gaben eine psychosoziale Zurückweisung an [76]. Die psychosoziale Zurückweisung scheint nicht nur eine subjektive Erfahrung zu sein, da 18 bis 30-jährige Aknepatienten erheblich häufiger arbeitslos sind als Hautgesunde [77]. Aus psychosozialen Untersuchungen ist gut bekannt, dass Merkmale wie „freundlich“, „sozial“ und „intelligent“ eher körperlich Attraktiven als körperlich Unattraktiven beigemessen werden [78]. Motley und Finlay [79] befragten 100 Patienten mit Akne mit einem standardisierten Fragebogen und fragten, wie stark sie sich durch ihre Erkrankung beeinträchtigt fühlten. Der ADI korrelierte dabei mit dem Schweregrad von Akne im Gesicht, an der Brust und dem Rücken. Die finanzielle Bedeutung der Aknetherapie für Patienten wurde erfragt: Würden ihnen hypothetisch entweder die Heilung ihrer Akne oder £500 (etwa € 750,-) angeboten, bevorzugten 87 % der Patienten die erfolgversprechende Behandlung gegenüber dem Geld. Alle 13 Patienten, die den Betrag von £500 bevorzugten, hatten nur eine minimale Akne. Es gab keine Korrelation zwischen dem klinischen Schweregrad der Akne und dem Betrag, den Patienten für eine hypothetische Heilung bezahlen würden, es besteht jedoch eine Korrelation zwischen dem ADI (subjektive Beeinträchtigung) und dem Betrag, den die Patienten für eine hypothetische Heilung zahlen würden [79]. Eine positive Assoziation fand sich auch zwischen mangelndem Selbstvertrauen und dem Schweregrad der Akne im Vergleich zu Kontrollprobanden [80] Mallon et al. [70] befragten 111 Aknepatienten mit einem Fragebogen zur Lebensqualität (SF-36) und verglichen die Ergebnisse

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mit den Antworten von Patienten mit anderen zum Teil schwerwiegenden organischen Erkrankungen. Aknepatienten verneinten zwar, dass sie körperlich schwer erkrankt sind, gaben jedoch darüber hinaus emotionale und soziale Probleme an, die denen gleich waren, die von Patienten angegeben wurden, die allgemein als „schwer krank“ bezeichnet werden würden (Asthma, chronische Schmerzen, Diabetes, Epilepsie, Rheuma). Aknepatienten sehen sich anscheinend nicht als körperlich behindert an, geben jedoch eine starke Beeinträchtigung der Lebensqualität in sozialen Bereichen an [70]. Akne beeinflusst die Lebensqualität negativ, und je stärker die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Akne ist, umso stärker sind Angst und Depression ausgeprägt [81]. (Test-) psychologische Störungen bei Aknepatienten In keiner der Studien zu allgemeinen Persönlichkeitsfaktoren, die meist in den 60er Jahren durchgeführt wurden, zeigte sich eine signifikante Differenz zwischen Aknepatienten und der Gruppe gesunder Kontrollprobanden [82, 83]. Wie bereits für andere Erkrankungen gezeigt wurde, haben Aknepatienten keine charakteristische Persönlichkeitsstruktur [84]. Allerdings untersuchten Polenghi et al. [85] 33 Aknepatienten und schlussfolgerten, dass es sich insbesondere um Patienten mit depressiven und konformistischen Persönlichkeitszügen handelte. Die Autoren gaben keine Informationen zur Auswahl der Patienten oder zum Schweregrad der Akne an. Zudem handelte es sich um ältere Patienten, das Durchschnittsalter lag bei über 27 Jahren, daher wurden möglicherweise mehrere Patienten mit persistierender Akne in die Studie eingeschlossen. Rapp et al. [86] zeigten bei 479 Aknepatienten, dass erhöhte Werte in der Sklala Aggressionsneigung („Trait Anger“) mit verminderter Lebensqualität der Patienten und einer eingeschränkten Zufriedenheit mit der Therapie assoziiert sind. Patienten mit Akne waren neurotischer, besorgter um ihre Körperfunktionen und hatten eine geringere Bereitschaft zur psychischen Selbstverteidigung als eine hautgesunde Population [87]. Emotionale Probleme können jedoch auch im Krankheitsverlauf bei Akne entstehen, sie sind häufig jedoch unabhän-

