Magazin 6, Euro Interview: Stefan Sommer

www.vbw-bayern.de Magazin 6,– Euro Interview: Stefan Sommer 03 2016 Durchblick statt Kristallkugel Arbeiten 4.0 und Industrie 4.0 Alle reden über...
33 downloads 4 Views 10MB Size
www.vbw-bayern.de Magazin 6,– Euro

Interview:

Stefan Sommer

03 2016

Durchblick statt Kristallkugel Arbeiten 4.0 und Industrie 4.0 Alle reden über die digitale Revolution – wir zeigen, wie Ihr Unternehmen davon profitiert! Denn bbw-Seminare geben praxiserprobte Antworten auf die immer komplexere, dynamischere Arbeitswelt. Schließlich garantieren nur bestens aus- und weitergebildete Mitarbeiter die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens. Daher werden zum Beispiel Trainings für Fach- und Führungskräfte in den Bereichen Security, Prozessgestaltung oder für neue Formen der Lagerverwaltung angeboten. Gestalten Sie die digitale Zukunft proaktiv! Auch unsere Seminare nutzen die Vorteile modernster digitaler, webbasierter Lernformen: Videos, Wikis, Apps, Webinare und virtuelle Klassenzimmer.

Unsere Kompetenzen – – – – – – – – – – – –

Blended Learning Entwicklung von Lern- und Informationsarchitekturen Projekte zur Fachkräftesicherung Individuelle Entwicklungsprogramme auf allen Unternehmensebenen Offene Seminare und Inhouse-Lösungen Training, Beratung, Coaching Berufsbegleitende Weiterbildung Prozessbegleitung Organisationsentwicklung Kompetenzmanagement Seminare für Ausbilder und Auszubildende Trainingsmanagement

Wollen Sie und Ihr Unternehmen von den zukunftsfokussierten Lernformen profitieren? Wir beraten Sie gerne!

Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft (bbw) gGmbH Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) gGmbH Telefon 089 44108-430

www.bbwbfz-seminare.de

EDITORIAL

a

us den USA kommen viele visionäre Impulse. Vor allem, was die Digitalisierung betrifft, könnte man den Eindruck gewinnen, dass wir den Wettlauf mit dem Silicon Valley längst verloren haben. Ist dem wirklich so? Mitnichten! Auch in Zukunft wird uns eine Handy-App nicht von A nach B transportieren – es werden dafür weiter mechanische Komponenten notwendig sein. Intelligente, ausgetüftelte, elektronisch gesteuerte, hochwertige Technik. Auf diesem Feld ist Deutschland traditionell stark. Längst verändern unsere Unternehmen ihre Produkte – und die Art der Produktion. Die digitale Revolution – wir nennen sie Industrie 4.0 – nimmt zunehmend Fahrt auf. Wenn wir es schaffen, deutsche Ingenieurskunst mit dem (zugegebenermaßen ausgesprochen visionären) Geist des Silicon Valley zu paaren und unsere Arbeitswelt in dem notwendigen Maß zu flexibilisieren und mit neuem Wissen anzureichern, dann werden wir die Zukunft gewinnen. Im Interview mit dem vbw Unternehmermagazin (ab Seite 12) erläutert der Vorstandsvorsitzende der ZF AG, Stefan Sommer, wie er diese Herausforderung annimmt und sein Unternehmen konsequent auf Zukunft trimmt. Ich finde, sein Beispiel macht Mut.

3

Weniger gut sind die Aussichten, sollte der Brexit, also der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, Realität werden. Am 23. Juni stimmen die Briten ab. Das vbw Unternehmermagazin hat führende Ökonomen gefragt, welche Folgen ein Brexit hätte – für die Briten und für uns. Ihre Antworten, die Sie ab Seite 20 lesen können, sind ernüchternd. Um es einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Wer das Projekt Europa gefährdet, gefährdet unser aller Wohlstand. Leider sind es immer mehr, die Europa infrage stellen – gerade deshalb müssen wir ihnen deutlich entschiedener entgegentreten. Gleichzeitig muss die Politik ihre Aufgabe, den Menschen den Wert Europas zu vermitteln, deutlich stärker wahrnehmen. Schließlich möchte ich Ihnen noch einen Beitrag von Gregor Gysi, dem langjährigen Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, auf Seite 38 ans Herz legen. Manch eingefleischter Leser mag ob dieser Provenienz jetzt wohl schlucken. Ich teile sicher seine Ansicht nicht, gerade was Banken und große Unternehmen betrifft. Wir müssen uns aber mit solchen Ansichten auseinandersetzen.

BERTRAM BROSSARDT, Herausgeber

P.S.

Um das vbw Unternehmermagazin weiter zu verbessern und Ihren Interessen anzupassen, führen wir zur Ausgabe eine Befragung unter zufällig ausgewählten Lesern durch. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich die Zeit nehmen und an der Befragung teilnehmen, falls Sie hierzu kontaktiert werden. Wir freuen uns auf Ihre Meinung und Anregungen.

INHALT

6

12

20

INFRASTRUKTUR

INTERVIEW

POLITIK

Chemiedreieck mit Flaschenhals

„Scheitern ist in den Genen eines deutschen Ingenieurs nicht vorgesehen“

Brexit – das sagen die Ökonomen

Im östlichen Oberbayern haben sich Industriegiganten rasant entwickelt. Der Straßen- und Schienenanschluss hinkt hinterher. Eine Recherche im ChemDelta.

Der Vorstandsvorsitzende der ZF AG, Stefan Sommer, spricht im Interview mit dem vbw Unternehmermagazin über die Herausforderungen einer Industrie im Wandel, die Chancen der Digitalisierung und über die positiven Impulse aus dem Silicon Valley.

Am 23. Juni entscheiden die Briten, ob sie sich aus der Europäischen Union verabschieden. Das vbw Unternehmermagazin sprach mit Ökonomen über die Folgen, die ein Brexit hätte – für Großbritannien und für uns.

INHALT

MACHTRAUM

10

LIFESTYLE

36

STANDPUNKT

23

EINE FRAGE NOCH ...

38

IMPRESSUM vbw Unternehmermagazin 03/2016 Herausgeber vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. VR 15888 Amtsgericht München Hauptgeschäftsführer: Bertram Brossardt Max-Joseph-Str. 5, 80333 München

24

28

BILDUNG

PORTRÄT

Neue Methoden und mehr Chancen

Ganz eigene Wege gehen

Beziehungen bahnen sich im digitalen Zeitalter ganz anders an. Das gilt auch für die Berufsorientierung.

Maloja hat neben den großen Sportmarken eine Nische gefunden. Das Label erfindet sich für jede Kollektion neu.

