Plasmaunterstützte DLC-Beschichtung von Kunststoffen

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Plasmaunterstützte DLC-Beschichtung von Kunststoffen Veränderungen von Oberflächentopographie und thermischer Belastbarkeit Christian B. Fischer, Falk Bernsmann, Wassim Ajaj, Magdalena Rohrbeck, Heinz Busch, Barbara Kessler und Stefan Wehner Einleitung Polymere werden dank ihrer allgemein geringen Kosten und leichten Verarbeitbarkeit zur Herstellung vielfältiger Produkte eingesetzt. Dabei kommen neben biostabilen, rohölbasierten Materialien auch immer mehr auf nachwachsenden Rohstoffen basierende und biologisch abbaubare Kunststoffe zum Einsatz. Das Ziel ist dabei den Rohölverbrauch und die Abfallentstehung zu vermindern [1, 2]. Je nach Anwendung kann es erforderlich sein, die Oberflächeneigenschaften eines Polymers zu verändern, während die Volumeneigenschaften beibehalten werden sollen. Diese Aufgabe kann gelöst werden, indem auf die Oberfläche des Materials eine dünne Beschichtung mit den gewünschten Eigenschaften aufgebracht wird. Diese Schicht kann anschließend auch Vermittler für eine weitere Funktionalisierung sein [3]. Hierfür eignen sich beispielsweise amorphe hydrierte Kohlenstoffschichten (a-C:H) [4]. In diesen auch als diamantähnlicher Kohlenstoff (diamond-like carbon, DLC) bezeichneten Schichten existiert im Gegensatz zu den Modifikationen Graphit oder Diamant keine großräumige Kristallstruktur, es lassen sich aber diamantähnliche Eigenschaften wie große Härte sowie mechanische und chemische Beständigkeit erzeugen. Außerdem zeichnet sich DLC durch eine gute Biokompatibilität aus [5]. Durch Dotierung kann zum Beispiel die Oberflächenenergie an eine spezielle Anwendung angepasst werden [6], und über funktionale Gruppen können beispielsweise biologische Wirkstoffe kovalent an der Oberfläche verankert werden [3]. Es existieren verschiedene Methoden der DLC-Abscheidung [4], von denen sich die Plas36  ViP

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Abbildung 1: Blick in die Plasmakammer, hier bei der Vorbehandlung von Harnleiterschienen (links) mit einem Sauerstoffplasma (rechts) für die anschließende Beschichtung mit DLC

maunterstützte chemische Gasphasenabscheidung (plasma-enhanced chemical vapor deposition, PECVD) wegen der geringen Prozesstemperaturen besonders dazu eignet, die physikalischen und chemischen Eigenschaften

thermisch empfindlicher Materialien, wie beispielsweise Kunststoffe, zu modifizieren. Abb. 1 zeigt den Blick in die Beschichtungskammer während des Reinigungsschrittes im PECVD-Prozess.

Zusammenfassung Das Aufwachsen von diamantähnlichem Kohlenstoff (DLC) auf Polyethylene (PE) geht einher mit der Bildung einer Zwischenschicht. Dabei verändert sich die ursprüngliche Oberflächenstruktur des Kunststoffes und geht schrittweise in die ungeordnete Struktur der DLC-Schicht über. Bevor DLC im Kohlenwasserstoffplasma mittels PECVD-Methode aufgebracht werden kann, werden alle Substrate unter Verwendung eines Sauerstoffplasmas gereinigt. Dieser erste Teilschritt ist extrem wichtig für das Aufwachsen der DLC-Schicht, da hierbei die Probenoberfläche bereits

DOI:10.1002/vipr.201300535

abgetragen und teilweise eingeebnet wird. Kunststoffe können durch DLCBeschichtung erfolgreich in der Stabilität verbessert und mit zusätzlichen Eigenschaften und neuen Funktionalitäten ausgestattet werden. Erste mikroskopische Erklärungen für die makroskopischen Phänomene und anwendungsrelevante Fragen konnten aufgezeigt werden. Außerdem werden die Grenzen der Machbarkeit thematisiert. Die hier vorgestellten Methoden werden nun auf weitere Materialien und Beschichtungen angewandt.

