Mathematik rund um den Bagger (15.-18. Juli 2008) Betreuer:

Prof. Dr. Hans-Georg Weigand, Dr. Jürgen Roth, Michael Schuster, Jan Wörler, Stefanie Anzenhofer, Angela Bezold, Stefan Herold

Teilnehmer: Fabian Schrauth, Jacqueline Metzing, Janina Renk, Markus Holzemer, Dominik Barth, Laura Rotzinger, Anna Nguyen, Stefan Schönewolf Dienstag „Was interessiert euch an einem Bagger?“. Mit dieser Frage und dem anschließenden Brainstorming begann die Zusammenarbeit der acht Schüler und der betreuenden Dozenten und Professoren in der Projektgruppe „Mathematik rund um den Bagger“. Schon nach kurzer Zeit war die komplette Tafel mit interessanten Themengebieten beschrieben: Motor & Hydraulik, Gleichgewicht, Drehen auf der Stelle, Kräfte auf den Baggerarm, synchronisierte Bewegung, Bedienung, Bewegungsablauf des Baggerarms und Anzahl der Gelenke. Da eine solche Fülle von Bereichen sich in der kurzen Dauer der Projektwoche niemals vollständig bearbeiten ließe, folgte eine Abstimmung, auf welche Themengebiete man sich konzentrieren sollte. Dabei erhielten die Bereiche „Anzahl der Gelenke“, „Bewegungsablauf des Baggerarms“ und „synchronisierte Bewegung“ die meisten Stimmen. Wegen der starken Ähnlichkeit der beiden letztgenannten Bereiche wurden zwei Gruppen gebildet, die sich innerhalb einer halben Stunde mit Ihrem jeweiligen Bereich auseinandersetzten sollten. Erste Gruppe: Benötigte Anzahl an Gelenken eines Baggerarms In der anschließenden Besprechung wurden zum einen die Vor- und Nachteile verschiedener Gelenkszahlen erläutert, wobei sich zeigte, dass wenige Gelenke die Bewegungsfreiheit des Armes stark einschränken, viele Gelenke die Konstruktion des Armes aber sehr kompliziert machen. Einen guten Kompromiss zwischen den beiden Extremen stellt ein dreigelenkiger Arm dar. Außerdem muss zwischen verschiedenen Gelenken unterschieden werden. So beeinflussen beispielsweise die Gelenke, die am Anfang des Armes angebracht sind, die am Ende. Auch die Länge der Segmente zwischen den Gelenken und die Angriffspunkte der Hydraulikkolben, die die Gelenke steuern, haben großen Einfluss auf das Verhalten des gesamten Armes. Zweite Gruppe: Bewegungsablauf des Baggerarms Zum Anderen wurde klar, dass sich besonders bei der zweiten Gruppe nur sehr schwer bestimmte Bewegungsabläufe herausarbeiten lassen, ohne einen konkreten Bagger als Vorlage heranzuziehen. Man einigte sich schließlich auf einen dreigelenkigen Raupenbagger, da ein Modell eines solchen Baggers zur Verfügung stand. Für eine Weiterarbeit kamen hauptsächlich vier Aspekte in Frage: 1) Wieso ist das Gelenk, das die Baggerschaufel bewegt, ein Gelenkviereck, und kein Gelenkdreieck? 2) Wie lässt sich ein „Bodenkratzen“, also eine horizontale Bewegung mit der Schaufel über den Boden bewerkstelligen? 3) Auf welche Weise lässt sich am besten Erde in die Schaufel befördern? 4) Wie lässt sich eine senkrechte Bewegung mit der Schaufel realisieren? Durch eine weitere Abstimmung einigte man sich darauf, gruppenweise an den Punkten eins und vier weiterzuarbeiten.

Während der anschließenden Besprechung wurden wieder die Ergebnisse zusammengetragen: Gelenkviereck Zuerst interessierte die Gruppe die Frage, ob sich das Gelenkviereck auch durch ein Gelenkdreieck ersetzen ließe. Diese Frage wurde mit einem klaren „ja“ beantwortet. Daraufhin stellte sich eine weitere Frage: „Warum wird in der Praxis ein Gelenkviereck verwendet, obwohl auch ein Gelenkdreieck möglich wäre?“ Die Gruppe stellte dabei die Thesen auf, dass zum einen mit einem Gelenkviereck die maximale Auslenkung der Schaufel größer als bei einem Dreiecksgelenk sei und zum anderen die Kraftübertragung vorteilhafter wäre. Die Gruppe kam zu dem Schluss, dass sich die These am besten mit einem Computermodell beweisen ließe und entschloss sich, ein solches Modell mit GeoGebra zu erarbeiten.

