Matrizen und lineare Gleichungssysteme

Kapitel 7 Matrizen und lineare Gleichungssysteme Wir haben uns bis jetzt mit Funktionen einer oder mehrerer unabhängigen Variablen beschäftigt, die I...
Author: Mareke Buchholz
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Kapitel 7

Matrizen und lineare Gleichungssysteme Wir haben uns bis jetzt mit Funktionen einer oder mehrerer unabhängigen Variablen beschäftigt, die Ihre Werte in R annehmen: f : R → R bzw. f : Rn → R. Dabei war f auf Polynome, rationale Funktionen, Exponential- und Logarithmus Funktionen aufgebaut. Jetzt sollen Funktionen f : Rn → Rm untersucht werden. Dafür ist die Zuordnung eine einfache Form: die Werte (y1 , . . . , ym ) hängen linear von den (x1 , . . . , xm ) ab.

7.1

Matrizen

7.1.1

Beispiel (Luderer)

Für die Kalkulation der Menge an Zutaten für die Gerichte in einem chinesischen Restaurant wird (ausschnittsweise) folgende Tabelle zugrunde gelegt:

Reis (in g) Sojasauce (in ml) Baumbussprossen (in Stück) Anzahl der Portionen

Gericht Nr. 1 100 10 17 30

Gericht Nr. 2 50 0 83 100

Gericht Nr. 3 75 15 0 5

Aus dieser Tabelle lassen sich z. B. die mathematischen Größen     100 10 17 100 50 75  50 0 83  10 0 15 , (30 100 5), 75 15 0 17 83 0

ableiten, letztere etwa dann, wenn es günstiger erscheint, Zeilen und Spalten der Tabelle miteinander zu vertauschen.

107

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

108 

 30 Nr.1 Werden etwa  100  Portionen an Gericht Nr.2 gewünscht, so lassen sich benötigten Mengen an 5 Nr.3 Reis, Soße und Sprossen darstellen: 100 · 30 + 50 · 100 + 75 · 5 =8375 g Reis

10 · 30 + 0 · 100 + 15 · 5 =375 ml Soße

17 · 30 + 83 · 100 + 0 · 5 =8810 Stück Sprossen



 x1 Nr.1 Allgemein für  x2  Portionen an Gericht Nr.2 gilt: Nr.3 x3 y1 = 100x1 + 50x2 + 75x3 y2 = 10x1 + 0x2 + 15x3 y3 = 17x1 + 83x2 + 0x3 oder noch kompakter mit den Spaltenvektoren x, y und der 3x3 Matrix A 

 x1 x =  x2  x3

 y1 y =  y2  y3 

  100 50 75 A =  10 0 15 einfach y = Ax 17 83 0

Mehr dazu im Abschnitt über Matrizenmultiplikation. Definition. Unter einer Matrix vom Typ (m, n) oder einer (m× n)-Matrix versteht man ein rechteckiges Zahlenschema mit m Zeilen und n Spalten: 

a11 a12  a21 a22 A=  ... ... am1 am2

 . . . a1n . . . a2n    ... . . . amn

Die Größen aij , i = 1, . . . , m, j = 1, . . . , n, werden Koeffizienten (oder auch Elemente) der Matrix genannt; sie stellen reelle (oder komplexe) Zahlen dar. Das Element aij steht in der i-ten Zeile und j-ten Spalte, sodass immer der erste Index die Zeilennummer und der zweite die Spaltennummer angibt. Anstelle vom Typ wird manchmal auch von der Dimension einer Matrix gesprochen. Matrizen werden üblicherweise mit Großbuchstaben bezeichnet, mitunter wird auch zusätzlich ihr Typ angegeben, oder die Koeffizienten werden angegeben:

A, B, . . .

A(m,n) , B(3,4) , . . .

n A = (aij ), B = (bij )m i=1 ,j=1 , . . .

✷ Zwei Matrizen sind genau dann gleich, wenn sie vom selben Typ (m, n) sind und alle ihre Koeffizienten gleich sind.

7.1. MATRIZEN

7.1.2

109

Spezielle Matrizen

(i) Vektoren: Ein Zeilenvektor ist eine Matrix vom Typ (1, n) (eine Zeile, n Spalten). Ein Spaltenvektor ist eine Matrix vom Typ (m, 1) (m Zeilen, eine Spalte).   1 Beispiel:  2  Spaltenvektor; (1, 2, 0) Zeilenvektor 0 (ii) Nullmatrix: alle Elemente sind Null (gibt es  in jeder  ’Größe’: für jeden Typ (m, n)).   0 0 0  0  vom Typ (3, 1) vom Typ (2, 2); Beispiel: 0 = 0 0 0 (iii) eine quadratische Matrix A hat genauso viele Zeilen wie Spalten, also m = n. Die Elemente  der Form aii sind die Diagonalelemente. 1 2 3  Beispiel: A = 6 5 4 7 8 9 (iv) Eine Diagonalmatrix A ist eine quadratische Matrix mit Aij = außerhalb der Diagonalen.     1  1 0 0 0 1   0 2 0 0 2    0 E = Beispiel: D =    0 0 3 0   3 0 0 0 0 4 4

0

0

0 für i 6= j, d. h. mit Nullen  0 0 1 0, sog. Einheitsmatrix 0 1

(v) Eine quadratische symmetrisch, wenn aij = aji für i, j = 1 . . . n.  Matrix heißt −1 2 1 3 −2, die Hesse-Matrix (!) ist symmetrisch (wenn man den Satz von Beispiel: A =  2 1 −2 6 Schwarz anwenden kann) (vi) Eine obere (bzw. untere) Dreiecksmatrix A hat lauter 0 unterhalb (bzw. oberhalb) der Diagonalen: j ⇒ Aij = 0 untere Dreiecksmatrix ) d.h. ∀i, j i > j ⇒ Aij = 0 obere Dreiecksmatrix  (bzw. ∀i, j i <  1 0 0 0 1 2 7  5 0 0 0, untere Dreiecksmatrix Beispiel: 0 1 10, obere Dreiecksmatrix −0, 5 2 27 0 0 0 2 (vii) Eine Untermatrix der Matrix A erhält man durch ’Streichen’ einer Zeile und einer Spalte. Die ik-te Untermatrix Aik von A ist definiert durch 

Aik

. . . a1,k−1 a1,k+1 . . . a1n a11  .. .. .. ..  . . . .   ai−1,1 . . . ai−1,k−1 ai−1,k+1 . . . ai−1,n =  ai+1,1 . . . ai+1,k−1 ai+1,k+1 . . . ai+1,n   .. .. .. ...  . . . am1 . . . am,k−1 am,k+1 . . . amn



    ,    

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

110 d. h. sie geht aus Adurch 1 2 Beispiel: Für A = 4 5 7 8

Streichen der i-ten Zeile und der k-ten Spalte hervor.    3 4 5 6 hat man A13 = 7 8 9

7.2

Operationen auf Matrizen

7.2.1

Transponieren

Definition. Die transponierte Matrix AT einer (m, n)-Matrix A erhält man durch systematisches Vertauschen ihrer Zeilen mit ihren Spalten, d.h. (AT )ij := Aji für alle i = 1, . . . , n j = 1, . . . , m. Die transponierte Matrix ist vom Typ (n, m). ✷

Beispiel

A=



1 2 3 4 5 6





 1 4 AT = 2 5 3 6

  1 b = 0 0

 bT = 1 0 0

Bemerkungen Eine quadratische Matrix A ist symmetrisch genau dann, wenn A = AT . Es gilt für alle Matrizen (AT )T = A.

7.2.2

Skalarmultiplikation

Definition. Für eine Matrix A und eine Zahl c ∈ R definiert man als Skalarmultiplikation  ca11 . . . ca1n  ..  , cA =  ... .  cam1 . . . camn 

d. h. A wird koeffizientenweise mit c multipliziert.

