Magazin 6, Euro Interview: Dieter Kempf

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Author: Minna Geier
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Dieter Kempf

02 2017

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94036 Passau www.pnp.de

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Autor A utor

EDITORIAL

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m Jahr 2002 sorgte ein CSU-Abgeordneter für einen Eklat im Bundestag, als er Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) während einer Wirtschaftsdebatte eine mitgebrachte rote Laterne überreichen wollte. Deutschland war damals Schlusslicht beim Wachstum in Europa. Was folgte, waren die „Agenda 2010“ und eine Rosskur der deutschen Unternehmen: Harte Sanierungsprogramme, ein radikaler Umbau und enorme Innovationsanstrengungen machten die hiesige Wirtschaft global wieder wettbewerbsfähig und hoben Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland auf ein vorher nie gekanntes Niveau. Heute ist Deutschland wirtschaftlich die Lokomotive, die Europa zieht. „Deutschland geht es gut – und Bayern noch ein Stückchen besser“, sagt Ministerpräsident Horst Seehofer gerne. Recht hat er! Doch unser hart erarbeiteter Wohlstand ist nicht in Stein gemeißelt – er muss immer wieder aufs Neue erkämpft und verteidigt werden. Dabei dürfen wir uns keine großen Fehler erlauben, so der neue BDI-Präsident Dieter

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Kempf, übrigens ein Bayer, im Titelinterview (S. 14). Dass wir dabei den Gesprächsfaden mit anderen Ländern nicht abreißen lassen dürfen, auch wenn uns ihre Politik befremdet, macht Horst Seehofer in einem Gastkommentar (S. 11) klar. Und dass wir uns angesichts der im heranziehenden Wahlkampf aufflammenden Gerechtigkeitsdebatten im Land die richtigen Baustellen aussuchen müssen, insbesondere also den Bereich der Besteuerung von Arbeitsleistung der Menschen, beleuchtet ein Bericht über die Ängste und Belastungen des „kleinen Mannes“ (S. 20), den die Politik plötzlich wiederentdeckt hat. Zeit wurde es, finde ich. Einen klugen Ratschlag für den Umgang mit Unsicherheit, von der es aktuell mehr als genug gibt – von NATO und EU, dem Kurs der USA über den Brexit bis hin zur Türkei – hat schließlich Anselm Bilgri, der frühere Prior von Kloster Andechs (S. 38). Herzlichst,

BERTRAM BROSSARDT, Herausgeber

INHALT

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PORTRÄT

INTERVIEW

STEUERBELASTUNG

Mit den Profis zur Weltklasse

Chancen wie kaum ein anderer Standort

Staatskasse voll, Haushaltskasse leer

Das Fürther Familienunternehmen uvex ist auf Siegerpodesten bekannt geworden. Besonders stark ist die Marke jedoch im Arbeitsschutz.

BDI-Präsident Dieter Kempf meint: „Wir müssen die Vorteile von Globalisierung und Freihandel den Menschen besser erklären.“

Viele Arbeitnehmer fühlen sich wirtschaftlich abgehängt. Zu Recht?

Foto: weyo – Fotolia.com

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INHALT

STANDPUNKT

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LIFESTYLE

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MACHTRAUM

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EINE FRAGE NOCH ...

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IMPRESSUM vbw Unternehmermagazin 02/2017 Herausgeber vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. VR 15888 Amtsgericht München Hauptgeschäftsführer: Bertram Brossardt Max-Joseph-Str. 5, 80333 München

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AUSLAND

LUXUS

Ausbildung nach bayerischem Vorbild

Küchengeräte für Profis und Schöngeister

Das Bildungswerk unterstützt Projekte gegen die Arbeitslosigkeit in Tunesien. Für 148 Lehrlinge an drei Berufsschulen steht erstmals die Praxis in den Unternehmen im Mittelpunkt. Die ersten Absolventen haben eine Festanstellung.

Die Firma Gaggenau mit ihrer Zentrale in München setzt auf den Trend zur Luxusküche.

Büro des Herausgebers: Andreas Ebersperger E-Mail: [email protected] Herausgeberbeirat Bertram Brossardt Jakob Schlag Klaus Lindner Thomas Schmid Anna Engel-Köhler Holger Busch Dr. Peter J. Thelen Walter Vogg Gesamtkoordination Dr. Peter J. Thelen Tel.: 089-551 78-333, E-Mail: [email protected] Chefredakteur Alexander Kain (V.i.S.d.P.) Redaktion: Sandra Hatz Autoren: Alexander Kain, Sandra Hatz, Regina Ehm-Klier Grafik: Johanna Geier, Silvia Niedermeier Korrespondentenbüros D – 10117 Berlin, Charlottenstraße 35/36, Dr. Peter J. Thelen B – 1000 Brüssel, Rue Marie de Bourgogne 58, Volker Pitts-Thurm USA – 10020 New York, Suite 720, 10 Rockefeller Plaza, Dagmar A. Cassan MBA Verlag vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Projektgesellschaft mbH HRB 106556 Amtsgericht München Geschäftsführer: Peter Bockhardt Kooperationspartner · Gesamtabwicklung · Anzeigen Reiner Fürst, Donau-Wald-Presse-GmbH Medienstraße 5, 94036 Passau Tel.: 0851-802-237, Fax: 0851-802-772 Anzeigentechnik E-Mail: [email protected] Titelfoto: Astrid Schmidhuber Druck PASSAVIA Druckservice GmbH & Co. KG Medienstraße 5b 94036 Passau Tel.: 0851-966 180-0 Das vbw Unternehmermagazin erscheint sechsmal im Jahr mit einer Auflage von 73.000 Exemplaren. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1866-4989 Nachdruck oder Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Für die Zusendung unverlangter Manuskripte oder Bilder wird keine Gewähr übernommen. www.vbw-bayern.de

Fotos: uvex, Hatz

Mit der Brille ist uvex gewachsen. Die Scheibe muss extreme Belastungen aushalten. Sie darf nicht beschlagen. Sie filtert, blockiert oder verstärkt Licht von 400 bis 1.100 Nanometer. Die dazu nötige Beschichtung ist streng geheim.

PORTRÄT

Profis für Durchblick Auf der Skipiste hat sich die Fürther Firma uvex ihren Namen gemacht – Heute ist die Marke im Reit- und Radsport stärker – Stärkste Disziplin des Hauses jedoch ist der Arbeitsschutz

S

chlechte Sicht bedeutet beste Publicity. Wenn es neblig ist, bei Inversionswetterlagen, bei Spritzschmutz oder krassen Licht- und Schattenverhältnissen, reiben sich Werbeleute in Fürth die Hände. Im Zielraum schieben sich dann Athleten ihr Produkt auf die Stirn, die Brille, die es gebracht hat. Vor einem Millionenpublikum steigt uvex mit den Spitzensportlern aufs Podest. Die UVEX WINTER HOLDING in Fürth ist im Wintersport bekannt geworden. Doch vom Ruf und der Entwicklung der Produkte profitieren immer stärker die uvex-Helme und -Brillen für Reitoder Radsport. Am stärksten aber ist uvex seit Jahren in einer sehr soliden und alltäglichen Disziplin – auf der Bohrinsel in Ostsibirien genauso wie

in der Platinmine in Südafrika. Drei Viertel ihres Umsatzes in Höhe von insgesamt rund 400 Millionen Euro machen die Fürther heute im Arbeitsschutz. Michael Winter blickt über den Tisch im Besprechungsraum, auf dem eine Auswahl der vielen verschiedenen Produkte der Firma liegt. Der Chef der Holding, zu der neben uvex auch die Marken Alpina und Filtral gehören, nimmt eine Skibrille zur Hand, verdreht sie in jede Richtung. Die Scheibe biegt sich elastisch mit. uvex steht für „ultraviolet excluded“. Seitlich befindet sich ein kleiner Sensor. „Die Brille wechselt in einer Bruchteilsekunde von hell auf dunkel.“ Die Technologie der Skibrille haben die Fürther Spezialisten auch in den Rahmen einer Bike-Brille integriert. Flüs-

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sigkeitskristalle sorgen automatisch oder auf Knopfdruck für die Tönung der Scheibe. Die Batterie ist im Bügel integriert. Profi-Mountainbiker, Downhill- und Dirt- wie SlopestyleBiker jubeln, wenn sie bei Sprüngen und Loopings im Dunst genauso gut sehen wie im grellen Sonnenlicht. „Unser Kerngeschäft in Fürth ist die Scheibe“, erklärt Winter. „Das ist unser Know-how. Wir können in allen Wellenlängen von unter 400 Nanometer bis über 1.100 Nanometer Licht durchlassen, blockieren, filtern, verstärken. Das gilt für die UV-Schutzbrille – genauso wie für die Schutzbrille für den Arzt, der bei 1.064 Nanometer Muttermale weglasert.“ uvex verfüge über mehr als 40 verschiedene Beschichtungssysteme. Die Scheiben müssen außen besonders kratz-

Im Ski-, im Rad- und im Reitsport verdient sich uvex seinen Ruf als angesagte Marke. Vom Image und den Erfahrungen profitiert der Bereich Arbeitsschutz, in dem die Holding inzwischen drei Viertel ihres Umsatzes generiert.

fest sein und dürfen innen nicht beschlagen – bei unterschiedlichsten Anforderungen. Den Lack für die Scheibe entwickelt und produziert uvex selbst. Die genaue Zusammensetzung ist streng geheim. Winter: „Unsere Beschichtungstechnologie ist noch nicht einmal zum Patent angemeldet, weil wir da so viele Dinge offenlegen müssten.“ Philipp M. Winter, der Großvater des heutigen Geschäftsführers, hat 1926 einen kleinen Handwerksbetrieb gegründet und Schutzbrillen gefertigt. „Da gab es sogar eine zum Zwiebelschneiden. Oder das Modell Schaumi, das es ermöglichte, Kindern entspannter die Haare zu waschen.“ Doch schon 1936 stattete Winter erste Sportler mit Schutz- und Gletscherbrillen aus. Rainer Winter, der Sohn

des Firmengründers, entwickelte 1956 schließlich nach einem Aufenthalt in Amerika die Marke uvex. Ein Unternehmen unterliege über die Jahrzehnte eben den Veränderungen. Winter: „Man muss wie im echten Leben auch permanent veränderungsbereit sein und bleiben, um sich weiterzuentwickeln. Aber natürlich: Als Marktführer muss man den Markt führen.“ Das heißt: Der Hersteller weckt Begehrlichkeiten durch neue Technik, Design oder Mode. „Unser Geschäftsmodell, den Menschen zu schützen – wir nennen es ,protecting people‘ – wurde bereits 1926 von meinem Großvater geboren. Ein Glücksfall. Das Prinzip ist nachhaltig, weil es immer gefragt sein wird. Am Arbeitsplatz, in der Freizeit und im Spitzensport. Zudem ist es ein schöner Auftrag für un-

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sere Mitarbeiter und passt daher sehr gut zu unserem Anspruch, eine attraktive Arbeitgebermarke zu sein.“ Etwa drei Viertel des Umsatzes generiert uvex mit Produkten aus eigenen Werken von über 2.400 Mitarbeitern in 42 Tochterfirmen in 19 Ländern. Die Holding setzt auf „made by uvex“, wo immer es wirtschaftlich ist. Winter sagt: „Wir stellen auch deshalb in eigenen Werken her, weil wir dadurch unser Know-how gut schützen können.“ In Fürth befindet sich das Brillenzentrum. Hier gehen die Skibrillenscheiben vom Band, aber auch Zehenteile für Arbeitsschutzschuhe. Für die Produktion sind in Fürth etwa hundert Mitarbeiter in vier Schichten sechs Tage die Woche im Einsatz. Alle Anlagen sind speziell entwi-

