Metropolregion Hamburg AUSGABE Arbeitsmarkt Gesundheit

Metropolregion Hamburg A U S G A B E 2 01 2 Arbeitsmarkt Gesundheit VORWORT Zukunftsbranche Altenpflege „Krankenbruder“ – Männer in Pflegeberufen...
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Metropolregion Hamburg

A U S G A B E 2 01 2

Arbeitsmarkt Gesundheit

VORWORT

Zukunftsbranche Altenpflege „Krankenbruder“ – Männer in Pflegeberufen

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Prüfung mit links bestanden – Zusatzqualifizierung hilft bei Anerkennung von Berufsabschlüssen

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Kultursensible Altenpflege: „Die Menschlichkeit ist das Wichtigste“

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Altenpflege – eine demografische Herausforderung

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Sehr geehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,

Gesundheitsberufe Das Klinikum Bad Bramstedt: Gut versorgt in der Metropolregion

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Chance für vier „Fuffziger“ bei der Vorwerker Diakonie: Senioren ersetzen „Zivis“

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Aus dem Berufsalltag einer Ergotherapeutin

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Ausbildungsmarkt: Beliebte Berufe im Gesundheitssektor

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Die Metropolregion hat viele Gesichter

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die Metropolregion Hamburg ist ein attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum. Hier wohnen und arbeiten aktuell – im Schnittpunkt wichtiger europäischer Verkehrsachsen – 4,3 Millionen Menschen. Und die Metropolregion wird aller Voraussicht nach weiter wachsen. Zu den 14 Kommunen aus drei Bundesländern werden sich – vorausgesetzt alle Kreis- und Länderparlamente stimmen zu – schon im Frühjahr 2012 fünf weitere Partner gesellen. Zusammen mit ihnen wird die Metropolregion Hamburg dann 26.000 Quadratkilometer und 5 Millionen Menschen umfassen – nach BerlinBrandenburg bundesweit der zweitgrößte Wirtschaftsverbund.

Medizintechnik Qualität made in Germany: 18.000 Matratzen jährlich aus Dithmarschen

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orthopädie.technik.nord: „… um Menschen zu helfen“

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medac GmbH und Arbeitsagentur kooperieren bei Personalsuche: Wachstumsmotor Gesundheitswirtschaft

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Metropolregion Hamburg: Speziell die „Gesundheitswirtschaft“

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gewinnt dadurch noch größere Bedeutung. Sie gehört schon jetzt zu den Boom-Branchen im Norden. So wurden zum Beispiel den Arbeitsagenturen der Metropolregion – von Dithmarschen bis hin zum Heidekreis – von Januar bis Dezember 10.300 sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet. Die Arbeitsangebote sind dabei vielfältig: von der Altenpflege bis zur Zahnmedizin.

Leistungsstark trotz Handicap

Neumünster** 47,8 %

Dithmarschen 37,9 %

Mit Gebärden durch den Job

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Personaldienstleistung als Sprungbrett

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„Es ist normal, verschieden zu sein“

Neumünster** -6,9 %

18 Dithmarschen 1,6 %

Ostholstein** 8,4 % Lübeck** 19,1 %

Zahlen · Daten · Fakten

Steinburg 21,2 %

Segeberg 40,5 % Stormarn

12,3 %

Stade 51,7 %

19

Nordwestmecklenburg** Stellenangebote in der Metropolregion

19

13,8 %

26,8 %

Pinneberg 40,1 %

Cuxhaven 5,5 %

Arbeitslosigkeit in der Metropolregion

Hamburg

Harburg 24,6 %

Pinneberg -6,1 % -3,4 % Hamburg

Lüneburg 4,9 %

Heidekreis

LüchowDannenberg Uelzen Monika Schmudde, AA Heide 52,7 % 50,2 % Stefan Schröder, AA Bad Oldesloe

Herausgeber: 41,7 % Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit, Kiel Susanne Serbest, AA Lüneburg Nicole Sievers, RD Nord Fachredaktion: Statistik-Service Nordost der BA, Hannover Thomas Bohse, Dr. Horst Schmitt, Regionaldirektion Nord Ein besonderer Dank für Beiträge: Ärztekammer Schleswig-Holstein, Bad Segeberg (Seite 10) Redaktionelle Mitarbeit (ggfs. inkl. Bilder): Beate Kranert-Hörst, Ergotherapeutin Neumünster (Seite 9) Knut Böhrnsen, AA Hamburg Klinikum Bad Bramstedt (Seite 8) Uta Greve, RD Nord Pinneberger Tageblatt (Seite 5) Frank Halemba, RD Nord Thomas Hesemeier, Jobcenter Lübeck Danksagung an folgende Fotografierte: Andrea Julke, AA Neumünster Abdullah Ahrari, Leiter der Einrichtung ARIANA Michael Köster, RD Niedersachsen-Bremen Maike Arndt, Medizinische Fachangestellte Volker Kotte, IAB Nord Tjark Jannis Bohse, Kind Marina Marquardt, AA Hamburg Björn Clausen, Physiotherapeut Gerold Melson, AA Elmshorn Moritz Jahnecke, Auszubildender Veränderung 2011 zu Nov. 2010Christian in Prozent Olga Nommensen,Nov. AA Lübeck Krogsrud, Praktischer Arzt

Gem. sozialversicherungspflichtige Stellen

-

< 10,0 < 20,0 < 40,0 < 53,0

Vorsitzender der Geschäftsführung, Regionaldirektion NiedersachsenBremen

Nordwestmecklenburg**

gibt es ermutigende Beispiele. Die vorliegende Broschüre kann -3,0 % zwarHerzogtum nur erste Einblicke gewähren, doch sie soll Ihnen diese Beispiele vorstellen Lauenburgund weitere Informationen rund um das Thema „Arbeits-0,7Gesundheit“ % markt liefern. Wir wünschen Ihnen – liebe Lerserinnen und Leser – eine unterhaltsame Lektüre.

Harburg -8,1 %

Rotenburg (Wümme)

Lüneburg -11,4 %

Sönke Fock

-1,6 %

Impressum

4,0 10,0 20,0 40,0

-5,0 Hier %

Klaus Stietenroth

Ludwigslust-Parchim** -3,8 %

32,0 %

≥ ≥ ≥ ≥

Segeberg -7,0 %

Zahlreiche Betriebe suchen bereits jetzt händeringend nach FachkräfOstholstein** ten. Um Lübeck** hochqualifizierter Arbeitsplätze zu verhindern, 3,6 %den Wegfall bleibt nur eins: 1,2 Wir%müssen alle Beschäftigungspotenziale nutzen. Dazu gehören Alleinerziehende, Berufsrückkehrerinnen, Ältere, aber auch Migranten und Schwerbehinderte. Stormarn

Stade -4,7 %

6,4 % Ludwigslust-Parchim** 28,0 %

Rotenburg (Wümme)

Steinburg -0,5 %

Cuxhaven -14,1 %

Herzogtum Lauenburg

Vorsitzender der Geschäftsführung, Regionaldirektion Nord

Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Insbesondere die demographische Entwicklung wird die Metropolregion mittel- und langfristig vor große Aufgaben stellen. Kommen zurzeit etwas mehr als 30 Über65-Jährige auf 100 Erwerbstätige, so werden es im Jahr 2050 ungefähr doppelt so viele sein. Das hat vielfältige Auswirkungen.

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB):

Metropolregion Hamburg: 19,4 Prozent Die Gesundheitswirtschaft ist eine Leit- und Zukunftsbranche

Jürgen Goecke

Christoph Kägi, Heilpraktiker Dr. Horst Lorenz, Leiter Ärztlicher Dienst AA Hamburg Gaby Philipp, Leiterin Jangwa-Haus Christina Rachow, Auszubildende Steffi Sabotta, Auszubildende Gestaltung und Produktion: Lürssen Brügmann Werbeagentur GmbH Fotonachweis/Grafiken (nicht BA): Pinneberger Tageblatt, Seite 5 Klinikum Bad Bramstedt, Seiten 2 (zweites Bild v. o.) und 8 Ärztekammer Schleswig-Holstein, Bad Segeberg, Seite 10 oben o.t.n., Neumünster, Seite 13 (Lauflabor) Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Seiten 2 (fünftes Bild v. o.) und 15 fotolia, Seiten 5 (unten), 6 (unten), 11 und 18 (unten)

Heidekreis -8,5 %

Uelzen -6,9 %

LüchowDannenberg -6,8 %

Vorsitzender der Geschäftsführung, Agentur für Arbeit Hamburg

Arbeitslose insgesamt Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent ≥ -15,0 - < -10,0 ≥ -10,0 - < -5,0 ≥ -5,0 - < 0,0

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Z U K U N F T S B R A N C H E A LT E N P F L E G E

„Krankenbruder“ – Männer in Pflegeberufen pfleger, kam eher durch Zufall zu dem Beruf. Er hatte eine Lehre zum Metallbauer angefangen und sich dann mit Zeitarbeiterjobs durchgeschlagen. Er erzählt, dass es ab und zu mal „so Sprüche“ gab, wenn das Gespräch auf seinen Beruf kam. „Das waren dann oft Leute, die mit dem Beruf gar nichts zu tun hatten, die nicht wussten, was ich da überhaupt tue. Sobald ich es denen aber erklärt habe, was mein Job ist, dass ich das aus Leidenschaft und Überzeugung mache, da bekomme ich unheimlich viel Bestätigung.“

Es lohnt sich Altenpfleger zu werden, weil …

Nach wie vor ist überraschend, wie wenige Männer man in den typischen Pflegeberufen finden kann. Die Berufe des Alten-, Gesundheitsund Krankenpflegers werden auch heute noch selten von ihnen gewählt.