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dünne schichten Anwendungsbereiche Beschichtungen mit DLC werden inzwischen vielfältig eingesetzt, entsprechende Beispiele wurden auch hier bereits mehrfach von anderen Gruppen vorgestellt [7, 8]. Das Anwendungsspektrum erstreckt sich vom Härten von Werkzeugoberflächen bis hin zur Veredlung von Kunststoffoberflächen. Allerdings ist die Beschichtung von polymeren Strukturen noch nicht in voller Breite untersucht und verstanden. Zur Veranschaulichung der speziellen und realisierbaren Beschichtungen auf polymeren Substraten werden im Folgenden einige Beispiele näher erläutert, wie die Oberflächeneigenschaften von Polymermaterialien anwendungsspezifisch unter Beibehaltung der Volumeneigenschaften verbessert werden können. In der Medizin bestehen viele Implantate inzwischen aus Kunststoff. Viele Katheter, die für unterschiedlich lange Zeiten im Körper verweilen, aber auch mechanisch beanspruchte Implantate wie Gelenke, werden aus polymeren Werkstoffen hergestellt. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass jede Implantation eines körperfremden Materials eine Entzündungsreaktion nach sich zieht, die auf die Gewebe-Implantat-Interaktion zurückzuführen ist. Hierbei spielen unterschiedliche Mechanismen wie die Adsorption von körpereigenen Stoffen an der Implantatoberfläche oder auch die Freisetzung von Molekülen aus dem

Implantatmaterial eine wesentliche Rolle [9]. Durch Aufbringen einer Barriereschicht kann sowohl die Freisetzung von Stoffen aus dem Implantat als auch das Eindringen von Wasser verhindert werden. Letzteres ist insbesondere bei empfindlichen elektronischen Bauteilen wie Retinaimplantaten [10] gewünscht und kann durch eine einfache Einkapselung in ein Polymer nicht ausreichend gewährleistet werden. Ein weiteres Anwendungsfeld von DLC-Beschichtungen auf Polymeren ist die Verbesserung der Verschleiß- oder Gleiteigenschaften. So werden beispielsweise Harnleiterschienen, vgl. Abb. 1, aus Polyurethan zur Reduktion von Reibung und Biofilmbildung mit einer Schicht aus amorphem Kohlenstoff versehen [6]. Dank dieser Beschichtung werden deutlich längere und komplikationsfreie Liegezeiten sowie eine verringerte Belastung der Patienten erreicht. Im Fall biologisch abbaubarer Polymere könnte die Abbaugeschwindigkeit durch eine widerstandsfähigere biologisch verträgliche Beschichtung anwendungsspezifisch eingestellt werden. In diesem Zusammenhang wurde erst kürzlich gezeigt, dass auf einer Folie aus reinen Biopolymeren verschiedene DLC-Varianten aufgebracht werden können [11].

Experimentelle Methoden Die Kohlenstoffbeschichtungen wurden mit einer kommerziellen Plasma-

Summary Plasmaenhanced deposition of DLC on polymers The formation of diamond-like carbon (DLC) coatings on polyethylene (PE) is accompanied with the formation of an interlayer. Therefore the original surface structure of the plastic material is reorganized and gradually changes into the disordered structure of the DLC layer. Before DLC can be deposited in a hydrocarbon plasma with the PECVD method, all substrates are cleaned using an oxygen plasma. This first step is extremely important for the growth of the DLC layer since the sample’s sur-

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face is already ablated and partly flattened. Plastic materials can be successfully improved in stability and provided with extra properties and new functionalities due to the deposition of DLC. First microscopic explanations for the macroscopic phenomena and application-relevant questions have been identified. In spite of this limits of production are also addressed. Methods shown here will now be adapted for other materials and coatings.