PORTRÄT

ckelt. Die Herstellerkompetenz mit der Garantie „außen kratzfest, innen beschlagsfrei“ will sich uvex von niemandem nehmen lassen. Wichtigster Rohstoff ist Polycarbonat, aus dem die Scheiben geformt und beschichtet werden. Roboter halten die Rohlinge in Spritzgussmaschinen. Ihre menschlichen Kollegen überwachen das Klima in der geschlossenen Anlage. „Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Mischverhältnis müssen überwacht und korrigiert werden. Das muss alles genau passen“, erklärt Plant Manager Norbert Otzelberger. Jede Scheibe wird, wenn sie am Ende getrocknet und gehärtet ist, von einem Mitarbeiter auf eventuelle Fehler untersucht. Das Nasenteil spritzt eine eigens entwickelte Anlage direkt auf die Scheibe. Optimal abgedichtet. Der Vorteil in Fürth: Werk und Prüfabteilung er-

halten das Feedback und eventuelle Reklamationen. In der uvex Academy arbeiten Chemiker und Techniker an ständigen Verbesserungen. „Weil Entwicklung und Fertigung an einem Ort sind, können wir sehr flexibel reagieren.“ In Obernzell bei Passau werden Reit-, Rad- und Skihelme gemacht. In Lederdorn bei Cham Skihelme und Skibrillen. Für manuelle Arbeitsschritte hat uvex ein Werk in Tschechien. Für flexible Scheiben, weichen Schaum, dehnbare Kopfbänder und feine Lüftungssysteme braucht es menschliches Fingerspitzengefühl. Winter: „Es gibt keinen Konkurrenten, der in Deutschland herstellt. Und wir müssen wettbewerbsfähig sein – und das schaffen wir momentan ganz gut.“ uvex treibt die Internationalisierung weiter voran. „Wir bereiten uns auf

Michael Winter ist Geschäftsführer der UVEX WINTER HOLDING GmbH. Er ist Enkel von Philipp M. Winter, der 1926 die Firma in Fürth gründete. Vater Rainer Winter hat 1956 die Marke erfunden: uvex für „ultraviolet excluded“.

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PORTRÄT

die Olympiade in Peking vor und gründen ein eigenes Unternehmen, die uvexsports China.“ Der chinesische Markt sei schwierig und das Projekt mit großen Investitionen verbunden. „Asiaten haben komplett andere Kopfformen, worauf wir die Entwicklung und Produktion von Helmen und Brillen natürlich ausrichten müssen. Das sind ganz andere Kollektionen. Aber wir wollen uns unabhängiger machen von den europäischen Märkten.“ Der jüngste Erfolg für Winter: „Wir haben nun in den USA Anteile des Familienunternehmens HexArmor gekauft, damit haben wir den Zugang zum amerikanischen Markt bekommen.“ Die zur Holding gehörende Marke Filtral bedient als Dienstleister den Handel, den Massenmarkt in Europa wie Lebensmitteleinzelhandel, Dis-

counter und deren Eigenmarken, Tankstellen. Das sind Sonnenbrillen und Lesehilfen an den Ständern. „Die kaufen wir ausschließlich aus Asien zu. Das ist kein Fachhandelskonzept wie uvex und Alpina.“ Und es ist gar nicht so einfach, die Qualität aus China zu bekommen und zum richtigen Zeitpunkt und in der Menge. Das kann nicht jeder. „So ein Sonnenbrillenständer hat vielleicht einen Quadratmeter und der bringt die größte Flächenproduktivität. Das sind Schnelldreher.“ Im Arbeitsschutz und im Sportbereich kann sich uvex über jährliches Wachstum freuen. Auch das Wintergeschäft wächst. Aber nicht, so Winter, weil der Markt wächst, „ sondern weil wir uns Marktanteile nehmen und weil wir international wachsen.“ Besonders gut sind die Zahlen im Radsport – da-

für sorgt der Hype im Funsport ebenso wie die Mobilität in den Städten, wo das E-Bike stark im Kommen ist. „Der Bereich Radsport wird bald größer sein als der Wintersport“, sagt der Geschäftsführer. „Deshalb ist es wichtig, dass uns nicht ein Banker oder ein Analyst sagt, was wir zu tun haben. Wir wollen nicht über die Entwicklung der Kopfzahlen der Skifahrer in Europa diskutieren, sondern unsere unternehmerische Freiheit und Entscheidungsfähigkeit behalten.“ Die Gesellschafter des Familienunternehmens – das sind Winters Familie und die seiner Schwester – würden sich sehr gut verstehen, können also schnell entscheiden. „Wir wollen natürlich Milch von der Kuh haben. Aber der Großteil der Milch soll den Unternehmen dabei helfen weiter zu wachsen.“ 왗

Täglich werden in Fürth 45.000 Scheiben aus Polycarbonat geformt und in Spritzgussmaschinen beschichtet. Roboter bearbeiten die Kunststoffgläser. Etwa hundert Mitarbeiter wachen in Fürth darüber, dass das Klima in den Anlagen, das Mischverhältnis der Beschichtung und am Ende die Qualität stimmen.

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STANDPUNKT

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m Januar 1975 reiste Franz Josef Strauß nach Peking. Für viele überraschend wurde er von Staatschef Mao Zedong empfangen. In Deutschland stieß der Strauß-Besuch im Reich der Mitte auf Kritik. In China dagegen legte er den Grundstein für die enge Wirtschaftsbeziehung, von der wir bis heute profitieren. Vor allem wegen der Stärke im Export steht Bayern heute in zahllosen Rankings auf einem Spitzenplatz. Mit hochinnovativen Produkten und Dienstleistungen sind bayerische Unternehmen weltweit gefragt. Die Exporte Bayerns haben sich von 1996 bis 2016 verdreifacht, von 61 auf etwa 183 Milliarden Euro. Eine beeindruckende Bilanz. Rund die Hälfte unseres Pro-Kopf-Einkommens und rund ein Viertel der Arbeitsplätze in Bayern hängen direkt oder indirekt vom Außenhandel ab. Deshalb achten wir besonders auf Veränderungen und Erschütterungen im globalen Markt. Die Weltwirtschaft ist in den vergangenen Jahren immer wechselhafter und unberechenbarer geworden. Neuer Konkurrenz – zum Beispiel aus China – stellen sich Bayerns Unternehmen mit bewundernswertem Fleiß und Innovationskraft entgegen. Weniger ausrichten können Unternehmen freilich gegen politische Krisen oder protektionistische Tendenzen. Vor allem was die Vereinigten Staaten von Amerika, China und Großbritannien angeht, wachsen die Sorgen der Unternehmen. Zusammen machen diese drei Absatzmärkte mehr als ein Viertel der bayerischen Exporte aus. Eine Abschottung hätte für alle Beteiligten empfindliche Folgen. Ich sehe es deshalb als zentrale Aufgabe an, für offene Märkte zu kämpfen. Unsere Wirtschaft braucht den Marktzugang. Und sie braucht gute

Warum Bayern für offene Märkte kämpft Bayerns Staatsregierung will, so HORST SEEHOFER, Kontakte aufrechterhalten und sich für gute und faire Marktbedingungen einsetzen

und faire Rahmenbedingungen. Dafür setzt sich meine Staatsregierung mit aller Kraft ein. Trotz aller Kritik haben wir am Freihandelsabkommen mit Kanada festgehalten. Ich bin froh, dass CETA auf europäischer Ebene angenommen wurde und ratifiziert werden kann. Jetzt wollen wir die neue US-Regierung unter Donald Trump überzeugen, dass sich Freihandel lohnt – und zwar für beide Seiten. Besonders wichtig ist mir auch das Verhältnis zu Großbritannien. Mit dem Brexit wird unser drittwichtigster europäischer Handelspartner die EU verlassen. Wir müssen in den Brexit-Verhandlungen so schnell wie möglich die Beziehungen auf eine neue Grundlage stellen und alles daransetzen, um neue Handelsschranken zu vermeiden. Auch mit schwierigen Partnern müssen wir im Gespräch bleiben. Gerade was internationale Krisen angeht, gilt das Primat der Politik. Niemand darf – wie es leider in der Ukraine geschehen ist – Grenzen mit Gewalt verschieben. Das Minsker Abkommen

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muss wie verabredet umgesetzt werden. Zugleich ist es aber wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Denn nur so können wir Einfluss geltend machen und in den Beziehungen mit Russland eine konstruktive Perspektive aufzeigen. Wir dürfen nichts unversucht lassen, um zu einer Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu kommen. Gerade in schwierigeren Zeiten brauchen wir einen Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Politik. Die Staatsregierung wird insbesondere den Mittelstand weiter mit seinen Förderprogrammen bei der Erschließung von Auslandsmärkten unterstützen. Wir werden weiter eine Politik machen, die Bayern in hohem Maße attraktiv hält als Standort und Handelspartner. Und wir werden weiterhin für offene Märkte kämpfen, auch wenn das nicht allen gefällt. Wir stehen an der Seite unserer Wirtschaft.

Horst Seehofer ist seit 2008 Ministerpräsident des Freistaates Bayern und Vorsitzender der CSU. 왗

Fotos: Schmidhuber

Devotionalien mit sozialdemokratischem Hintergrund: Das Originalautogramm von Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte Dieter Reiters Vater einst gesammelt, das Feuerzeug mit Willy-Brandt-Schriftzug gar vom Kanzler einst selbst geschenkt bekommen. Willy Brandt imponiere ihm, so Reiter, er sei der Grund gewesen, warum er zur SPD gegangen sei. Und Kanzler Helmut Schmidt bewundere er für seine großen politischen Taten. Persönlich fehlt ihm noch ein Stück von Gerd Schröder – dass der mit der „Agenda 2010“ seine politische Karriere für seine Überzeugung riskiert habe, sei „groß“.

Im Januar wurde Dieter Reiter mit dem Karl-Valentin-Orden der Münchner Faschingsgesellschaft Narrhalla für Tradition und Bürgernähe geehrt. Sein Ziel als Oberbürgermeister sei es, das Münchner Lebensgefühl zu bewahren, damit die Stadt weltoffen und tolerant bleibe. Der Sendlinger Bub besitze einen verschmitzt frechen Humor, den er mit heiterer Gelassenheit und Bedacht dosiere, so die Begründung.

Glückwünsche, Dank und Bitten – zahlreiche von Münchner Bürgern, vor allem Kindern, selbst gestaltete Bilder zieren eine Wand in Dieter Reiters Rathaus-Büro. Er hält sie in Ehren: „Die hängen hier, damit ich nicht vergesse, für wen ich das hier mache.“ Eine Münchner Eigenart sind die Morisken-Tänzer. Die neu interpretierten Figuren, die einen maurischen Springtanz aufführen, gehen auf geschnitzte Exponate zurück, die 1480 von Erasmus Grasser für das heutige Alte Rathaus geschaffen worden waren.

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Sein Wechsel vom ersten Anzapfen als Münchner Oberbürgermeister 2014 im „Schottenhamel“ hat einen Ehrenplatz. „Dreieinhalb bis vier Schläge“ mit dem Schlägel (ein späteres, rot-lackiertes Geschenk seines Büros) hatte Reiter gebraucht, ehe er rufen konnte: „O’zapft is!“ Der Brauereivertreter an seiner Seite hatte zwar gemeint, „langt schon!“, Reiter aber war sich nicht sicher und setzte mit einem „Scheiß drauf, wurscht“ noch einen Schlag nach.