Pflegeberufe geeignet, und es ist eher eine Frage der persönlichen Eignung als eine Frage des Geschlechts. „Ich bin einfach überzeugt, dass das der richtige Beruf für mich ist,“ so Dennis Stamsen (37), der nach seiner Ausbildung als KFZ-Mechaniker zuerst bei der Bundeswehr gearbeitet hat und dann selbständiger Gastronom war.

Gerade in Krankenhäusern und Pflegeheimen für Senioren sind überwiegend Frauen angestellt. Das Bild hat sich bisher „Ich kam von der Arbeit und noch nicht merklich gewandelt, nur wenige hatte das Gefühl, etwas Sinnvolles Männer haben in den getan zu haben.“ vergangenen Jahren den Beruf des Pflegers erlernt. Seit Februar macht er die 3-jährige Ausbildung zum examinierten AltenIn Pflegeheimen für Senioren, in denen pfleger. „Einen Schlüsselmoment hatdie Bewohner meist viele Jahre verte ich während der Probearbeitszeit: bringen, wäre es wünschenswert, soIch kam von der Arbeit und hatte das wohl weibliches als auch männliches Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu Pflegepersonal zu haben. Sei es für ein haben.“ persönliches Gespräch oder einfach nur der Abwechslung wegen. Sowohl Frederick Behrens (21), ebenfalls AusMänner als auch Frauen sind für die zubildender zum examinierten Alten-

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„ … es hier viele richtig nette, lustige Leute mit interessanten Geschichten gibt. Man wacht morgens mit dem Gefühl auf, dass man wieder los kann, um diese Leute zu treffen. Ich hoffe, dass sich noch viel mehr Menschen für diesen Beruf interessieren.“ Dennis Stamsen

„ … man seine Persönlichkeit sehr stark in den Beruf einbringen kann, weil man so sein kann, wie man ist.“ Frederick Behrens

einen qualifizierten Abschluss in der Krankenpflege erworben haben, arbeiten bei uns häufig als ungelernte Kräfte oder gehen putzen“, sagt Michael Behrmann. Er ist Weiterbildungsberater der Agentur für Arbeit in Elmshorn – und hilft bei der Rückkehr in den Ausbildungsberuf. Im Fall Ludmilla Keils sei das sogenannte WeGebAU-Programm (Weiterbildung von Beschäftigten) für die Finanzierung genutzt wurden.

Für sie hat sich die Tür zum Arbeitsmarkt geöffnet: Krankenschwester Ludmilla Keil

Prüfung mit links bestanden Zusatzqualifizierung hilft bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen Der Abschluss der Russin Ludmilla Keil wurde nicht anerkannt. Dank einer Fortbildung kann sie nun wieder als Krankenschwester arbeiten. Am Anfang musste Ludmilla Keil überredet werden. Niemals hätte sie gedacht, dass sie die sogenannte Kenntnisprüfung zur Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikation in Deutschland schaffen könnte. Heute ist sie froh darüber, dass ihre Kolleginnen in der Wedeler DRK-Station nicht locker gelassen haben. Den entscheidenden Anstoß habe jedoch ihr Sohn gegeben: „Mama, hat er gesagt, Du willst immer, dass wir lernen. Jetzt bist Du mal dran“, berichtet sie schmunzelnd. Recht habe er gehabt. „Der Vorbereitungskursus bei der Regio-Klinik hat viel Spaß gemacht.“ Und: Jetzt kann sie endlich wieder in ihrem Beruf als Krankenschwester arbeiten. Keil wohnt seit elf Jahren in Deutschland. Ursprünglich kommt die 49-Jährige aus Sibirien. Jahrelang arbeitete sie in einem 500-Seelen-Dorf als Feldscherin – ein Berufsbild, das zwischen dem des Arztes und dem der Krankenschwester angesiedelt ist. „Ich war für die medizinische Betreuung aller Dorfbewohner zuständig“, erläutert sie – auch nachts und bei Notfällen. Einen Arzt gab es nicht.

Nach dem Umzug mit Kind und Kegel nach Wedel blieb Keil erst einmal zu Hause. „Ich konnte kein Wort Deutsch, habe jahrelang garnichts verstanden.“ Doch irgendwann fehlte ihr der Job. „Ich bin verrückt nach Arbeit“, gesteht sie lachend. Der Umgang mit Menschen und die Herausforderung, sich jeden Tag auf neue Situationen einstellen zu müssen, fehlte ihr. Keil absolvierte einen Sprachkurs und gelangte über Umwege zum Wedeler DRK. Doch dort konnte sie nur in der Krankenpflegehilfe beschäftigt werden. Denn ihr Abschluss wurde in der Bundesrepublik nicht anerkannt. „Migranten aus NichtEU-Ländern, die in ihrem Heimatland

Keil meldete sich für einen entsprechenden Kurs bei den Regio-Kliniken an, dem einzigen zertifizierten Bildungsträger dieser Art in SchleswigHolstein. In vier Monaten vertiefte sie ihr Theorie- und Praxiswissen – und schaffte die Prüfung zur Anerkennung ihres Berufsstands mit links. Ein gutes Gefühl, sagt Ludmilla Keil. Und auch ihre Chefin Bettina von der Schulenburg ist begeistert. „Ludmilla leistet tolle Arbeit. Unsere Patienten lieben sie.“ „Ich bin sehr dankbar, dass mir diese Möglichkeit eröffnet wurde“, sagt die fröhliche Endvierzigerin. Doch jetzt habe sie noch eine Rechnung mit ihrem Sohn offen: „Wenn ich die Kenntnisprüfung schaffe, dann muss er auch sein Abi schaffen.“

G: WeGebAU DIE FÖRDERUN sie Zuschüsse WeGebAU Das Sonderprogramm eren und Ält et ffn erö des Bundes Chancen in Geringqualifizierten Bedar f an Unternehmen. Der tig und ste igt ste Fachkräften Arbeitsr de tet nicht immer bie Bereich der im rs de son be , rkt ma n Bewerber. Pflege, die geeignete äftigen beViele Betriebe besch ungelernte r abe reits bewährte, iter, denen be tar Mi ere ält er od g oder ein nur eine Qualifizierun In dieser lt. feh s Berufsabschlus die ArbeitsSituation unterstützt Beschäftigagentur Betriebe und

zum te, indem sten für die Lohn zahlt und die Ko t. Weiterbildung übernimm annen kön Gefördert werden Ber, ite be tar Mi te ern oder ungel kei ch no her schäftigte, die bis haben und uss chl abs ruf Be nen es ArbeitsKräfte, die im Zuge ihr Weiterbilr de mit verhältnisses ten Berufsdung einen anerkann Teilqualifiabschluss oder eine en. kation erwerb müssen bei Voraussetzung: Sie rung das izie alif Qu r de n gin Be

det haben, 45. Lebensjahr vollen weniger als in einem Betrieb mit beschäftigt 250 Mitarbeitern er für die geb eit Arb sein, vom g freigeZeit der Qualifizierun iterhin Arwe d un n rde we llt ste beitsentgelt erhalten. der WeGebÜber das Programm eitsagenAU informieren die Arb Arbeite ert ssi ere int turen Rufnummer geber unter der *. 01801 664466

Festnetz der DTAG; *3,5 ct/min. aus dem ns 42 ct/min. hste höc e reis nkp bilfu Mo

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Z U K U N F T S B R A N C H E A LT E N P F L E G E

großes Bild links: Wahid Wahidi, Musiklehrer, im Orientalischen Musikraum links: Zakia Scha-Sarwar rechts: Abdullah Ahrari

wieder hier arbeiten. Es ist fast wie nach Hause kommen.“ ‚Fast wie zu Haus‘ ist ARIANA, Haus der Gesundheit, das erste Tagespflegeheim in Hamburg, in dem alles speziell auf die Bedürfnisse von älteren Migrantinnen und Migranten abgestimmt ist. Überwiegend kommen die Gäste aus dem Iran, Irak und Afghanistan. Sie finden bei ARIANA alles unter einem Dach, wofür symbolisch das große A steht: Gesundheit, Pflege und Soziales. Es gibt beispielsweise eine Zahnärztin, einen Allgemeinmediziner, eine Apotheke, die Tagespflege, eine Juristin, Sprachkurse, ein Friseur, Thai Chi- und Musikunterricht und sogar eine Eheberatung. Auch eine Bibliothek mit orientalischer und deutscher Literatur ist vorhanden.