Beispiel A=



1 2 3 4 5 6



4A =



4 8 12 16 20 24



0A =



0 0 0 0 0 0



7.3. MATRIZENMULTIPLIKATION

7.2.3

111

Addition

Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) können addiert werden, wenn sie vom gleichen Typ sind. Es gilt   a11 + b11 . . . a1n + b1n   .. .. A + B :=  . . . am1 + bm1 . . . amn + bmn Beispiel A=



 1 2 3 4 5 6

B=



a b c d e f



A+B =



1+a 4+d

2+b 5+e

3+c 6+f



Außerdem gelten die einfachen Rechenregeln A + B = B + A, (A + B) + C = A + (B + C), (A + B)T

= AT + B T ,

c(A + B) = cA + cB,

7.2.4

c ∈ R.

Subtraktion

Zwei Matrizen A = (aik ) und B = (bik ) können voneinander subtrahiert werden, wenn sie vom gleichen Typ sind. Es gilt   a11 − b11 . . . a1n − b1n   .. .. A − B :=  . . . am1 − bm1 . . . amn − bmn Beispiel A=

7.3



 1 2 3 4 5 6

B=



a b c d e f



A−B =



1−a 4−d

2−b 5−e

3−c 6−f

Matrizenmultiplikation

Skalarprodukt 

   a1 b1 Für zwei Spaltenvektoren a = . . . , b = . . . vom gleichen Typ (n, 1) heißt an bn < a, b >:= a1 · b1 + . . . + an · bn

das Skalarprodukt von a und b, und wird auch ~a · ~b notiert.



KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

112 Beispiel   1 Für a = 2

  1 b= 3

c=



 −2 gilt: 1

< a, b >=1 · 1 + 2 · 3 = 7



7.3.1

< a, c >=1 · (−2) + 2 · 1 = 0 p √ < a, a > = 12 + 22 = 5

a und c sind orthogonal Länge von a nach Pythagoras

Matrix als Abbildung

Zurück zum Beispiel y1 = 100x1 + 50x2 + 75x3 y2 = 10x1 + 0x2 + 15x3 y3 = 17x1 + 83x2 + 0x3 oder noch kompakter mit den Spaltenvektoren x, y und der 3x3 Matrix A       100 50 75 y1 x1 y =  y2  A =  10 0 15 einfach y = Ax x =  x2  17 83 0 x3 y3

Definition. (Multiplikation Matrix - Vektor) Für einen Spaltenvektor x vom Typ (n, 1) und eine Matrix A vom Typ (m, n) definiert man den Spaltenvektor A · x vom Typ (m, 1) mit   a11 · x1 + . . . + a1n · xn   .. A · x :=   . an1 · x1 + . . . + ann · xn

Der Spaltenvektor hat in der i-ten Zeile das Skalarprodukt von der i-ten Zeile von A (transponiert) mit dem Spaltenvektor x. ✷    8375 30 Man rechnet im Beispiel für x = 100 den Zutatenvektor A · x =  375  nach. 8810 5 

1. Somit hat man jedem Spaltenvektor in x ∈ Rn einen Vektor y = A · x ∈ Rm zugeordnet, demnach eine Funktion fA : Rn → Rm mit fA (x) = A · x definiert. Die Funktion fA ist eine sogenannte lineare Abbildung : sie hat folgende Eigenschaften. fA (c · x) =cfA (x)

fA (x1 + x2 ) =fA (x1 ) + fA (x2 )

für alle x ∈ Rn , c ∈ R für alle x1 , x2 ∈ R

n

(7.1) (7.2)

2. Spezielle Vektoren (Basisvektoren) definieren schon vollständig die Abbildung fA . Sei ei der Spaltenvektor, dessen Koeffizienten alle Null sind, bis auf eine 1 in der i-ten Zeile. Der Spaltenvektor fA (ei ) = A · ei ist die i-te Spalte der Matrix A.

7.3. MATRIZENMULTIPLIKATION f

113 f

B A 3. die Verkettung fA ◦ fB : Rp −−→ Rn −→ Rm erfüllt ebenfalls die Bedingungen 7.1 und 7.2. Sie ist auch der Gestalt fC . Die entsprechende Matrix C ist das (noch zu definierende) Produkt von A und B: A · B.

7.3.2

Produkt von Matrizen

Idee: der Produkt von Matrizen soll eine Matrix für die Verkettung von linearen Abbildungen liefern. Es soll fA·B = fA ◦ fB gelten. Definition. Multiplikation Für zwei Matrizen A = (aij ) und B = (bij ) ist die Multiplikation A · B definiert, wenn A soviel Spalten hat wie B Zeilen, d.h. A ist vom Typ (m, n) und B vom Typ (n, p). Die Matrix A · B ist vom Typ (m, p) mit den Elementen n X cik = aij · bjk , i = 1, . . . , m, k = 1, . . . , p, j=1

d. h., cik ist das Skalarprodukt zweier Vektoren – des i-ten (transponierten) Zeilenvektors der Matrix A und des j-ten Spaltenvektors der Matrix B. ✷ Wie bei Skalaren kann der Multiplikationspunkt auch zwischen Matrizen weggelassen werden. Beispiele (i) Gegeben seien zwei Matrizen A und B vom Typ (4, 2) bzw. (2, 3),   2 −4    1 10  1 −7 2 , . B = A=  −3 0 3 −1 0  1 1 Ihr Produkt C = A · B ist vom Typ (4, 3), und  2 · 1 + (−4) · 0 2 · (−7) + (−4) · 3  1 · 1 + 10 · 0 1 · (−7) + 10 · 3 C=  −3 · 1 + 0 · 0 −3 · (−7) + 0 · 3 1·1+1·0 1 · (−7) + 1 · 3

es gilt

   2 · 2 + (−4) · (−1) 2 −26 8   1 1 · 2 + 10 · (−1) 23 −8  = . −3 · 2 + 0 · (−1)   −3 21 −6  1 · 2 + 1 · (−1) 1 −4 1

Hilfreich für die Ausführung einer Multiplikation ist das Falksche Schema,

2 −4 1 10 −3 0 1 1

1 −7 2 0 3 −1 2 −26 8 1 23 −8 −3 21 −6 1 −4 1

in dem die bei der Matrixmultiplikation zu berechnenden Skalarprodukte übersichtlich dargestellt sind.

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

114

(ii) Für die beiden Spaltenvektoren 

 −3 y= 1  −2



 2 x =  −1  , 1

ist



 −6 2 −4 2 . x · y T =  3 −1 −3 1 −2

xT · y = −9,

Fazit: das ("gute alte") Skalarprodukt ~x · ~y oder < x, y > zweier Spaltenvektoren ~x und ~y ist in der Matrix Schreibweise als xT · y zu schreiben: als Produkt einer einzeiligen und einer einspaltigen Matrix. Eigenschaften der Multiplikation Es gelten die Regeln A · (B + C) = AB + AC

(B + C) · A = B · A + C · A

A · (B · C) = (A · B) · C (A · B)T = B T · AT A·0=0

0·A=0

A·E =A

E·A=A

Bei quadratischen Matrizen A und B sind sowohl A · B als auch B · A definiert. Es gilt i.a. A · B 6= B · A: die Multiplikation ist nicht kommutativ. Das wundert einem nicht besonders, wenn man sich daran erinnert, dass Matrizenmultiplikation wie die Hintereinanderausführung zweier Funktionen funktioniert. Weitere Rechenregel, gültig bei Zahlen (in R oder C) gelten für Matrizen, aber nicht alle . . . Beispiel A=



1 2 3 4

A·B =



19 22 43 50

Es gilt



,

B=



6=





5 6 7 8

23 34 31 46





.