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quelle (COPRA DN 400, CCR GmbH, Troisdorf) erzeugt, deren Aufbau und Funktionsweise in der Literatur detailliert beschrieben ist [12, 13]. Auf den Kunststoffproben wurden jeweils zwei von der NTTF Coatings GmbH entwickelte DLC-Beschichtungen aufgebracht. Diese Variation wird durch eine geänderte Geometrie beim Beschichtungsprozess erreicht. Diese Unterschiede sind ausführlich in [14] dargelegt und die resultierenden Schichten werden im weiteren Verlauf als r-DLC und f-DLC bezeichnet. Die robustere r-DLC-Schicht wächst dabei mit etwa 10 nm/min und die flexiblere f-DLC mit ungefähr 2 nm/min auf. Der vollständige Beschichtungsprozess besteht in beiden Fällen aus zwei unmittelbar aufeinander folgenden Teilschritten. ZZuerst erfolgt ein Reinigungsschritt mit einem Sauerstoffplasma und daran anschließend wird die DLC-Schicht bei 5×10–3 mbar aus einem Acetylenplasma aufgebaut [14]. Während der Untersuchungen zum Schichtwachstum wurde mit Hilfe von Thermomessstreifen (OMEGALABEL® TL-10-105) nachgewiesen, dass die Temperatur während des gesamten Beschichtungsvorganges unter 40 °C (untere Messgrenze des Temperaturmessstreifens) lag [11]. Die Oberflächenanalysen erfolgten mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM, Philips SEM515) bei einer Beschleunigungsspannung von 20 kV an Proben, die zuvor gegen Aufladungseffekte per Sputterverfahren mit etwa 7 nm Gold beschichtet wurden (Balzers Union SCD 040) sowie mit einem Rasterkraftmikroskop (AFM, Omicron UHV-AFM/STM) im Kontaktmodus. Für eine AFM-Messung werden immer drei Informationen ortsaufgelöst abgespeichert, die als Bild bezeichnet werden. Zum einen die Höheninformation (z), d. h. der Wert um welchen die Messspitze (Cantilever) in jedem Punkt hin beziehungsweise weg bewegt wurde, um während der Messung die Oberfläche abzurastern. Zum anderen die dabei auftretende Kraft, zerlegt in die Normalkomponente senkrecht zur Oberfläche (FN) und die Lateralkomponente parallel zur Rasterrichtung (FL). Bei den hier abgebildeten AFM-Aufnahmen handelt es sich durchweg um FN-Bilder. Vol. 25  Nr. 5   Oktober 2013

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Reine Abscheidung

Bildung einer Zwischenschicht

Erosion

DLC-Schicht

DLC-Schicht

DLC-Schicht

Kunststoffmaterial

Kunststoffmaterial

Kunststoffmaterial

A

B

C

Abbildung 2: Drei prinzipiell mögliche Reaktionswege der im Plasma generierten Kohlenwasserstoff-Fragmente mit einer beliebigen Kunststoffoberfläche: (A) Reine Abscheidung des Kohlenstoffmaterials ohne weitere Reaktion mit der Kunststoffoberfläche; (B) Mechanismus für eine stufenweise Ausbildung einer Zwischenschicht verbunden mit der graduellen Reorganisation des polymeren Deckmaterials für ein günstiges Aufwachsen der diamantähnlichen Schicht; (C) Prozess einer kontinuierlichen Erosion des Kunststoffmaterials zusammen mit bereits abgeschiedenem DLC-Material

Abscheidung am Beispiel Polyethylen (PE) Der Bildungsprozess zwischen weichem Substratmaterial und härterem Schichtmaterial, der zu einem erfolgversprechenden Werkstoff führt, ist noch zu erforschen. Zum weitergehenden Verständnis dieser Materialsysteme wurde auf ein einfaches Modell zurückgegriffen. Der einfachste denkbare Kunststoff ist Polyethylen (PE), er besteht wie die DLC-Schicht nur aus Wasserstoff und Kohlenstoff, letzter allerdings ausschließlich in der sp3hybridisierten Form. Er wurde daher für die systematische Untersuchung der mikroskopischen Vorgänge bei der Plasmabeschichtung von Kunststoffen und deren Auswirkungen auf das makroskopische Verhalten des Materials ausgewählt [14]. In Abb. 2 sind die drei prinzipiell möglichen Varianten der Abscheidung gezeigt. Zum einen kann es zu einer rein additiven Anlagerung des DLC auf

Abbildung 3: Proben aus technischem high density PE (unbehandelt links) und mit DLC-Beschichtung unterschiedlicher Dicke (10 nm Mitte, 100 nm rechts) 38  ViP