Senkrechte Bewegung Für eine senkrechte Bewegung sind vor allem vier Ansatzpunkte zu klären: 1) Welche Beziehungen bestehen zwischen den Kolbenlängen und den Winkeln der einzelnen Segmente? 2) Sind senkrechte Bewegungen überhaupt möglich und wenn ja in welchem Bereich? 3) a) Gibt es eine Funktion, die die Ortskoordinaten der Schaufel in Abhängigkeit geeigneter Winkel beschreibt? b) Existiert eine Beziehung zwischen spezifischen Winkeln, um eine senkrechte Bebewegung zu realisieren? Auch die zweite Gruppe entschloss sich, zuerst ein Modell eines Baggerarmes in GeoGebra zu erstellen, um die oben genannten Fragen zu untersuchen. Mittwoch Der zweite Tag begann mit der Vorstellung der Ergebnisse und der GeoGebra-Simulationen der einzelnen Gruppen. Anhand der Simulation eines Gelenkviereckes wurde erkannt, dass die am Vortag aufgestellte These, wonach sich durch ein Gelenkviereck die Schaufel in einem größeren Bereich bewegen lässt, stimmt. Dies ist wichtig, damit das in der Schaufel befindliche Gut nicht herausfällt. Nach dieser Feststellung waren auch die Verhältnisse zwischen den Längen der einzelnen Teile des Gelenkvierecks bestimmt worden. Dabei hatte sich gezeigt, dass der Arm dann besonders effektiv arbeiten kann, wenn das Gelenk ein Drachenviereck ist. Die zweite Gruppe beschäftigte sich den gesamten Tag mit der Berechnung und Simulation einer senkrechten bzw. waagrechten Bewegung.

Donnerstag: Gelenkviereck Die Behauptung, dass das perfekte Gelenkviereck ein Drachenviereck ist, konnte die Gruppe wie folgt mathematisch begründen: Das perfekte Gelenkviereck hat für den Winkel β einen Spielraum von 360°. Um einen Winkel von β = 0° zu erzeugen müssen alle vier Punkte des Vierecks AHBC auf der Geraden BC liegen. Hierfür müssen folgende Streckenverhältnisse vorliegen: I)

BC + AC = BH + AH

Um im anderen Extremfall (β = 360°) alle vier Punkte des Vierecks AHBC auf die Gerade k legen zu können, müssen folgende Bedingungen erfüllt werden: II)

AB + BH = AH

III)

BC + AB = AC

Gesucht sind nun die Längen der Seiten des Viereckes AHBC mit denen alle drei Bedingungen erfüllt werden. Dazu löst man das Gleichungssystem mit den drei vorliegenden Gleichungen: II) auflösen nach AB :

IV) AB = AH − BH

IV) in III):

V) AC + BH = AH + BC

V) –I):

VI) AC + BH − BC − AC = AH + BC − BH − AH ⇒ BH = BC

Mit I) folgt:

⇒ AC = AH

⇒ Das perfekte Gelenkviereck ist ein Drachenviereck wie es in der Abbildung dargestellt

ist.

Senkrechte Bewegung Auch die Simulation der senkrechten Bewegung hatte Fortschritte ergeben: Anhand der ersten Simulationen, die das Problem nicht rechnerisch, sondern konstruktiv lösten, konnte man erkennen, dass sowohl senkrechte als auch waagrechte Bewegungen der Baggerschaufel möglich sind. Dabei gibt es jeweils genau eine Position des Armes, um einen bestimmten Punkt zu erreichen. Allerdings müssen dazu die Winkel zwischen beiden Armgelenken variiert werden. Leider gelten dabei keine linearen Zusammenhänge, sodass nach einer Formel gesucht wurde, die die Winkel zwischen den einzelnen Armsegmenten in Abhängigkeit von den Längen dieser Segmente und den Koordinaten der Baggerschaufel liefert. Der Gedankengang wird mithilfe der folgenden Skizze erläutert:

Punkt A stellt den Beginn des Baggerarmes und gleichzeitig das erste Gelenk des Armes dar. Punkt C ist das zweite Gelenk und Punkt B der Endpunkt des Armes, an dem die Schaufel befestigt ist und der dementsprechend bewegt werden soll. Die Strecken b und a symbolisieren die einzelnen Segmente des Baggerarmes. Zusätzlich sind noch die x- und y-Koordinate des Punktes B eingezeichnet. Die Strecke c dient als Hilfslinie. Bei den folgenden Berechnungen wird die Länge der Strecke b und a und die Koordinaten der Schaufel als gegeben angesehen. Die Winkel α und γ lassen sich mithilfe des Kosinussatzes bestimmen, wenn man die Strecke c mithilfe des Satzes von Pythagoras durch die x- und y-Koordinate des Punktes B ausdrückt: ²

²

Wichtige Konvention: Hier und im Folgenden bezeichnet x die x-Koordinate und y die yKoordinate des Punktes B. Nach Einsetzen in den Kosinussatz 2 und auflösen nach den Winkeln erhält man: arccos

·

bzw.