Büro des Herausgebers: Michael Reithmeier E-Mail: [email protected] Herausgeberbeirat Bertram Brossardt Tobias Eder Klaus Lindner Thomas Schmid Anna Engel-Köhler Holger Busch Dr. Peter J. Thelen Walter Vogg Gesamtkoordination Dr. Peter J. Thelen Tel.: 089-551 78-333, E-Mail: [email protected] Chefredakteur Alexander Kain (V.i.S.d.P.) Redaktion: Sandra Hatz Autoren: Alexander Kain, Sandra Hatz, Regina Ehm-Klier Grafik: Alexandra Steiner Korrespondentenbüros D – 10117 Berlin, Charlottenstraße 35/36, Dr. Peter J. Thelen B – 1000 Brüssel, Rue Marie de Bourgogne 58, Volker Pitts-Thurm USA – 10020 New York, Suite 720, 10 Rockefeller Plaza, Dagmar A. Cassan MBA Verlag vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft Projektgesellschaft mbH HRB 106556 Amtsgericht München Geschäftsführer: Peter Bockhardt Kooperationspartner · Gesamtabwicklung · Anzeigen Reiner Fürst, Donau-Wald-Presse-GmbH Medienstraße 5, 94036 Passau Tel.: 0851-802-237, Fax: 0851-802-772 Anzeigentechnik E-Mail: [email protected] Titelfoto: Astrid Schmidhuber Druck PASSAVIA Druckservice GmbH & Co. KG Medienstraße 5b 94036 Passau Tel.: 0851-966 180-0 Das vbw Unternehmermagazin erscheint sechsmal im Jahr mit einer Auflage von 60.000 Exemplaren. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten. ISSN 1866-4989 Nachdruck oder Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Herausgebers. Für die Zusendung unverlangter Manuskripte oder Bilder wird keine Gewähr übernommen. www.vbw-bayern.de

Chemiedreieck

25.000 Menschen arbeiten im bayerischen Chemiedreieck, dessen Großunternehmen jährlich zehn Milliarden Euro umsetzen. Durch die Fachhochschule Rosenheim und die TU München wird die Region Burghausen nun auch Wissenschaftsstandort. Wenn es allerdings um die Verkehrsanbindung geht, fühlen sich Firmen, Beschäftigte und Bewohner aber weiter wie im Bermuda-Dreieck.

D

er Anfang verlief rasant: Als 1907 Alexander Wacker einen Standort für eine Chemiefabrik suchte, wurde er in Burghausen fündig. Denn er entdeckte die Möglichkeit, den Höhenunterschied zwischen dem Flüsschen Alz und der Salzach mit einem Kanal zu verbinden und so Wasserkraft zu gewinnen – noch heute wertvoller Stromlieferant für die energiehungrige Chemieindustrie. Die Einweihung des Alzkanals erlebte der

Unternehmer († 1922) zwar nicht mehr, doch nach nur sieben Jahren Bauzeit war das Werk 1923 zwischen Tacherting und Burghausen vollendet, der Grundstein für das „Chemiedreieck“ gelegt. Denn in der Zwischenzeit waren neben Wacker in Burghausen auch andere chemische Betriebe in die Region gekommen. Sie nahmen die Nachteile durch die weiteren Transportwege zugunsten der günstigen Wasserkraft in Kauf. Und das müssen sie noch heute. Von 15

6

Jahren zwischen erstem Plan und Wirklichkeit eines neuen Verkehrswegs kann man im Chemiedreieck freilich nur träumen. Es war Mitte der 70er, erinnert sich Georg Häckl noch heute daran, als über den Bau der Umgehung Haag als „letzte Baustelle an der B 12“ berichtet wurde. Denn dann sollte ja die A 94 zwischen München und Passau kommen. Bekanntlich ist diese Straße auch heute, 35 Jahre später, immer noch nicht fertig; in Teilen Niederbayerns nicht einmal

Im oberbayerischen Chemiedreieck werden sechs Prozent des deutschen Chemie-Umsatzes erwirtschaftet.

die Trasse geplant. Immerhin: 2019 gibt es eine durchgängige Autobahn von München bis Marktl, zehn Kilometer von Burghausen, dem Herzen des Chemiedreiecks, entfernt. Georg Häckl ist „Sohn“ des Chemiedreiecks, studierte an der FH München Technische Physik/Umwelttechnik und war ab 1993 bei der OMVRaffinerie Burghausen tätig, engagierte sich außerdem in verschiedenen Fach-Arbeitskreisen. Seit Herbst 2015 ist der 66-Jährige Sprecher von ChemDelta Bavaria. Das ist der internationale Begriff für das bayerische Chemiedreieck, das sich so noch mehr Gewicht verschaffen will. Es handelt sich um etwa 20 Industrieunternehmen mit Größen wie Wacker, AlzChem, Addivant, Borealis,

Clariant, Infra Sev, BASF, Linde AG, W. L. Gore, OMV, Vinnolit oder SKW. Gemeinsam erwirtschaften sie zehn Milliarden Umsatz, beschäftigen 25.000 Menschen. Und es sind nicht alle Industrieunternehmen, die in ChemDelta Bavaria organisiert sind. Obwohl in diesem Gebiet zwischen Aschau im Westen über Töging hinunter nach Burghausen und Burgkirchen, weiter nach Hart, Schalchen, Tittmoning und Trostberg sechs Prozent des deutschen Chemieumsatzes erwirtschaftet werden, fühlen sich Bewohner, Arbeitnehmer, Politiker wie Unternehmen aus dem Chemiedreieck bei den Verkehrswegen eher wie im Bermuda-Dreieck. Ein Vergleich, den Georg Häckl nicht sehr abwegig findet. Das Schienennetz ins Chemie-

7

dreieck Burghausen/Burgkirchen „stammt aus der Zeit von König Ludwig“, veraltet also. Das bestätigt auch der grob geschätzte Finanzbedarf von 1,6 Milliarden Euro für die Ausbaustrecke (ASB) 38 München–Mühldorf–Freilassing. „Der Bahnausbau ist ein wichtiger Baustein für eine noch bessere Verkehrsanbindung der Region“, betonte Bayerns Staatsminister Marcel Huber bei der Sitzung der Projektgruppe, die Freistaat und Bahn AG mit den Vertretern der Anlieger-Landkreise und -Kommunen einberufen haben. Denn der Bundesverkehrswegeplan sieht zwar die Bedeutung der Strecke, weshalb im 140 Kilometer langen Abschnitt immerhin zwischen München und Mühldorf sowie weiter nach