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der Oberfläche kommen, die keinerlei Auswirkung auf das Basismaterial hat (Abb. 2A). Zum anderen ist die Ausbildung einer Zwischenschicht („interlayer“) denkbar, in der eine schrittweise Reorganisation des Kunststoffes erfolgt und dieser sukzessive in die DLCSchicht übergeht (Abb. 2B). Im Falle von PE bestehen beide Materialien aus den gleichen Atomsorten (C und H), d. h. innerhalb dieser Übergangsschicht können sich insbesondere die Verbindungen und Vernetzungen angleichen. Verschiedene Wege sind hierbei denkbar, einerseits die direkte Anbindung der im Plasma gebildeten Kohlenwasserstofffragmente an die Polymerketten mit anschließender Vernetzung und andererseits die Einlagerung von Plasmabestandteilen zwischen den Ketten des Polymers und der von dort aus beginnende Aufbau einer vernetzten DLC-Schicht. Als dritter extremer Fall ist noch der kontinuierliche Abtrag der Kunststoffoberfläche (Abb. 2C) durch das erzeugte Plasma vorstellbar (Erosion), eine signifikante DLC-Schicht wird in diesem Fall nicht ausgebildet [14, 15]. Für die oben beschriebenen zwei Beschichtungen, r-DLC und f-DLC, wurden die elementaren Schritte bei PE kürzlich experimentell untersucht. In Abb. 3 sind die sichtbaren Veränderungen des Kunststoffes durch die DLC-Beschichtung dargestellt. Sowohl der r- als auch der f-DLC-Typ bilden auf PE eine Zwischenschicht von einigen Nanometern Stärke aus, was mittels RöntgenNahkanten-Absorptions-Spektroskopie (NEXAFS) am Berliner Synchrotron BESSY II in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Angewandte Physik II/Sensorik der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (Prof. Dr. Dieter Schmeißer) nachgewiesen wurde. Bildungstyp B in Abb. 2 ist demnach bei der Plasmaabscheidung von sowohl r-DLC als auch f-DLC auf PE der favorisierte Reaktionsweg, der zu einer stabilen Einheit des Kompositmaterials, d. h. einer innigen Verbindung zwischen hartem DLC-Film und weichem Kunststoffsubstrat, führt [14].

Oberflächenveränderung am Beispiel Polyhydroxyalkanoat (PHA) Neben bereits heute industriell relevanten Kunststoffen stehen auch www.vip-journal.de

Biokunststoffe im Fokus aktueller Forschungsprojekte. Unter Biokunststoff verstehen wir hierbei ausschließlich solche Kunststoffe, die sowohl aus biologisch erneuerbaren Quellen stammen als auch biologisch abgebaut werden können. Zuerst wurden hier die rein aus Biokunststoffen bestehenden Polyhydroxyalkanoat-(PHA)-Verbindungen untersucht. Eine kommerziell angebotene Mischung besteht aus 92 % Polyhydroxybutyrat (PHB) und 8 % Polyhydroxyvaleriat (PHV). Die in 50 µm Stärke produzierte Folie (Goodfellow BV301050) diente als Probenmaterial, das im Folgenden einfach mit PHB bezeichnet wird. Wie bereits im Abschnitt Experimentelle Methoden erwähnt, geht der Beschichtung mit einem Kohlenwasserstoffplasma, die zur gewünschten DLC-Schicht führt, hier immer ein Reinigungsschritt mit einem Sauerstoffplasma voraus. Dessen Auswirkungen auf das Probenmaterial in verschiedenen Skalen (optisch, REM, AFM) sind Untersuchungsgegenstand laufender Projekte. In Abb. 4 sind die Veränderungen der Oberfläche während der drei Stufen des Beschichtungsprozesses am Beispiel von PHB dargestellt. Die drei Reihen zeigen jeweils von links nach rechts einen repräsentativen Ausschnitt von 500 µm x 500 µm, 50 µm x 50 µm (beides gemessen mit REM) und 5 µm x 5 µm (gemessen mit AFM, dargestellt ist das FN-Signal). Makroskopisch sehen all diese Folienproben immer perfekt glatt aus, allerdings ist mit steigender DLC-Schichtdicke eine leichte Verfärbung ins bräunliche zu erkennen, ähnlich Abb. 3. Auch bei geringer Vergrößerung im REM (Abb. 4A, 4D, 4G) erkennt man eine homogene und weitgehend glatte Oberfläche. In der oberen Reihe ist die unbeschichtete Folie dargestellt (Abb. 4A–4C). Man erkennt die grundlegende Struktur der PHB-Folie, die aus dem Herstellungsprozess herrührt, bei dem einzelne Polymerkörnchen (mittlerer Durchmesser 12  µm) miteinander verschmolzen werden. Diese verbundenen Kügelchen sind in Abb. 4B gut zu erkennen. Typisch sind die ebenfalls zu erkennenden weißen Strukturen („wormlike“) von etwa 3 µm Länge und 0,5 µm Breite. Die Oberflächenstruktur der Polymerkügelchen zeigt Erhebungen von © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