=B·A

Definition. Für die quadratische Matrizen wird die Potenzschreibweise für die mehrfache Hintereinanderausführung von Multiplikationen verwendet. Ak := A . . · A} | · .{z k−mal

A0 :=E

für k ≥ 1

(Einheitsmatrix)

7.4. ANWENDUNGSBEISPIELE

115

Beispiel Für A =



1 2 3 4



gilt

A2

=



   7 10 37 54 3 ,A = . 15 22 81 118

7.4

Anwendungsbeispiele

7.4.1

Produktionsmatrizen

1. Das Beispiel des chinesischen Restaurants zeigt, dass die Mengen an Zutaten sich über eine lineare Funktion der Portionen ergeben. 2. Es wird ein Produktionsprozess betrachtet, der aus zwei Stufen besteht: in der ersten Stufe werden aus den Rohstoffen Halbfabrikate hergestellt; in der zweiten Stufe werden aus den Halbfabrikaten Endprodukte produziert. Hier auch kann der Bedarf an Rohstoffen als lineare Funktion des Produktionsvektors ausgedrückt werden.

nennt man Stücklisten- oder Inputkoeffizienten. ❤❤ ❤❤❤❤ ❳❳❳ ❤❤❤❤ ❳❳❳ 2 ❤❤❤❤ ❳❳❳ ❤❤❤❤ ❳❳❳ ❤❤❤❤ ❳❳ ❤❤❤ ✭> ❳❳ ❤❤ ✭✭ ❳> Z ✭❤ ✭❤ 4 E1 ✭✭❤ 1 ❤ > ❤> ✘ > ✘ ✭✭✭✭ > ✭ ✘ ✭ ✘ ✭ ✭ ✟✟ ✘ ✭ ✘ ✭ ✭ ✟ ✘ ✭ ✟ 3✘✘✘✘✘ ✭✭✭✭✭✭✭ ✟ ✟ ✘✘✘✭✭✭✭✭✭ ✟✟ ✘✘ ✘✭ 1 ✭✭✭✭ R2 ❳ ✘❳ ✭❳ ✭ ✟✟ ✟ ❳❳❳ ✟ ❳❳❳ 2 ✟✟ 1 ❳❳❳❳ ✟ ✟ ❳❳❳ ✟ ✭> ❳❳ ✭ ❳> Z ✟✟ 3 ✭✭✭✭ > E2 ✭✭✭ ✘> 2 ✘✘ ✭✭✭✭ ✘ ✭ ✭ ✘ ✭ ✘✘ ✭✭✭✭ 2 ✘✘ ✭✭✭ ✘✘✘ ✭✭✭✭ ✘✘✘✭✭✭✭✭ ✘ ✘✘ ✭✭✭ R3 ✘ ✭✭✭✭

R1 ❳❳❤❤❤❤2❤❤❤

3

Bildlich: Materialfluss-Grafik (auch in der Literatur Gozintograph: the part that „ goes into “). Die Knoten sind die (Halb)Produkte und die zwischen ihnen bestehenden Materialverflechtungen sind Pfeile. Die Zahlen an den Pfeilen geben an wie viele Mengeneinheiten (ME) eines Zwischenproduktes zur Fertigung einer ME des direkt übergeordneten Produkts benötigt werden. Die Zahlen sind die Inputkoeffizienten (auch Stücklisten).

Die Aufgabe ist es, die Rohstoffmengen R1 , R2 , R3 zu ermitteln, die erforderlich sind, um 100 Einheiten von E1 und200 Einheiten von E2 herzustellen.  100 wird als Produktionsprogramm bezeichnet. Ein Vektor 200 Um den Rohstoffbedarf für das Produktionsprogramm zu berechnen, ermittelt man zuerst den Gesamtbedarf an Rohmaterial zur Herstellung von jeweils einer ME des Endprodukts E1 bzw. E2 . Die Matrixdarstellung dieses Gesamtbedarfs heißt Gesamtbedarfsmatrix.       10 0 100 e1 = und M = 15 3 Mit e2 200 4 9

1. Spalte von M : Bedarf an R1 , R2 , R3 jeweils für 1 ME von E1 2. Spalte von M : analog für E2

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

116

ergibt sich der Bedarf an R1 , R2 , R3 aus





e1 e2



   100 · 10 + 200 · 0 1000 =  100 · 15 + 200 · 3  =  2100  2200 100 · 4 + 200 · 9 

Daraus ergibt sich: 1000 ME an R1 2100 ME an R2 2200 ME an R3

NB: die Matrix M kann man aus dem Gozintograph ausrechnen:

M=



 2 0 1 0  0 3 | {z }



 8 0 14 3 = 4 6

7.4.2

 8 0 14 3 4 6 | {z }

+

direkbedarf an R1 ,R2 ,R3

mit



Bedarf an R1 ,R2 ,R3 für die nötigen Zwischenprodukte (pro E1 ,E2 )



 2 0 3 1  0 2 | {z }

Bedarf an R1 ,R2 ,R3 pro Z1 ,Z2

 4 0 2 3 | {z } 

·

Bedarf an Z1 ,Z2 pro E1 ,E2

Übergangsmatrizen

Anfangs teilen sich drei Unternehmen A, B, C (nummeriert mit 1, 2 und 3) den Markt für ein bestimmtes Gut. Unternehmen A hat 20% des Marktes, B hat 60% und C hat 20%. Im Laufe des nächsten Jahres ergeben sich die folgenden Änderungen: A behält 85% seiner Kunden, überlässt 5% an B und 10% an C B behält 55% seiner Kunden, überlässt 10% an A und 35% an C C behält 85% seiner Kunden, überlässt 10% an A und 5% an B. Die Marktanteile dieser drei Unternehmen können durch einen Marktanteilsvektor dargestellt werden, der als ein Spaltenvektor definiert ist, dessen Komponenten alle nicht negativ sind und sich auf 1 aufsummieren. Der Übergang zur nächsten Periode wird mithilfe einer Übergangsmatrix T beschrieben und des anfänglichen Marktanteilsvektors s beschrieben.   0, 85 0, 10 0, 10 T = 0, 05 0, 55 0, 05 0, 10 0, 35 0, 85

  0, 2 und s = 0, 6 0, 2

Der Koeffizient Tij ist der Anteil der Kunden von j, die in der nächsten Periode zu i übergehen. In Detail:

7.5. DETERMINANTE UND INVERSE

117

A behält 85% seiner Kunden, bekommt 10% der B Kunden und 10% der C Kunden B behält 55% seiner Kunden, bekommt 5% der A Kunden und 5% der C Kunden C behält 85% seiner Kunden, bekommt 10% der A Kunden und 35% der B Kunden Es gilt

      0, 25 0, 2 0, 85 0, 10 0, 10 T s = 0, 05 0, 55 0, 05 · 0, 6 = 0, 35 0, 4 0, 2 0, 10 0, 35 0, 85

Man überprüft (!), dass T s der Marktanteilsvektor in der nächsten Periode ist. Analog ist T (T s) = T 2 s der Marktanteilsvektor in der übernächsten Periode.

7.5

Determinante und Inverse

In diesem Abschnitt geht es ausschließlich um quadratische Matrizen. Die Determinante einer quadratischen Matrix ist ein Skalar. Die Inverse ist für manche Matrizen definiert, deren Determinante ungleich Null ist.

7.5.1

Die Determinante einer Matrix

Determinante werden allgemein rekursiv über die Dimension n der quadratischen Matrix definiert. Definition. = a11 gesetzt. Für n = 1 und A =  (a11 ) wird det(A)  a11 a12 Für n = 2 und A = ist a21 a22 a a det A = 11 12 a21 a22

= a11 · a22 − a12 · a21 .

Allgemein für n > 1: sei A eine quadratische (n, n)-Matrix mit den Untermatrizen Aik . Die Determinante det(A) von A ist eine reelle Zahl, die durch det A =

n X k=1

(−1)i+k aik · det Aik

(Entwicklung nach der i-ten Zeile)

(7.3)

rekursiv erklärt ist. Mit Hilfe dieser Formel wird die Berechnung der Determinante einer (n, n)-Matrix auf die Berechnung der Determinanten ihrer Untermatrizen zurückgeführt, die vom Typ (n − 1, n − 1) sind. Man prüft leicht nach, dass die Formel für den Fall n = 2 ins allgemeine Schema passt. Die Wahl der Zeile, d. h. die Wahl von i ist zunächst beliebig. Formel (7.3) ist äquivalent zu det A =

n X i=1

(−1)i+k aik · det Aik

(Entwicklung nach der k-ten Spalte).