Foto: Landkreis Altötting, Dirschl

sucht Anschluss

INFRASTRUKTUR

Tüßling eine Elektrifizierung und die Zweigleisigkeit geplant und zum Großteil auch schon gebaut werden. Im weiteren Verlauf jedoch geht’s wieder auf die Bremse: ein zweigleisiger Ausbau bis Freilassing ist nur in Teilen vorgesehen, der Abschnitt zwischen Tüßling und Burghausen (beides im Landkreis Altötting) bleibt eingleisig. „Nicht wirtschaftlich“, zitiert Georg Häckl verwundert den derzeitigen Entwurf des Bundesverkehrswegeplans. Dabei brauchten wegen dieses „Flaschenhalses“ zurzeit Güterzüge in Stoßzeiten bis zu sechs Stunden von Burghausen nach Mün-

chen. Wirtschaftlich ist das nicht. Und es steht im krassen Gegensatz zu den Milliarden-Investitionen der Unternehmen in den vergangenen Jahren: Wacker baute neue PolyAnlagen zur Gewinnung von Reinstsilicium für die Photovoltaik; OMV und Borealis zogen mit einer Metathese-Anlage und neuen Reaktoren zur Herstellung hochwertiger Polypropylen- und Polyethylen-Kunststoffe mit, Vinnolit installierte eine neue Technologie zur Herstellung von PVC; Linde und Gore investierten zum Teil sogar in neue Standorte, um einige Beispiele des ersten Jahrzehnts

dieses Jahrhunderts zu nennen. Eine Großinvestition ist auch das KombiTerminal in Burghausen zum Umschlag von Containern der Industrie auf die Bahn, aber auch von Lkws, das kurz nach der Eröffnung schon für 5,5 Millionen Euro wegen der regen Nachfrage erweitert wird. Von 2,5 Millionen Tonnen im Jahr 2003 seien die Gütertonnagen auf mittlerweile 4,5 Millionen angestiegen, „Tendenz steigend“, sagt ChemDelta-Sprecher Häckl. Borealis habe bereits angekündigt, einen Teil seines Logistikverkehrs auf die Schiene zu verlagern, „das sind 1.600 Fahrzeuge, die weg sind von der Straße, und das ist erst der erste Abschnitt“. as alles sei in der Wirtschaftlichkeitsrechnung untergegangen. „Es wurden Zahlen von 2012 verwendet“, weiß Häckl. Exakt das Jahr, in dem die Chemieindustrie sich von der Wirtschaftskrise 2008 erholte. Dabei ist die Delle längst ausgebügelt. Tatsächlich erlebt die Region nicht nur ein Erstarken ihrer Industrie,

D

Der Alzkanal war eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung. Zwischen Planung und Fertigstellung lagen nur 15 Jahre.

Fotos: Wacker, Kleiner, TU München

1916: Im WACKER-Werk Burghausen startet die weltweit erste und patentierte großtechnische, synthetische Herstellung von Acetaldehyd, Essigsäure und Aceton. Grundlage zur Herstellung ist das erste WACKERVerfahren mit dem durch die Anlagerung von Wasser an den Ausgangsstoff Acetylen in einem chemisch-technischen Prozess Acetaldehyd produziert wird.

INFRASTRUKTUR

Die Bahnstrecke München–Tüßling wird zweispurig. Es bleibt ein Flaschenhals nach Burghausen.

Wacker stellt unter anderem Polysilicium für Solarzellen her.

Bei Nacht ist der Industriepark eine Sehenswürdigkeit für sich.

sondern entwickelt sich auch zum Wissenschaftsstandort. Die Hochschule Rosenheim eröffnet zum Wintersemester 2016/17 den Campus Burghausen unter dem Motto „Studieren, wo die Chemie stimmt“ mit Studiengängen Chemieingenieurswesen und Betriebswirtschaftslehre. Die Technische Universität München (TUM) richtet aktuell im Prälatenstock des ehemaligen Zisterzienserklosters Raitenhaslach, das die Stadt Burghausen gekauft und mit Denkmalmitteln aufwendig saniert hat, ihr „TUM Science & Study Center“ ein. Im exklusiven Ambiente finden „inneruniversitäre, fachübergreifende und internationale Begegnungen mit bis zu 150 Personen“ statt, dazu stu-

dentische Veranstaltungen, Fakultätsund Präsidiumsklausuren sowie Wochenend- und Ferienakademien. Im Juni wird Einweihung gefeiert. Auch das Leben in der Chemie-Region ist lebenswert, nicht nur wegen seiner Lage. Die Industrie beschert dem Landkreis und den Kommunen kräftige Steuereinnahmen. Chemiestandorte können sogar die Vorteile der Industrie nutzen wie Abwasserreinigung, Fernwärme oder WasserReinigungsanlagen. Energie brauchen nicht nur die Chemieunternehmen für ihre Arbeit, sondern auch deren Vertreter, wenn es um den Anschluss an die Welt geht. Viele Gespräche wird zum Beispiel ChemDelta-Bavaria-Sprecher Häckl

9

Das Kloster Raitenhaslach nutzt die TU München.

in nächster Zeit führen, unter anderem mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt, um doch ein zukunftsfähiges Bahnnetz zu bekommen – und zwar nicht nur zwischen Burghausen und München, sondern auch in die andere Richtung, nach Salzburg und weiter nach Triest. Die Vorteile: Nicht nur die Industrie sparte sich durch einen direkten Weg Richtung Süden Zeit, auch der Knotenpunkt München würde entlastet. Häckl betont: „Wir dürfen nicht nachlassen, bis die Strecke vernünftig ausgebaut wird.“ 왗

Fotos: Schmidhuber

Ein schlichtes Kruzifix hat Stoiber durch alle seine Karrierestationen begleitet. Bekommen hat er es in den 1980er Jahren, als er noch CSU-Generalsekretär war – eine Sekretärin überreichte es ihm mit den Worten: „Sie reden so viel vom christlichen Abendland und christlichen Werten. Das Kruzifix soll Sie immer auch daran erinnern.“

Eine Chronik des FC Bayern, seines Fußballvereins, gebunden in Holz und mit Stoibers Namen als persönliches Exemplar gekennzeichnet, steht in seinem Besprechungsraum. Darin: Kleine gelbe Haftnotizen – Spielstände und Sportwetten mit Freunden, Erinnerungen an Begebenheiten.

Eine alte Standarte, wie sie an Kutschen und Staatskarossen den protokollarischen Status des Passagiers zeigten, ziert – mittlerweile eingerahmt – Stoibers Büro. Bekommen hat er sie am Abend des 28. Mai 1993, als er Bayerischer Ministerpräsident wurde – als persönliches Geschenk der Gebirgsschützen, die ihn am selben Abend zum Ehrenleutnant beförderten.