dünne schichten bis ungefähr 110 nm, siehe Abb. 4C (absolute Rauigkeit). Eine ausführliche Diskussion der Oberflächenstrukturen auf dem Rohmaterial ist in [11] zu finden. In der mittleren Reihe sieht man die PHB-Oberfläche, nachdem diese mit einem Sauerstoffplasma gereinigt wurde. Es ist klar zu erkennen, dass die Oberflächenstrukturen deutlicher hervortreten und die Bereiche zwischen den Polymerkügelchen freigelegt erscheinen (Abb. 4E). Die Oberflächenstruktur der Polymerkügelchen selbst ist feiner geworden. Die ursprünglich wolkige Struktur wurde durch Reinigung zu einer Struktur mit relativ klar abgegrenzten Gräben. Die absolute Rauigkeit über den gesamten Messbereich ist hierdurch allerdings kaum verändert (Abb. 4F). Die untere Reihe zeigt die mit 100  nm f-DLC beschichtete PHB-Oberfläche. Die Oberfläche erscheint nun sowohl im REM als auch im AFM glatter. In Abb. 4H sind die Grenzen der Polymerkügelchen noch zu erkennen, die dazwischen liegenden Gräben erscheinen allerdings weitgehend aufgefüllt. Die weißen Strukturelemente, die sowohl im Rohmaterial (Abb. 4B) als auch auf der gereinigten PHB-Folie (Abb. 4E) beobachtet wurden, sind nicht mehr sichtbar. Auch im AFM zeigt sich die Oberfläche der Polymerkügelchen nun weniger rau. Viele der feinen linienförmigen Strukturen, die nach der Sauerstoffbehandlung beobachtet werden (Abb. 4F), sind nach der DLC-Beschichtung (Abb. 4I) nicht mehr zu erkennen. Größere Erhebungen treten deutlicher hervor und die absolute Rauigkeit über den gesamten Messbereich hat auf unter 80  nm abgenommen. Die sichtbaren Oberflächenstrukturen bei verschiedenen DLC-Schichtdicken wurden mittels REM eingehend untersucht [11]. Die prinzipielle Möglichkeit der Beschichtung, aber auch die Limitierung für den Aufbau eines solchen Kompositmaterials zwischen DLC und dem hier eingesetzten PHB, sind in [11] ausführlich behandelt. Beispielsweise ist eine Beschichtung mit über 450  nm r-DLC nicht mehr stabil. Die DLC-Deckschicht reißt auf und rollt sich ein, wobei bei fortschreitender Beschichtung wiederholtes Beschichten des Substrates und erneutes Ablösen der Schicht beobachtet wurde. © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

500 µm × 500 µm

50 µm × 50 µm

5 µm × 5 µm

PHB

O/PHB

DLC/PHB

Abbildung 4: Oberflächenstruktur von PHB in drei Phasen des Beschichtungsprozesses (obere Reihe: Ausgangssituation, mittlere Reihe: nach Reinigungsschritt mit Sauerstoffplasma, untere Reihe: nach Abscheidung einer f-DLC-Schicht mit 100 nm Stärke) und auf drei verschiedenen Skalen (linke Spalte: 500 µm x 500 µm gemessen mit REM, mittlere Spalte: 50 µm x 50 µm gemessen mit REM, rechte Spalte: 5 µm x 5 µm gemessen mit AFM)

ohne DLC

50 µm

50 µm e–-Strahl

5s

30 s

60 s

mit f-DLC

50 µm

50 µm

Abbildung 5: Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen von unbehandelter und mit 100 nm f-DLC beschichteter Thermoplastischer Stärke (TPS). Sämtliche Abbildungen geben einen Aufnahmebereich von 50 µm × 50 µm wieder: Obere Reihe, unbehandelte TPS (A, B, C, D): Bild A zeigt das Abbild der Oberfläche von völlig unbehandelter Thermoplastischer Stärke. Serie B, C und D gibt den zeitabhängigen Effekt des einwirkenden Elektronenstrahls auf die TPS Oberfläche wieder. Der Elektronenspot selbst wird dabei vor der eigentlichen Messung insgesamt für die jeweils angegebene Zeit (B 5 s, C 30 s und D 60 s) auf den Mittelpunkt der Probe fixiert (zur besseren Erkennbarkeit ist der Einstrahlbereich jeweils weiträumig eingekreist). Bereits nach 5 s (B) ist ein deutlicher Effekt zu erkennen. Eine fortschreitende Materialzerstörung an der Oberfläche ist in den Aufnahmen bei 30 s (C) und 60 s (D) eindeutig festzustellen. Untere Reihe, TPS mit 100 nm f-DLC (E, F, G, H): Bild E gibt das Abbild der mit 100 nm f-DLC veredelten Thermoplastischen Stärke (TPS) wieder. Serie F, G und H stellt auch hier den zeitabhängigen Effekt des einwirkenden Elektronenstrahls dar. Auf der mit f-DLC geschützten Oberfläche (gesamte Einstrahldauer F 5 s, G 30 s und H 60 s) ist keine Zerstörung feststellbar (zur besseren Erkennbarkeit ist der Einstrahlbereich jeweils weiträumig eingekreist). www.vip-journal.de