MACHTRAUM

D

IETER REITER ist seit 2014 Münchner Oberbürgermeister. Zuvor war der studierte Diplom-Verwaltungswirt Wirtschaftsreferent der Landeshauptstadt. Mit 1,5 Millionen Einwohnern ist München die größte Stadt in Bayern – bundesweit muss sie sich da nur Berlin und Hamburg geschlagen geben. Anders bei der Wirtschaftskraft: München gehört zu den Boom-Regionen Europas. Und genau das bereitet Reiter Sorgen. Auf seiner Agenda ganz oben: bezahlbares Wohnen, Ertüchtigung von Infrastruktur und ÖPNV sowie Anpassung von Kitas, Krippen und Schulen an eine Bevölkerungsentwicklung, die dynamischer ist, als in Prognosen vorausberechnet. Das sei auch Standortpolitik, findet Reiter, weshalb die Neuansiedlung weiterer Unternehmen nicht erste Priorität besitze. Nachvollziehbar, da München mit fünf DAX-Unternehmen Deutschlands DAX-Hauptstadt ist. Zudem gebe es „eine hervorragende Struktur an Mittelstand und Familienunternehmen“, so Reiter. Lieber wolle er den hiesigen Unternehmen bei der Expansion helfen, als sich mit dem Umland bei der Neuansiedelung Bieterwettbewerbe zu liefern. „Wir müssen lernen, wie alle Metropolen der Welt, nicht in Stadtgrenzen zu denken. In ein paar Jahren werden wir erleben, dass Expansion innerhalb des Stadtgebietes nicht mehr geht. Denn Grünflächen und Parks werden wir nicht opfern“, sagt Reiter. Sein Ziel: „Gemeinsames Wachsen mit dem Umland.“ In diese Kategorie fällt für ihn auch die 3. Startbahn am Flughafen im Erdinger Moos. „Als Wirtschaftsreferent habe ich damals dafür gestimmt.“ Politisch sei er aber nach wie vor an den negativen Bürgerentscheid des Jahres 2012 gebunden. Sollte allerdings die Zahl von Starts und Landungen nachhaltig steigen, könne man einen neuen Vorstoß wagen, so Reiter. „Aber allen muss klar sein: Ein zweiter Bürgerentscheid ist der letzte – denn einen dritten wird es nicht geben.“ 왗

DER KOMMENTAR von ALFRED GAFFAL

Agenda 2010? Agenda 2020! Wer über die Agenda 2010 diskutiert, muss die Fakten jenseits wahltaktischer Motivation im Blick behalten: 2005 war Deutschland der „kranke Mann Europas“. Mit den mutigen Agenda-Reformen hat sich unser Land zur Wachstumslokomotive gewandelt: Deutschland ist wieder wettbewerbsfähig. Fünf Millionen zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs wurden seither geschaffen. 2016 lag die Beschäftigung auf Rekordniveau. Die Erwerbstätigenquote der Älteren hat sich stark erhöht und die Langzeitarbeitslosigkeit deutlich reduziert. Insgesamt gab es zu Jahresbeginn 2017 in Deutschland 675.000 offene Stellen, davon knapp 109.000 in Bayern. Das darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Der robuste Arbeitsmarkt, den wir auch unseren erfolgreichen Unternehmen verdanken, sorgt für ein nie dagewesenes Wohlstandsniveau. Hohe Steuereinnahmen machen Sozialpolitik dauerhaft erst möglich. Die Antwort auf diese positive Entwicklung kann nicht sein, die Agenda 2010 zurückzudrehen. Die Pläne der SPD, das Arbeitslosengeld I in Verbindung mit einem Qualifizierungsanspruch zu verlängern, würden Fehlanreize setzen, Arbeitslosigkeit verfestigen und so Langzeitarbeitslosigkeit befördern. Sozialer ist doch, Arbeitslosigkeit schnell zu beenden, anstatt längere Arbeitslosigkeit finanziell zu erleichtern. Sozial ist es auch, der Solidargemeinschaft noch höhere Kosten zu ersparen. Die SPD-Pläne sind ein arbeitsmarktpolitischer Irrweg, der an der Realität vorbeigeht. Auch der Vorschlag, die sachgrundlose Befristung abzuschaffen, ist kontraproduktiv. Sachgrundlose Befristungen sind notwendig, damit die Unternehmen ihre Flexibilität erhalten

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können. Denn in volatilen Zeiten ist auf mehrere Jahre im Voraus nicht einzuschätzen, ob die Auftragslage einen erhöhten Personalbestand trägt. Im Übrigen: Befristete Beschäftigung ist auch ein Sprungbrett in dauerhafte Beschäftigung. So erhalten in der Privatwirtschaft drei Viertel der befristet Beschäftigten eine Beschäftigungsperspektive im gleichen Betrieb. Statt den Arbeitsmarkt zu zementieren, gilt es, den erfolgreichen Weg der Agenda 2010 weiterzugehen: In Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wandel benötigen wir zukunftsgewandte Konzepte. Dazu hat die vbw seit 2013 die Agenda 2020 entwickelt, in der sie Schwerpunkte für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in den Mittelpunkt stellt. Ein Kernbereich ist auch hier der Arbeitsmarkt: Es gilt, auf Eigenverantwortung statt auf Umverteilung zu setzen und die hohen Arbeitskosten im Rahmen zu halten. Weitere zentrale Felder politischen Handelns sind eine leistungsfähige Infrastruktur, Investitionen in Bildung und Innovation sowie die große Aufgabe der Flüchtlingsintegration. Außerdem muss die Besteuerung so gestaltet werden, dass sich Leistung auszahlt und sich das Investitionsklima für Unternehmen verbessert. Deutschland geht es gut. Wir dürfen nicht zulassen, das schlechtzureden. Die von der SPD angestoßene Debatte über eine angebliche soziale Schieflage in unserem Land darf den Blick auf das Wesentliche nicht verstellen: Es gilt, unseren Standort für die künftigen Herausforderungen bestmöglich zu rüsten. Alfred Gaffal ist Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. 왗

Fotos: Schmidhuber

INTERVIEW

„Deutschland muss wieder mehr Wirtschaft wagen“ Die deutschen Unternehmen sind gut gerüstet, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern, findet der neue BDI-Präsident Dieter Kempf. Bei der Digitalisierung haben sie Chancen wie kaum ein anderer Standort, müssen aber trotzdem noch zulegen. Und: Die Vorteile von Globalisierung und Freihandel müssen den Menschen besser erklärt werden

Brexit, Trump, eine EU in der Krise. Herr Kempf, erleben wir gerade das Ende der Globalisierung? Keinesfalls, auch wenn wir sehen, dass die Globalisierungskritik stärker wird. Warum? Offenbar ist es bisher zu wenig gelungen, die Vorteile einer globalisierten Wirtschaft für jeden greifbar darzustellen. Die Aussage „Globalisierung schafft Arbeitsplätze“ ist statistisch und inhaltlich richtig. Schließlich hängt in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz am Export – in der Industrie sogar jeder zweite. Für den Einzelnen ist das nicht erlebbar. Wenn man aber für des Deutschen liebstes Kind, das Automobil, in einer technischen Zeichnung zeigt, wie viele Einzelteile aus anderen Ländern zugeliefert werden, dann merkt jeder, dass er ohne Globalisierung vielleicht nur

noch ein Viertel Auto fahren könnte. Und damit würde das Auto gar nicht mehr fahren. Wir müssen gegenüber Globalisierungs-skeptischen Menschen mit Bildern arbeiten. Dann können wir plausibler darlegen, worin

„WIR MÜSSEN MIT ANDEREN BILDERN ARBEITEN“ die Vorteile einer international arbeitsteiligen Wirtschaft für jeden Einzelnen liegen. Dass Teile meines Fahrzeugs aus anderen Ländern stammen, ist aber kein Gewinn an sich. Es geht doch vor allem darum, dass die Globalisierung unserer Volkswirtschaft einen Wohlstand gebracht hat, wie wir

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ihn nie zuvor hatten. Und der Einzelne fragt sich: Was habe ich eigentlich davon? Haben wir die Wohlstandsgewinne nicht ordentlich verteilt? Wir haben mit 44 Millionen Arbeitnehmern in Deutschland ein Allzeithoch bei der Beschäftigung. Es gibt so wenige Arbeitslose wie schon lange nicht mehr und Steuereinnahmen in Rekordhöhe. Doch Sie haben recht: Mit Statistik lassen sich außer Volkswirten und Juristen nur wenige überzeugen. In einer alternden Gesellschaft ist zudem die Chance gering, dass ich jemanden mit den Worten „Dir geht es doch gut“ überzeuge – denn daran hat der Einzelne sich gewöhnt. Er hat keine Angst davor, dass es ihm übermorgen nicht besser gehen könnte, sondern ist besorgt, dass es ihm übermorgen wieder schlechter gehen könnte. Diese Furcht mag abstrakt sein, dennoch ist sie da.

Weshalb wir am Ende dann doch wieder zur Gerechtigkeitsdebatte kommen, also der Frage, wie die Wohlstandsgewinne verteilt werden. In eine Gerechtigkeitsdebatte geraten wir auf jeden Fall. Und zwar von zwei Seiten: Auf der einen Seite stehen Vorstandsgehälter einiger besonders publikumswirksamer Manager. Und auf der anderen Seite geht es um das Thema Armutsrisiko. Dem müssen wir uns stellen – auch wenn es keine objektiv richtige Höhe für Managergehälter gibt. Ich möchte die nicht festlegen müssen, und auch die Politik sollte sich raushalten. Gleichwohl ist das Unbehagen zu greifen, dass bei dem einen oder anderen börsennotierten Unternehmen ein Vorstand vor ein, zwei Dekaden noch das 30-Fache eines Durchschnittsgehaltes bekommen hat – und heute das 100-Fache. Angesichts dieser Tatsache ist es vergebliche Mühe, zum Erklärungsversuch anzusetzen. Da haben in Einzelfällen betriebliche Mechanismen nicht so gegriffen, wie wir das im Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft bräuchten. Da hilft es auch nur wenig, dass wir uns vielleicht über nur ein Prozent der Fälle unterhalten – und 99 Prozent relativ normal funktionieren. Das eine Prozent prägt die Wahrnehmung.

Deshalb müssen die Unternehmen selbst überlegen, ob sie den Empfehlungen des Corporate-GovernanceKodex im Sinne der Selbstverpflichtung wirklich nachkommen – und ihre Vergütungspolitik auch ihren Mitarbeitern und der Öffentlichkeit erklären können. Gleichzeitig kann ich nachvollziehen, wenn die Politik nach

Lösungen sucht. Aber wir brauchen nicht noch mehr staatliche Regelung; es gibt bereits einen relativ detaillierten gesetzlichen Rahmen für die Vorstandsvergütung.

derer sehr klein, die zu Recht behaupten können, ihnen gehe es nur so gut wie vor fünf Jahren oder sogar schlechter. Die Menschen müssen wir besser dabei unterstützen, stärker an den Globalisierungsgewinnen teilzuhaben. Woher stammt jedoch der Eindruck jener, denen es gar nicht schlechter geht? Nun, wir leben in einer Gesellschaft, in der wir mit ungeheuer viel Informationen und Unterhaltung überschüttet werden. Darunter sehen wir viele Reiche, deren Villen und große Yachten, schnelle Autos und tollen Lifestyle. Wir vergleichen uns nicht mehr mit unseren Nachbarn oder Freunden, sondern sehen diese Luxuswelten. Ich glaube, ich sehe dann weniger meine eigenen besseren Lebensumstände, sondern den Abstand zu ganz wenigen Reichen. Und dabei geht es uns im Durchschnitt in dieser Gesellschaft richtig gut.