Seine Frau Karin, die drei Kinder und mittlerweile sechs Enkel: Die Fotos seiner Familie bedeuten Edmund Stoiber sehr viel.

Als Stoiber-Tochter Veronica, heute 37 und erfolgreiche Rechtsanwältin, ein dunkelblaues Auto auf den Stein malte, ging sie noch in den Kindergarten. Dass ihre Familie praktisch nie alleine unterwegs war, sondern immer von der Polizei mit mehreren Zivilfahrzeugen begleitet wurde, hatte sie als Kind nicht verstanden. „Sie hat eine schwierige Zeit miterlebt – die Zeit des RAF-Terrorismus, als unsere Familie konkret bedroht wurde“, erzählt Stoiber.

10

DER KOMMENTAR von ALFRED GAFFAL

MACHTRAUM

F

ormal ist EDMUND STOIBER seit seinem Rücktritt 2007 Privatmann. Doch von der Politik kann er nicht lassen – oder die Politik nicht von ihm, je nachdem, wie man es nimmt. Wer ihn in seinem privaten Büro in der Wagmüllerstraße im Münchner Stadtteil Lehel besucht, kann hier jedenfalls allerhand Persönlichkeiten treffen. Eben war beispielsweise der CDU-Chef eines großen Bundeslandes hier, um sich vom konservativen Urgestein der deutschen Politik Einschätzungen und Analysen zum aktuellen Geschehen abzuholen. Ein paar gut gemeinte Tipps und Ratschläge gab es obendrauf, ehe der nächste Termin drängte. Ähnlich dürfte es dem amtierenden Ministerpräsidenten Horst Seehofer gehen – auch er besucht Stoiber hier des Öfteren und nutzt seine Kontakte, etwa, als es galt, den Besuch beim russischen Präsidenten Wladimir Putin klarzumachen. „Ich gebe keine Ratschläge ungefragt. Aber werde ich gefragt, dann sage ich ehrlich, was ich denke. Und wenn es gewünscht ist, dann kümmere ich mich auch um das eine oder andere“, so Stoiber. Offensichtlich wird er viel gefragt und gebeten, bis heute. Nach seinem Abschied aus der aktiven Politik hatte Stoiber ein Büro im Haus gegenüber bezogen. Der Freistaat hatte es ihm für vier Jahre zur Verfügung gestellt – „für Tätigkeiten und Aufgaben, die von einem ehemaligen Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit seinem früheren Amtsverhältnis als Ministerpräsident wahrgenommen werden“, wie es in dem einschlägigen Gesetz heißt. Unter anderem setzte sich Stoiber als Sonderberater der EU-Kommission für Bürokratieabbau ein, was es ermöglichte, besonders bayerische Belange in den Fokus zu rücken. Seit 2011 arbeitet er nun von seinem privaten Büro aus. Etwa als Vorsitzender des Beirats der ProSiebenSat.1 Media AG und vor allem als Aufsichtsrat und Vorsitzender des Verwaltungsrates des FC Bayern – Fußball ist das Leib- und Magenthema Stoibers, der als Erfinder des politischen Fußballvergleichs gilt. 왗

Die drei Säulen der Altersvorsorge stärken Die Rentenerhöhung zum 01. Juli zeigt, dass es unseren Rentnern im Schnitt gut geht. Anders als oft behauptet, ist Altersarmut hierzulande kein Massenphänomen. Aktuell sind nur 3,1 Prozent der Deutschen über 65 auf Grundsicherung im Alter angewiesen. Die Rentenstatistik zeigt nur die halbe Wahrheit. Denn das im Alter zur Verfügung stehende Einkommen ergibt sich bei vielen Rentnern nicht allein aus den Auszahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern etwa auch aus Einkünften aus der privaten und betrieblichen Altersvorsorge, aus Barvermögen oder Immobilieneigentum. Aus dem zukünftig sinkenden Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung kann also nicht auf Altersarmut geschlossen werden. Umgekehrt müssen wir festhalten, dass im unteren Einkommensbereich das Versorgungsniveau zum Teil nicht mehr angemessen ist. Angesichts der demografischen Herausforderung wird ein gutes Versorgungsniveau nur gesichert, wenn wir an den drei Säulen gesetzliche Rentenversicherung, private Vorsorge und betriebliche Altersvorsorge festhalten und diese weiter ausbauen. Für den unteren Einkommensbereich muss ein besonderer Schwerpunkt durch eine bessere Riester-Förderung gesetzt werden. Eine Anhebung des Versorgungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung kommt nicht in Betracht, da diese zulasten unserer jungen Generation ginge. Der beste Schutz vor Altersarmut ist eine hohe sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Eine beschäftigungsfördernde Politik muss daher auch mit Blick auf die Alterssiche-

11

rung Priorität haben. Mehr Beschäftigung und eine bessere Erwerbslage führen trotz Absinkens der Versorgungsquote zu besseren Ergebnissen. Den Faktor Arbeit dürfen wir am Standort Deutschland nicht noch stärker belasten. In der gesetzlichen Rentenversicherung gilt es, am Ziel der Beitragssatzstabilität festzuhalten. Fehlanreize zu kürzerer Lebensarbeitszeit wie die Rente mit 63 müssen rückgängig gemacht werden. Die Rente mit 67 muss endlich umgesetzt werden, zudem brauchen wir rentenwirksame Anreize zum Arbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus. Die Riester-Rente ist ein Erfolg. Derzeit haben 16,5 Millionen Menschen einen sogenannten Riester-Vertrag. 63 Prozent derjenigen, die eine Riester-Förderung erhalten, haben ein Jahreseinkommen von unter 30.000 Euro. Die Zielgruppe wird also erreicht. Allerdings muss die Riester-Rente in der Abwicklung vereinfacht und die Zulagen müssen angepasst werden. Die betriebliche Altersvorsorge muss weiter verbreitet werden. Das gelingt nur, wenn ihr Charakter als freiwillige Leistung und personalpolitisches Gestaltungselement gewahrt bleibt. Daher darf es weder zu gesetzlichem noch zu tariflichem Zwang kommen. Vielmehr gilt es Anreize zu schaffen, damit sich mehr Betriebe dazu entschließen, eine solche Regelung anzubieten. Mit dem Dreisäulenmodell ist unsere Altersvorsorge grundsätzlich gut aufgestellt. Jetzt gilt es, dieses gute Konzept mit sinnvollen Reformen zukunftsfest zu machen. Alfred Gaffal ist Präsident der vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. 왗