gig vom Schweregrad. Picardi et al. [88] fanden vermehrt psychiatrische Begleiterkrankungen (> 30 %) bei Patienten mit Akne im General Health Questionnaire (GHQ-12). Gupta und Gupta [22, 89] beschreiben psychiatrische Begleiterkrankungen bei Aknepatienten. Sie unterstrichen, dass depressive Aknepatienten immer auf ein Suizidrisiko hin untersucht werden sollten. Patienten mit Akne am Stamm geben einer stärkeren psycho-sozialen Beeinträchtigung Ausdruck, die auch mit dem Schweregrad ihrer Erkrankung korreliert [90]. Mit Hilfe des State-Trait-Anxiety Inventory, beobachteten Garrie und Garrie [91] signifikant höhere Scores bei Aknepatienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Medansky [92] fand jedoch bei Patienten mit schwerwiegender Akne keine höheren Angstscores. Aknepatienten sind weniger depressiv als Schmerzpatienten oder – erwartungsgemäß – Patienten mit einer depressiven Störung [16]. Im Vergleich zu anderen Hautpatienten zeigt sich jedoch, dass Aknepatienten ebenso depressiv sind wie stationär behandelte Psoriasispatienten [89]. Rubinow und Peck beobachteten [93] eine signifikante Reduktionen von Angst nach der Akne-Therapie. Dabei veränderten sich am deutlichsten die Angstund Depressionswerte bei Patienten mit der stärksten dermatologischen Besserung nach Behandlung mit Isotretinoin. Sayar et al. [94] verglichen 31 Aknepatienten mit 25 Kontrollprobanden mit gesunder Haut und beobachteten bei Aknepatienten verstärkte Züge von Angst und Depression. Die Autoren zogen hieraus den Schluss, dass die starken Züge von Angst möglicherweise auf der seit lange bestehenden Beeinträchtigung beruhen, die durch die Akne im Sozialbereich hervorgerufen wird. Zudem fand sich bei Aknepatienten ein geringeres Selbstwertgefühl. Depression und Suizid sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen häufig. Fallberichte weisen zwar auf einen Zusammenhang zwischen der Gabe von Isotretinoin und Depression sowie erhöhtem Suizidrisiko hin. Strengere Beobachtungsstudien und epidemiologische Studien mit unterschiedlichen Designs haben jedoch keine Auswirkung von Isotretinoin im Sinne eines vermehrten Auftretens von Depression und Suizid gefunden. In der Praxis sollte dem-

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nach weiterhin Isotretinoin zur Therapie der schwerwiegenden Akne eingesetzt werden. Gleichzeitig sollten jedoch die mit Isotretinoin behandelten Patienten und deren Verwandte darüber informiert werden, dass depressive Symptome sofort mitgeteilt werden sollen. Bei entsprechender Indikation muss eine Überweisung zu einem Psychiater sowie das Absetzen von Isotretinoin erfolgen [95]. Psychoanalytische Aspekte In Fällen, in denen aufgrund früher Kindheitserfahrungen kein stabiles Körperbild und Selbstwertgefühl entstanden ist, kann eine Akne während der psychisch empfindsamen Jugendzeit ein harter Schlag sein. In Studien hat sich gezeigt, dass körperlich behinderte Kinder besonders empfindlich für negative psychische Auswirkungen sind, wenn diese Behinderungen in der Jugendzeit bestehen bleiben [84, 96, 97]. Studien, die tiefenpsychologische Aspekte bei Akne berücksichtigen, stehen nur in Form von Fallberichten zur Verfügung [98]. Danach liegen emotionale Probleme vorwiegend bei Patienten mit persistierender Akne vor. Die meisten anderen Veröffentlichungen beziehen sich auf Patienten mit Acne excoriée. In einer gut dokumentierten Studie war die Übereinstimmung zwischen vorliegender psychischer Erkrankung bei Patienten mit Hauterkrankungen und der Diagnose des Dermatologen gering [99]. Nur in 39 % der Fälle wurden die vorliegenden psychischen Störungen von signifikant beeinträchtigten Patienten während des Arztbesuchs vom Dermatologen diagnostiziert. Der Grad der Empathie des Dermatologen schien dabei die Diagnosehäufigkeit von psychischen Auffälligkeiten nicht zu beeinflussen. Erkannten Dermatologen, dass die Patienten ängstlich und/oder depressiv waren, erfolgten in den meisten Fällen keine weitere diagnostischen oder therapeutischen Schritte. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen diagnostische und therapeutische Lücken in der Routineversorgung. Eine Verbesserung des psychischen und psychosomatischen Managements bei Patienten mit Hauterkrankungen erscheint daher erforderlich. Subjektiver und objektiver Schweregrad Welp und Gieler [100] sowie Medansky [92] fanden keine signifikante Korrelation