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V i P Gesteigerte thermische Belastbarkeit am Beispiel Thermoplastischer Stärke (TPS) Gerade bei weichen Materialien stellt sich automatisch die Frage nach den Grenzen der Belastbarkeit. Diese sind ebenfalls bei der Wahl des Analyseverfahrens zu berücksichtigen. Ist die Messmethode im speziellen System auch so einsetzbar? Beispielsweise wird während einer REM-Aufnahme über den Elektronenstrahl unvermeidlich eine bestimmte Energiemenge auf die abgerasterte Oberfläche eingetragen. Wenn das untersuchte Substrat thermisch schlecht leitet, wird es, da die Messung im Vakuum erfolgt, lokal zu einer (merklichen) Temperaturerhöhung kommen. Diese thermische Belastung eines Materials bei REM-Untersuchungen kann durch sogenannte „Einbrandversuche“ abgeschätzt werden. Exemplarisch ist dies hier für eine kommerziell verfügbare Folie aus Thermoplastischer Stärke (TPS) gezeigt, wie sie heutzutage

in 100 % kompostierbaren Biomülltüten verwendet wird. In Abb. 5 ist eine REM-Aufnahme eines repräsentativen 50 µm × 50 µm Bereiches einer unbeschichteten Probe dargestellt. Sie zeigt die typische Struktur für diesen Werkstoff, aus einem relativ strukturlosen Untergrund ragen Körner hervor, die daher hell erscheinen. In Abb. 5E ist die mit 100 nm f-DLC beschichtete Oberfläche abgebildet. Die Körner treten im Vergleich mit der unbeschichteten Oberfläche etwas deutlicher hervor, ansonsten bleiben die Strukturen im Wesentlichen unverändert. Um die Materialbeständigkeit in Bezug auf den thermischen Eintrag zu untersuchen, wurde der Elektronenstrahl (20 kV, mittlerer Emissionsstrom 80 µA) auf eine Stelle fokussiert (etwa 100 nm Durchmesser). Nach den ersten 5 s wurde der gesamte Bereich abgerastert (REM-Aufnahme), dann der Elektronenstrahl wieder auf die ausgewählte Stelle fokussiert und nach dem jeweils

vorgegebenen Zeitintervall wieder die nächste REM-Aufnahme gestartet. In der oberen Reihe (Abb. 5B–5D) ist ein entsprechender Ausschnitt von 50 µm × 50 µm für unbeschichtete TPS und Gesamtdauern des fokussierten Elektronenstrahles von 5 s (links), 30 s (Mitte) und 60 s (rechts) abgebildet. Der im Zentrum liegende Einstrahlbereich ist zur besseren Erkennbarkeit in Abb. 5B5D, 5F-5H eingekreist. Der ihn zentriert umgebende Kreis hat einen Durchmesser von 13 µm und dient in den Abbildungen als Bezugsgröße. In der unteren Reihe (Abb. 5F-5H) sind in analoger Weise die REM-Aufnahmen der mit 100 nm f-DLC-beschichteten Probe für die Gesamteinstrahldauern von 5 s (links), 30 s (Mitte) und 60 s (rechts) gezeigt. Auf der unbeschichteten Probe sieht man im Vergleich von 5 s Einstrahldauer (Abb. 5B) mit 30 s (Abb. 5C) einen deutlichen Abtrag von Material, der weit über den Fokusbereich des Elektronenstrahls hinausgeht. Die Zwischenräume

Autoren JProf. Dr. Christian Fischer

Diplomchemiker, Studium mit Promotion 2004 an der LMU München. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Universität Bayreuth in der angewandten Oberflächenphysik war er als Forschungsleiter in einem Startup-Unternehmen tätig. Seit 2010 ist er Juniorprofessor am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau. Seine Forschungsgebiete sind Kohlenstoffschichten, Nanopartikelsynthese und katalytische Prozesse. Aufgrund der hier ausschnittsweise dargestellten Forschungsarbeiten wurde die Juniorprofessur inzwischen positiv evaluiert und deren Fortsetzung wird durch die DFG im Projekt „Grundlegende Untersuchungen der Grenzflächenprozesse bei der DLC-Beschichtung ausgewählter Kunststoffe“ (FI 1802/2-1) gefördert. Dr. Falk Bernsmann