(7.4)

Die Entscheidung darüber, ob eine Zeilen- oder Spaltenentwicklung zur Berechnung der Determinante verwendet und nach welcher Zeile bzw. Spalte entwickelt wird, ist abhängig von den Koeffizienten der

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

118

Matrix. Meist wählt man eine Zeile oder Spalte mit möglichst vielen Elementen, die gleich Null sind. (Denn falls aik = 0 ist, kann man sich die Berechnung der Determinante der Untermatrix Aik sparen; das Produkt aik · det Aik ist in diesem Fall ja ohnehin gleich Null.) Neben der Schreibweise det(A) wird auch |A| verwendet, det(A) = |A|.

+ + − einfachsten lässt sich das Vorzeichen mittels der „Schachbrettregel“ bestimmen:

   ⋮ n







...

+ − + ⋮

− + − ⋮

+ − + ⋮

⋯ ⋯ ⋯ ⋱

n

Beispiele 

 2 5 7 (i) Die Determinante der Matrix A = −1 2 −3 kann mit Entwicklung nach der ersten Spalte 1 3 4 berechnet werden. 5 5 7 2 −3 7 +1· − (−1) · det A = +2 · 2 −3 3 4 3 4 = 2 · (2 · 4 − 3 · (−3)) + (5 · 4 − 3 · 7) + (5 · (−3) − 2 · 7) =4



 0 1 2 (ii) Die Determinante der Matrix B = −1 2 −3 kann mit Entwicklung nach der ersten Zeile 1 3 4 berechnet werden. −1 −3 −1 2 det B = 0 − 1 · +2· 1 4 1 3 = −((−1) · 4 − 1 · (−3)) + 2 · (−1 · 3 − 1 · 2) = −9

(iii) Zur Berechnung der Determinante der Matrix  0 2 A= −1 1

 1 2 4 5 7 1  2 −3 0 3 4 0

7.5. DETERMINANTE UND INVERSE

119

empfiehlt sich eine Entwicklung nach der letzten Spalte,     0 1 2 2 5 7 det A = (−1) · 4 · det  −1 2 −3  + (+1) · 1 · det  −1 2 −3  + 0 + 0 1 3 4 1 3 4 = (−4) · 4 + 1 · (−9) = −25.

Spezialfälle (i) Für n = 3 kann die Sarrus Regel verwendet werden a11 a12 a13 a11 · a22 · a33 + a21 · a13 · a32 + a31 · a12 · a23 det A = a21 a22 a23 = −a31 · a22 · a13 − a21 · a12 · a33 − a11 · a32 · a23 a31 a32 a33

(ii) aus dem Entwicklungssatz folgt sofort für Diagonal- bzw. Dreiecksmatrizen       a11 a11 . . . a1n a11 0 0 n     Y ..  = det  .. .. .. .. det  = akk ,  = det     . . . . . k=1 0 ann an1 . . . ann 0 ann

d. h., die Determinante von Diagonal- bzw. Dreiecksmatrizen ist gleich dem Produkt der Hauptdiagonalelemente. Insbesondere gilt det E = 1.

Beispiele 1 0 (i) 0 0 0 1 0 (ii) 0 0 0

0 2 0 0 0

0 0 3 0 0

0 0 0 4 0

0 0 0 0 5

= 1 · 2 · 3 · 4 · 5 = 120

2 −1 7 0 3 0 3 −1 0 −1 1 2 = 1 · 3 · (−1) · 4 · 1 = −12 0 0 4 1 0 0 0 1

Wichtige Rechenregeln

Es seien A, B quadratische Matrizen vom Typ (n, n). Dann gilt det A = det AT , det(A · B) = det A · det B, det(cA) = cn det A,

c ∈ R.

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

120

Eine Matrix mit det A 6= 0 heißt regulär und eine Matrix mit det A = 0 heißt singulär. Satz. Es sei A eine quadratische Matrix. Ist A regulär, d. h. det A 6= 0, so existiert eine Matrix B mit A · B = B · A = E (E Einheitsmatrix). Ist A dagegen singulär, so existiert ein Vektor x 6= 0 mit A · x = 0 und ein Vektor y, der nicht zur Bildmenge von fA gehört (i.e. mit fA nicht erreicht wird). Das bedeutet im Fall regulär, dass die zugehörige Abbildung fA bijektiv ist, also invertierbar, und im Fall singulär, dass die zugehörige Abbildung fA nicht injektiv ist: der Vektor x 6= 0 und 0 werden beide auf 0 abgebildet und nicht surjektiv: y wird nicht erreicht. Beispiele Die Matrix A = Eigenschaft hat.



1 2 0 1



erfüllt det A = 1 6= 0. Man rechnet nach, dass B =



 1 −2 die gewünschte 0 1



     1 2 −2 0 Die Matrix A = erfüllt det A = 0. Man rechnet nach, dass x = und y = die 0 0 1 1 gewünschte Eigenschaft haben.

7.5.2

Die inverse Matrix

Definition. Es sei A eine reguläre Matrix. Eine Matrix A−1 mit der Eigenschaft A · A−1 = A−1 · A = E heißt inverse Matrix zu A. Für reguläre (n, n)-Matrizen A und B gelten folgende Beziehungen: (A · B)−1 = B −1 · A−1 , 1 · A−1 , (c · A)−1 = c (A−1 )T = (AT )−1 , 1 det(A−1 ) = . det A

c ∈ R, c 6= 0,

Außerdem gilt E −1 = E. Berechnung der inversen Matrix Satz. Es sei A = (aik ) eine reguläre (n, n)-Matrix. Die Elemente der zugehörige Inversen A−1 = B = (bik ) können durch det Aki bik = (−1)i+k , i, k = 1, . . . , n, (7.5) det A

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

121

berechnet werden, wobei Aki die ki-te Untermatrix von A bezeichnet. Warnung Die Berechnung der inversen Matrix mit Hilfe von (7.5) ist für große Matrizen in der Regel numerisch instabil und daher nicht zu empfehlen. Vielmehr kann (soll) den Gauß-Algorithmus angewendet werden. . . Im Falle n = 2 ist (7.5) noch brauchbar und ergibt unmittelbar Satz.     1 a11 a12 a22 −a12 A= , A−1 = , a21 a22 −a21 a11 a11 a22 − a12 a21 wobei det A = a11 a22 − a12 a21 nach Voraussetzung ungleich Null sein muss.

7.6

Lineare Gleichungssysteme

Zu den Produktionsmatrizen gibt es zwei typische Fragestellungen: 1. Fragestellung: Wie hoch ist der Rohstoffbedarf insgesamt für die Herstellung einer gewünschten Anzahl von Endprodukten? Zur Lösung berechnen wir das Produkt M · e. 2. Wie viele Mengeneinheiten der Endprodukte lassen sich aus einer bestimmten Vorratsmenge an Rohstoffen herstellen? Die Lösung werden wir mit dem so genannten Gauß-Algorithmus berechnen. Beispiel: Bei einem zweistufigen Produktionsprozess werden aus den m = 2 Rohmaterialien R1 , R2 zunächst die Zwischenprodukte Z1 , Z2 , Z3 hergestellt. In der zweiten Produktionsstufe werden aus den Zwischenprodukten die Endprodukte E1 , E2 , E3 gefertigt. Der Direktbedarf an Rohmaterial für jeweils eine Einheit der Zwischenprodukte gibt die Matrix A an: R1 R2

Z1 2 1

Z2 3 3

Z3 2 1

d.h. A =



2 3 2 1 3 1



Der Direktbedarf an Zwischenprodukten für jeweils eine Einheit der Endprodukte ist in der Matrix B festgehalten:

Z1 Z2 Z3

E1 2 0 1

E2 2 2 1

E3 0 1 0

  2 2 0 d.h. B = 0 2 1 1 1 0

Der Direktbedarf Rohmaterial für jeweils eine Einheit der Endprodukte gibt die Matrix C wieder: R1 R2

E1 0 0

E2 0 2

E3 19 2

d.h. C =



 0 0 19 0 2 2

Somit erhalten wir als Gesamtbedarfsmatrix M eine (2; 3)-Matrix:

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

122 M =A·B+C =



6 12 24 3 11 16



An Rohmaterialien stehen ein Vorrat von r1 = 10200 ME von R1 und r2 = 4300 ME von R2 zur Verfügung. Frage: Wie viele Stückzahlen e1 , e2 , e3 der Endprodukte lassen sich daraus herstellen? Wir suchen folglich die Lösung e1 , e2 , e3 der Gleichung:     e1 10200 M ·  e2  = 4300 e3 Berechnen wir das Produkt M · e, so haben wir:     10200 6e1 + 12e2 + 24e3 = 4300 3e1 + 11e2 + 6e3 Setzen wir die Zeilen der beiden Matrizen gleich, so erhalten wir zwei Gleichungen: I

6e1 + 12e2 + 24e3 = 10200

II

7.6.1

3e1 + 11e2 + 6e3 = 4300

Bezeichnungen

Bevor wir sehen, wie wir die beiden Gleichungen lösen, wollen wir bezüglich der Notation einige Vereinbarungen treffen. Ein lineares Gleichungssystem (LGS) (mit m Gleichungen und n Unbekannten) ist durch lineare Gleichungen gegeben: a11 x1 + a12 x2 + . . . + a1n xn = b1 a21 x1 + a22 x2 + . . . + a2n xn = b2 .. . am1 x1 + am2 x2 + . . . + amn xn = bm In Matrixform lautet das LGS: A·x=b mit 

  x= 

x1 x2 .. . xn



  , 



  b= 

A heißt Koeffizientenmatrix des LGS.

b1 b2 .. . bm

    



a11  a21  und A =  ..  .

a12 a22

am1 am2

 a1n a2n     . . . amn ... ...

123

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME Beispiel für Matrix Form: I

x1 + 2x3 + 3x4 = 7

II

4x2 + 5x3 = 8

III

x4 = 9



I II III

1 · x1 + 0 · x2 + 2 · x3 + 3 · x4 = 7 0 · x1 + 4 · x2 + 5 · x3 + 0 · x4 = 8 0 · x1 + 0 · x2 + 0 · x3 + 1 · x4 = 9

Die Lösungsmenge L des linearen Gleichungssystems ist die Menge aller für      x1 1 0 7  x2   , b =  8  und A = 0 4 x=  x3  0 0 9 x4

Vektoren x ∈ Rn mit A · x = b,  2 3 5 0 . 0 1

Beispiele: LGS mit zwei Gleichungen und zwei Unbekannten Ein LGS mit zwei Gleichungen und zwei Unbekannten kann gelöst werden mit dem • Gleichsetzungsverfahren • Einsetzungsverfahren • Additionsverfahren

← wird im Folgenden verwendet

1. I x + 4y = 8 II x − y = 3 ⇒ I-II 5y = 5 → y = 1 II x = 3 + y = 3 + 1 = 4 (  ) 4 L= . 1 Fasst man die Gleichungen als Geraden auf: 1 I y =2− x 4 II y = x − 3 so schneiden sich die beiden Geraden im Punkt     4 x . = 1 y 2. I 2x + 4y = 10 ⇔ x + 2y = 5 II 3x + 6y = 24 ⇔ x + 2y = 8 Das ist ein Widerspruch. Also ist die Lösungsmenge leer. L = ∅ Fasst man die Gleichungen als Geraden auf:

124

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME 5 1 − x 2 2 1 II y = 4 − x 2

I y=

so sind die beiden Geraden Parallelen.

5 1 3. I 2x + 4y = 10 ⇔ x + 2y = 5 ⇔ x = 5 − 2y bzw. y = − x 2 2 II 3x + 6y = 15 ⇔ x + 2y = 5 Wird die erste Gleichung nach x aufgelöst, so erhalten wir: x = 5 − 2y. Somit ist die Lösungsmenge

L=

(

)  5 − 2y ;y ∈ R y

Wird die erste Gleichung nach y aufgelöst, so erhalten wir: y = Somit ist die Lösungsmenge

L=

(

x

!

;x ∈ R 5 1 − x 2 2

5 1 − x. 2 2

)

Es ist egal, ob die erste Gleichung nach x oder nach y aufgelöst wird, die Lösungsmengen sind identisch. Es gibt mehrere Lösungen, etwa: 

       1 3 5 0 ,... , , , 2 1 0 5/2

Beide Gleichungen beschreiben dieselbe Gerade. Alle Punkte auf der obigen Gerade y = sind Lösungen des Gleichungssystems.

5 1 − x 2 2

→ Zusammengefasst können folgende Situationen bei der Suche nach Lösungen eines Gleichungssystems auftreten: unlösbar, lösbar mit einer einzigen Lösung, lösbar mit unendlich vielen Lösungen.

125

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Homogene und inhomogene LGS Ein Gleichungssystem A · x = b heißt homogen, wenn die rechte Seite b der Nullvektor ist, inhomogen, sonst.

Beispiel Gegeben seien folgende LGS: LGS1

I

2x1 =x2

II

3x2 =6x1

LGS2

I

2x1 − x2 =1

II

3x2 =6x1 − 3

äquivalent zu I II bzw.

I

2x1 − x2 =0

2x1 − x2 =1

II

6x1 − 3x2 =0

6x1 − 3x2 = − 3

  0 A·x= 0



1 A·x= −3

mit x=



 x1 , x2

A=



 2 −1 , −6 3

b=



 1 −3



126

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Das erste LGS Ax =

  0 ist ein homogenes Gleichungssystem. Die Lösungsmenge lautet 0 L0 =

Das inhomogene LGS Ax =

Lb =



(

1 −3

(



2x x



;x ∈ R

)

=

(

)   2 x· ;x ∈ R 1

hat Lösungsmenge

1 + 2x 1+x



;x ∈ R

)

(  )   2 1 = ;x ∈ R +x· 1 1

Allgemein gilt: 1. Der Nullvektor ist immer Lösung des homogenen LGS. 2. Zwei Lösungen für ein inhomogenes LGS unterscheiden sich um eine Lösung für das zugehörige homogene LGS.

7.6.2

Zeilenstufenform

Gleichungssysteme in Zeilenstufenform lassen sich besonders einfach lösen: Beispiel Zeilenstufenform 1 Gegeben sei folgendes Gleichungssystem: I

x1 + 2x2 + x3 + 3x4 =30

II

x2 − x3 + x4 =9

III

4x3 + x4 =17

IV

3x4 =15

mit  x1  x2   x=  x3  , x4 



  30 1  9  0   b=  17  und A = 0 15 0

Die Lösung des Gleichungssystems lässt sich bequem rekursiv finden: IV 3x4 = 15 ⇒ x4 = 5 III 4x3 + x4 = 17 ⇒ 4x3 = 12 ⇒ x3 = 3 II x2 − x3 + x4 = 9 ⇒ x2 = 9 + x3 − x4 = 7

 2 1 3 1 −1 1  0 4 1 0 0 3

127

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME I x1 + 2x2 + x3 + 3x4 = 30 ⇒ x1 = 30 − 2x2 − x3 − 3x4 = −2  −2 7  Die Lösung von Ax = b lautet x =   3 . 5 

Definition. Matrix in Zeilenstufenform: Je weiter nach unten die Zeile desto mehr Nullen am Anfang der Zeile. Es gibt mindestens eine Null mehr am Anfang beim Übergang zur nächsten Zeile. Als Pivotelement einer Matrix in Zeilenstufenform bezeichnet man das erste Element ungleich Null in einer Zeile. Im Beispiel sind die Pivotelemente von A a11 = 1, a22 = 1, a33 = 4, a44 = 3. Insbesondere enthält die Spalte unter jedem Pivotelement nur Nullen. ✷ Beispiel Zeilenstufenform 2 Gegeben sei folgendes LGS: I x1 + 2x3 + 3x4 + 0 · x5 = 7 II x2 + 4x3 + 0 · x5 = 8 III 6x4 + 0 · x5 = 9 IV 0 · x5 = 0 mit 

  x=  

x1 x2 x3 x4 x5



  ,  



  7 1  8  0   b=  9  und A = 0 0 0

0 1 0 0

2 4 0 0

3 0 6 0

 0 0  0 0

Die Matrix A liegt in Zeilenstufenform vor. Pivotelemente sind a11 = 1, a22 = 1, a34 = 6. 