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zwischen objektiven klinischen Befunden und psychometrischen Variablen bei Acne vulgaris. Gloor et al. [15] gaben an, dass der objektive Schweregrad der Erkrankung nicht unbedingt richtungsweisend für die Therapiemotivation ist. Eine mögliche Erklärung dieses Phänomens ist, dass Patienten, die allgemein besorgt über ihr Erscheinungsbild sind, bereits durch das Auftreten geringfügiger Läsionen beeinträchtigt sind und zunehmend befürchten, diskriminiert zu werden. Patienten mit schwerwiegender Akne fühlen sich hingegen möglicherweise weniger entstellt, wenn sie von ihrer Umgebung akzeptiert werden und ein gutes Selbstvertrauen haben, z. B. aufgrund anderer Fähigkeiten und einer stabilen Persönlichkeit. In diesem Fall sind Furcht vor Diskriminierung oder Angst vor der Unkontrollierbarkeit der Erkrankung geringer. Die Auswirkungen einer Gesichtsakne auf zwischenmenschliche Beziehungen sind unbestritten, es hat sich jedoch gezeigt, dass psychische Parameter nur geringfügig mit dem Schweregrad der Akne korrelieren [101–103]. Nur bei Patienten mit Akne am Stamm korreliert der Grad der psycho-sozialen Beeinträchtigung mit dem Schweregrad der Erkrankung [90]. Wovon ist das Leiden von Aknepatienten abhängig? Bosse und Hünecke [104] beschreiben, dass das Leiden von Aknepatienten von folgenden Faktoren beeinflusst wird: • Bewertung des Erscheinungsbilds • Chronizität der Hauterkrankung • Emotionale Begleiterkrankungen • Geschlecht und Alter • Kindheitserfahrungen • Lokalisation und Sichtbarkeit • Selbstwertgefühl Welche Aknepatienten kommen in medizinische Behandlung? Nur etwa 17–22 % der Patienten mit Akne kommen in medizinische Behandlung [10, 11]. Viele Aknepatienten verwenden freiverkäufliche Cremes oder werden von Nicht-Medizinern mit adjuvanten Therapien behandelt [105]. Der subjektive Schweregrad der Akne ist dabei das Kriterium, dass die Suche nach medizinischer Hilfe vorhersagen kann [106]. Kramer und Garralda [107] fanden heraus, dass 38 % der Teenager zwischen 13 und 16 Jahren, die beim Allgemeinarzt in Behandlung waren, eine

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psychiatrische Erkrankung hatten, aber bei nur 2 % wurde initial eine psychiatrische Diagnose gestellt. Akne war die häufigste Beschwerde, die mit derartigen verborgenen psychiatrischen Störungen assoziiert war. Somit scheinen bei Patienten mit Akne, die medizinische Hilfe in Anspruch nehmen, gehäuft verdeckt psychische Auffälligkeiten vorzuliegen. Therapieerwartungen, Selbstbehandlung der Akne und hilfesuchendes Verhalten Aknepatienten haben häufig zu hohe Erwartungen an die Therapie [108]. In einer früheren Studie von Rasmussen und Smith [109] gaben 86 % der Patienten an, für sie sei Pflege mit Wasser und Seife alleine ausreichend. Smithard et al. [110] untersuchten eine repräsentative Stichprobe von 317 Schülern im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, die eine Gesamtschule in Großbritannien besuchten. Bei 50 % wurde Akne diagnostiziert. Ihren Angaben zufolge war die häufigste Methode zur Behandlung der Hauterkrankung, sich häufiger zu waschen (82 %), 50 % tranken mehr Wasser, 21 % änderten ihre Ernährung, 35 % hatten eine abdeckende Substanz verwendet und 9 % hatten freiverkäufliche Cremes verwendet. Nur neun Teilnehmer (3 %) gaben an, sie hätten vom Arzt verschriebene Produkte für die Haut verwendet. Weniger als ein Drittel der Teilnehmer mit eindeutiger Akne waren zum Arzt gegangen [110]. In der Behandlung von Aknepatienten ist die Entwicklung einer guten Arzt-Patienten-Beziehung eine wesentliche Grundlage, um die individu-