Fotos: Schmidhuber

INTERVIEW

„Scheitern ist in den Genen eines deutschen Ingenieurs nicht vorgesehen“ Der Vorstandsvorsitzende der ZF AG, STEFAN SOMMER, spricht im Interview mit dem vbw Unternehmermagazin über die Herausforderungen einer Industrie im Wandel, die Chancen der Digitalisierung und über die positiven Impulse aus dem Silicon Valley Lassen Sie uns über die Zukunft reden. Gerne. Haben Sie Angst vor der Zukunft? Nein, ich freue mich auf die Zukunft. Ich bin ein neugieriger Mensch. Und in meinem Beruf habe ich Spaß daran, Dinge für die Zukunft vorzubereiten, mich in die Zukunft reinzudenken und Wege zu entwerfen, die erfolgreich in die Zukunft führen. Das ist eine meiner Kernaufgaben an der Spitze eines großen Unternehmens. Meine Aufgabe ist nicht, Detailfragen zu lösen – dafür gibt es Spezialisten. Meine Aufgabe ist, mir Gedanken zu machen, wie die Zukunft aussieht, wie dieses Unternehmen mit seinen Stärken und seiner Vielfältigkeit in der Zukunft erfolgreich sein kann. Angst vor der Zukunft wäre da fatal. Ich will Zukunft selbst mitgestalten. Der Name ZF kommt von Zahnradfabrik Friedrichshafen. Zahnräder braucht man für Getriebe. Getriebe gibt es in Elektromobilen nicht mehr. Ist Elektromobilität Chance oder Risiko für einen Zuliefer-Konzern wie ZF? Elektromobilität ist für uns kein Risiko. Wir sehen darin eine Chance. Sicherlich: Als Unternehmen, das als „Zackenbude“ bekannt wurde, haben

wir alles perfektioniert, was mit Übersetzungen, mit Getriebe – also mit Zähnen, die ineinandergreifen – zu tun hat. Das ist eine unserer Stärken, die wir bis heute auch pflegen. Wir sind praktisch in allen Bereichen, in denen Zahnräder eingesetzt werden, unterwegs – und zwar mit einer Kompetenz und einem Produktportfolio, die uns einzigartig auf der Welt machen. Wir bauen übermannshohe Industriegetriebe ebenso wie kleine Getriebe, die wir

„AUTONOMES FAHREN IST NICHT NUR EINE APP“ nicht nur als Fahrantrieb im Fahrzeug haben, sondern zunehmend auch in Anwendungen unserer neuzugekauften Tochter TRW einbringen – also etwa in Bremssysteme und Lenkungssysteme für autonomes Fahren. Hier ist die Herausforderung, das zukunftsträchtig zu machen. Und das heißt, dass die Zukunft Sie zwingt, das angestammte Feld zu verlassen und sich auf ganz Neues einzulassen. Nicht die Zukunft zwingt uns, sondern unsere eigene Erkenntnis über die Po-

13

tenziale der Veränderungen im Geschäft mit der Mobilität. Ein Getriebe heute erfüllt schon recht komplexe Aufgaben, etwa die mechanische Drehmomentverteilung auf alle vier Räder. Wir sehen, dass das nun Stück für Stück elektrifiziert, also elektronisch gesteuert werden kann. Die Elektrik wird nicht schlagartig die Zahnräder verdrängen, sondern über Hybridgetriebe zunehmend Einzug halten. Somit geht der Wechsel in die Elektromobilität für uns langsam – eine technologische Metamorphose, die in zwei, vielleicht drei Dekaden dazu führt, dass wir rein elektrische Antriebe liefern, in denen vielleicht noch eine Zahnradstufe dabei ist, aber grundsätzlich ganz andere Dinge unsere Kernkompetenz sein werden. Sie werden also Ihr Produktportfolio verändern. Wir verändern das in der Tat. Wir führen es der Technik nach – anders als im Silicon Valley, wo man sagt: Wir machen morgen alles ganz anders, und zwar als Software oder als App. Wir sehen keine Transformation des Unternehmens, wie sie etwa IBM gemacht hat – vom Hardware-Schreibmaschinen-Hersteller zum Softwareproduzenten. Wir glauben schon, dass unsere Fabriken mit Komponenten, mit Hard-

INTERVIEW

ware, auch in Zukunft ihr Geld verdienen werden. Und ein autonom fahrendes Fahrzeug ist nicht nur eine App – sondern es braucht weiterhin mechanische Komponenten: Radaufhängung, Antrieb, Bremsen, Sicherheitssysteme. Die werden in Zukunft lediglich vernetzt und intelligent sein – aber immer noch mechanisch. Diese Transformation ist unsere Aufgabe. Deshalb müssen wir beim autonomen Fahren ganz vorne mit dabei sein. Wir müssen verstehen, wie die Technik der Zukunft aussieht, damit wir die HardwareKomponenten mit der richtigen Intelligenz ausstatten können. Das eine ist das Produktportfolio, das andere der Mitarbeiter. Der typische Mitarbeiter von ZF hat in den vergangenen 100 Jahren Metall bearbeitet und die Teile zusammengebaut. Was wird der zukünftige Mitarbeiter von ZF machen? Er wird die gesamten Wertschöpfungsprozesse entwerfen, überwachen, kontinuierlich qualitativ verbessern und dabei Roboter programmieren, die die alte, manuelle Tätigkeit des Zusammenfügens übernehmen. Das Qualitätsprofil der Mitarbeiter bei ZF wird sich völlig verändern. Das ist in der

Industrie allerdings nichts ganz Neues: In den 1980er Jahren hat man angesichts der Fortschritte der Robotik und Automatisierungstechnik auch einmal von der menschenleeren Fabrik geredet. Und heute? Die menschenleere Fabrik gibt es noch immer nicht. Zwei Dinge sind passiert: Das Qualifikationsprofil der Mitarbeiter hat sich geändert – es gibt heute nicht mehr den Zerspanungstechniker, der den Vor-

„DIE NEUE WELT WIRD SCHRITT FÜR SCHRITT DIE ALTE WELT AUS DEN FABRIKHALLEN DRÄNGEN“ schub an einer kleinen Kurbel nach vorne dreht, sondern den Programmierer, der in einem Bearbeitungszentrum steht, wo die CAD-Daten auf die CNCFräse heruntergeladen werden und er mehrere dieser Maschinen überwacht. Das Zweite, was passiert ist: Das Produktionsvolumen hat so zugenommen, dass dadurch sogar eher mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden. Aus zehn Drehern wurden zwölf Maschinen-Bediener. So wird es auch bei Industrie