 7  8   Wenn b statt der Null eine 28 hätte, d.h. b =   9 , so wäre Ax = b nicht lösbar. 28

Lösung eines Gleichungssystems Ax = b, bei dem A in Zeilenstufenform vorliegt: erstmal A und b in eine Matrix der Form A|b schreiben. Das LGS Ax = b ist genau dann lösbar, wenn die Matrizen A und A|b gleich viele, von Null verschiedene Zeilen haben. Die Auflösung des Gleichungssystems Ax = b in Zeilenstufenform erfolgt rekursiv, beginnend mit xn . Befindet sich in der j-ten Spalte kein Pivot, so ist xj beliebig wählbar; anderenfalls ist xj durch xj+1 , . . . , xn und dem b-Wert bestimmt.

128

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beispiel (Fortsetzung) Die Lösung von Ax = b wird rekursiv (von unten nach oben) errechnet. 

1  0 A|b =   0 0

0 1 0 0

2 4 0 0

3 0 6 0

0 0 0 0

 7 8   9  0

Kein Pivot befindet sich in den Spalten 3 und 5; d. h. x3 und x5 sind beliebig wählbar. Zeile 4 enthält keine Information. Aus Zeile 3 ergibt sich: 6x4 = 9 ⇒ x4 =

9 3 = . 6 2

Aus Zeile 2 ergibt sich: x2 + 4x3 = 8 ⇒ x2 = 8 − 4x3 .

Aus Zeile 1 ergibt sich: x1 + 2x3 + 3x4 = 7 ⇒ x1 + 2x3 + 3 ·

5 3 = 7 ⇒ x1 = − 2x3 . 2 2

Als Lösungsmenge von Ax = b ergibt sich 

 5       −2 0 5/2  2 − 2x3  ( 8 − 4x  ) ( 8  ) −4 0  3              L =  x 3  ; x 3 , x5 ∈ R =   0  + x3 ·  1  + x5 · 0 ; x3 , x5 ∈ R  3     0  0 3/2    2  0 1 0 x5 Wir haben gesehen, dass sich Gleichungssysteme Ax = b, bei denen A in Zeilenstufenform vorliegt, bequem lösen lassen. Es stellt sich die Frage, wie wir mit Gleichungssystemen verfahren, bei denen die Koeffizientenmatrix nicht in Zeilenstufenform vorliegt.

7.6.3

Gauß-Algorithmus

Der Gauß-Algorithmus überführt ein beliebiges LGS Ax = b in ein äquivalentes LGS (d.h. ein LGS mit identischer Lösungsmenge), dessen Koeffizientenmatrix Zeilenstufenform hat. Dies geschieht durch fortlaufende Anwendungen von Zeilenoperationen: 1. Vertauschen zweier Zeilen in A|b 2. Multiplikation der i-ten Zeile von A|b mit r 6= 0 3. Addition des r−fachen der Zeile j zur Zeile i von A|b Diese drei Zeilenoperationen angewandt auf A|b verändern die Lösung von Ax = b nicht.

129

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beispiel Gauss 1 Gesucht sind Werte für x1 , x2 , x3 , x4 mit: x3 + x4 = 4 x1 + x2 + x3 + x4 = 10 x2 − x4 = −1

2x1 + 3x3 = 11

Das obige Gleichungssystem lässt sich auch durch folgendes Zahlenschema darstellen: 0 1 0 2

0 1 1 0

1 1 4 1 1 10 0 −1 −1 11 3 0

Das Ziel des Gauß-Algorithmus ist es, das Gleichungssystem durch äquivalente Umformungen in Zeilenstufenform zu bringen. Der Gauß-Algorithmus besteht aus einzelnen Tableaus. 1. Tableau Zeile Z1 Z2 Z3 Z4

Wir tragen die Matrix A|b ins 1. Tableau (Starttableau) ein. x1 0 1 0 2

x2 0 1 1 0

x3 1 1 0 3

x4 1 1 −1 0

b 4 10 −1 11

Operation

2. Tableau Unter den Zeilen des 1. Tableaus suchen wir eine beliebige Zeile aus, bei der in der ersten Position eine Zahl ungleich null steht. Diese Zahl heißt Pivotelement. In unserem Beispiel ist das die Zeile Z2 mit dem Pivotelement 1. Diese Zeile heißt Pivotzeile. Wir tragen die Pivotzeile als erste Zeile ins 2. Tableau ein. Alle übrigen Zeilen vom 1. Tableau formen wir mit Hilfe der Pivotzeile Z2 so um, dass in der Spalte unter dem Pivotelement (Pivotspalte) nur Nullen stehen und tragen sie anschließend ins 2. Tableau ein. Zeile Z5 Z6 Z7 Z8

x1 1 0 0 0

x2 1 1 0 −2

x3 1 0 1 1

x4 1 −1 1 −2

b 10 −1 4 −9

Operation Z2 Z3 Z1 Z4 − 2 · Z2

3. Tableau Wir übertragen die vorherige Pivotzeile und vorherige Pivotspalte ins 3. Tableau. In der verbleibenden restlichen Matrix aus dem 2.Tableau: Zeile Z5 Z6 Z7 Z8

x1 • • • •

x2 • 1 0 −2

x3 • 0 1 1

x4 • −1 1 −2

b • −1 4 −9

Operation

130

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

suchen wir wieder eine Zeile, bei der in der ersten Position eine Zahl ungleich Null (Pivotelement) steht. In unserem Beispiel ist das die Zeile Z6 mit dem Pivotelement 1 . Diese Zeile (Pivotzeile) tragen wir als zweite Zeile ins 3. Tableau ein. Alle übrigen Zeilen des 2. Tableaus formen wir mit Hilfe der Pivotzeile Z6 so um, dass in der Spalte (Pivotspalte) unter dem Pivotelement nur Nullen stehen und tragen sie anschließend ins 3. Tableau ein. Zeile Z9 Z10 Z11 Z12

x1 1 0 0 0

x2 1 1 0 0

x3 1 0 1 1

x4 1 −1 1 −4

b 10 −1 4 −11

Operation Z5 Z6 Z7 Z8 + 2 · Z6

(Falls in der restlichen Matrix des 2. Tableaus nur Nullen gestanden hätten, so hätten wir diese Spalte mit Nullen ins 3. Tableau eingetragen und anschließend ein Pivotelement in der neuen restlichen Matrix des 2. Tableaus gesucht.) 4. Tableau Zuerst übertragen wir alle schon gefundenen Pivotzeilen und Pivotspalten ins 4. Tableau. Dann erhalten wir aus dem 3. Tableau folgende restliche Matrix: Zeile Z9 Z10 Z11 Z12

x1 • • • •

x2 • • • •

x3 • • 1 1

x4 • • 1 −4

b • • 4 −11

Operation

In dieser restlichen Matrix suchen wir wieder eine Zeile, bei der in der ersten Position ein Element ungleich null steht. In unserem Beispiel ist das die Zeile Z11 mit dem Pivotelement 1. Diese Zeile tragen wir als dritte Zeile ins 4. Tableau ein. Die übrig gebliebene Zeile Z12 des 3. Tableaus formen wir mit Hilfe der Pivotzeile Z11 so um, dass unter dem Pivotelement eine Null steht. Zeile Z13 Z14 Z15 Z16

x1 1 0 0 0

x2 1 1 0 0

x3 1 0 1 0

x4 1 −1 1 −5

b 10 −1 4 −15

Operation Z9 Z10 Z11 Z12 − Z11

(Falls in der restlichen Matrix des 3. Tableaus nur Nullen gestanden hätten, so hätten wir diese Spalte mit Nullen ins 4. Tableau eingetragen und anschließend ein Pivotelement in der neuen restlichen Matrix des 3. Tableaus gesucht.) Der Algorithmus ist beendet, wenn nach Eintragen aller Pivotzeilen und Pivotspalten nur noch eine Zeile übrig bleiben würde: Zeile Z13 Z14 Z15 Z16

x1 • • • •

x2 • • • •

x3 • • • •

x4 • • • −5

b • • • −15

Operation

Steht in der letzten Zeile der restlichen Matrix dann eine Zahl ungleich Null, so ist diese Zahl