Kultursensible Pflege:

„Die Menschlichkeit ist das Wichtigste“ Als die Tür schließt, ist im Hintergrund eine tiefe Männerstimme mit orientalischem Gesang zu hören. Eine ungewohnte Ruhe umgibt die wenigen Besucher, die im kleinen Foyer warten. Der Blick fällt auf ein in großen Lettern geschriebenes Gedicht des iranischen Dichters Sadi aus dem 13. Jahrhundert:

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en Glieder „Die Mensch verwoben Miteinander Stoff vom gleichen . fung gehoben aus der Schöp en ein Glied Hat das Leb z versehen Mit Schmer gehen. vor Leid ver er ed li G en er nt, Die and Mitleid ken Du, der kein ich d , dass man bis unwürdig t. hen nenn “ Einen Mensc

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Eine junge Frau sagt: „Heute ist mein erster Arbeitstag bei ARIANA.“ Zakia Scha-Sarwar strahlt über das ganze Gesicht. „Viele der älteren Menschen, die hier herkommen, haben wie ich den Krieg kennengelernt. Viele schreckliche Erlebnisse haben sich in unsere Seelen eingebrannt. Kaum jemand weiß, wie viel Angst besonders wir Frauen hatten, damals, bis wir in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben.“ Seit 16 Jahren lebt die 32-Jährige in Deutschland, lernte Deutsch und schlug sich anfangs mit Hilfsarbeiten durch, als Verkäuferin, beim Malteser Hilfsdienst oder in Altenheimen. Die sympathische junge Frau mit der herzlichen Ausstrahlung kennt Abdullah Ahrari schon über zehn Jahre. „Ich habe schon einmal für ihn gearbeitet, bin dann aber nach meiner Heirat meinem Mann in eine andere Stadt gefolgt. Aber jetzt, wo wir zurück in Hamburg sind, wollte ich unbedingt

Der Männergesang zum Klang der Tabla ist inzwischen verstummt und der Musiklehrer Wahid Wahidi zeigt den orientalischen Musikraum, mit Sitzkissen aus rotem und goldenen Samt auf dem Boden, Teppichen und großformatigen afghanischen Reiterscharen an den Wänden. „Das Gedicht von Sadi ist Sinnspruch und Geisteshaltung bei ARIANA“, sagt er, „vor allem bei seinem Gründer Ahrari. Einem Mann wie ihm bin ich zuvor noch nie begegnet.“ „Auch bei uns gibt es ein Osterfest, was viele gar nicht wissen.“, lächelt Abdullah Ahrari. „Über muslimische traditionelle Feste schlagen wir Brücken zu der deutschen Kultur. Denn damit betreiben wir Integration durch Pflege. Deshalb können die älteren Menschen bei uns auch Deutsch lernen.“ Bescheiden versucht er seine Einrichtung zu zeigen. Das ist gar nicht so einfach, denn er kommt kaum voran, jeder möchte etwas von ihm. Von allen kennt der Afghane die Lebensgeschichten, mit Krieg, Flucht, Traumata. Auch er war einmal Flüchtling, vor 29 Jahren. Im April 2007 eröffnete Abdullah Ahrari mit privaten Mitteln das ARIANA. „Schon 2002 hatte ich das Konzept für ein interkulturelles Zentrum fertig, aber bis zur Umsetzung dauerte es dann noch etwas. Auf die Idee kam ich durch meinen eigenen Pflegedienst

und als ich freiberuflich in der Pflege arbeitete. Immer wieder sprachen mich orientalische Patienten dankbar an, weil ich ‚einer von ihnen‘ war, ihre Sitten kannte.“ Für diese Menschen wollte der fünffache Familienvater aber mehr, glaubens- und kulturübergreifend sollte die Einrichtung sein. „Jeden Nagel, jede Farbe und jeden Stein im ARIANA kenne ich, vieles habe ich selbst mit aufgebaut“, freut sich Ahrari. „Schon als Kind hatte ich die Vision von der Oase der ethnischen Gemeinsamkeit. Dieser Traum hat sich erfüllt. Bei uns arbeiten Atheisten, Muslime, eine Jüdin und Christen fried-

lich und respektvoll miteinander.“ Das ARIANA hat zurzeit fünfmal pro Woche geöffnet, bis zu 20 Gäste verschiede-

Jahre oder älter sind. Die 65 Euro für den Platz in der Tagespflege übernehmen entweder das Sozialamt oder die Pflegekasse. Für wen beides nicht bewilligt wird, mich der muss privat zahlen.

„Immer wieder sprachen orientalische Patienten dankbar an, weil ich ‚einer von ihnen‘ war, ihre Sitten kannte.“ ner Herkunft, auch Deutsche, verbringen hier ihren Tag. Abdullah Ahraris ‚Haus der Gesundheit‘ ist zukunftsweisend. Rund 50.000 Migrantinnen und Migranten leben in Hamburg, die 60

Ob sich das ARIANA amortisiert? Abdullah Ahrari lacht herzlich. „Nein, das tut es nicht. Vielleicht bin ich verrückt – oder sentimental? Aber das ist nicht so wichtig. Hier finden die Menschen Frieden, das ist wichtig. Aber meinen Kindern sage ich immer: Noch wichtiger ist die Menschlichkeit.“

Altenpflege – eine demografische Herausforderung Bereits im November letzten Jahres machte die Regionaldirektion Nord mit einer Aktionswoche in Schleswig-Holstein auf den künftigen Fachkräftebedarf in den Pflegeberufen aufmerksam. Hintergrund für diese Initiative ist die demografische Entwicklung. Die Zahl der Über-65-Jährigen wird sich bis zum Jahr 2050 deutlich erhöhen. In Schleswig-Holstein kommen nach dem Ergebnis der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung* statistisch gesehen auf 100 20- bis unter 65-Jährige – und somit „die arbeitende Bevölkerung“ – aktuell rund 36 Über-65-Jährige. In 40 Jahren wird sich deren Zahl auf rund 66 erhöhen. Für die gleiche Gruppe ergibt sich in Hamburg im Jahr 2010 ein Anteil von 29. Dieser wird

sich im Jahr 2050 nahezu verdoppeln. In Niedersachsen kommen aktuell 35 Seniorinnen und Senioren auf 100 Menschen aus der Personengruppe 20 bis 65-Jährige. 2050 werden es rund 63 sein. Diese Zahlen verdeutlichen,

TIPPS IM INTERNET Mehr Infos zum Thema Demographie gibt es hier: www.iab.de/1101/section. aspx/Jahrgang/2010

Fit sein im Alter – eine Senioren-Stepptanzgruppe zeigt, dass das geht

dass es auf dem Arbeitsmarkt auch im Bereich der Pflege schon in naher Zukunft zu gewaltigen Herausforderungen kommen wird. So prognostiziert das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) allein für Schleswig-Holstein bis zum Jahr 2020 einen Bedarf von 4.000 examinierten Altenpflegern. Für Berufseinsteiger aber auch für arbeitslose Menschen, die eine neue berufliche Perspektive suchen und die gesundheitliche Eignung mitbringen, bieten sich in diesem Berufsfeld hervorragende Aussichten. *Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden Metropolregion Hamburg 2012

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GESUNDHEITSBERUFE

Das Klinikum Bad Bramstedt:

Gut medizinisch versorgt in der Metropolregion KLINIKUM BAD BRAMSTEDT Zu den akut versorgenden Kliniken zählen: und Immunologie Orthopädische Rheumatologie Unfallchirurgie

Zu den rehabilitativ versorgenden Kliniken zählen: Rehabilitation

Fachärzten, Ausschüssen und Patientenorganisationen (wie z.B. die Deutsche Rheumaliga) optimiert. Durch diesen Austausch können die Qualitätsstandards stetig verbessert und auf den neuesten Stand gehalten werden. Das KLINIKUM BAD BRAMSTEDT ist anerkanntes akademisches Lehrkrankenhaus der Universitätskliniken Schleswig-Holstein (UKSH) und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). Darüber hinaus gehört das Klinikum dem 6K-Verbund an, dem größten Klinikverbund Schleswig-Holsteins. Dieser beschäftigt mehr als 10.000 Mitarbeiter und behandelt über 220.000 Patienten jährlich. Zu dem Verbund gehören das Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, das Klinikum Itzehoe, die Kreiskrankenhäuser Rendsburg/ Eckernförde, das Westküstenklinikum Heide/Brunsbüttel und das Städtische Krankenhaus Kiel. Weitere Informationen: www.klinikumbadbramstedt.de