Und was machen wir am anderen Ende? Die Motivation für den Einzelnen mündet in die Frage: Ist mein Anteil an den Wohlstands- und Globalisierungsgewinnen fair? Und viele kommen zu der Ansicht: Mein Anteil ist zu gering. Faktisch aber ist der Anteil

Globalisierung hat mit Freihandel zu tun. Wenn man nun sieht, wer gegen den Freihandel ist, etwa gegen das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, dann sieht man eine bizarre Allianz von politischer Linken und Populisten. Wie erklären Sie sich das?

„IM DURCHSCHNITT GEHT ES UNS RICHTIG GUT“

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INTERVIEW

Gerade wir in der Wirtschaft sind oft versucht, Dinge mit Logik zu erklären. Die Ablehnung von Freihandelsabkommen folgt aber nicht der Logik, sondern Bauchgefühlen. Wer Luftverschmutzung als zentrales Störgefühl hat, sagt: Das liegt an der Globalisierung. Ein anderer ärgert sich über zunehmenden Flugverkehr und sagt: Das liegt an der Globalisierung. Den Nächsten nervt, dass ein Großteil der Seeschiffe immer noch mit Schweröl fährt: Das liegt an der Globalisierung. Und mancher wundert sich darüber, dass er Gesichter in den Straßen sieht, die irgendwie anders ausschauen. Klar, Schuld hat die Globalisierung. Diese Wahrnehmungen führen zu Unsicherheit und Angst, am Ende zum Dagegen. Dabei ist die deutsche Wirtschaft mit ihren Unternehmen und ihren Beschäftigten der Gewinner der Globalisierung. Einen wesentlichen Anteil an unserem Wohlstand in Deutschland hat die Industrie. Nun haben sich in den 1980er Jahren viele Länder politisch von der Industrie abgewendet. Die USA ließen ganze Industriegürtel – den heutigen „Rust Belt“ im Norden des Landes – verkommen, in Großbritannien setzte man auf

Banking statt Produktion. Anders Deutschland. Haben wir deshalb eine solche Wucht? In der Tat, wir sind immer noch die stärkste Industrienation Europas. Fast ein Viertel unserer Wirtschaftskraft entstammt direkt dem produzierenden Gewerbe. Zählen Sie die industrienahen Dienstleistungen hinzu, etwa

„BAUCHGEFÜHLE FÜHREN ZU ANGST UND ABLEHNUNG“

Software für Unternehmen, ist es sogar ein gutes Drittel. Die im BDI organisierten Unternehmen beschäftigen allein in Deutschland rund acht Millionen Menschen. Bei drei Personen pro Haushalt sind es also 24 Millionen in unserem Land, die unmittelbar von Industrie leben. Untersuchungen zufolge haben wir rund 1.500 Weltmarktführer – oft mittelständische Familienunternehmen, viele in Bayern, die ihre Kunden sehr gut kennen und deshalb immer besonders innovativ sind.

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Gleichwohl: Deutschland wird nationaler Egoismus vorgeworfen, gerade eben weil wir eine solche Wucht haben. Sind wir egoistisch? Der Vorwurf ist Unsinn. Wer sich daran stört, dass deutsche Produkte und Dienstleistungen in der ganzen Welt nachgefragt werden, muss wissen: Wenn auf der Münchner Maximilianstraße weniger amerikanische Autos fahren als auf der Fifth Avenue in New York deutsche Fahrzeuge, dann liegt das daran, dass deutsche Hersteller attraktivere und innovativere Autos bauen als ihre Wettbewerber in den USA. Gleichwohl verstehe ich, dass sich andere Länder an dem Ungleichgewicht unserer Handelsbilanz stören. Deutschland erwirtschaftet wegen seiner beliebten Produkte made in Germany enorme Überschüsse. Dann ist doch klar, dass mancher es für ein bisschen unfair hält, wenn immer Deutschland mehr gewinnt als die anderen. Nun sind den Handelsbilanzüberschüssen auch die deutschen Investitionen in anderen Ländern gegenzurechnen, die entsprechend höher ausfallen als im Inland. Auf Dauer wäre es in der Tat besser, wenn wir mehr Anreize für Investitionen und Anlagemöglichkeiten im Inland schaffen würden. Und da gibt es

genug zu tun, von Breitband bis Straßenbau. Dann würde weniger Kapital abfließen und sich der Leistungsbilanzüberschuss reduzieren. Angenommen, alle Überzeugungsversuche in den USA und bei den EU-skeptischen Nachbarn fruchten nicht: Wie tief könnten wir fallen? Und wie sähen die Alternativen aus? Die deutsche Wirtschaft ist extrem verbunden und verwoben mit der restlichen Welt. Wir waren als vergleichsweise kleine Volkswirtschaft im Jahr 2015 die Nummer drei weltweit bei Warenausfuhren wie bei -einfuhren. Würden die USA, im vorigen Jahr nach China und Frankreich unser drittwichtigster Handelspartner im Warenhandel und wichtigstes Zielland deutscher Warenexporte, eine extreme Abschottung betreiben, wäre das schlecht. Trotzdem hätten wir viele Alternativen. Vor allem im asiatischen Raum entstehen zunehmend neue Chancen für uns. Deshalb ist klar, dass China zeitgleich zum Amtsantritt des neuen US-Präsidenten auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als großer Verteidiger des globalen und freien Handels aufgetreten ist. Ich bin sicher: Unsere Unternehmen sind so

vielseitig unterwegs und legen nicht alle Eier in denselben Korb. Deshalb könnte die deutsche Wirtschaft einiges Ungemach ausgleichen. Lassen Sie mich aber auch sagen: Ich halte eine dauerhafte Abschottung der USA gar nicht für wahrscheinlich. Niemand ist eine Insel – selbst die Vereinigten Staaten nicht. Die Aussagen von Donald Trump kommen womög-

„TRUMP ERNST NEHMEN, ABER NICHT WÖRTLICH“ lich recht verkürzt daher, weil er in 140 Zeichen bei Twitter einfach nicht mehr Platz hat. Sein martialisches „Make America great again“ heißt womöglich im Grunde nichts anderes als: „Ich bin in erster Linie meinem Land verpflichtet.“ Daran ist nach unseren Maßstäben wenig auszusetzen. Wir müssen natürlich aufpassen, sollten plötzlich Zollschranken und Importsteuern seitens der USA ins Spiel kommen. Unsere Unternehmen verfolgen die Lage mit besorgter Aufmerksamkeit. Solange wir noch keine Ge-

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wissheit haben, halte ich es so: Wir müssen Donald Trump zwar ernst nehmen, aber nicht wörtlich. Wie müssen wir unsere deutsche Wirtschaft aufstellen, damit wir – im Falle eines Falles – zukunftsfähig bleiben? Der Griff in die Trickkiste ist überflüssig. Besinnen wir uns auf die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard, übrigens einem Sohn Mittelfrankens, wo ich lebe. Freiheit, Wettbewerb, Teilhabe – die soziale Marktwirtschaft kümmert sich auch um gesellschaftliche und ethische Themen. Die Sprache von Ludwig Erhard mag inzwischen etwas verstaubt daherkommen. Seine Lehre ist auch heute noch frisch. Ganz kurz heißt sie: Deutschland muss wieder mehr Wirtschaft wagen. Unsere Wirtschaft steht nicht nur vor politischen Veränderungen. Industrie 4.0 und Digitalisierung werden keinen Stein auf dem anderen lassen. Ist Deutschland, sind Deutschlands Unternehmen da auf dem richtigen Weg? Ich halte uns grundsätzlich für sehr gut aufgestellt. Unsere Industrie ist

INTERVIEW

sehr stark, gerade im Geschäft von Business zu Business. Wo wir allerdings weniger Chancen haben werden, ist der Bereich, bei dem sich digitale Lösungen direkt an die Endkunden richten. Das liegt beispielsweise daran, dass Europa viele unterschiedliche Sprachen spricht, während in den USA mehr als 300 Millionen Menschen eine Sprache sprechen. Wenn also ein Software-Produkt sprachabhängig ist, dann werden wir immer nur zweiter Sieger sein. Das gilt allerdings nicht, wenn Sprache eine untergeordnete Rolle spielt. Darum sind deutsche Unternehmen mit Online-Spielen unheimlich erfolgreich. Das bisschen Sprache, das da nötig ist, lässt sich leicht übersetzen. Bumm, biff und bang ist fast in jeder Sprache der Welt gleich. Und wirklich stark sind wir bei der digitalen Transformation der Wirtschaft. Da sind wir gut vorbereitet bei den großen Unternehmen – auch wenn es in Mittelstand und Handwerk durchaus noch Nachholbedarf gibt. Warum? Der traditionelle Unternehmer im Mittelstand kommt vom Produkt her. Er ist hervorragend wettbewerbsfähig, weil er sein Produkt ständig verbessert hat, viele haben Weltgeltung erreicht. Der Weltmarktführer bei Außenspiegeln für Lkw und Busse etwa kommt aus Bayern. In den Fahrzeugen der Zukunft werden Außenspiegel womöglich keine große Rolle mehr spielen – egal wie sehr das Produkt noch weiter verbessert wird. Notwendig wird eine digitale Transformation des Produkts – womöglich hin zu Kamera- und Sensorsystemen als Ersatz für Außenspiegel. Für den Mittelstand wichtig ist, die Notwendigkeit für diese digitale Transformation zu erkennen – und einen Ansatzpunkt zu finden. Wie ein Handwerker, der mich neulich gefragt hat, wie er denn Digitalisierung betreiben soll. Das ist für seine Produkte wahrscheinlich in

der Tat schwierig. Aber wie er den Prozess von der Produktion bis zum Endkunden digitalisieren kann, das sollte ihn schon umtreiben. Beispiel Dachrinne: Wer ein Haus baut, hat nur zweimal mit Regenrinnen zu tun, nämlich beim Bau und sobald sie verstopft sind. Wie wäre es, die Dachrinne durch Sensoren zu digitalisieren, die sich anbahnende Verstopfungen sofort erkennen und einem Wartungssystem beim Handwerker melden? Das wäre ein Mehrwert, denn ich als Hausbesitzer erkenne eine verstopfte Dachrinne bisher erst, wenn es zu spät und der Keller voller Wasser ist. Plötzlich hat der Handwerker eine Verbindung zum Endkunden statt nur zum Bauunternehmer. Und damit ist

„BUMM, BIFF UND BANG SIND IN JEDER SPRACHE GLEICH“ er beim Internet der Dinge, meine Dachrinne unterhält sich mit dem Wartungssystem des Handwerkers. Jenen Unternehmen, denen der Zugang zur Digitalisierung noch fehlt, müssen wir durch solche Beispiele eine Idee davon geben, was sie künftig unternehmen könnten. Mittelstand und Handwerk haben also noch einen Weg zu gehen, aber insgesamt gibt es kein anderes Land, das uns da voraus wäre? Dass wir einen Riesenvorsprung haben, davon bin ich fest überzeugt. Das erfahre ich vor allem, wenn ich im Ausland bin und dort gesagt bekomme, wie spannend unsere Industrie 4.0 ist. In den USA, China oder im europäischen Ausland schauen viele auf unsere Webseiten, kennen unsere Best-Practice-Beispiele.