131

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME ein Pivotelement, hier ist die Zahl −5 ein Pivotelement. Zusammengefasst sieht der Gauß-Algorithmus für das Beispiel wie folgt aus: Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9 Z10 Z11 Z12 Z13 Z14 Z15 Z16

x1 0 1 0 2 1 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0

x2 0 1 1 0 1 1 0 −2 1 1 0 0 1 1 0 0

x3 1 1 0 3 1 0 1 1 1 0 1 1 1 0 1 0

x4 1 1 −1 0 1 −1 1 −2 1 −1 1 −4 1 −1 1 −5

b 4 10 −1 11 10 −1 4 −9 10 −1 4 −11 10 −1 4 −15

Operation

Z2 Z3 Z1 Z4 − 2 · Z2 Z5 Z5 Z7 Z8 + 2 · Z6 Z9 Z10 Z11 Z12 − Z11

in Z9 könnte man weitere Nullen schaffen, siehe Abschnitt 7.7. Im Endtableau haben x1 , x2 , x3 , x4 jeweils ein Pivotelement. Zur Bestimmung der Lösung, lösen wir jede Zeile nach ihrem Pivotelement auf: Z16 Z15 Z14 Z13

− 5x4 = −15 ⇒ x4 = 3 x3 + x4 − 4 ⇒ x3 + 3 = 4 ⇒ x3 = 1 x2 − x4 = −1 ⇒ x2 − 3 = −1 ⇒ x2 = 2 x1 + x2 + x3 + x4 = 10 ⇒ x1 + 2 + 2 + 3 = 10 ⇒ x1 = 4

Die Lösungsmenge lautet L = {(4, 2, 1, 3)T }.

Beispiel Gauss 2: Genauigkeit (Luderer) Wir betrachten als nächstes das LGS

x1 + x2 + x3 = 2 x1 − 2x2 = 2 1 x1 − x2 + x3 = 2 3

132 Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME x1 1 1 1 1 0 0 1 0 0

x2 1 −2 −1 1 −3 −2 1 −3 0

x3 1 0 1/3 1 −1 −2/3 1 −1 0

b 2 2 2 2 0 0 2 0 0

Operation

Z1 Z2 − Z1 Z3 − Z1 Z4 Z5 Z6 − 2/3 · Z5

x3 ist beliebig.

1 −3x2 − x3 = 0 ⇒ x2 = − x3 3 1 2 x1 + x2 + x3 = 2 ⇒ x1 = 2 − x2 − x3 = 2 + x3 − x3 ⇒ x1 = 2 − x3 3 3   ( 2  ) −2/3 L =  0  + x3 ·  −1/3  ; x3 ∈ R 1 0

Die Lösung mit dem Gauß-Algorithmus (siehe zum Vergleich a)) liefert als Ergebnis der exakten Rechnung unendlich viele Lösungen: 

     x1 2 −2/3 x =  x2  =  0  + t1 ·  −1/3  0 1 x3

Wie wichtig dabei das exakte Rechnen mit Brüchen ist, erkennt man anhand einer zweiten Rechnung derselben Aufgabe, bei der alle Teilergebnisse numerisch auf drei Nachkommastellen genau berechnet 1 werden, d. h. also unter Verwendung von 0, 333 anstelle von usw. (siehe b)). Dabei ergibt sich eine 3 einzige Lösung x = (2, 0, 0)T . Die Rechenschemata mit unterschiedlicher Genauigkeit werden hier detailliert aufgeführt b) Mit Rundung x1 x2 x3 r. S. a) Exakt 1 1 1 2 x1 x2 x3 r. S. 1 −2 0 2 1 1 1 2 1 −1 0, 333 2 1 −2 0 2 1 1 1 2 1 −1 1/3 2 0 −3 −1 0 1 1 1 2 0 −2 −0, 667 0 0 −3 −1 0 1 0 0667 2 0 −2 −2/3 0 0 1 0, 333 0 1 0 2/3 2 0 0 −0, 001 0 0 1 1/3 0 1 0 0 2 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0

133

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Man sieht, dass durch den Verzicht auf die höchstmögliche Genauigkeit unendlich viele Lösungen „verloren gegangen“sind. Bemerkenswert dabei ist außerdem, dass beim aufgeführten Beispiel dieser Effekt bei jeder eingeschränkten Genauigkeit auftritt (d. h. also auch bei Rechnung mit 12 oder 20 TaschenrechnerStellen).

Beispiel Gauss 3 Gegeben sei folgendes Gleichungssystem: x1 + 2x3 x1 + 4x2 2x1

4x2 + 5x3 + 3x4 + 7x3 + 9x4 + 4x3 + 6x4

+ 4x5 + x5 + 5x5 + 2x5

= 8 = 7 = 24 = 14

Wir lösen das Gleichungssystem mit dem Gauß-Algorithmus wie folgt: Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9 Z10 Z11 Z12

x1 0 1 1 2 1 0 0 0 1 0 0 0

x2 4 0 4 0 0 4 4 0 0 4 0 0

x3 5 2 7 4 2 5 5 0 2 5 0 0

x4 0 3 9 6 3 0 6 0 3 0 6 0

x5 4 1 5 2 1 4 4 0 1 4 0 0

b 8 7 24 14 7 8 17 0 7 8 9 0

Operation

Z2 Z1 Z3 − Z2 Z4 − 2 · Z2 Z5 Z6 Z7 − Z6 Z8

Jetzt liegt eine Zeilenstufenform vor. Kein Pivot haben x3 und x5 ; sie können deshalb beliebig gewählt werden. Z12 Z11

keine Information 6x4 = 9 ⇒ x4 = 3/2

5 4x2 + 5x3 + 4x5 = 8 ⇒ x2 = 2 − x3 − x5 4 x1 + 2x3 + 3x4 − x5 = 7 3 5 ⇒ x1 = 7 − 2x3 − 3x4 − x5 = 7 − 2x3 − 3 · − x5 = − 2x3 − x5 2 2

Z10 Z9

Die Lösungsmenge lautet   5       − 2x3 − x5  2 5/2 −2 −1   5 ) ( 2  ( −5/4 −1)  x 2 − − x 3 5         4  ; x 3 , x5 ∈ R =  0  + x 3 ·  1  + x 5 ·  0  L=          x3   3/2  0  0 3     0 1 0 2 x5

134

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Hat man zur Lösung des linearen Gleichungssystems Ax = b mit dem Gauß-Algorithmus die Matrix A|b in eine Zeilenstufenform überführt, so nennt man diejenigen Variablen, die ein Pivot haben, Basisvariablen und die restlichen Variablen Nichtbasisvariablen. Setzt man alle Nichtbasisvariablen gleich null, so erhält man für die Basisvariablen die entsprechenden Werte der b−Spalte und man spricht von einer Basislösung.

Beispiel (Fortsetzung) Im Endtableau sind die Basisvariablen x 1 , x2 , x 4 und die Nichtbasisvariablen sind x3 , x5 . 5/2  2     Basislösung des Endtableaus ist: x =   0   3/2  0 Probe:

5/2 + 5/2 +

4·2 + 5·0 2 · 0 + 3 · 3/2 4·2 + 7 · 0 + 9 · 3/2 2 · 5/2 + 4 · 0 + 6 · 3/2

+ 4·0 = 8 + 0 = 7 + 5 · 0 = 24 + 2 · 0 = 14

Produktionsprogramme Wir hatten schon gesehen, wie bei einem zweistufigen Produktionsprozess aus dem Direktbedarfsmatrizen der Gesamtbedarf an Rohmaterial für jeweils eine Mengeneinheit der Endprodukte berechnet wird. Ist nun der Lagervorrat an Rohmaterialien bekannt, so lässt sich mit dem Gauß-Algorithmus berechnen, wie viele Stückzahlen der Endprodukte aus dem Vorrat hergestellt werden können. Die zu ermittelnde Anzahl der Endprodukte wird auch als Produktionsprogramm bezeichnet.