14

4.0 sein: Qualifikationsprofile werden noch höherwertiger, während einfache, lohnintensive Aufgaben durch Roboter übernommen werden. Wenn wir das erfolgreich machen, werden wir international wettbewerbsfähig sein und über Mengensteigerungen das Beschäftigungsniveau halten können – auch hier in Deutschland. Wird genügend Zeit sein, dass sich die Belegschaft auf natürlichem Weg darauf einstellt – oder gilt: alte Kompetenzen raus, neue Kompetenzen rein? Da gibt es kein Schwarz oder Weiß. Sicherlich gibt es Menschen, die von ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Lebensalter nicht mehr zum Programmierer gemacht werden können. Aber Gott sei Dank wird diese Umstellung nicht auf einen Schlag erfolgen, sondern kontinuierlich durch neue Produkte. Die neue Welt wird Schritt für Schritt die alte Welt aus den Fabrikhallen drängen. Unsere Aufgabe dabei ist, das Personal nach seinen Fähigkeiten zu entwickeln und den Übergang verträglich zu moderieren. Wichtig ist, dass wir in der Ausbildung die neuen Qualifikationen trainieren. Menschen, die digital groß werden,

müssen wir dafür gewinnen, nicht bei Google oder Apple arbeiten zu wollen, sondern für uns. Ich bin sicher: Die Arbeit bei uns wird genauso interessant sein, wie eine App zu entwickeln. Dazu müssen wir auch in unseren Organisations- und Arbeitsformen interessant werden für die jungen Leute. Starre Arbeitszeiten von 9 bis 17 Uhr wird es in unserem Unternehmen nicht mehr geben – wir müssen als Organisation rund um die Uhr erreichbar sein, rund um die Uhr produzieren, überall auf der Welt. Dazu brauchen wir Leute, die flexibel sind. Was übrigens nicht nachteilig sein muss, im Gegenteil: So kann man gleichzeitig auch familienfreundliche Arbeitsmodelle erzeugen – Flexibilität ist keine Einbahnstraße. Das Thema Software und Programmierung wird in Zukunft ein zentrales Thema bei ZF sein – wichtiger als Grundkenntnisse der Metallbearbeitung? Wir werden die Stärken, die wir in der Mechanik haben, nicht aufgeben. Denn Mechanik von höchster Präzision wird es immer geben müssen. Mit einer Software-App können Sie nicht von A nach B fahren. Aber die Mecha-

nik wird immer intelligenter gesteuert. Und das macht die Software. Folglich werden wir in Zukunft beide Welten bedienen müssen. Für ZF bedeutet das: Wir müssen uns im Bereich Softwareentwicklung maßgeblich verstärken – und zwar in allen Facetten. Das reicht vom kleinen Controller im Steuersystem eines Getriebes, den wir ebenso entwickeln und programmieren müssen, bis hin zur kompletten Mobi-

„MIT EINER SOFTWARE-APP KÖNNEN SIE NICHT VON A NACH B FAHREN“ litätslösung. Das heißt nicht, dass wir unser Ertragsmodell komplett umstellen wollen, wie es einige Unternehmen derzeit relativ aggressiv machen. Wir sind so stark in der mechanischen Welt positioniert, dass wir nicht in zehn Jahren das Gleiche mit reinen Softwarelösungen verdienen könnten. Wenn Sie komplette Mobilitätslösungen inklusive Software anbieten, kommen Sie da nicht Ihren Kunden,

15

etwa der deutschen Automobilindustrie, ins Gehege? Überhaupt nicht. Die Automobilindustrie kauft Software, genauso wie sie heute Komponenten, Mechanik oder Dienstleistungen einkauft. Ich sehe da überhaupt keine Wettbewerbssituation. Was können Sie besser als die Automobilhersteller? Das ist eine klassische Hierarchie: Die Automobilhersteller definieren die übergeordnete DNA ihres Fahrzeugs: Welche Funktionalität soll es haben und wie soll es sich anfühlen? Sportlich? Komfortabel? Besonders sicher? Aufgabe des Fahrzeugherstellers ist, einzelne Komponenten – ob selbst entwickelt und gebaut oder zugekauft – so zusammenzufügen, dass ein in sich stimmiges Fahrzeugkonzept entsteht. In der Ebene darunter, also für uns als Komponentenzulieferer, geht es immer stärker in das Thema Mechanik: Ist sie optimal ausgelegt? Wie steuert man sie an? Das sind Dinge, mit denen sich der Fahrzeughersteller gar nicht so sehr beschäftigen will – er will Lösungen von uns als Zulieferer. Wo es in die einzelnen Funktionalitäten eines Getriebes geht, eines Bremssystems, einer Lenkung oder eines Airbags, da

haben wir das Kern-Know-how – das wir dann mehreren Fahrzeugherstellern gleichzeitig zur Verfügung stellen. Das wollen die Fahrzeughersteller auch so. Und es macht auch Sinn, denken Sie an den Mengeneffekt. Und nicht jeder muss und will das Rad neu erfinden. Die Fahrzeughersteller stellen ihre DNA in den Mittelpunkt der Entwicklung, damit es sich so wie ein Audi, ein BMW oder ein Mercedes anfühlt. Darunter muss natürlich die Zuverlässigkeit und Solidität ausgereifter Komponenten stecken. Sie haben das automatisierte Fahren angesprochen. Wie sehen Ihre Visionen aus? Das autonome Fahren wird sich aus der zunehmenden Reife der heutigen Assistenzsysteme entwickeln. Es gibt bereits Abstandsautomaten, Spurverlassens-Warnungen, Spurhalte-Assistenten, Spurwechsel-Assistenten und Notbrems-Assistenten. Aber das alleine ist es noch nicht: Autonomes Fahren ist mehr, als sich ins Auto zu setzen und es alle Fahraufgaben selbständig lösen zu lassen. Wenn autonomes Fahren einen Wert an sich haben soll, dann müssen wir unsere Lebenszeit im Auto anders gestalten können – keiner

möchte angeschnallt hinter dem Lenkrad sitzen und dem Lenkrad zugucken, wie es sich selbst dreht. Stattdessen werden wir uns zurücklehnen oder hinlegen wollen oder uns einem Bildschirm oder Beifahrer zuwenden – wir müssen uns also vom Fahrgeschehen entkoppeln können, nur dann macht autonomes Fahren wirklich Sinn. Das aber bedeutet, dass die Insassenschutzsysteme – Airbag und Sicher-

„AUTONOMES FAHREN IST MEHR ALS SICH INS AUTO ZU SETZEN UND ES ALLE FAHRAUFGABEN SELBSTÄNDIG LÖSEN ZU LASSEN“ heitsgurt –, so wie sie heute definiert sind, nicht mehr zu 100 Prozent funktionieren werden. Sie sind heute ausgerichtet auf einen Fahrer, der aufrecht in Fahrtrichtung sitzt, im richtigen Abstand zum Lenkrad. Nur so schützen sie optimal. Verlässt der Fahrer diese Position, funktioniert das nicht mehr – das starre Insassenschutzsystem von heute steht in kras-