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Einige von denen gucken dem Vernehmen nach allerdings nicht nur auf unsere Webseiten, sondern nutzen die Digitalisierung, um tiefer in unsere Unternehmen hineinzuschauen. Wie gut sind wir aufgestellt, wenn es um das Thema Cyber-Security geht? Da gibt es Potenzial, und ich will erklären, warum. In Deutschland kennen wir nur die Begriffe Datenschutz und Datensicherheit. Das ist mir zu wenig. Die Amerikaner haben die bessere Begriffsbestimmung: Data Safety, Security und Privacy. Alle drei Themen gemeinsam sind außerordentlich wichtig. Wir brauchen Verlässlichkeit und Sicherheit sowie den personenbezogenen Datenschutz. Auf den hat Deutschland sich stark konzentriert – und die beiden anderen Faktoren, Safety und Security, vernachlässigt. Ein Beispiel: Die Daten, die ein modernes Auto heute etwa durch Elektronik und die Assistenzsysteme in einer zentralen Box sammelt, sind immens. Alle sind davon ausgegangen, dass derjenige, der Zugriff zu dieser Box hat, hinreichend legitimiert ist – die Werkstatt oder der Hersteller. Das ist aber eventuell auch mal jemand anders. Über solche Themen müssen wir uns jetzt wohl viel mehr Gedanken machen. Aber auch da ist überhaupt nichts verloren: Wir haben sehr leistungsfähige Unternehmen, übrigens mit Schwerpunkt in Südbayern. Und in Nordbayern haben wir die größte IT-Sicherheitsmesse Europas, die it-sa. Da tut sich etwas. Unsere Industrie hat die Chance, auf diesem Zukunftsfeld Weltmarktstandards zu setzen. Dieter Kempf ist seit 1. Januar 2017 Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI). Zuvor war er Vorstandsvorsitzender der DATEV e.G. und Präsident des BDI-Mitgliedsverbandes Bitkom. 왗

Foto: StudioLaMagica – Fotolia.com

Über der Steuererklärung ist schon so mancher verzweifelt. Und: Irgendwie gewinnt die Staatskasse immer.

STEUERBELASTUNG

Der „kleine Mann“ und die Steuern Trotz Reallohnzuwächsen haben viele Arbeitnehmer das Gefühl, wirtschaftlich nicht so richtig vom Fleck zu kommen – Die Sorgen bestehen offenbar nicht ganz zu Unrecht

D

er „kleine Mann“ kann sich freuen – denn er hat gerade sein großes Comeback. Von Großbritannien bis Frankreich, von Ungarn bis in die Niederlande, sogar in den USA und Deutschland will es ihm die Politik plötzlich recht machen. Zu lange sei er „vergessen“ und „abgehängt“ worden, „an den Rand gedrängt“ und „mit seinen Alltagssorgen alleine gelassen“. Deshalb sei der „kleine Mann“ nun wütend. Und weil er wütend sei, wähle er die Populisten. Das klingt dann so wie beispielsweise beim SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz: „Die SPD muss um jede Wäh-

lerin und jeden Wähler kämpfen. Viele Menschen sagen mir: Ich leiste meinen Beitrag für dieses Land, aber für mich, meine Kinder, meine Probleme interessiert sich niemand. Sie haben sich von der Politik abgewendet, entweder durch Wahlenthaltung oder dadurch, dass sie Protest gewählt haben. Wir werden keine Rechtsradikalen überzeugen, aber die anderen zurückzugewinnen, ist mein Ziel. Ich sage: Das individuelle Schicksal jedes Einzelnen interessiert mich. Wir dürfen niemals Wähler aufgeben.“ Oder wie beim bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU): „Wir helfen anderen gerne, aber wir dürfen darüber nicht die einheimische Be-

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völkerung vergessen“, befand er, und: „Wir müssen die Sorgen der kleinen Leute ernst nehmen.“ Diese Sorgen der „kleinen Leute“ sind, glaubt man den Meinungsforschern, vielfältig: Angst vor Terror und Extremismus, Angst vor Alltagskriminalität wie Wohnungseinbrüchen, Angst vor Verlust der kulturellen Identität durch die hohe Zuwanderung – aber eben auch die Angst, wirtschaftlich von der restlichen Gesellschaft abgehängt zu werden. Befeuert wird letztere Angst durch allerlei Studien, die dem Gering- und Durchschnittsverdiener durchaus den Eindruck zu vermitteln im Stande sind, er stehe bereits mit einem Bein

STEUERBELASTUNG

fest im Lager des Prekariats. So zeichnete der Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbandes kürzlich „das schlimmste Bild seit 25 Jahren“ – von den 40,8 Millionen Haushalten in Deutschland seien 6,8 Millionen arm. Arm ist ein Haushalt demnach, wenn er 60 Prozent oder weniger des mittleren Einkommens verdient. Das mittlere Einkommen wiederum wird dadurch bestimmt, dass genau die Hälfte der Haushalte mehr als diese Summe verdient und die andere Hälfte weniger. Über die Definition, insbesondere die 60-Prozent-Grenze, kann man trefflich streiten – mit ziemlich guten Gründen: Sie sei „zu pauschal“ – so fielen etwa von den 2,8 Millionen Studenten Hunderttausende in die umstrittene Armutskategorie, obwohl sie aber gesellschaftspolitisch besonders aktiv (statt abgehängt) seien und sich selbst als die zukünftige Leistungseli-

te sähen. Zudem würden laut dieser Definition auch Lohnerhöhungen auf breiter Front nichts daran ändern, wer nun als arm gelte und wer nicht. Und die Löhne steigen unablässig: Lag der durchschnittliche Bruttojahreslohn im Jahr 2000 noch bei 25.500 Euro, waren es 2010 bereits 28.000 Euro und im Jahr 2015 sogar 32.700 Euro. oher kommt also die Angst, wirtschaftlich abgehängt zu werden? Wenn man sich auf der Suche nach der Ursache dafür die Steuereinnahmen des Staates ansieht, dann wird man ziemlich schnell fündig. Nahmen Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2000 noch insgesamt 467 Milliarden Euro ein, waren es 2010 bereits 530 Milliarden und 2015 gar 673 Milliarden – Tendenz steigend: 2016 waren es 695 Milliar-

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Durchschnittseinkommen in Euro

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Durchschnittseinkommen in Euro (Jahresbruttolohn, gerundet) Steuereinnahmen von Bund, Länder und Gemeinden (Steueraufkommen)

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den, heuer werden es wohl 724 Milliarden und für 2021 rechnen die Steuerschätzer gar mit 835 Milliarden. Nun lassen sich derlei sprudelnde Steuereinnahmen des Staates ein Stück weit durchaus mit boomender Wirtschaft und zusätzlichen Jobs erklären. Aber wie sieht es auf Seiten der Arbeitnehmer, beim „kleinen Mann“ aus? Die sogenannte Reallohnentwicklung (also die Klärung der Frage, wie viel vom Lohnplus nach Abzug der Inflation bleibt) war in den Jahren 2004 bis 2007 sowie 2009 und 2013 negativ, in allen restlichen (bisweilen deutlich) positiv. Weil das Steuerrecht aber auf Reallöhne keine Rücksicht nimmt, sondern nur die (deutlich gestiegenen) Nominallöhne als Grundlage für die Besteuerung heranzieht, ist die Steuerlast des „kleinen Mannes“ gestiegen. In der politischen Diskussion wird dieser Effekt als „kalte Progression“ bezeichnet – und wird besonders gut sichtbar, wenn man weit auseinander liegende Zeiträume betrachtet. So betrug im Jahr 1960 das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen (umgerechnet) 3.119 Euro. Darauf waren damals rund 450 Euro Einkommensteuer fällig, also etwa 14 Prozent. Und: Das Ende der steuerlichen Progressionszone kam erst bei 55.000 Euro, also dem 18-Fachen des Durchschnittseinkommens. 2015 hingegen betrugt das durchschnittliche Jahresbruttoeinkommen 32.700 Euro. Darauf waren 6.330 Euro Einkommensteuer fällig, also rund 19 Prozent. Und: Das Ende der Progressionszone lag bereits bei 53.000 Euro – wer heutzutage auch nur etwas über dem Durchschnitt verdient, wird damit also bereits zum steuerlichen Spitzenverdiener deklariert. Hinzu kommt: Damals gab es keinen Solidaritätszuschlag, der heute die Steuerlast um weitere 5,5 Prozent erhöht. Und: Die Mehrwertsteuer betrug im Jahr 1960 vier Prozent – heute

Quelle: DIW Berlin

STEUERBELASTUNG

55 50 45 40 35 Sozialbeiträge2 30 25 20 Grundsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Steuern Tabak-, Alkohol- und Wettsteuern Energiesteuern, EEG-Umlage

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Mehrwertsteuer, Versicherungsteuer

Einkommen- und Unternehmensteuern

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Perzentile Haushaltsbruttoäquivalenzeinkommen3

Steuern und Sozialbeiträge in Prozent des Haushaltsbruttoeinkommens 2015 Integrierte Datenbasis SOEP und EVS sowie Einkommensteuerstatistik

sind es sieben Prozent beziehungsweise 19 Prozent. Zwar war das Umsatzsteuersystem damals ein anderes, es konnte im Verlauf der Produktionsbeziehungsweise Handelskette zu Kumulierungen kommen. Rechnet man dann auch noch die steigenden Sozialabgaben hinzu, zeigt sich: Anders als der Staat, dessen Einnahmen sprudeln, tritt der „kleine Mann“ trotz steigender Löhne auf der Stelle. Kein Wunder, dass der sich wirtschaftlich abgehängt fühlt. eim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat man dazu jüngst die Belastungen über alle Einkommensklassen hinweg ausgerechnet und analysiert, wie viel vom Haushaltsbruttoeinkommen für die jeweiligen Steuern und Abgaben aufgewendet werden muss. Herausgekommen ist Erstaunliches: Quer durch alle Einkommensklassen sinkt der An-

B

teil an Steuern und Sozialabgaben praktisch nie unter die 25-ProzentMarke, in der Mitte der Einkommensklassen bleiben höchstens 60 Prozent des Bruttoeinkommens, während es in den obersten Einkommensklassen noch nicht einmal die Hälfte ist. So sind – wie politisch beabsichtigt – die unteren Einkommensgruppen nicht oder kaum von Einkommensteuer betroffen, anders als die oberen Einkommensgruppen, wo diese erheblich zu Buche schlägt. Dafür müssen die unteren Einkommensgruppen bis zu einem Fünftel des Bruttohaushaltseinkommens alleine für die Mehrwertsteuer aufwenden – während dieser Anteil bei den höheren Einkommensklassen verständlicherweise deutlich abnimmt. Heftig kommt es vor allem für die Mittelschicht, damit also auch jenen „kleinen Mann“, dem die Politik neuerdings wieder mehr entgegenkommen will: „Sofern man die Sozialbeiträge

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teilweise dem Steuersystem zurechnet, ist die Gesamtsteuerbelastung der mittleren Einkommen nicht viel niedriger als bei den sehr Wohlhabenden“, schreiben die DIW-Experten. ehr als ein Jahrzehnt hat sich die Politik um eine große Steuerreform herumgemogelt. Nun scheint sich der Wind zu drehen: „Die Bürger müssen wieder etwas zurückbekommen“, forderte der bayerische Finanzminister Markus Söder. „Dazu gehört die Entlastung kleinerer und mittlerer Einkommen, die Beseitigung der kalten Progression und die klare Botschaft, den Soli abzuschaffen.“ Rückendeckung hat er in diesem Fall von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Dem schwebt nach der Bundestagswahl nichts weniger als die größte Steuerentlastung der Nachkriegsgeschichte vor. 왗

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Fotos: bbw

Kabelsätze und BordnetzSysteme fertigt Leoni in Tunesien. Zayneb Braham hat in der technischen Kontrolle ihren Traumjob gefunden.