Beispiel Wir setzen unser Ausgangsbeispiel mit den zwei Rohmaterialien und den drei Endprodukten fort. Wir haben folgendes Gleichungssystem zu lösen: 6e1 + 12e2 + 24e3 = 10200 3e1 + 11e2 + 6e3 = 4300 Wir bestimmen die Lösungsmenge mit Hilfe des Gauß-Algorithmus: Zeile Z1 Z2 Z3 Z4

e1 6 3 6 0

e2 12 11 12 10

e3 24 6 24 −12

b 10200 4300 10200 −1600

Operation

Z1 2 · Z2 − Z1

7.6. LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

135

Nichtbasisvariable ist e3 und kann deshalb beliebig gewählt werden. Basisvariablen sind e1 , e2 . Lösung: Aus Z4 10e2 − 12e3 = −1600 ⇒ e2 = −160 + 1, 2e3 Aus Z3 6e1 + 12e2 + 24e3 = 10200 ⇒ 6e1 = 10200 − 12 (−160 + 1, 2e3 ) −24e3 = 12120 − 38, 4e3 | {z } e2

⇒ e1 = 2020 − 6, 4e3 Die Lösungsmenge des Gleichungssystems lautet: ) ( 2020 − 6, 4e  3 L =  −160 + 1, 2e3  ; e3 ∈ R e3

Nicht alle Lösungen sind ökonomisch sinnvoll, da die Mengeneinheiten von Rohstoffen nicht negativ sein können. Nicht negative Lösungen sind: 2525 = 315, 625 e1 ≥ 0 ⇔ 2020 − 6, 4e3 ≥ 0 ⇔ e3 ≤ 8 400 e2 ≥ 0 ⇔ −160 + 1, 2e3 ≥ 0 ⇔ e3 ≤ = 133, 3 3 e3 ≥ 0 Die nicht negative Lösungsmenge ist: ( 2020 − 6, 4e  " #) 3 400 2525 L =  −160 + 1, 2e3  ; e3 ∈ ; 3 8 e3

        1060 e1 e1 100 Nicht negative Lösungen sind etwa: e2  = 200 oder e2  =  20  usw. 150 e3 e3 300

Möglicherweise sind nur ganzzahlige Lösungen sinnvoll, etwa: 3 Häuser und nicht 3,5 Häuser, 10 Autos und nicht 10,333 Autos, usw. Nicht negative ganzzahlige Lösungen sind: ) ( 2020 − 6, 4e  3 L = −160 + 1, 2e3  ; e3 ∈ {135; 140; 145; . . . ; 315} e3 Werden ganzzahlige Lösungen für eine ökonomische Fragestellung benötigt, so werden sie folgendermaßen bestimmt: 1. Das zugehörige Gleichungssystem aufstellen 2. Gauß-Algorithmus rechnen 3. Die Lösungsmenge des Gleichungssystems aus dem Endtableau bestimmen 4. Alle nicht negativen Lösungen angeben 5. Alle ganzzahligen nicht negativen Lösungen angeben

136

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

7.7

Weitere Aspekte des Gauss-Algorithmus

7.7.1

LGS in Diagonalform

Wir haben bisher den Gauss-Algorithmus verwendet, um ein LGS in Zeilenstufenform zu bringen. Man kann ihn auch nutzen, um ein LGS in Diagonalform überführen, indem man mit weiteren Pivotzeilen die alten Pivotzeilen weiter verarbeitet:

Beispiel Diagonalform 1

x1 + 3x2 + 4x3 = 8 2x1 + 9x2 + 14x3 = 25 5x1 + 12x2 + 18x3 = 39 Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9 Z10 Z11 Z12

x1 1 2 5 1 0 0 1 0 0 1 0 0

x2 3 9 12 3 3 −3 0 1 0 0 1 0

x3 4 14 18 4 6 −2 −2 2 4 0 0 1

RS 8 25 39 8 9 −1 −1 3 8 3 −1 2

Operation

Z1 Z2 − 2 · Z1 Z3 − 5 · Z1 Z4 − Z5 Z5 /3 Z6 + Z5 Z7 + Z9 /2 Z8 − Z9 /2 Z9 /4

Statt Z4 zu lassen, kann man in Z7 weitere Nullen gewinnen. (  3 ) L =  −1  2 Beispiel Diagonalform 2

x1 2x1 2x1 −x1

+ x2 + x2 + 3x2 + x2

− x3 + x3 − 5x3 − 5x3

+ 3x4 + 4x4 + 8x4 + x4

= −3 = −1 = −11 = −7

137

7.7. WEITERE ASPEKTE DES GAUSS-ALGORITHMUS Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9 Z10 Z11 Z12

x1 1 2 2 −1 1 0 0 0 1 0 0 0

x2 1 1 3 1 1 −1 1 2 0 1 0 0

x3 −1 1 −5 −5 −1 3 −3 −6 2 −3 0 0

x4 3 4 8 1 3 −2 2 4 1 2 0 0

RS −3 −1 −11 −7 −3 5 −5 −10 2 −5 0 0

Operation

Z1 Z2 − 2 · Z1 Z3 − 2 · Z1 Z 4 + Z1 Z 5 + Z6 −Z6 Z 7 + Z6 Z8 + 2 · Z6

Aus Z11 sind:  und Z12 ergibtsich, dass  x4 beliebig  x3 und  2 −2 −1 ( )  −5   3   −2       L=   0  + x3 ·  1  + x4 ·  0  |x3 , x4 ∈ R 0 0 1

7.7.2

Matrizeninversion und LGS

• Ist eine (quadratische) Matrix regulär, so sind die Bedingungen Ax = b und x = A−1 b äquivalent. Wenn es also eine Inverse gibt, dann liefert sie die Lösung x = A−1 b eines LGS Ax = b. • Für die linearen Abbildungen, die A, bzw. A−1 zugrunde liegen, bedeutet es, dass fA und fA−1 als Funktionen zueinander Inverse sind. Für alle Vektoren x gilt fA ◦ fA−1 (x) = x = fA−1 ◦ fA (x) • Die erste Spalte x1 von A−1 ist gegeben durch die Bedingung   1 0  A · x1 =  . . .  = e 1 0

da A−1 e1 = x1 und e1 = A · A−1 e1 = Ax1 äquivalente Bedingungen sind.

• Allgemein ist die i-te Spalte von A−1 die Lösung xi von Axi = ei = (0 . . . 1 . . . 0)T | {z } 1 in i-ten Zeile

• Demnach erhält man die Spalten von A−1 , indem man die LGS Ax = ei löst.

• Umgekehrt: sind für alle i = 1 . . . n die LGS Ax = ei eindeutig lösbar mit Lösungsmenge {xi }, so ist A regulär und es gilt   x1 x2 . . . xn −1 A = | | ... | Mit der Variante des Gauss-Algorithmus mit Diagonalform löst man simultan die LGS Ax = ei und erhält die Matrix A−1 .

138

KAPITEL 7. MATRIZEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Beispiel 

 1 2 −1 A =  2 −1 3  −1 1 2 Zeile Z1 Z2 Z3 Z4 Z5 Z6 Z7 Z8 Z9 Z10 Z11 Z12

x1 1 2 −1 1 0 0 1 0 0 1 0 0

x2 2 −1 1 2 −5 3 0 1 0 0 1 0

x3 −1 3 2 −1 5 1 1 −1 4 0 0 1

RS 1 0 0 1 −2 1 0, 2 0, 4 −0, 2 0, 25 0, 35 −0, 05

Operation 0 1 0 0 1 0 0, 4 −0, 2 0, 6 0, 25 −0, 05 0, 15

0 0 1 0 0 1 0 0 1 −0, 25 0, 25 0, 25

Z1 Z2 − 2 · Z1 Z3 + Z1 Z4 + 2/5 · Z5 −Z5 /5 Z6 + 3/5 · Z5 Z7 − Z9 /4 Z8 + Z9 /4 Z9 /4

Die inverse Matrix lautet A−1

   1/4 1/4 −1/4 5 5 −5 1 =  7/20 −1/20 1/4  = ·  7 −1 5  20 −1/20 3/20 1/4 −1 3 5 

man überprüft A · A−1 = E = A−1 · A