Rehabilitation Aus der 1931 von dem Kaufmann Oskar Alexander gegründeten Rheumaklinik Bad Bramstedt wurde 2009 das Klinikum Bad Bramstedt. Die Umbenennung war aufgrund des veränderten und erweiterten Behandlungsspektrums notwendig geworden. Während sich vor einigen Jahren noch alles auf die Diagnose Rheuma konzentrierte, kommen bereits heute zwei von drei Patienten aufgrund der weiteren und neuen medizinischen Angebote und Schwerpunkte. Der Behandlungsschwerpunkt der Einrichtung liegt auf Erkrankungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparates. Als eine sogenannte „combined unit“ werden unterschiedliche, fachübergreifende Methoden und Therapieansätze zur Behandlung dieser Art von Beschwerden unter einem Dach vereint. Insgesamt gehören dem KLINIKUM BAD BRAMSTEDT elf Fachkliniken an. Damit ist es ein Kompetenz-

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Metropolregion Hamburg 2012

zentrum für die Behandlung von Gelenk-, Wirbelsäulen-, Muskulatur-, Nerven- und Gefäßerkrankungen. Jährlich lassen sich über 12.500 Patienten hier behandeln – davon etwa 7.000 im Rehabilitationsbereich und ca. 5.500 im Klinikbereich. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse der modernen Medizin ergänzen sich im KLINIKUM BAD BRAMSTEDT optimal mit den langjährigen Erfahrungen im Bereich der Naturheilkräfte. Seit Jahrhunderten werden die in Bad Bramstedt vorhandenen Heilquellen

Luftaufnahme des Klinikum Bad Bramstedt

Rehabilitation Zu den übergeordneten Kliniken/Einrichtungen zählen:

Chance für vier „Fuffziger“ bei der Vorwerker Diakonie:

Senioren ersetzen „Zivis“

Die Abschaffung des Wehrdienstes führt zu personellen Engpässen bei Unternehmen, die mit Zivildienstleistenden gearbeitet haben. In dieser Situation entstand in gemeinsamen Gesprächen zwischen Vorwerker Diakonie und Jobcenter Lübeck die Idee, zumindest anteilig Zivildienstleistende durch ältere Beschäftigte zu ersetzen.

Versorgungszentrum (MVZ)

und das Moor zur Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates genutzt und unterstützen damit das ganzheitliche Therapiekonzept. Der Behandlungserfolg wird durch die Kombination und Vernetzung von stationären, teilstationären und ambulanten Therapieformen erreicht. Durch das Zusammenspiel aller medizinischen und therapeutischen Ressourcen kann das KLINIKUM ein umfassendes Behandlungsspektrum bieten. Medizinisches Wissen wird durch die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit externen Kliniken,

ltag einer Aus dem Berufsal Ergotherapeutin

feld Praxisinhaberin, Ein Beate Kranert-Hörst,

r und behandle ich Kinde Als Ergotherapeutin schränverschiedenen Ein Er wachsene mit gt eine fol henden Diagnostik kungen. Der einge therago er r de handlung. Bei entsprechende Be re ich füh rn de Kin lung mit peutischen Behand ern. Elt n re de t mi h Gespräc ein ausführliches des d fel rden – um das Um Kita und Schule we n. ge zo be lernen – mit ein Kindes kennen zu dass die Behandlung ist es, Mein Ziel bei jeder r kommi zu on und Motivati Kinder mit Freude Wünen ihr t mi tiv rden ak men. Die Eltern we trukns Es wird so eine ko schen einbezogen. det. bil ge s de erung des Kin tive Einheit zur Förd ngs ini ra nt er Elt ch spezielle Gruppen- aber au bot ab. runden mein Ange

Seit Anfang Mai haben Constanze Weinreich (52 Jahre), Rüdiger Düwel (52), Jutta Heeschen (54) und Thomas Prudlo (55) als Fahrer/-innen in der Behinderten- und Seniorenbeförderung eine Aufgabe übernommen, die ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen erfordert. Mit 25 weiteren Kollegen befördern sie gehbehinderte oder orientierungslose Menschen u. a. zu ihren Arbeitsplätzen. Dabei sind das Ein- und Aussteigen in die Fahrzeuge sowie die Fahrten selbst eine besondere Herausforderung. Die Fahrer/-innen können teilweise nicht über Sprache mit ihren Fahrgästen kommunizieren, sondern sind nicht selten

auf Gestik und Mimik in der Verständigung angewiesen. Trotz aller Hindernisse, die es in der täglichen Arbeit zu überwinden gilt, sind sich die vier einig: Es handelt es sich um eine dankbare Arbeit, auf die sie stolz sind. Unterstützt wurde die Arbeitsaufnahme durch das Bundesprogramm „Perspektive 50plus“.

Haben Sie auch Interesse, ältere Arbeitnehmer einzustellen und sind Sie aus Lübeck? Nehmen Sie gerne Kontakt zum 50plus-Team auf: Telefon: 0451 588-550 E-Mail: [email protected] Alle anderen Arbeitgeber aus der Metropolregion, die ältere Arbeitnehmer einstellen wollen, können sich an Ihren örtlichen Arbeitgeber-Service unter der Rufnummer 01801 66 44 66* wenden. *3,5 Ct/Min. aus dem Festnetz der DTAG; Handypreise höchstens 42 Ct/Min.

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GESUNDHEITSBERUFE

Ausbildungsmarkt:

Beliebte Berufe im Gesundheitssektor

Die Metropolregion hat viele Gesichter

In einer Arztpraxis zu arbeiten, ist nach wie vor bei jungen Frauen beliebt. Der Ausbildungsberuf heißt medizinische Fachangestellte – früher Arzthelferin*. In der TOP 10 der von den Schülerinnen und Schülern in der Metropolregion nachgefragten Berufen nimmt diese Ausbildung eine der vorderen Plätze ein. Insgesamt 1.100 Jugendliche ließen sich als Bewerberinnen und Bewerber bei der Berufsberatung der örtlichen Arbeitsagentur für eine Lehre in diesem Gesundheitsberuf registrieren. Die Ausbildungsinhalte – u.a. auf den Internetseiten der Bundesagentur für Arbeit im BERUFENET nachzulesen – sind grundsätzlich in allen Bundesländern gleich. Dennoch gibt es im Bundesland Schleswig-Holstein – und somit in der Metropolregion – eine Besonderheit: der überbetriebliche Ausbildungsanteil. In jedem Ausbildungsjahr nehmen alle Auszubildenden in Schleswig-Holstein für eine Woche an einer überbetrieblichen Ausbildungsphase teil. In dieser Zeit werden Ausbildungsinhalte trainiert, die in vielen Arztpraxen nur schwer oder gar nicht vermittelt werden können. Zu den Inhalten gehören z. B. der Erwerb von Kenntnissen der Geräte- und Apparatetechnik, Laborarbeiten sowie des Abrechnungswesens.

Steffi Sabotta

Auszubildende zur Orthopädieschuhmacherin, o.t.n

„Ich liebe an meinem Beruf die Vielseitigkeit. Handwerk, Technik, Kreativität und der Umgang mit Kunden kommen zusammen.“ Ergotherapeutin, Einfeld

„Mit Kindern zu arbeiten, e bedeutet, seine Sichtweis neu er auf die Welt imm einzustellen.“

Empfangsbereich in einer Arztpraxis – eine typische Situation in der Ausbildung

Für Facharztpraxen, die nicht allgemeinmedizinisch orientiert sind, werden zwei erweiterte überbetriebliche Ausbildungenseinheiten von jeweils drei Tagen durchgeführt, um eine ausreichende Übungskomponente der vermittelten Fertigkeiten zu gewährleisten. Dieses besondere Angebot gibt es außer in Schleswig-Holstein nur noch in Hessen. Im Norden führt das EdmundChristiani-Seminar der Ärztekammer Schleswig-Holstein die Schulungen in Bad Segeberg durch. Die Bildungseinrichtung legt großen Wert darauf, den Auszubildenden durch intensives Üben

Moritz Jahnecke Auszubildender zum Orthopädiemechaniker, o.t.n.

in Partnerarbeit und durch handlungsorientierte Aufgaben praktische Fertigkeiten zu vermitteln. Das gelingt durch kleine Lerngruppen, die von erfahrenen Lehrarzthelferinnen unterwiesen werden.

„Ich liebe an meinem Beruf die Kombination aus Handwerk und Kontakt zu hilfebedürftigen Menschen.“

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Gaby Philipp Chefin des Jangwa Hauses Reinbek

„Es macht viel Spaß, mit Menschen zu arbeiten und das selbst Erlernte zum Wohle der Kunden einzusetzen.“

TIPPS IM INTERNET Nähere Infos hierzu gibt es im Internet unter: ecs.aeksh.de

Pharmazeutisch-Technische-Angestellte Maike Arndt

Infos zu weiteren Ausbildungsberufen finden Sie unter: www.berufenet.arbeitsagentur.de

Metropolregion Hamburg 2012

sen

Björn Clau

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde nur die weibliche Form verwendet.