AUSLAND

Tunesien soll Schule machen Das Bayerische Bildungswerk exportiert das duale Ausbildungssystem: Zusammen mit Unternehmen betreuen die Experten in Nordafrika Pilotklassen für rund 150 künftige Facharbeiter, ihre Lehrer und Ausbilder

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ayneb Braham steht vor einem Tisch, den ein Kabelnetz überspannt. Die junge Frau montiert Teile für ein Bordnetzsystem, wie es später im Pkw die Elektronik steuert. Sie kontrolliert die Daten am Computer. Die 22-Jährige ist Facharbeiterin in der technischen Kontrolle bei Leoni Tunisia Group Sarl, Tochter des bayerischen Automobilzulieferers mit Sitz in Kitzingen. Das Werk befindet sich seit Jahren in Sousse, im Industriegebiet der Hafenstadt am Mittelmeer. Sousse ist mit über 170.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Tunesiens und war immer sehr auf Tourismus fixiert. Zayneb Braham wollte nicht in einem

Hotel arbeiten. Ihren Traumjob hat sie, wie sie selbst sagt, gefunden, weil sie eine duale Ausbildung nach bayerischem Vorbild gemacht hat. Ausbildung in Tunesien heißt nicht Schule und Ausbildung in nur einem Betrieb, es heißt Schule und Praktika in unterschiedlichen Unternehmen. Mit Unterstützung des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft wurde das bayerische System auf Berufsschulen in Sousse und Siliana übertragen. Von einem „Leuchtturm der Hoffnung“ sprach Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch im März. Tunesien ist das einzige Land im Krisenherd Nordafrika, das sich demokratisch offenbar gut entwickelt.

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Tunesien soll, so Merkel, „auch anderen reformwilligen Staaten aufzeigen: Der Weg hin zum Besseren ist möglich“. Dieser Weg wird vom Bildungswerk seit Jahren begleitet. Erstmals in Tunesien aktiv waren die Bildungsexperten aus Bayern bereits 2009. Drei Jahre später, nach der Jasminrevolution, unterstützten sie Projekte, die Teil der Sofortmaßnahmen waren, die die Bundesregierung zur Stabilisierung der demokratischen Übergangsprozesse vorantrieb. Ein Beschäftigungspakt war der erste Schritt. Inzwischen betreut die bbw gGmbH laut Solveig Wehking, Leiterin Unternehmenskommunikation, drei Berufsschulen, hat mehr als hundert Lehrer

Die Pilotklasse mit 14 Absolventen erhielt im Herbst 2016 ihre Zeugnisse. Erstmals fanden praktische Prüfungen nach bayerischem Vorbild statt.

und Ausbilder geschult und ein Netzwerk mit etwa 20 Firmen aufgebaut. Merkels lobende Worte dürfen nicht darüber hinwegtäuschen: Die Tunesier haben wenige Gründe zu jubeln. Häufige Regierungs- und Personalwechsel haben Entscheidungsprozesse verlangsamt. Die Unzufriedenheit vieler Menschen ist groß. Außerdem sind zu viele Menschen arbeitslos. Die Erhöhung der Beschäftigung in Tunesien ist das Ziel des bayerischen Engagements. Im Fokus der Projekte des Bildungswerks steht, so Wehking, die Berufsausbildung. „Eine stärker auf die Bedarfe zugeschnittene Berufsausbildung erhöht die Chancen auf Beschäftigung der Berufsschüler, sichert ihren Lebensunterhalt als qualifizierte Arbeitskraft und trägt zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Wachstum der Privatwirtschaft in Tunesien bei.“ „Ich kann heute Aufgaben von A bis Z ohne Hilfe eines Vorgesetzten erledigen“, berichtet Zayneb Braham. Die Berufsausbildung hätte ihre Persönlichkeit geprägt. „Ich habe Disziplin gelernt. Die Praxis hat mir auch geholfen, die theoretischen Dinge, die ich in der Berufsschule gehört habe, besser zu verstehen. Dadurch ist mir vieles klarer geworden.“ Außerdem habe sich schon während der Ausbildung gezeigt, dass die Aufgabe bei Leoni genau die Arbeit sei, die sie sich erträumt hat. Sie sei im Unternehmen und im Team integriert wor-

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den, habe verstanden, wovon die Kollegen sprechen und nebenbei viele Fachbegriffe aus der Welt der Kabelindustrie sowie ihre Bedeutung gelernt. „Am meisten aber freue ich mich, dass ich gerade als Mädchen in einer Sparte Erfolg habe, in der sonst Männer dominieren,“ sagt die Mechatronikerin und fügt ein bisschen stolz hinzu: „Ich mache meine Arbeit wie sie. Manchmal sogar besser.“ usammen mit 20 Firmen wurde das duale Berufsschulsystem nach bayerischem Vorbild aufgebaut. „Eine Ausbildung mit hohem Standard und mit hoher Integrationsquote gab es dort nicht“, erklärt Laurine Arđelan, die in der Zentrale der bbw gGmbH in Würzburg die Projekte im Blick hat. Kollegen vor Ort und Firmen wie Leoni oder Dräxlmeier steuern die Aktivitäten, zu denen die Erstellung eines Ausbildungsplans genauso gehörte wie die von Richtlinien für eine praktische Prüfung, die 2016 erstmals stattfand. Die Firmen ließen sich gerne überzeugen. Sie hatten zwar gute Mitarbeiter, aber wenn es um spezielle Kenntnisse ging, die in Deutschland selbstverständlich von Facharbeitern verlangt werden, wurde es schwierig. Also konzentrierten sich die Initiatoren zum Beispiel auf die Bereiche Mechatronik, Wartung und Instandhaltung, in denen es am meisten fehlte. Für die jungen Tunesier ist die Art der Ausbildung ungewöhnlich. Erstmals bekommen sie Geld, eine Ausbildungsvergütung. Zudem motiviert die praktische Arbeit, das direkte Feedback im Betrieb. Zwar gehören an den üblichen tunesischen Berufsschulen Praktika zum Programm. Aber in den wenigen Wochen, die ein Schüler dabei im Betrieb verbringt, wird er doch meist zum Kaffeekochen und Essenholen geschickt. Das Bildungswerk hat Ausbilder in Tunesien geschult, sie auch nach

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AUSLAND

Deutschland geholt und ihnen gezeigt, wie es hier funktioniert. Sie wissen jetzt, dass es zwar aufwendiger ist, den jungen Leuten immer wieder Arbeitsschritte zu zeigen und sie üben zu lassen, sie haben jedoch auch erkannt, dass sich das nach einiger Zeit „auszahlt“, weil der junge Kollege bald selbständig vorgeht. „Der Inhalt des Trainingsprogramms orientierte sich an den Anforderungen im Unternehmen,“ berichtet Makram Ghazel, Ausbilder bei Leoni in Sousse. Neben vielen Vorteilen der dualen Ausbildung – etwa auch bei der Integration junger Menschen im Betrieb, könnten durch die intensive Betreuung die jungen Leute Fähigkeiten entwickeln und bald selbst Verantwortung für einzelne Arbeiten übernehmen. Durch die praktische

Ausbildung sei es möglich, gezielt geeignete Kollegen zu finden. „Und nach ihrer Berufsausbildung sind sie ab dem ersten Tag produktiv. Zuvor wartete man bis zu zwei Jahre, bis der neue Mitarbeiter selbständig war.“ „Die beteiligten Firmen haben die Curricula maßgeblich mitgestaltet“, sagt Projektleiterin Arđelan. Die eingebundenen Berufsschulen orientierten sich ganz am Bedarf der Unternehmen, Firmen, die eigentlich konkurrieren, aber gut zusammenarbeiteten. „Der Austausch war bestens. Die Beteiligten waren sich bewusst, dass hier alle an einem Strang ziehen.“ Die Betriebe bauten inzwischen eigene Lehrwerkstätten auf. Seit 2013 lernen 148 Auszubildende in elf Ausbildungsklassen Instandhaltung und Mechatronik, von denen

zwei Pilotklassen mit 14 Absolventen im Herbst 2016 eine Prüfung abgelegt haben – mit Zeugnissen in der Tasche, aus denen genau hervorgeht, was sie gelernt haben. Die Hälfte der Absolventen wurde gleich übernommen. Die anderen haben auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen. Zufriedene junge Tunesier muss es noch viel mehr geben, wenn es nach den Zielen der Entwicklungshilfe Deutschlands geht. Spätestens seit dem Streit um Flüchtlinge, Obergrenzen und Rückführungen ist klar, dass noch stärker als bisher die Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Menschen sollen in Afrika eine Zukunft haben, Rückkehrer wieder Fuß fassen. Die Projekte des Bildungswerks sollen Schule machen und auf andere Standorte übertragen werden. 왗

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Ein Unternehmen der

Fotos: Gaggenau

Kuckucksuhr und echtes Holz aus dem Schwarzwald: Gaggenau pflegt in seinen Showrooms, die es in 50 Metropolen dieser Welt gibt, seine badische Herkunft. Vor mehr als 333 Jahren wurde das Unternehmen als „Nagel- und Hammerschmiede“ in Gaggenau gegründet. Heute befindet sich die Zentrale in München.

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Schwarzwälder Noblesse bayerisch verfeinert Das Traditionsunternehmen Gaggenau, eine Tochter von Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH), hat seit knapp 15 Jahren seine Zentrale in München

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aggenau gehört zu den ältesten Marken Deutschlands. 1683 als „Nagel- und Hammerschmiede“ gegründet, gilt Gaggenau heute als die Nobelmarke für Küchengeräte. Wenngleich Kuckucksuhr und original Schwarzwälder Holz die Wurzeln im sonst schnörkellosen Umfeld in Showrooms in 50 Metropolen weltweit unterstreichen, ist Gaggenau bayerisch. Geschäftsführung, Entwicklung, Design, Vertrieb und Marketing befinden sich in München-NeuperlachSüd; im Arabellapark in MünchenBogenhausen residiert seit 2015 Deutschlands einziger Gaggenau Showroom. Gaggenau hat Tradition: Das 333. Jubiläumsjahr 2016 wurde gerade mit

der Präsentation auf der Fachmesse „Living Kitchen“ in Köln beendet, wo Meilensteine dieser Historie im Zentrum des Messeauftritts standen. Der Name vermittelt nicht nur die Zuverlässigkeit eines Schwarzwälder Uhrwerks, Gaggenau ist auch ein Städtchen im badischen Murgtal, wo die dortige eisenerzhaltige Erde zur Gründung einer Schmiede durch Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden führte, die sich im Laufe von Jahrhunderten zum Herd- und Ofenhersteller entwickelte und konsequent zur Luxusmarke ausgebaut wurde. 1995 ging das Unternehmen als Teil des Konzerns in der BSH (steht für BoschSiemens-Hausgeräte und heißt heute BSH Hausgeräte GmbH) auf, dessen Zentrale sich in München befindet. Mit dem Umzug in die Landeshaupt-

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stadt verließ Gaggenau endgültig die Heimat und wurde 2003 ein Bayer. München profitiert mithin nicht nur durch den Zuwachs eines guten Namens, die Landeshauptstadt ist vor allem seit gut einem Jahr Ziel von Freunden der guten Küche, ausgezeichneter Weine und/oder perfekten Kaffees. Gaggenau schätzt Understatement, wirbt für seine hochpreisigen Geräte nicht marktschreierisch, sondern stellt sie in den Kontext von Wein- und Kochkultur, die in Showrooms gepflegt wird. Der einzige deutsche Ableger befindet sich im Arabellapark von München, in der Nachbarschaft von Burda-Verlag und Sheraton-Hotel, und die Kunden reisen aus Norddeutschland ebenso an wie aus Südtirol, um zum Beispiel mit Drei-Sterne-Koch Christian Jürgens

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(Überfahrt, Tegernsee) an Herd oder Backofen zu stehen, mit großen Winzern über diesen oder jenen Jahrgang zu diskutieren oder vom Barista mehr über den Kaffeegenuss zu erfahren. Die Geräte sind im Showroom in Szene gesetzt und wollen ausdrücklich benutzt werden. Gaggenau-Geräte sind nicht billig, aber begehrt. Die Küche, betont Karin Stengele, Leiterin der Marketingabteilung von Gaggenau Deutschland, „ist Statussymbol und zugleich sozialer Mittelpunkt im eigenen Zuhause geworden“. Dazu kommt der boomende Immobilienmarkt. Wer baut, braucht eine Küche, die heute nicht mehr Muttis abgetrenntes Reich, sondern Kommunikationsort für die ganze Familie ist. Mehr als eine Million Küchen werden allein in Deutschland jährlich verkauft, weiß Karin Stengele. Wer mindestens vier Gaggenau-Geräte, das ist die Grundausstattung, kauft, dem schickt das Unternehmen sogar einen Koch nach Hause, der Kochfeld, Backofen, meist in Verbindung mit dem Dampfbackofen, Kühlgerät und Spülmaschine im neuen Umfeld erklärt und vorführt. Auf der Bestellliste kann obendrein der eingebaute Kaffeevollautomat mit Frischwasseranschluss, ein Lüftungsgerät oder Weinklimagerät stehen. Rund 700 solcher Kochveranstaltungen zum

Oben: Der Klassiker: die blaue Spezialemaillierung der Backöfen. Sie ist nicht nur ein Markenzeichen, sondern hält auch höchsten Temperaturen beliebig oft stand. Rechts: Die empfindlichen TFT-TouchDisplays werden im Reinraum im GaggenauStammwerk Lipsheim (Elsass) unter Laborbedingungen montiert.