16

sem Widerspruch zu dem, was man sich vom autonomen Fahren erwartet. Dass nämlich der Innenraum ganz anders gestaltet und genutzt werden kann. ZF ist hier gut aufgestellt: Wir bieten neben der Sensorik, die autonomes Fahren überhaupt erst ermöglicht, und der intelligenten Mechanik von Bremse über Lenkung bis Antrieb auch Insassenschutzsysteme. Und die werden wir so entwickeln, dass man den Innenraum variabel gestalten kann. Wie? Etwa, indem man den Airbag nach außen verlagert und sich der Energie eines Aufpralls außerhalb des Fahrzeuginnenraums entledigt. Denn eines ist klar: Auf Schutzsysteme wird man auch beim autonomen Fahren nicht verzichten können – weil es auch in Zukunft zu viele Unwägbarkeiten geben wird. Es ist also ein ganz, ganz weiter Weg zum autonomen Fahren? In der Vision, wie man sie heute hat, durchaus. Relativ schnell kann man den Wert des autonomen Fahrens hingegen beim sogenannten „Valet Parking“ generieren: Sie fahren vors Ho-

INTERVIEW

tel, die Oper oder das Einkaufszentrum, steigen aus, und das Auto sucht sich selbständig einen Parkplatz – und holt Sie wieder ab, sobald Sie es wünschen. Das wird viel schneller passieren als die große Vision des autonomen Fahrens. Denn das ist viel beherrschbarer. Und es wird die Parkhäuser verändern, platzsparender machen. Bisher muss jeder so parken, dass er die Fahrertüre noch aufbekommt. In Zukunft werden die Autos autonom Tür an Tür einparken, jeder Zentimeter wird genutzt. Im Pkw-Bereich ist das derzeit das große Thema. Wird das auch bei den für Sie so wichtigen Nutzfahrzeugen eine Rolle spielen? Selbstverständlich. Im Grundsatz können Sie all das auch auf Nutzfahrzeuge und Landmaschinen übertragen. Hinzu kommen speziell abgestimmte, neuartige Funktionen, die sie bei einem Pkw nicht brauchen. Nehmen Sie einen Lkw: Hier können wir zum Beispiel den kompletten Werksverkehr automatisieren. Der Fahrer fährt seinen Sattelzug vor dem Werk in die Schlange, loggt sich über die Telematik ins Logistiksystem ein – und kann sich schlafen legen. Der Sattelzug fährt autonom ins Werk und erreicht zum richtigen Zeitpunkt die richtige Stelle, wo er im Idealfall auch noch automatisch entladen wird. Und es wäre bereits heute umsetzbar, weil man in einem Werk aus dem öffentlichen Verkehrsraum raus ist und sich in einem geschlossenen Umfeld befindet – die ganze statistische Breite an Zwischenfällen, die es im Straßenverkehr geben kann, gibt es in einem Werksverkehr so nicht. Der Wert des Ganzen? Der Spediteur spart Geld und der Fahrer geht nach der ganzen Aktion ausgeruht mit vollem Zeitkonto wieder auf die Straße. Genauso kann man in der Landwirtschaft das Feld beackern oder Dinge auf einer Baustelle automatisieren. In diesen Bereichen wer-

den wir also autonomes Fahren viel schneller erleben.

den. Aber 2020 wäre all das serienreif – wenn unsere Kunden das wollen.

Über welchen Zeitraum reden wir? Die Technik, von der ich eben sprach, also etwa das „Valet Parking“ beim Pkw oder automatisierter Werksverkehr beim Lkw, steht heute bereits zur Verfügung. Aber solche Dinge sind am Ende natürlich von der Infrastruktur abhängig. Ich bin sicher: In der nächsten Fahrzeuggeneration 2020 sind sie umsetzbar. Wir haben heute schon Fahrzeuge, die selbständig die Parklücke suchen und einparken – wir haben das auf der IAA vorgestellt.

Diese Visionen, von denen Sie gesprochen haben, woher kommen die? Schaut man da ins Silicon Valley? Oder kommt das auch aus dem deutschen Ingenieursgeist? Beides. Was man im Silicon Valley lernen kann, ist nicht die Technik, sondern das Unternehmertum und die Start-up-Kultur. Dinge nicht wie der deutsche Ingenieur erstmal zu 120 Prozent im Kopf durchzukonstruieren, sondern völlig unvoreingenommen zu sagen: Die Idee ist toll, das könnte funktionieren, ich versuche das mal. Hinzu kommt in den USA eine Investorenkultur, die ebenso denkt – und schnell viel Geld locker macht. Aber die technische Fähigkeit, Ideen Realität werden zu lassen, haben wir in Deutschland mindestens genauso. Wir trauen uns lediglich im Ideenstadium nicht, die Dinge so progressiv nach vorne zu treiben, wie man es in den USA macht.

„EIN HEILSAMER IMPULS, WENN APPLE UND GOOGLE VORMACHEN, DASS DINGE DOCH FUNKTIONIEREN KÖNNEN“ Die US-Amerikaner sind uns da mit ihren neuartigen Konzepten nicht weit voraus? Sagen wir mal so: Es ist sicherlich einfacher, autonomes Fahren in einem Umfeld wie dem Silicon Valley bei schönem Wetter und immer auf den gleichen Straßen hinzubekommen. Daraus ziehen auch die dortigen Unternehmen ihre Erfolge, die sie ins Schaufenster stellen. Das gleiche Fahrzeug im verschneiten Sankt Petersburg oder im chaotischen Turin, das wäre mit Sicherheit eine andere Herausforderung. Und ZF wird das, was Sie visionär beschrieben haben, anbieten können? Nur ein Beispiel von vielen: Wir haben kürzlich ein Lenksystem vorgestellt, bei dem der Lenkeinschlag der Räder deutlich größer ist als bei herkömmlichen Fahrzeugen und deshalb der Rangierraum viel kleiner sein kann. Also: Wir können bereits viel, einiges muss noch marktfähig gemacht wer-