Weitere beliebte Lehrberufe im Gesundheitssektor:

10

„Mir gefällt, dass ich Kunden helfen kann den wir hier toll zusam und menarbeiten.“

Beate Kranert-Hörst

Christian Krogsrud ünster Hausarzt in Neum

Zahnmedizinische Fachangestellte

Christina Rachow

Auszubildende zur Einzelhandelskauffrau, o.t.n.

von „Das Über winden ein er m im ‚Grenzen‘ ist ZusamFortschritt für das hen.“ sc en M r menleben de

Abdullah Ahrari

ARIANA, Hamburg

„Wir betreiben Integration durch Pflege.“

Medizinische Fachangestellte

„Der Beruf der Medizinischen Fachangestellten ist ein sehr verantwortungsvoller und abwechslungsreicher Beruf. Im Vordergrund steht für mich besonders der Kontakt mit den Menschen und die Möglichkeit, ihnen zu helfen.“

Dr. Horst Lorenz Leiter Ärztlicher Dienst AA Hamburg

„Die vielfältige Aufgaben als Leiter des Ärztlichen Dienstes einer Großstadtagentur sind herausfordernd und spannend zugleich.“

Christoph Kägi

Heilpraktiker und Gesundheitsberater

„Als Neumünsteraner Therapeut sorge ich dafür, dass die Menschen im Norden durch Naturheilkunde gesund bleiben und gesünder leben.“

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MEDIZINTECHNIK

Qualität made in Germany:

links: Die Auszubildende zur Orthopädieschuhmacherin im 4. Lehrjahr, Steffi Sabotta, am Fußscanner unten v.l.n.r.: Christina Rachow, Auszubildende zur Einzelhandelskauffrau vorm Verkaufsregal; das Lauf- und Bewegungslabor

18.000 Matratzen jährlich aus Dithmarschen schon mal aus, aber nicht an irgendeine Firma, sondern an die Stiftung Mensch. Ihre Mitarbeiter nähen dann die Kissenschutzbezüge. Auch eine Schwerbehinderung ist bei WULFF MED TEC kein Handicap. Eine der Näherinnen ist gehörlos. Ihr Spitzname lautet Adlerauge. Da sie in der Qualitätskontrolle die Fehler eher sieht als die anderen Beschäftigten.

Ein typischer Arbeitsgang: das Vernähen der Matratzen mit Spezialgeräten

Im Norden Dithmarschens, im 218Seelen-Dorf Fedderingen, werden bis zum Ende des Jahres 18.000 Matratzen gefertigt. Sie sorgen in ganz Deutschland – in Kliniken, Privathaushalten und sogar bei Prominenten – für einen erholsamen Schlaf.

Er kann alle Schritte, die bis zur Fertigung einer Matratze anfallen, komplett nachvollziehen. So weiß er, worauf er bei neuen Entwicklungen achten muss.

Entwicklung ist ein gutes Stichwort bei WULFF MED TEC. Seit 2006 besteht ein Forschungsvertrag mit der Technischen Universität Berlin. So konnten in der Zusammenarbeit mit WissenAngefangen hat alles ganz klein. Hinschaftlern besonders gesundheitsrich Wulff hat den Betrieb vor 30 dienliche Matratzen entwickelt werJahren zunächst als Feierabendunterden. Silberionen in den Bezügen bieten nehmen mit dem Verkauf von PEeinen effektiven Schutz gegen KrankBettenabdeckhauben und Birkenstockheitserreger. Mittlerweile reicht die schuhen gegründet. Über den Verkauf Palette von Antidekubitusund Komfortmatratzen für Kliniken und Pflegeheime bis hin „Wir nehmen unsere soziale zur individuellen Schlafunterund ökologische Verantwortung lage für Privatkunden – auch ernst.“ für Babys. von Matratzenschutzbezügen kam es dann zum heutigen Kerngeschäft, der Herstellung und dem Verkauf von Matratzen. Sohn Heino Wulff ist 2004 in das Unternehmen eingetreten und hat dort alle Abteilungen durchlaufen. Heute ist er Mitglied in der Geschäftsleitung. Hierin sieht er einen großen Vorteil.

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Metropolregion Hamburg 2012

Die neueste Entwicklung, die WULFF MED TEC aufgegriffen hat, ist DataMatrix. Dieser zweidimensionale Barcode bietet vielfältige Möglichkeiten zur Prozessoptimierung – vom Wareneingang über den innerbetrieblichen Transport bis in die Stationsund Funktionsbereiche. Wenn das Auftragsvolumen nicht mehr durch die eigenen 30 Mitarbeiter erledigt werden kann, lagert WULFF MED TEC auch

Heino Wulff ergänzt: „Wir als Unternehmer nehmen unsere soziale und ökologische Verantwortung ernst. Daher haben wir auf unserem Firmendach eine Photovoltaik-Anlage und im Bürogebäude Luftwärmepumpen installiert. Die Näherei ist mit einer Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Damit entfällt die heizkostenträchtige Fensterlüftung.“

WULFF MED TEC plant noch weiter in die ökologische Zukunft und will auch in zehn Jahren umweltpolitische Maßstäbe setzen. Hierzu plant die Firma eine autarke Energieversorgung aus Windenergie und weiteren Photovoltaik-Flächen. Die erzeugte Energie soll dann Mitarbeitern zur Verfügung stehen, um private Elektroautos bei der Arbeit kostenlos aufladen zu können. Eine Frage ist noch offen: Welcher Prominente hat nun eine Matratze aus Fedderingen? Geschäftsführer Heino Wulff schmunzelt und verrät nur so viel: „Es ist ein ehemaliger Bundeskanzler unseres Landes.“

orthopädie.technik.nord

„ … um Menschen zu helfen“

Unter diesem Motto arbeitet die Mannschaft von o.t.n mit Leidenschaft und Kompetenz – und das spüren ihre Kunden. Seit 1996 ist o.t.n erfolgreich in der Gesundheitsvorsorge und -versorgung tätig. Aus der einstigen Zwei-MannWerkstatt für Orthopädie-Technik ist heute ein modernes Unternehmen mit 60 Mitarbeitern geworden. Es vereint sieben Kompetenzbereiche unter einem Dach – vom Sanitätshaus über die Schuh- und Orthopädietechnik bis hin zu speziellen Versorgungsangeboten für Kinder. Dazu kommen noch die Bereiche Pflege, Reha und das Prothesen-Atelier. Es ist das erste in Norddeutschland. In ihm werden seit Oktober 2009 amputierte Patienten aus aller Welt versorgt.

ne Ausbildung. 13 der 60 Mitarbeiter sind Auszubildende – eine Ausbildungsquote von 20 Prozent.

Neben den Ausbildungen zum Orthopädiemechaniker, Bandagisten und zum Orthopädieschuhmacher bildet o.t.n zum Einzelhandels- und Bürokaufmann sowie zum Fachlageristen aus. Jedes Jahr werden fünf Auszubildende – für jeden Beruf einer – eingestellt. Bei der Auswahl der Bewerber geht es nicht nur um Schulnoten. Auch vermeintlich schwächere Bewerber erhalten eine Chance, wenn der Gesamteindruck stimmt. Um die Auszubildenden als Fachkräfte auch nach der Ausbildung im Unternehmen zu halten, macht o.t.n bereits während der Ausbildungszeit interessnte Angebote: So bieten die Ausbildungsmeister zusätzliche Workshops an, unterstützen bei Aufgaben für die

Bewerber zu finden, ist nicht immer einfach. „Unsere Produkte sind in der „Ganz zu Unrecht sind wir ganzen Welt gefragt – der Kunde keine populäre Branche. mit dem weitesten Anreiseweg Obwohl wir in vielfältigen und zukunftssicheren Bekam von den Philippinen.“ rufen ausbilden, ziehen Schüler aus Unkenntnis oft bekanntere Ausbildungsberufe Berufsschule und helfen bei kleinen vor“, sagt Reiner Wallus, Kaufmänniund größeren Sorgen. Die Auszubilscher Leiter. „Dabei sind in nur wenidenden organisieren regelmäßige Trefgen anderen Berufen handwerkliche fen, tauschen sich aus und unterstütKompetenz, technisches Know-How, zen einander. Und für Entspannung ist medizinisches Wissen und die vertrauauch gesorgt. Ein gemütlicher Aufentensvolle Arbeit mit Menschen so interhaltsraum mit Schlafmöglichkeit oder essant und eng miteinander verRückenmassagen werden gern geknüpft.“ nutzt.