Einstand organisiert das Unternehmen jährlich allein in Deutschland. it der Kochzunft pflegt Gaggenau insgesamt sehr engen Kontakt. Spitzenvertreter kommen nicht nur zum Kochen in den Showroom, sondern auch zu den Entwicklern, um zu erzählen, welche Vorzüge ihrer Profiküche auch am heimischen Herd toll wären. Karin Stengele zählt als Beispiel auf, dass der Dampfbackofen in Zusammenarbeit mit einem französischen Drei-Sterne-Koch entwickelt wurde. Schon 1999 kam somit der Convectomat, den es bis dato nur in Profiküchen gab, der Dampfbackofen von Gaggenau, in dem zum Beispiel Gemüse schonend zubereitet werden kann, in den Privathaushalt. Damals bereits inklusive Festwasseranschluss. Auch die Muldenlüftung als Alternative zur Esse über dem Herd gab es schon 1976 bei Gaggenau. „Unsere Geräte werden stets weiterentwickelt und durch neue Techniken ergänzt“, erklärt Karin Stengele im Showroom anhand der aktuellen Neuheiten wie Kaffeeautomat mit Zu- und Ablaufsystem, also Frischwasserzuund Auffangwasserablauf, oder Vakuumierschublade, in der z. B. Fisch, Fleisch, Gemüse und Obst mariniert und luftdicht verpackt werden kön-

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nen. Profiköche, so Karin Stengele, arbeiten mit diesen Geräten selbst gern, zu Hause, in ihren Kochschulen, manchmal sogar in ihren Restaurantküchen, obwohl GaggenauEntwicklungen explizit für den Privathaushalt konzipiert sind. Hier wie dort gilt: kein Firlefanz, nicht unzählige Programme, die dem geübten Koch, der herausragenden Köchin vorschreiben wollen, was sie selbst viel besser wissen: „Der Profi will seinen robusten Edelstahl-Knebel, an dem er schnell und verlässlich seine Einstellungen wählen kann, die Geräte müssen ihm Freiraum für seine Individualität geben“, beschreibt Stengele. Und dann soll das Gerät natürlich auch etwas aushalten. Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind Attribute, die Gaggenau selbst in kritischen Internetforen bescheinigt werden. „Jeden Euro wert“, lobt ein Benutzer zum Beispiel das Flaggschiff Backofen. Karin Stengele erzählt von einer Kundin, die ihren 40 Jahre alten Gaggenau-Ofen angeboten habe, „er funktioniert immer noch, die Kundin wollte jetzt aber ein neues Modell haben“, lacht sie. Es gibt zwar (noch) kein Museum für solche Musterstücke mit reicher Vergangenheit, aber sie unterstreichen den guten Ruf. Im elsässischen Lipsheim, ganz in der Nähe von Gaggenau, befindet sich das

Gestern und heute: Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden die massiven Kohle- und Gasherde bei Gaggenau gefertigt. Daneben die modernen Backofennachfolger. Was die Geräte bis heute gemein haben, sind die Spezialemaillierung, deren Zusammensetzung streng gehütet wird, der hohe Anteil von Handarbeit bei der Fertigung und das Design, das die Gaggenau-Geräte zu Klassikern macht.

einstige Gaggenau-Stammwerk und eines der Kompetenzzentren für Dampfgaren in der BSH. Obwohl diese Geräte hier auch für die anderen BSH-Marken hergestellt werden, unterscheidet sich die Produktion von Gaggenau unter anderem durch hochpräzise Hightech-Montage und einen hohen Anteil von Handarbeit von den „Geschwistern“. Das TFT-Touch-Display – für sein schlichtes und funktionales Design ausgezeichnet – zum Beispiel wird eigens in einem Reinraum unter staubfreien Laborbedingungen montiert. Auch im bayerischen Dillingen gibt es eine Produktionsstätte. Hier entstehen Teile der Spülmaschinen für BSH. Ein sichtbares Markenzeichen offenbart sich beim Blick in den Gaggenau-Backofen: Er glänzt in Blau. Nicht, weil die Marketing-Leute die Farbe so gern mögen, „es ist eine Spezialemaillierung“, erklärt Karin Stengele die Beschichtung, deren Rezeptur als Betriebsgeheimnis gehütet wird und die ein Ergebnis der langen Firmengeschichte ist. Die blaue Beschichtung hält hohen und höchsten Temperaturen beliebig oft stand: 300 Grad für den Pizzastein, 485 Grad, um hartnäckige Verschmutzungen wie eingebranntes Fett oder Teigreste zu pulverisieren. „Pyrolyse“ heißt die automatische Selbstreinigung, die zwar heute zur Standardausstattung vieler Backöfen gehört. Doch nicht jedes herkömmliche Gerät hält beliebig

oft Höllenhitze aus: „Schauen Sie in die Bedienungsanleitung“, rät Karin Stengele, „einen Gaggenau-Backofen können Sie reinigen, sooft Sie wollen.“ nd dann ist da das Design. Zurückhaltend, zeitlos, man darf es schön nennen. Das zehnköpfige Team von Chefdesigner Sven Baake folgt bei allem Lob und allen Ehrungen wie dem IF Design Award oder Good Design Award dem unbedingten Leitspruch: „Form follows function.“ Also kein Designerstück, dem man seine Mucken verzeihen muss, sondern Highend-Technik in feinem Gewand. Als bestes Beispiel dafür gilt der legendäre Backofen EB 388, der im Jubiläumsjahr ein „Facelifting“ bekam, ohne das Gesicht zu verlieren. Das Ursprungsmodell selbst stammt von 1986. „Es ist superspannend, wie wenig und wie vorsichtig das Design angepasst wurde“, betont Karin Stengele. „Evolution statt Revolution; nicht modisch, aber modern“, lautet die Devise. All das hat seinen Preis. Für ab etwa 20.000 Euro lasse sich eine Küche kaufen, die mit Geräten von Gaggenau ausgestattet ist, schätzt die Marketing-Expertin vorsichtig, denn der Hersteller schreibt seinen Händlern keine Verkaufspreise vor. Sie erzählt aber von Kunden, die einfache Küchenmöbel kaufen und auf die hochwertigen Gaggenau-Geräte (Ofen ca.

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5.000 Euro) nicht verzichten wollen; sie weiß aber auch von einer Wohnung in der Hamburger Elbphilharmonie mit einem Kochparadies zu 350.000 Euro. Nach oben sind also die Grenzen offen. Stellt sich freilich die Frage, wie viel Bosch-Siemens in Gaggenau steckt. Das beantwortet die Marketingleiterin sehr schnell: „Alles wird in unserem Hause entwickelt und darauf können wir sehr stolz sein.“ Man sei eingebettet in den Konzern und nutze Synergien durch gemeinsame Verwaltungsabläufe. Aber Gaggenau mit weltweit rund 550 Mitarbeitern hat eigene Produktionsplattformen, eigenen Vertrieb, eigenes Marketing, eigene Entwickler und Designer, „die Bereiche also, die für die Marken-DNA essenziell sind“, beschreibt Karin Stengele. Rund 60 Mitarbeiter in Forschung und Entwicklung tüfteln heute an den Errungenschaften von morgen. Wie Kochen & Co 4.0 bei Gaggenau aussieht, wird so gut gehütet wie das Rezept der blauen Emaille-Legierung. „Digitalisierung und Vernetzung sind zwar Themen, doch das eigentliche Kocherlebnis steht weiterhin im Mittelpunkt.“ Mehr wird nicht verraten. Wo immer die Reise hinführt, Karin Stengele betont, dass auch in Zukunft die Eigenschaften von heute im Vordergrund stehen: „bedienfreundlich, zeitlos modern und robust.“ 왗

vbw diskutiert Sicherheitspolitik

Zur Podiumsdiskussion kamen (v. l.) Stefan Auerbach, Mitglied der Geschäftsführung Giesecke & Devrient, Moderator Sven Afhüppe, Svenja Sinjen, Leiterin „Berliner Forum Zukunft“ der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Arne Schönbohm, Präsident Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bonn, und Dr. Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie.

Zum zwölften Mal haben sich anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz auf Einladung der vbw Experten aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft getroffen, um wichtige sicherheitspolitische Themen aus Sicht der deutschen und bayerischen Wirtschaft zu diskutieren. Der Schwerpunkt der Veranstaltung, die in der ehemaligen Karmeliterkirche in München stattfand, lag auf der vielfältigen Bedrohungslage durch Wirtschaftsspionage, Cyber-Angriffe, Sabotage, organisierte Kriminalität, Terrorismus und geopolitische Krisen. vbw Präsident Alfred Gaffal forderte, dass Deutschland seine sicherheitstechnologische Souveränität verteidigen müsse.

Dr. Kathrin Suder, Staatssekretärin Bundesministerium der Verteidigung.

Professor Dieter Kempf, Präsident BDI – Bundesverband der Deutschen Industrie.

vbw Präsident Alfred Gaffal mit Sven Afhüppe, Chefredakteur des Handelsblatts.

Daten sind der Rohstoff

Diskussionsteilnehmer Bertram Brossardt, Joachim Herrmann, Moderator Hans Oberberger, Antenne Bayern, Professor Dr. Dirk Heckmann und Dr. Mathias Lejeune, Head of Legal IT, Airbus Defence and Space GmbH.

Joachim Herrmann

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, MdL, und Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer.

Fotos: vbw

Die vbw hat auf ihrer Veranstaltung „Neue Entwicklungen im Datenschutzrecht“ mit Blick auf die Digitalisierung die große Bedeutung eines praktikablen Datenschutzes angemahnt. Mit Experten diskutierten Unternehmer und ihre Gäste über „Daten, den Rohstoff der Zukunft“ in der digitalen Wirtschaft. „Je digitaler unsere Welt wird, desto mehr Daten werden erhoben und verarbeitet – sie ermöglichen neue Produkte und Geschäftsmodelle“, betonte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Eine vbw Studie zu Big Data hat ergeben, dass das Datenschutzrecht die größte Hürde für die Verbreitung und weitere Entwicklung von solchen Anwendungen ist.

Round Table Trump Über die wirtschaftspolitischen Ziele der TrumpAdministration aus Unternehmersicht ging es bei einem Round Table der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme vbm. Die Unternehmen wurden darüber informiert, wie sich der wirtschaftspolitische Kurs der neuen US-Regierung gestaltet und welche Auswirkungen dieser auf bayerische Unternehmen haben könnte. Die vbw verfügt über ein US Liason Office in New York, das an der Schnittstelle zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten und politischen Anliegen der Mitglieder aus Bayern in den USA arbeitet. Das Büro ist eng in ein umfassendes Netzwerk aus Unternehmen und internationalen Finanzdienstleistern, politischen Entscheidungsträgern und Think Tanks eingebunden.