2

·

2

arccos

2

Somit ist der Winkel zwischen dem ersten und zweiten Segment des Armes bereits bestimmt. allein reicht jedoch nicht aus um den Winkel zwischen dem Baggerarm und dem ebenen Bezugsniveau anzugeben. Dieser lässt sich jedoch einfach als Summe der bereits bestimmten Winkel und ausdrücken. Der Winkel lässt sich wie folgt bestimmen: arctan Somit ergibt sich für : arccos

2

Allerdings kann man die Winkel zwischen den Gelenken des Baggers nur indirekt über Hydraulikkolben steuern, sodass auch ein Zusammenhang zwischen Winkel und Kolbenlänge in Abhängigkeit von der Position des Kolbens gefunden werden muss. Die Skizze zeigt einen Ausschnitt aus einem Baggerarm für den wir die Kolbenlänge in Abhängigkeit vom Drehwinkel eines Gelenkes berechnen wollen. Die Halbgerade a symbolisiert ein Segment des Baggerarmes, die Strecke c ein anderes Segment. Der Punkt B stellt den Drehpunkt zwischen den beiden Segmenten dar. Die Strecke b steht für den Hydraulikkolben, der in den Punkten A und C angreift. ist der Abstand des Angriffspunktes des Kolbens vom Drehpunkt, der als Hebelarm dient. Für die Herleitung der Formel zur Berechnung der Kolbenlänge b werden die Strecken und sowie der Winkel als gegeben vorausgesetzt.

C γ a

b

β α

c

B φ

A

Einsetzen in den Kosinussatz und anschließendes Auflösen nach der Kolbenlänge b liefert: ²

²

2

· cos 180°

Allerdings zeigte sich, dass diese Formeln einen vereinfachten Bagger annehmen und somit nicht für jeden beliebigen Bagger anwendbar sind. Deshalb wurde noch eine weitere Formel entwickelt die im Folgenden vorgestellt werden soll.

Die Grafik zeigt einen „allgemeingültigen“ Baggerarm. Im Punkt O ist der Arm mit dem Chassis des Baggers verbunden, im Punkt G ist die Schaufel angebracht. Deren x- und yKoordinaten sind gegeben. Die zwei Drehpunkte des Armes sind die Punkte O und C, die über die Strecken l, s, m, q und h, g, b fest miteinander verbunden sind. Die Kolben, die das Konstrukt bewegen sind in den Punkten R, B, F und A verankert. Die Strecken v, w, z sind Hilfslinien. Ziel ist es die Länge der beiden Kolben in Abhängigkeit von den Koordinaten des Punktes G zu bestimmen. Die anderen Strecken sind Parameter der Gleichung.

Zunächst wird die Strecke w mithilfe des Satzes von Pythagoras ausgedrückt: ²

²

Wichtige Konvention: Hier und im Folgenden bezeichnet x die x-Koordinate und y die yKoordinate des Punktes G. Danach wird der Winkel

mithilfe des Kosinussatzes bestimmt: ²

arccos Da die Winkel men:

,

²

²

²

2

bekannt und konstant sind, können wir nun den Winkel bestim360°

Um die Kolbenlänge zu bestimmen, muss erneut der Kosinussatz angewendet werden: 2

²

²

2

cos

Setzt man alle Formeln ineinander ein, so erhält man folgendes:

⎛ ⎛ x ² + y² − v ² − b² ⎞ ⎞ Kolben2 = h² + q² − 2hq ⋅ cos⎜ 360° − η − ϕ − ε − arccos⎜ ⎟⎟ − 2bv ⎝ ⎠⎠ ⎝ Nun wollen wir noch die Länge von Kolben1 bestimmen. Dazu müssen wir zunächst die beiden veränderlichen Winkel ausdrücken:

²

² 2

² ²

² ²

Nun können wir mithilfe der festen Winkel den Gesamtwinkel ROB berechnen: Durch Einsetzen in den Kosinussatz können wir die Kolbenlänge bestimmen: 1

²

²

2

cos

Die Gesamtformel lautet dementsprechend:

⎛ ⎛ b ² − v ² − x ² − y² ⎞ ⎞ ⎛ y⎞ ⎟⎟ ⎟⎟ Kolben1 = l² + r ² − 2lr ⋅ cos⎜⎜ γ + β + a tan⎜ ⎟ + a cos⎜⎜ x 2 v x ² y ² − + ⎝ ⎠ ⎝ ⎠⎠ ⎝