elle Situation, soziale Umgebung und gegebenenfalls depressive Reaktionen der Patienten verstehen zu können. Stangier unterstrich auch, wie wichtig es sei, auch die subjektiven Vorstellungen des Patienten zu berücksichtigen, um die Compliance und damit auch die Patientenanbindung zu verbessern [111]. Umgang mit Akne Viele Aknepatienten gehen nicht zum Arzt, unabhängig vom Schweregrad der Akne. Unter den Patienten, die zum Arzt gehen, sind sowohl emotional stabile Aknepatienten, aber auch Patienten mit depressiven Störungen bis hin zu Patienten mit suizidalen Krisen, Rückzugstendenzen, Anpassungsstörungen und körperdysmorphen Störungen [16, 53, 75, 90, 107]. Negative Auswirkungen auf Sozialkontakte und Sexualität wurden ebenfalls beschrieben (Tabelle 1) [75]. Vorbestehende psychische Strukturen beeinflussen den Umgang mit der Erkrankung [84]. Erfolgreiche Aknetherapien führen nicht immer zur Verbesserung aller psycho-sozialen Parameter. Depression und soziale Ängste scheinen klinischen Besserungen gegenüber relativ resistent zu sein [112]. Alt [113] untersuchte 58 Jugendliche mit Akne, die nicht zum Arzt gingen. Sie fand keine psychischen Differenzen zwischen den Jugendlichen mit oder ohne Akne. Nur bei Jugendlichen mit sehr schwerwiegender Akne waren Defizite im Sozialkontaktverhalten zu beobachten [113]. Akne und Compliance In der Allgemeinheit herrschen häufiger fälschliche Vorstellungen darüber, welche

Tabelle 1: Ungünstige Krankheitsbewältigung bei Akne. Ungünstige Krankheitsbewältigungbei Aknepatienten Anpassungsstörung [110]

ICD-10 F 43.2

Körperdysmorphe Störung (Body dysmorphic disorder (BDD)) F 45.2 [49, 55–59, 61] Depression [89, 93–95]

F 32

Essstörungen [121]

F 50

Sozialphobie und andere Angststörungen [87, 92–94, 103, 112]

F 40.1

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Akne vulgaris – Psychosomatische Aspekte

Faktoren eine Acne vulgaris verschlimmern [29]. Die Compliance wird durch falsche Überzeugungen über die Pathogenese der Akne und durch unangemessene Erwartungen an Therapie und Heilung negativ beeinflusst. Gibt es große Diskrepanzen zwischen den Erwartungen von Patient und Arzt, kann sich eine negative Arzt-Patienten-Beziehung entwickeln [16, 75]. In einer repräsentativen schriftlichen Umfrage untersuchte Korczak [10] 3162 Probanden. Davon litten 377 unter Akne. Nur 17 % der Antwortenden mit Akne erhielten eine medizinische Behandlung, 43 % der behandelten Patienten waren mit der Therapie nicht zufrieden, 48 % hatten den Eindruck, der Arzt verstünde ihre Probleme nicht und 47 % waren der Meinung, sie hätten zu wenige Informationen über ihre Erkrankung erhalten [10]. Draelos et al. führten eine prospektive Studie durch [74], mit der die Compliance von Aknepatienten gefördert werden sollte. Die Patienten selbst durften die topische Trägersubstanz aussuchen, die Ärzte sollten den Patienten standardisierte mündliche und schriftliche Informationen geben. Adäquate nonverbale Kontakte wie Augenkontakt wurden betont, die Patienten wurden ermutigt, Fragen zu stellen. Die Patienten erhielten nur drei Anweisungen zu Art der Anwendung, Häufigkeit der Anwendung und Vorgehensweise bei therapiebezogenen Problemen, die so eindeutig und kurz wie möglich gehalten wurden. Bei Ende der Konsultationen wurden die Patienten darum gebeten, die Anweisungen in ihren eigenen Worten zu wiederholen. Dann erhielten sie Informationsmaterial zum Nachlesen für Zuhause [74]. Von den teilnehmenden Ärzten gaben 66 % eine durch das Programm verbesserte Compliance der Patienten an (n ⫽ 484 Patienten mit Akne und n ⫽ 50 Ärzte). Zaghloul et al. [114] untersuchten 403 Patienten mit Akne. Es gab eine signifikante negative Korrelation zwischen den Scores des Dermatology Life Quality Index (DLQI) [115] und der Anwendung der Medikation an. Weibliches Geschlecht, verheiratet, berufstätig und von der Rezeptgebühr befreit, waren Charakteristika, die mit einer besseren Compliance und einem geringeren DLQI assoziiert waren. Die Hauptgründe, die Patienten dafür angaben, die Medikation vergessen zu haben, waren „die Nase voll