Der Bedarf an Produkten und Dienstleistungen steigt, der Markt ist dynamisch. Allein der demografische Wandel führt zu einer steigenden Nachfrage. Diese kann nur mit qualifizierten Fachkräften bedient werden. Insbesondere hierin besteht eine große Herausforderung. Fachkräfte wie beispielsweise ein Orthopädiemechaniker-Meister sind so gut wie nicht zu finden. o.t.n setzt deshalb auf die eigeMetropolregion Hamburg 2012

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MEDIZINTECHNIK

medac GmbH und Arbeitsagentur kooperieren bei Personalsuche:

Wachstumsmotor Gesundheitswirtschaft Im Bereich der Medizintechnik gibt es viele Firmen, die ihren Hauptsitz in der Metropolregion haben. Diese Unternehmen sind durch spezielle Präparate und Instrumente deutschland-, europa- oder sogar weltweit Marktführer.

rum entstanden. Jürgen Goecke, Chef Die Gesundheitswirtschaft ist eine der Regionaldirektion Nord der BunLeit- und Zukunftsbranche für den desagentur für Arbeit, und Thomas Arbeitsmarkt. Das wird an den unKenntemich, Leiter der Agentur fürSchleswig-Holstein Arterschiedlichen Beschäftigungsanbeit Elmshorn, besuchten die medac 16,8 teile der an der Metropolregion beGmbH, um sich vor Ort über die Arteiligten Bundesländer deutlich. Mecklenburg-Vorpommern beitsplätze und den künftigen Fachkräf14,1 Karte rechts 11,9 In Niedersachsen – siehe tebedarf des Unternehmens zu inforEin Betrieb – stellvertretend für viele – beträgt der Anteil der Beschäftigten Hamburg mieren. andere – ist das Pharma-Unternehmen in der Gesundheitswirtschaft – Stand Bremen 13,4 medac GmbH. Im vergangenen Jahr hat Falk-Birger Dißars, Bereichsleiter FiJuni 2010 – an allen sozialversichedas Wedeler Unternehmen allein 18 nanzen und Verwaltung, schildert die rungspflichtigen Beschäftigten 14,8 %. Berlin Niedersachsen Millionen Euro in hochmoderne Labore, Erfolgsgeschichte der medac, die BeIn Hamburg sind es 11,9 %. Schleswig16,0 14,8 Büros und Lagerbereiche auf einem sonderheiten der neuen Betriebsstätte Holstein kann – zumindest für den Arund sprach dann über die beitsmarkt – zu Recht den Anspruch Brandenburg hier geschaffenen Arbeitserheben, das „Gesundheitsland“13,5in „Wir setzen weiter auf Sachsen-Anhalt plätze. Rund 100 ArbeitnehDeutschland zu sein. In keinem ande13,9 mer – circa zur Hälfte im geren Bundesland ist der Anteil der sozidynamisches Wachstum, bleiben Nordrhein-Westfalen werblichen Bereich – haben alversicherungspflichtig Beschäftigten aber in der Region verwurzelt.“ 14,1 ihre neue Bein Tornesch in der Gesundheitswirtschaft höher. Sachsen schäftigungsstätte erhalten. Mit 16,8 von 100 Beschäftigten ist et13,8 Thüringen wa jeder sechste Schleswig-Holsteiner 32.500 m² großen Grundstück in TorFalk-Birger Dißars: „Uns liegt das Wohl 13,5 in diesem Bereich tätig*. nesch investiert. Dort ist ein hochmoder Mitarbeiter und PatientenHessen beson13,6auf dernes Forschungs- und Logistikzentders am Herzen. Wir setzen weiter Das Institut für Arbeitsmarkt- und Bedynamisches Wachstum, bleiben aber rufsforschung Nord (IAB) hat den ArRheinland-Pfalz in dieser Region verwurzelt. Der Arbeitbeitsmarkt „Gesundheitswirtschaft“ in 15,3 geber-Service vor Ort ist für uns ein Schleswig-Holstein analysiert. Einige von links nach rechts: Jürgen Goecke, wichtiger Partner bei der Personalder Ergebnisse lassen auch RückJürgen Knauff (Arbeitgeber-Service, suche.“ schlüsse auf Entwicklungen in der MeAgentur für Arbeit Elmshorn), FalkSaarland 15,8 Birger Dißars, Thomas Kenntemich, tropolregion zu. Die medac GmbH ist seit 40 Jahren eiIngo Hüttmann (medac, Leiter Facility Bayern Management) ner der führenden Hersteller onkologiSchwerpunkt der Beschäftigung ist 13,4 scher, rheumatologischer und urologider sogenannte Kernbereich der Gescher Präparate in Deutschland. Für sundheitswirtschaft, d. h. KrankenhäuBaden-Württemberg das Ziel, krebskranken Menschen die ser, Alten- und Pflegeheime sowie die 14,4 bestmögliche Therapie anzubieten, niedergelassenen Ärzte. Rund 78 % alwurde im Lauf der Jahre die Palette der ler Beschäftigten in der GesundheitsWirksubstanzen gegen Tumorerkranwirtschaft Schleswig-Holsteins sind in kungen erheblich erweitert. Bereits diesem Kernbereich tätig. Ein weiterer kurze Zeit nach der Gründung im Jahre Schwerpunkt ist die industrielle und 1970 hatte sich die medac als eines der handwerkliche Herstellung von mediziersten Unternehmen in Deutschland nischen Produkten mit rund 11 %. Beiauf die Onkologie spezialisiert, die bis de Arbeitsfelder haben gegenüber heute das Kerngeschäft ist. Das mittelWestdeutschland überdurchschnittliständische Unternehmen beschäftigt che Beschäftigtenanteile. Unterdurchderzeit international über 700 Mitarbeischnittlich vertreten sind hingegen der ter und erzielt einen Umsatz von 250 Handel und der Bereich private KranMillionen Euro. kenversicherung sowie Forschung und Entwicklung.

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Metropolregion Hamburg 2012

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB):

Die Gesundheitswirtschaft ist eine Leit- und Zukunftsbranche re Beschäftigungsschwerpunkte hat. Bemerkenswert ist allerdings, dass im Bereich der pharmazeutischen Industrie und Medizintechnik – wenn auch bei deutlich geringeren Fallzahlen als Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft* im Kernbereich – die Kreise Segeberg Anteil 100 sozpfl. Beschäftigte in der mit je176 % und Pinneberg mit 123 % Gesundheitswirtschaft über dem westdeutschen Durchschnitt > 0,0 - 13,4 (2) liegen. > 13,4 - 13,7 (4)

Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft* Anteil je 100 sozpfl. Beschäftigte in der Gesundheitswirtschaft > 0,0 > 13,4 > 13,7 > 14,2 > 15,5

-

13,4 13,7 14,2 15,5 20,0

(2) (4) (4) (3) (3)

Stand: 30.6.2010

Schleswig-Holstein 16,8

11,9

> 13,7 -

Mecklenburg-Vorpommern 14,1

Hamburg Bremen 13,4 Berlin

Niedersachsen 14,8

16,0

Sachsen-Anhalt 13,9

Brandenburg 13,5

Nordrhein-Westfalen 14,1 Thüringen 13,5

Sachsen 13,8

Hessen 13,6 Rheinland-Pfalz 15,3

15,8

Saarland

Bayern 13,4 Baden-Württemberg 14,4

In den Kreisen und Städten SchleswigHolsteins, die zur ‚Metropolregion Hamburg‘ gehören, sind die Anteile der Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft unterschiedlich verteilt. Führend sind Ostholstein mit einem Anteil, der 69 % höher liegt als in Westdeutschland. Es folgen die Hansestadt

Lübeck (+43 %) und das Herzogtum Lauenburg (+37 %). Schlusslicht ist der Kreis Pinneberg, dessen Beschäftigungsanteil in der Branche rund 6 % unter dem westdeutschen Durchschnitt liegt. Hier macht sich unter anderem der Einfluss des Hamburger Arbeitsmarktes bemerkbar, der ande-

14,2 (4)

> 14,2 - 15,5 (3) Die ist insge> 15,5Gesundheitswirtschaft - 20,0 (3) samt betrachtet ein WachstumsbeStand: 30.6.2010 reich. Zwischen den Jahren 2000 und 2010 hat die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Schleswig-Holstein um rund 16 % zugenommen.

Beschäftigungsanalyse: positive und negative Aspekte Der heute schon hohe Beschäftigtenanteil und die Prognosen für steigende Bedarfe nach medizinischen Dienstleistungen deuten auf eine stabile Arbeitskräftenachfrage hin. Auch die Qualifikations- und Altersstruktur ist besonders günstig. Der hohe Anteil an weiblichen Teilzeitbeschäftigten (91 %) stellt gegenüber anderen Branchen eine potentielle Ressource an qualifiziertem Personal dar. Angesichts der anhaltenden Diskussion über einen medizinischen Fachkräftemangel gilt es, alle Beschäftigungspotenziale zu nutzen. Dafür ist es notwendig, interessante Beschäftigungsperspektiven zu öffnen. Denn insbesondere bei den Sprechstunden- und Apothekenhelferinnen existiert schon heute eine erhebliche Abwanderung in nichtmedizinische Berufsfelder. *Hinweis: Das IAB verwendet für die Analyse eine eigene Abgrenzung der Berufs- und Wirtschaftsklassifikationen (Berufe und Branchen). Daher sind die zusammengefassten Werte nicht immer mit den in den offiziellen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewiesenen Gruppen identisch. Die Ergebnisse sind dem demnächst in der Reihe IAB-regional erscheinenden Heft „Gesundheitswirtschaft in Schleswig-Holstein“ entnommen.