Der Diplomphysiker wurde 2010 von der Universität Straßburg im Fach physikalische Chemie für seine Arbeit über neuartige biomimetische Beschichtungsmethoden promoviert. Heute leitet er die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der Firma NTTF Coatings GmbH in Rheinbreitbach. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf

der Entwicklung biokompatibler und antimikrobieller Beschichtungen für Medizinprodukte. Wassim Ajaj

Jahrgang 1982, geboren in Miryata (Libanon), studiert seit 2008 „Medizintechnik und Sportmedizinische Technik“ am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz. Derzeit fertigt er unter Anleitung von Barbara Kessler und Christian B. Fischer seine Bachelorarbeit über dünne Kohlenstoffschichten auf medizinisch relevanten Polymeren an. Magdalena Rohrbeck

Abschluss als Bachelor of Science in „Medizintechnik und Sportmedizinische Technik“ (2008) sowie als Master of Science in „Applied Physics“ (2011) am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz, anschließend Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Physik der Universität Koblenz-Landau. Ihre Masterarbeit zum Thema „Ein neues Konzept für einen stark segmentierten Neutronendetektor“ wurde mit dem Georg-Simon-Ohm-Preis 2013 der Deutschen Physikalischen Gesellschaft ausgezeichnet. Dr. Heinz Busch

Diplomphysiker, Studium an der GH Duisburg und der Universität Bonn, Promotion 1995 in Bonn. Mitgründer der NTTF Coatings GmbH (www.nttf-coatings.de)

im Jahr 2000. Hauptarbeitsgebiet Entwicklung und Herstellung biokompatibler und funktionaler Oberflächen mit Hilfe von Plasmadeposition für medizinische Anwendungen. Prof. Dr. Barbara Kessler

Physik-Studium in Münster mit Abschluss Diplom, Promotion 1989 in Bielefeld, Forschungsaufenthalte in der Schweiz und in den USA, Habilitation 1999 an der Universität zu Köln mit Arbeiten am Forschungszentrum Jülich über Fullerene, Kohlenstoffcluster, Clustermaterie und organische Photoleiter, 2012 Umhabilitation an die Universität Koblenz-Landau. Seit 1999 ist sie Professorin am RheinAhrCampus der Hochschule Koblenz und leitet dort das Materialanalyselabor (www.hs-koblenz.de). Prof. Dr. Stefan Wehner

Diplomphysiker, Studium mit Promotion 1999 an der Universität Bayreuth, nach Aufenthalt an der University of California in Riverside (USA), Habilitation 2006. Seit 2009 Professor für Experimentalphysik am Institut für Integrierte Naturwissenschaften der Universität Koblenz-Landau. Neben den dünnen Schichten aus Kohlenstoff und anderen Kohlenstoffmaterialien werden in der Arbeitsgruppe aktuell die Biosynthese von Nanopartikeln und nichtlineare Effekte bei Oberflächenreaktionen erforscht.

JProf. Dr. Christian Fischer, Universität Koblenz-Landau, Institut für Integrierte Naturwissenschaften, Abteilung Physik, Universitätsstraße 1, 56070 Koblenz, www.physik.uni-koblenz.de, E-Mail: [email protected]

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dünne schichten zwischen den Körnchen werden mit der Zeit abgetragen und einzelne Körnchen freigelegt (Abb. 5D). Die Schädigung hat eine Ausdehnung von etwa 5 µm Durchmesser, ist also 50-mal größer als der einfallende Elektronenstrahl. Auf der DLC-beschichteten Oberfläche ist bei gleicher Versuchsdurchführung auch nach 60 s (Abb. 5H) keine Materialveränderung zu entdecken. DLC-beschichtete TPS-Oberflächen sind demnach gegenüber thermischen Belastungen besser geschützt als unbeschichtete.