Dagmar Cassan, Leiterin des vbw Verbindungsbüros in New York, Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer, und Dr. Steven E. Sokol, President, American Council on Germany, New York.

Maß und Mitte halten

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer.

Auf der Veranstaltung „Starkes Bayern – starkes Europa“ hat vbw Präsident Alfred Gaffal die überwiegend negativen Folgen der gegenwärtigen Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) ins Visier genommen. Die Geldpolitik der EZB und ihre Folgen für die Wirtschaft waren Thema des Gesprächs mit François Villeroy de Galhau, Gouverneur der französischen Zentralbank und Mitglied im EZB-Rat. Gaffal forderte die EZB auf, zu einer Geldpolitik zurückzukehren, die Maß und Mitte hält.

François Villeroy de Galhau, Gouverneur, Banque de France, Paris, Mitglied im Erweiterten Rat der Europäischen Zentralbank.

Alfred Gaffal

Alfred Gaffal, vbw Präsident, Jean-Claude Brunet, Generalkonsul der Französischen Republik in Bayern, Gouverneur François Villeroy de Galhau und vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Professor Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung.

Experten diskutierten nötige Änderungen in der Arbeitswelt 4.0.

Karsten Böhne (BR), Moderator, Markus Blume, MdL, stellvertretender Generalsekretär der CSU, Nishanthi Schirrmeister, Global Talent Acquisition, Microsoft Deutschland, Professor Ursula Männle, Professor Sonja A. Sackmann, Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität der Bundeswehr München, Kay Mantzel, Experience Manager, Microsoft Deutschland, und Bertram Brossardt.

Fit in eine neue Arbeitswelt Zusammen mit der Hanns-Seidel-Stiftung hat die vbw im Rahmen einer Kooperationsveranstaltung über eine werteorientierte Personalpolitik in der Arbeitswelt 4.0 diskutiert. Professor Ursula Männle, Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, betonte, dass auch in der Arbeitswelt 4.0 Werte wie Verantwortung und Vertrauen weiter Bedeutung haben müssten und eine Leitlinie des Handelns bilden sollten. vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt machte deutlich, dass der Wandel der Arbeitswelt zu einem hohen Maß an Flexibilität führe und sich so Organisationsstrukturen grundlegend ändern würden. Es gelte daher, den Rechtsrahmen entsprechend anzupassen, um die Chancen, die sich ergäben, nutzen zu können.

Ploosh stellte Kinder-Apps vor.

vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

„Financial Education“, vorgestellt von Dennis Sarimski, Manager Digital Innovation, Deutsche Bank AG, und Sebastian Bender, Geschäftsführer, Wolpertinger Games.

Mehr als Spiele Bei der GamifyConference 2017 hat die vbw die Bedeutung von „Games“ für die Wirtschaft hervorgehoben. Die Games-Industrie ist wichtiger Teil der Digitalwirtschaft und gehört zu den bedeutendsten Zukunftsbranchen. 2015 gab es in Deutschland bereits über 30.200 Beschäftigte, der Umsatz für digitale Spiele lag bei rund 2,8 Milliarden Euro. Im Foyer des Hauses der Bayerischen Wirtschaft stellten zwölf Unternehmen ihre Games-Anwendungen vor. Was die Branche aber dringend braucht, sind Fachkräfte.

Fotos: vbw

Staatssekretär Franz Josef Pschierer, MdL, und CEO Philipp Hellmann, Pipedream Media GmbH.

Dr. Sebastian Deterding, Researcher, University of York.

Die Aesir Interactive GmbH hat für BMW ein Virtual Reality Tool entwickelt.

Bayern grüßt Berlin 2017 Traditionell eröffnet die Bayerische Staatsregierung das neue Jahr in Berlin mit einem Konzertgenuss aus Bayern. In diesem Jahr führten die Münchner Philharmoniker unter Leitung ihres Chefdirigenten Valery Gergiev Werke von Claude Debussy, Hector Berlioz und Ludwig van Beethoven auf. Bereits im siebten Jahr unterstützen die vbw und die Verbände der bayerischen Metall- und Elektroindustrie bayme vbm das Neujahrskonzert, das in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung verzeichnete. Aus Bayern reisten rund 150 Vertreter der Wirtschaft an, um bei Konzert und Vorempfang der vbw dabei zu sein. In festlicher Atmosphäre nutzten die Besucher die Gelegenheit, mit den Spitzen von Politik und Verbänden in der Bundeshauptstadt ins Gespräch zu kommen.

Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, und Alfred Gaffal.

Die Münchner Philharmoniker spielten unter Leitung ihres Chefdirigenten Valery Gergiev in Berlin am Gendarmenmarkt.

Sebastian Lechner, Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen e. V., Helga und Hans Wormser, Geschäftsführender Gesellschafter Konrad Wormser KG.

Bertram Brossardt, Karin Seehofer, Staatsminister Dr. Marcel Huber, MdL, und Adelgunde Huber.

Dr. Wolfgang Heubisch, Bertram Brossardt, Karin Stoiber, Uli Hoeneß und Dr. Edmund Stoiber.

Gerd Strehle, Aufsichtsratsvorsitzender der STRENESSE AG.

Empfang zum Jubiläum Die 50. Ausgabe des vbw Unternehmermagazins feierten Gäste eines Empfangs und einer Ausstellung im Haus der Bayerischen Wirtschaft. „Die Resonanz unserer Leser zeigt uns, dass wir mit unseren Themen das bayerische Lebensgefühl und die Präferenzen unserer Leser treffen“, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw. Die erste Ausgabe des Magazins kam 2008 auf den Markt. Seit 2010 erscheint das Magazin regelmäßig alle zwei Monate. Aktuell liegt die Auflage bei 73.000 Exemplaren.

Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, und Bertram Brossardt.

Auf dem Podium: Alexander Kain, Chefredakteur des vbw Unternehmermagazins, Sigmund Gottlieb, früherer Chefredakteur Bayerisches Fernsehen, und Bertram Brossardt.

LIFESTYLE

Bye, bye – die Briten ziehen sich zurück in ihre vier Wände, ganz nach ihrem Motto „Home, Sweet Home“. Typisch. Das Leben auf der Insel tickt anders. Aber genau das ist es, was viele Festland-Europäer lieben, die Eigenheiten, eine gewisse Sturheit, Gelassenheit. Die Aufregung um den Brexit wird das Lebensgefühl der meisten Engländer kaum erschüttern. Keep Calm and Carry on. Dazu passen die klassischen britischen Produkte: edler Whisky, feiner Tee, zähes Karamell, bittere Orangenmarmelade. Bitte recht gemütlich: Der Clubsessel ist Symbol für „the British Way of Life“. Den Kensington Wing Chair (2.150 Euro) gibt es bei british-furniture-collection.de.

Briten lieben ihre Autollsmarken. Zu den origine ten gehören die aus dem Haus Morgan. Importeur in Deutschland: Morgane. Flaving. Preis auf Anfrag

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Weltuntergang? – Erst mal ein Glas Whisky. Highland Park bietet dem Anlass entsprechend hochwertige Qualität: Bei whisky.de gibt es einen 40-Jährigen für knapp 2.800 Euro. Die Rarität ist begrenzt verfügbar. Wertzuwachs wahrscheinlich.

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Bittersüß, lang haftend oder staubtrocken: Orangenmarmelade, Karamellbonbons, Kekse gibt es (noch) zu moderaten Preisen (zwischen fünf und zehn Euro) über the-british-shop.de.

Hintergrund: bruiser – Fotolia.com

Abwarten und Tee trinken: Aus der Leidenschaft haben sich blumige Geschirrkreationen entwickelt. Passende Kreationen bietet das Londoner Kaufhaus Harrods im Onlineversand.

Zu den Klassikern aus Great Britain gehört Mode aus dem Hause Barbour für Hund wie Herrchen. Über the-british-shop.de: Kappe: 45 Euro Wachsjacke Beaufort: 350 Euro Hundemantel: rund 60 Euro bei gallant-horseman.com

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LETZTE SEITE

Eine Frage noch ...

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or ein paar Jahren fragte mich ein Geschäftspartner, ob ich denn daran glaube, dass unsere Werte und der erarbeitete Wohlstand auch in Zukunft erhalten bleiben. Ich habe damals sehr sicher geantwortet: Hinter die durch die westliche Aufklärung erreichten kulturellen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Standards kann man nicht zurückgehen. Sie prägen unsere moderne Welt. Heute würde ich nicht mehr so sicher reagieren. Wer hätte gedacht, dass Großbritannien seine alte „splendid isolation“ tatsächlich wahrmacht in einer Zeit der Globalisierung, dass in Polen und Ungarn rechtslastige Regierungen etabliert werden, dass ein Politrabauke wie Donald Trump zum mächtigsten Mann der Erde avancieren würde. Ganz abgesehen von der Terrorbedrohung durch den sog. „Politischen Islam“. Unsere Welt und ihre Nachkriegsordnung sind ins Wanken geraten. Wie soll man mit derartigen, ungewohnten Unsicherheiten umgehen? Wir erleben ja leider oft, dass Unsicherheit für viele Menschen schwer erträglich ist. Sie suchen dann Halt in Ideologien und beim „starken Mann“. Mir hilft da ein dezidiert systemischer Ansatz, der durchaus spirituelle Kon-

notationen hat: Zukunft ist per se unsicher. Wir können nur aufgrund von Erfahrungen der Vergangenheit auf eine wahrscheinlich eintretende Wirklichkeit schließen, oder sollen wir sagen: hoffen? Vergangenheit ist

für Unternehmen, Organisationen und andere Menschen hat, weiß das. Trotzdem, vermutlich weil wir so gerne an dem Gewohnten hängen, verdrängen wir die Tatsache, dass die Welt um uns sich ständig verändert und wir uns diesem Veränderungsprozess anpassen müssen, wenn wir überleben wollen. Die Wissenschaft nennt das Evolution. Deshalb gibt es eigentlich kein anderes Rezept, als die Unsicherheit zu akzeptieren und damit umzugehen. Sicher werden im Umgang mit Unsicherheit: Das bedeutet, jedes Mal neu mit offenen Augen und wertfrei die Situation beobachten, dann reflektieren und dann die eigene Entscheidung treffen. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig, wenn wir nicht resignieren wollen.



vergangen und Zukunft ist ungewiss. Unsere Pläne werden immer wieder durch unverhofft geschehende Ereignisse durchkreuzt. Auch wenn die Dinge so eintreten, wie wir planen, wissen wir nicht, was anderswo gerade geschieht, das unser Tun beeinflussen wird. Jeder, der Verantwortung

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Anselm Bilgri war Prior von Kloster Andechs und Leiter der Klosterbetriebe. Seit seinem Ausscheiden aus dem Benediktinerorden wirkt er als Autor und Redner, außerdem berät er Unternehmen in Fragen von wertegeleitetem Wirtschaften. 왗

Foto: Die Hoffotografen GmbH Berlin

... HERR BILGRI, die Welt um uns herum wird immer unsicherer, wie kann man damit umgehen?

À la Carte Business Lunch Cooking Party Catering

Regional trifft mediterran Genießen Sie exquisite Produktküche von Jürgen Weingarten und seinem Team. Im neuen Conti Restaurant im Haus der Bayerischen Wirtschaft – mitten in München, direkt am Kunstareal.

Conti Restaurant

Max-Joseph-Straße 5 80333 München [email protected]

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