Metropolregion Hamburg 2012

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L E I S T U N G S S TA R K T R O T Z H A N D I C A P

Mit Gebärden durch den Job INFO Bei H&M in Hamburg arbeiten Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, 20 % von ihnen sind gehörlos. Der Integrationsfachdienst Hamburg für Menschen mit Körper- und Sinnesbehinderung vom BFW Vermittlungskontor berät das Unternehmen seit 2005 und vermittelt auch schwerbehinderte Menschen.

Store Managerin Anja (rechts) mit ihrer hörbehinderten Kollegin Kirsten

„Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit“, sagt Kirsten* und lacht. Die 43-Jährige ist gelernte Zahntechnikerin. Aber nachdem sie neun Jahre für die Erziehung ihrer Kinder zu Haus blieb, war ihr klar, dass sie keine Chance hat, wieder in ihren erlernten Beruf einzusteigen. Es gäbe einfach zu wenig Teilzeit-Angebote. So kam es zu einem Auflösungsvertrag. Während die zweifache Mutter spricht, schaut sie ihren Gesprächspartner nur selten an. Ihr Augenmerk gilt den Händen einer Dolmetscherin. Kirsten ist gehörlos. Seit dreieinhalb Jahren arbeitet sie inzwischen im Lager der Norderstedter Filiale von H&M. Mittlerweile ist es bei dem Textilkonzern durchaus üblich, schwerbehinderte Menschen einzustellen, wie Tanja Hußenether, Communication and press departement, stolz erzählt: „2006 setzte bei uns im Unternehmen ein Umdenken ein. Wir wollten schwerbehinderte Menschen einstellen und ganz gezielt ihre Beschäftigungsquote bei uns steigern. Damals lag sie bei fast null Prozent. Heute liegt unsere Quote in Hamburg bei sechs Prozent!“ „Dabei lief es nicht immer nach Plan.“ erläutert Frederike Basala, Beauftrag-

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Metropolregion Hamburg 2012

te für schwerbehinderte Beschäftigte im Unternehmen in Hamburg. „Vieles haben wir über ,learning by doing‘ ausprobiert. Zuerst arbeiteten gehörlose Menschen nur in unserem Lager in Moorfleet. Das brachte uns den Vorwurf ein, H&M wolle Menschen mit Handicaps nicht wirklich integrieren. Also probierten wir andere Wege aus. Wer von unseren gehörlosen Kolleginnen möchte, kann auch im Verkauf arbeiten.“

Die drei Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, SchleswigHolstein und Hamburg bilden bei H&M einen Regionalverband mit einer gemeinsamen Beschäftigungsquote. Von den 1.400 Beschäftigten sind 85 anerkannt schwerbehindert oder gleichgestellt. Das entspricht einer Quote von 5,95 %.

wohl, wenn die Menschen mich von hinten ansprachen. Ich konnte sie ja nicht hören. Deshalb ging ich lieber wieder ins Lager zurück. Für mich ist wichtig, dass wir uns hier alle gut verstehen, auch wenn das sicherlich für einige anfangs nicht so einfach „Wichtig ist für uns, dass die war“, sagt sie nachdenkBeschäftigten Spaß an der Arbeit lich. Sie spricht ihrer und Freude am Umgang mit Store Managerin Anja aus Menschen und Mode haben.“ dem Herzen. Für ihre Vorgesetzte war die Hemmschwelle anfangs groß, „Wichtig ist für uns, dass die Beschäfmit einer gehörlosen Kollegin zusamtigten Spaß an der Arbeit und Freude menzuarbeiten. Die Kommunikation am Umgang mit Menschen und Mode wird durch ein Hilfsmittel erleichtert. haben. Unsere Strategie bei H&M ist, „Wenn ich mal vom Lager ins Büro drei jeden alles lernen zu lassen, was man Räume weiter kommen soll, habe ich für einen Job bei uns braucht. Und Aufein Vibrationsgerät bei mir, das Anja stiegschancen gehören dazu. Perfekte auslösen kann – vom Integrationsamt Lebensläufe erwarten wir nicht. Wer finanziert“, lachen die beiden Frauen. kann, der darf!“ Das wird auch bei Alarm eingesetzt, falls das Center mal geräumt werden Auch Kirsten hat sich im Verkauf ausmuss. probiert. Aber das gefiel ihr nicht so * Wie in skandinavischen Unternehmen üblich, duzen gut. „Vor allem fühlte ich mich nicht sich auch bei H&M viele der Mitarbeiter.

Personaldienstleistung als Sprungbrett Allein fünf seiner 80 Mitarbeiter haben einen Grad der Behinderung von 100 – kein Thema für Klaus Dettmar, Vertriebsleiter bei der Firma afg PERSONAL.

Er selbst gewöhnt sich in der Regel nach zwei Tagen ein. Seine neuen Kollegen brauchen rund zwei Wochen. Danach läuft es völlig problemlos“, erzählt Dettmar.

Mit seinen guten Firmenkontakten weiß er sie entsprechend ihren Qualifikationen und Einschränkungen einzusetzen. Seine zufriedenen Kunden zeigen, dass auch Mitarbeiter mit einem Handicap flexibel und leistungsstark sind.

Der seit seiner Geburt behinderte Nils Schaknies hat an einer normalen Schule sein Abitur gemacht. Die Ausbildung zum Elektroniker für Geräte und Systeme absolvierte er danach im TheodorSchäfer-Bildungswerk in Husum. Seine positive Lebenseinstellung findet sich auch in seinem Lebensmotto, das er in einem Zitat von Erich Kästner gefunden hat: „Aus den Steinen, die mir in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.“

Für Dettmar ist die Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer ganz selbstverständlich. „Sie müssen nur die Chance bekommen, ihre Potentiale zeigen zu können. Hierfür ist die Arbeitnehmer überlassung ein gutes Sprungbrett.“

„Aus den Steinen, die mir in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes bauen.“ Das funktioniert gut – so wie bei Nils Schaknies und Jimmy Demain. Beide sind hörbehindert und bei ihm als Elektroniker beschäftigt sind. Sie haben einen Grad der Behinderung von 100. Nils Schaknies ist aktuell an die Firma S&A Steuerungstechnik in Büchen verliehen. „Nils ist ein kompetenter Elektroniker, der sich schnell an seinem neuen Arbeitsplatz und in unserer Belegschaft eingefunden hat. Er wird hier voll akzeptiert“, sagt Joachim Böttcher, Teamleiter bei S&A nach rund 3 Monaten. Schaknies Schwerbehinderung sieht man nicht auf dem ersten Blick. Erst im Dialog, wenn der Gesprächspartner undeutlich oder zu schnell spricht, weist er sein Gegenüber daraufhin, dass er schwerhörig ist und von den Lippen abliest. Bei afg Personal ist der junge Mann seit etwa 1 ½ Jahren: „Die Unternehmen, bei denen er eingesetzt wird, bereite ich vor, so dass jeder weiß, dass Nils von den Lippen abliest.

Sein Kollege Jimmy Demain, geboren in Quezon City auf den Philippinen, ist derzeit als Elektroniker bei der Firma Montronic tätig. Er baut und bestückt dort Steuerungsplatinen. Eine Tätigkeit, für die es keine Ausbildung gibt und die entsprechender Einarbeitung bedarf. Die Qualitätsanforderungen sind sehr hoch. Dietmar Walther, Geschäftsführer bei Montronic, kann von dem 35-jährigen – der im vierten Monat in seiner Firma ist – nur Gutes berichten: „Er ist sehr aufgeschlossen und mittlerweile ein wertvoller Mitarbeiter für uns. Er hat sich gut ins Team integriert.“ Walther macht seit vier Jahren gute Erfahrungen mit schwerbehinderten Arbeitnehmern. „Wir beschäftigen gerne Mitarbeiter mit Handicap. Ich kann sagen: Wir haben im Laufe der Jahre tolle Menschen kennengelernt.“ Für den gebürtigen Filipino, der seit 1985 in Deutschland lebt und hier eine Ausbildung gemacht hat, war der Arbeitsvertrag mit der afg PERSONAL etwas Besonderes: „Das ist der erste unbefristete Arbeitsvertrag seit meiner Lehrzeit. Nach den vielen befristeten Verträgen eine echte Überraschung“,

oben: Nils Schaknies am Schaltschrank unten: Jimmy Demain bestückt eine Steuerungsplatine

erzählt Demain. Er fühlt sich an seinem Arbeitsplatz sichtlich wohl und „es klappt toll mit den Kollegen“.

TIPPS IM INTERNET Infos zur Kampagne „Leistungsstark trotz Handicap“ in Schleswig-Holstein: www.schleswig-holstein.de/ MASG/DE/Startseite/ Portalhauptartikel_ Leistungsstark.html

Metropolregion Hamburg 2012

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32,0 %

-1,6 %

L E I S T U N G S S TA R K T R O T Z H A N D I C A P Heidekreis 41,7 %

Uelzen 50,2 %

Z A H L E N · D AT E N · FA K T E N

LüchowDannenberg 52,7 %

Heidekreis -8,5 %

Metropolregion Hamburg: 19,4 Prozent

Gem. sozialversicherungspflichtige Stellen

37,9 %

Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent ≥ ≥ ≥ ≥

4,0 10,0 20,0 40,0

-

< 10,0 < 20,0 < 40,0 < 53,0

Cuxhaven 5,5 %

Metropolregion Rückgang um 4,3 Prozent innerhalb eines Jahres*

Hamburg: 19,4 Prozent

In der Metropolregion waren im November 2011insgesamt 176.300 Menschen Arbeitslose arbeitslos**.