Danksagung und Ausblick Die Erzeugung, die Untersuchung und das Verständnis dieser Schichten ist eine vielschichtige Aufgabe. In den hier gezeigten Beispielen und auch bei anderen Systemen brachte die NTTF Coatings GmbH (Rheinbreitbach) das Know-How zur Schichterzeugung ein, die Universität Koblenz-Landau (Campus Koblenz, Institut für Integrierte Naturwissenschaften, Abteilung Physik) und die Hochschule Koblenz (RheinAhrCampus Remagen, Materialanalyselabor) die experimentelle und analytische Expertise. Zusammengebracht wurden die Partner durch den regionalen Innovationscluster MetallKeramik-Kunststoff (IMKK) des Landes Rheinland-Pfalz und das Technologiezentrum für Oberflächentechnik Rheinbreitbach GmbH (TZO). Teile der dargestellten Untersuchungen wurden vom Forschungsfonds der Universität ­Koblenz-Landau im Rahmen des Programmes für Innovative Projekte unter dem Thema „Beschichtete Biokunststoffe – von der Herstellung bis zum Abbau“ finanziell unterstützt. Die Erzeugung des Kompositmaterials DLC/PHB erfolgt in einem Plasmaprozess im Vakuum, nach dem Einsatz im Alltag soll ein solcher beschichteter Biokunststoff aber natürlich ebenso wie das unbeschichtete Ausgangsmaterial im Ökosystem abgebaut werden. Erste Abbauversuche wurden von den Arbeitsgruppen Mikrobiologie und Physische Geographie am Institut für Integrierte Naturwissenschaften bereits durchgeführt. Weitergehende Untersuchungen zum Abbau sind unter Einbeziehung der Arbeitsgruppe Materialphysik und in Zusammenarbeit mit © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

den Forschungsinstituten des Innovationsclusters Metall-Keramik-Kunststoff (IMKK), wie dem Technologie-Institut für funktionale Kunststoffe und Oberflächen GmbH (tifko) in Neuwied, angedacht. An den Möglichkeiten der Sterilisation von DLC/PHB durch verschiedene Standardmethoden wird gerade in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Mikrobiologie geforscht. PHB ist ein UVstabiler Kunststoff [16], daher erscheint die Bestrahlung mit ultraviolettem Licht das am wenigsten beeinträchtigende und schnellste Verfahren darzustellen [17]. Die mechanische Stabilität des entstandenen Werkstoffes DLC/PHB ist ebenfalls Gegenstand aktueller Forschungen im Rahmen der bestehenden Kooperationen.

Literatur [1] J.H. Song, R.J. Murphy, R. Narayan, G.B.H. Davies: Phil. Trans. R. Soc. B 364 (2009) 2127–2139. [2] H.-J. Endres, A. Siebert-Raths: Engineering Biopolymers, Carl Hanser Verlag München, 2011, S. 27–35. [3] H.J. Steffen, J. Schmidt, A. Gonzalez-Elipe: Surf. Interf. Anal. 29 (2000) 386–391. [4] J. Robertson: Mater. Sci. Eng. Rep. 37 (2002) 129–281. [5] F. Cui, D.J. Li: Surf. Coat. Tech. 131 (2000) 481–487. [6] L. Kleinen, U. Böde, K. Schenk, H. Busch, J. Bradenahl, S.C. Müller, B. Hillebrands, N. Laube: Plasma Process. Polym. 4 (2007) 386–391. [7] M. Haupt, B. Bergrath, J. Barz, H. Hilgers, C. Oehr, J. Wemshöner: Vakuum in Forschung und Praxis 25 (2013) 3, 38–43. [8] T. Huben, J. Becker: Vakuum in Forschung und Praxis 24 (2012) 2, 6–13. [9] P. Roach, D. Eglin, K. Rohde, C.C. Perry: J Mater Sci: Mater Med 18 (2007) 1263–1277. [10] H. Hämmerle, K. Kobuch, K. Kohler, W. Nisch, H. Sachs, M. Stelzle: Biomaterials 23 (2002) 797–804. [11] M. Rohrbeck, S. Körsten, C.B. Fischer, S. Wehner, B. Kessler: Thin Solid Films (2013) DOI 10.1016/j.tsf.2013.07.028. [12] M. Weiler, K. Lang, E. Li, J. Robertson: Appl. Phys. Lett. 72 (1998) 1314–1316. [13] N.A. Morrison, S. Muhl, S.E. Rodil, A.C. Ferrari, M. Nesládek, W.I. Milne, J. Robertson: Phys. Status Solidi A 172 (1999) 79–90. [14] C.B. Fischer, M. Rohrbeck, S. Wehner, M. Richter, D. Schmeißer: Appl. Surf. Sci. 271 (2013) 381–389. [15] C.B. Fischer, M. Rohrbeck, S. Wehner, M. Richter, D. Schmeißer: Carbon2012 Krakau (Polen), Extended Conference Abstract, ISBN 978-83-60958-99-5, 2012, S. 343. [16] H.-J. Endres, A. Siebert-Raths: Engineering Biopolymers, Carl Hanser Verlag München, 2011, S. 159. [17] to be published

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