haben“, vergessen oder zu viel zu tun. Zigaretten rauchen und Alkoholkonsum führten zu einer geringeren Compliance. Eine Reihe erkrankungsbezogener und sozialer Faktoren beeinflussen die Compliance bei Aknetherapie. Die umgekehrte Beziehung zwischen DLQI und der Compliance zeigt die deutliche Wechselwirkung zwischen körperlichen und psychischen Faktoren sowie mit dem beobachteten Therapieversagen. Akne und Psychotherapie Adjuvante psychodynamische Therapien wurden bei Aknepatienten nur selten beschrieben, außer in Einzelfallberichten und dann meist bei Acne excoriée [116, 117]. Im Vergleich zu einer parallelisierten Kontrollgruppe zeigten Hughes et al. [118] eine signifikante Verbesserung der Hautveränderungen bei 30 Aknepatienten nach Anwendung einer durch Biofeedback gestützten Entspannungstechnik mit Visualisierung gegen ein „Verstopfen” von Talgdrüsen. Hypnose wurde bei Aknepatienten selten angewendet, der Erfolg wurde nicht systematisch untersucht [119, 120]. Kognitive verhaltensbiologische Ansätze wurden meist bei Patienten mit Acne excoriée eingesetzt [44, 46]. Eine erfolgreiche kombinierte psychologische/pharmakologische Therapie mit Olanzapin bei einer Patientin wurde von Gupta und Gupta beschrieben [121]. Studien mit größeren Gruppen von Patienten mit Acne vulgaris und Kontrollgruppen fehlen größtenteils. Lawlis und Achterberg beschrieben Ansätze mit Stressreduktions-Techniken bei Akne [32]. Draelos [74] zeigte den Erfolg von Maßnahmen zur Verbesserung der Patientencompliance. Die Studie wurde jedoch ohne Kontrollgruppe durchgeführt. Ähnliche Compliance-fördernde Maßnahmen zur Anwendung in der täglichen Praxis bei Aknepatienten wurden von Stangier entwickelt [111]. Panconesi und Hautmann [122] betonten, dass der erste psychotherapeutische Schritt die Beratung ist. Die Autoren fordern, dass auch Dermatologen grundlegende Kenntnisse der Psychosomatik, Psychotherapie und Psychopharmakologie haben sollten, da es bei einzelnen Patienten erforderlich ist, diese mit systemischer und topischer Aknetherapie zu kombinieren. In schwerwiegenden Fäl-

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Übersichtsarbeit

len ist es günstig die Patienten interdisziplinär zu behandeln. Schlussfolgerungen Die durch Akne hervorgerufene Beeinträchtigung wird häufig unterschätzt und kann zu erheblichen Störungen der Arzt-Patienten-Beziehung führen, die zu einer unzureichenden Patientencompliance mit Therapieversagen oder dem Übersehen von psychischen Störungen führt. Repräsentativen epidemiologischen Studien zufolge ist nur etwa ein Fünftel der Aknepatienten in medizinischer Betreuung. Andererseits gibt es kaum Studien, in denen bei Aknepatienten, die nicht zum Arzt gehen, psychische Faktoren untersucht werden. Die meisten Autoren sind der Meinung, dass Aknepatienten, die zum Arzt gehen, auch häufiger psychische Störungen haben, die diagnostiziert und therapiert werden müssen. Mögliche psychische Probleme sind häufig hinter der Akne „verborgen“, die als Ursache für den Arztbesuch vorgeschoben wird [88, 107]. Das Vorliegen psychiatrischer Begleiterkrankungen wurde ausführlich beschrieben [22]. In der Therapie von Aknepatienten müssen somit psychosoziale Faktoren beachtet werden. Bei männlichen Patienten mit Akne conglobata sollte besonders auf depressive und suizidale Tendenzen geachtet werden. Generell scheint es jedoch keinen Zusammenhang zwischen dem objektiven Schweregrad der Akne und psychischen Problemen zu geben. Psychosomatische Aspekte sollten immer einbezogen werden, wenn der Verdacht auf depressiv-ängstliche Störungen besteht, insbesondere mit Hinweis auf Suizidgedanken [123], körperdysmorphe Störungen [53] oder Störungen der Compliance sowie Problemen mit der Krankheitsbewältigung. Befürchtungen, entstellt zu sein, können zu sozialem Rückzug führen [124]. Psychiatrische Begleiterkrankungen bei Akne sind möglicherweise häufiger als allgemein angenommen [22, 107]. Arzt-PatientenKontakte sind häufig aufgrund der eindeutigen und häufigen dermatologischen Diagnose und – für den Arzt – gut bekannten therapeutischen Möglichkeiten zu kurz und möglicherweise oberflächlich. Die Aknetherapie bedeutet sehr häufig nicht nur die Behandlung von Pickeln.