Ostholstein** 8,4 % Lübeck** 19,1 %

28,0 %

ExperLüneburg 4,9 % ist ein Thema, das 32,0 % die Zustimmung aller erfordert und deshalb gesamtgesellschaftUelzen Heidekreis liche Bedeutung besitzt. 50,2 % 41,7 %

Spielertrainer Bernd Eickemeyer beobachtet das Training seiner Mannschaft

In ihrem Team spielen nämlich nicht nur Rollstuhlfahrer und Behinderte. Sie sind eine integrative Mannschaft und haben somit auch nicht-behinderte Mitspieler. Gemeinsam trainieren sie und nehmen an Punktspielen teil – wie jede andere Sportmannschaft. Ein aktives Beispiel für Inklusion. Die Mannschaft besteht aus sechs behinderten und fünf nicht-behinderten Spielern. Davon sind nicht alle Behinderten auf den Rollstuhl angewiesen. Nadine Bollgehn, Leiterin der RollstuhlBasketball-Sparte, sagt über die Mannschaft: „In unserem Team ist es einfach normal, verschieden zu sein.“ Auch wünscht sie sich ein normales Miteinander. „Wir wollen gefordert

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Metropolregion Hamburg 2012

werden – im Sport wie auch im Beruf.“ Für sie und ihre Mitspieler sind die Rollstühle Sportgeräte und keine Krankenfahrstühle. Beruflich integriert ist beispielsweise Magnus Gläser, 21 Jahre. Er kommt aus Lübeck zum Training nach Nusse. Gläser leidet an einer genetischen Muskelerkrankung. Darum ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Aktuell ist er Auszubildender im zweiten Lehrjahr. Er wird Bürokaufmann bei einem Reinigungsunternehmen. Da Gläser die Hände aufgrund seiner Erkrankung nicht nutzen kann, benötigt er im Büro verschiedene Hilfsmittel. Von der Agentur für Arbeit und dem Integrationsamt wurde sein Arbeitsplatz behindertengerecht ausgestattet. So erhielt er einen elektronischen Türöffner und spezielle Bürogeräte wie Headset, Tacker und Locher. „Ansonsten möchte ich im Umgang aber nor-

12,3 %

Stade 51,7 %

Hamburg

Ostholstein**

≥ 4,0 - < 10,0

Übrigens fängt das gemeinsame Miteinander im Team der ,Nusse Rams‘ auch schon bei den Jüngsten an. Die ,Junior-Rams‘, behinderte und nicht behinderte Kinder und Jugendliche, spielen gemeinsam im Rollstuhl Basketball und haben dabei viel Spaß.

(Wümme)

-3,8 % Harburg -8,1 %

Lüneburg -11,4 %

Cux -14

-1,6 %

Herzogtum Lauenburg 6,4 %

LüchowDannenberg -6,8 %

Uelzen -6,9 %

Heidekreis -8,5 %

Ludwigslust-Parchim** 28,0 % Harburg 24,6 %

Rotenburg (Wümme)

mal behandelt werden – im Guten wie Gem. sozialversicherungspflichtige Stellen im Schlechten“, erzählt der AuszubilVeränderung Nov. 2011die zu Nov. 2010 inAufProzent dende. „Ich erwarte gleichen gaben, wie sie andere bekommen.“

26,8 %

Pinneberg 40,1 %

Cuxhaven 5,5 %

LüchowDannenberg 52,7 %

Quelle: www.aktion-mensch.de

≥ 10,0 - sagt < 20,0 Spielertrainer Bernd Ergänzend ≥ 20,0 - < 40,0 Eickemeyer: „Die Leistungsfähigkeit ≥ 40,0 - < 53,0 von Behinderten wird im Sport wie auch im Berufsleben von den meisten unterschätzt.“ Er selbst ist seit einem Autounfall querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Beruflich hat er seit sieben Jahren eine Medienagentur und gestaltet Webseiten. Zusätzlich ist er noch als Dozent für Unternehmen tätig.

Nordwestmecklenburg** Rotenburg 13,8 %

Stormarn

Inklusion ist Rotenburg (Wümme) tenthema. Es

Dieses Zitat des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ist gelebter Alltag in der Rollstuhl - Basketball - Mannschaft des TSV Nusse, den ,Nusse Rams‘.

Neumünster** -6,9 %

Dithmarschen 1,6 %

Lübeck** 3,6 % Inklusion bedeutet, dass von 1,2 % Anfang an alle Menschen an der Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent Steinburg Segeberg Steinburg Segeberg Veränderung in Prozent: Gesellschaft teilhaben 21,2 % 40,5 %können – -0,5 % -7,0 % Neumünster** Dithmarschen und zwar unabhängig von indiviNordwestmecklenburg** Nordwestmecklenburg** Stormarn ≥ -15,0 - < -10,047,8 % Stormarn Ostholstein** 13,8 % 37,9 % -3,0 % duellen Fähigkeiten, ethnischer -5,0 % 26,8 % Pinneberg ≥ -10,0 - < -5,0 Pinneberg 8,4 %CuxhavenLübeck** wie sozialer Herkunft, Geschlecht Herzogtum Herzogtum 40,1 % -6,1 % -14,1 %19,1 % ≥ -5,0 - < 0,0 Lauenburg Lauenburg oder Alter. Der Begriff steht also 12,3 % -3,4 % Stade ≥ 0,0 - < 2,0 Stade 6,4 % -0,7 % Steinburg Segeberg für51,7 eine% Gesellschaft, Hamburg die nie-4,7 % Hamburg Ludwigslust-Parchim** 21,2 % 40,5 % manden ausgrenzt. Ludwigslust-Parchim** Harburgkein dabei 24,6 %

„Es ist normal, verschieden zu sein“

Metropolregion Hamburg:

Arbeitslosigkeit in der Metropolregion

INFO Inklusion: für eine Gesellschaft, Neumünster** Dithmarschen die niemanden ausgrenzt 47,8 %

LüchowDannenberg -6,8 %

Uelzen -6,9 %

Lüneburg 4,9 %

32,0 %

Arbeitslose insgesamt Metropolregion Hamburg: 19,4 Prozent

Stellenangebote in der Metropolregion Uelzen Heidekreis Steigerung um 19,4 im 50,2 % 41,7Prozent % Stellenbestand im November 2011 im Vergleich zum November 2010*

LüchowDannenberg Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent 52,7 % ≥ -15,0 - < -10,0 ≥ -10,0 - < -5,0 ≥ -5,0 - < 0,0 ≥ 0,0 - < 2,0

Dithmarschen Bei den örtlichen Arbeitgeberservice37,9 % Teams in der Metropolregion waren im November 2011 insgesamt Steinburg 31.700 sozialversicherungs21,2 % pflichtige Stellen** im Bestand. Gem. sozialversicherungspflichtige Stellen Cuxhaven Veränderung des Stellenbestands Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent 5,5 % in Prozent:

≥ ≥ ≥ ≥

4,0 10,0 20,0 40,0

-

< 10,0 < 20,0 < 40,0 < 53,0

Neumünster** 47,8 %

Ostholstein** 8,4 % Lübeck** 19,1 %

Segeberg 40,5 % Nordwestmecklenburg** 13,8 %

Stormarn

26,8 %

Pinneberg 40,1 % 12,3 %

Stade 51,7 %

Hamburg

Herzogtum Lauenburg 6,4 % Ludwigslust-Parchim** 28,0 %

Harburg 24,6 %

Rotenburg (Wümme)

Lüneburg 4,9 %

32,0 %

Heidekreis 41,7 %

Uelzen 50,2 %

LüchowDannenberg 52,7 %

Gem. sozialversicherungspflichtige Stellen * Quelle: Statistik-Service Nordost der Bundesagentur für Arbeit ** Inklusive fünf neuer Landkreise/Städte laut Beschluss des Lenkungsausschusses der Metropolregion vom 12.8.2011/ vorbehaltlich parlamentarischer Zustimmung aller beteiligten Städte, Kreise und Bundesländer; Veränderung Nov. 2011 zu Nov. 2010 in Prozent Darstellung Karte rote Schrift ≥ ≥ ≥ ≥

4,0 10,0 20,0 40,0

-

< 10,0 < 20,0 < 40,0 < 53,0

Metropolregion Hamburg 2012

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Leistungsstark trotz Handicap Uwe Selig, Chef „Unser kleiner Blumenladen“, über seinen Mitarbeiter Bernd Röpcke, Gartenbauhelfer und schwerbehindert:

„Im Garten ist Bernd der Mann für alle Fälle.“

Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion Nord