17

Welche Gedankenwelt wird am Ende siegen? Best of both – das Beste aus beiden Welten. Die deutsche Industrie braucht die Impulse aus dem Silicon Valley, weil sonst andauernd unsere Techniker kommen, um uns zu erzählen, dass dieses und jenes auch in hundert Jahren nicht geht, weil sie nur die technologischen Probleme sehen. Da ist es schon ein heilsamer Impuls, wenn Apple und Google vormachen, dass Dinge doch funktionieren können. Umgekehrt wollen diese Unternehmen gar nicht lernen, wie man ein Fahrwerk ordentlich auslegt, oder sich mit der Funktionalität eines Stoßdämpfers auseinander setzen. Schauen Sie sich Tesla an – da hat es nun erste Rückrufe gegeben. Wissen Sie warum? Probleme mit der Mechanik der Rücksitzbank. Es geht also scheinbar nicht mit dem SoftwareUpdate 7.8 – Elon Musk muss sich also auch mal mit profanen Mechanik-

INTERVIEW

Problemen auseinandersetzen (lacht). Da stoßen zwei Welten aufeinander. Ich glaube, um die Zukunft zu bestehen, muss man beides können. Zur US-amerikanischen Innovationskultur gehört die viel höhere Akzeptanz des Scheiterns. Wird Scheitern Einzug halten in die ZF-Unternehmenskultur? Ja, das muss sogar sein. Wir haben eine Denkfabrik gegründet, in der wir Dinge machen, bei denen Menschen meines Alters die Augen verdrehen und fragen: Ob das mal gutgeht? Dort sagen wir trotzdem: Macht mal! Das ist ein Kulturwandel. Scheitern ist in den Genen eines deutschen Ingenieurs nicht vorgesehen. Also müssen wir es lernen – langsam, mit positiven Leuchttürmen und dem klaren Bekenntnis, dass Scheitern eben auch erlaubt ist. Denn Scheitern bedeutet auch: Lernen, Know-how aufbauen und am Ende immerhin auch zu wissen, was nicht geht. Sie haben kürzlich das fast gleich große US-Unternehmen TRW übernommen. Wie gelingt es Ihnen, ein Stiftungsunternehmen vom Bodensee und ein börsennotiertes US-Unternehmen miteinander zu vermählen? Schönes Klischee, oder? Hier das romantische Stiftungsunternehmen vom Bodensee, dort die Börsenhaie von der Wallstreet. Im Ernst: ZF ist 100 Jahre alt, wir waren schon vor diesem Kauf ein global agierendes Unternehmen, wir haben bereits in der Vergangenheit andere börsennotierte Unternehmen gekauft, etwa Sachs von Mannesmann oder den belgischen WindkraftgetriebeHersteller Hansen. Wir haben Erfahrung, diese Kultur- und Prozesselemente anzuwenden, die bei der Eingliederung notwendig sind. Und TRW ist ebenfalls ein Unternehmen, das mehr als 100 Jahre alt ist und sich im Lauf seiner Geschichte mehr als einmal neu erfunden hat. Zudem: Viele der Unternehmensteile von TRW sind nicht an

der Wallstreet groß geworden, sondern unter anderem hier in Deutschland. Da gibt es keine großen gedanklichen Entfernungen, die überbrückt werden müssten. Und schließlich: Wir haben TRW nicht gekauft, um WallstreetExpertise zu bekommen, sondern wegen dem, was für unser Geschäft relevant ist: die Technik und der Kundenzugang. ZF ist stark bei den Premiumherstellern in Europa, TRW bei den Volumenherstellern in den USA. Es läuft ideal, weil wir keine Wettbewerbssituation haben, sondern uns komplementär ergänzen. Ein großer Unterschied ist hingegen, wie die beiden Unternehmen zuvor geführt wurden: ZF sehr dezentral – TRW klar von oben nach unten. Diese Welten gilt es nun zusammenzu-

„SCHEITERN BEDEUTET AUCH: LERNEN, KNOW-HOW AUFBAUEN UND AM ENDE IMMERHIN AUCH ZU WISSEN, WAS NICHT GEHT“ bringen, beide haben Stärken, keine ist die einzig wahre. ZF muss lernen, stärker in einem Führungsrahmen zu agieren, und TRW muss lernen, mehr unternehmerische Verantwortung an die Basis zu delegieren. Welche Rolle wird der Standort Deutschland in Zukunft für ZF spielen? Deutschland ist die TechnologieKeimzelle. Allerdings nicht mehr alleine. Was die Wertschöpfung angeht, so wollen wir sie in Deutschland halten. Allerdings wird es sicherlich einen Wandel geben: von einfachen Produktionsarbeitsplätzen, die eher ins Ausland gehen, hin zu den anfangs beschriebenen höherwertigen technisch orientierten Berufen der Industrie 4.0, die wir in Zukunft eher hier sehen. An

18

allen Standorten gilt: Wir brauchen mehr Effizienz – wobei Effizienz nicht niedrigere Lohnkosten bedeutet, sondern mehr Flexibilität. Darauf müssen wir uns in Deutschland verstärkt einstellen – starre Arbeitszeiten und starre Büroorganisation gehören der Vergangenheit an. ZF ist in Deutschland an zwei Standorten sehr stark: in Baden-Württemberg und Bayern. Aus bayerischer Politik-Sicht geht eine grüne Landesspitze politisch gar nicht. Was sagt der Unternehmer, der beide Welten kennt? Politische Couleur ist mir wurscht. Zumal sie zunehmend an Kontur verliert: Grün ist nicht mehr nur grün, schwarz nicht mehr nur schwarz, rot ist nicht mehr nur rot. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Thomas Oppermann, hat Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel ermahnt, sich auf ihre konservativen Werte zu besinnen – so weit sind wir schon. Also nochmal: Politische Couleur ist für uns nicht relevant. Uns geht es darum, dass die Politik den richtigen Rahmen steckt. Sie darf die industrielle Stärke, die wir Gott sei Dank in diesem Land haben, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wer uns zunehmend eingrenzt und dafür sorgt, dass wir hier unflexibler werden, der zwingt uns dazu, uns im Ausland nach geeigneten Standorten umzusehen. Wenn Sie heute nach Nordamerika schauen, sehen Sie dort Bundesstaaten, die eine Gesetzgebung, die einer Ansiedlung im Weg steht, innerhalb von zwei Monaten so ändern, dass man dort arbeiten kann. Das würde ich mir auch von einer Bundes- und Landesregierung wünschen. Egal welcher Couleur. Stefan Sommer ist Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG mit Standorten in München, Nürnberg, Passau, Thyrnau, Auerbach, Schweinfurt, Regensburg und Bayreuth. 왗

Stark für Bayern – der vbw champ

Unter dem Motto Leben und Arbeiten in den bayerischen Regionen engagiert sich die vbw 2016 zum vierten Mal bei der BR-Radltour. Wir zeichnen an jedem Tour-Abend Menschen, die sich für ihre bayerische Region stark machen, mit dem vbw champ aus. Feiern Sie mit uns die vbw champs der BR-Radltour 2016! Die Preisverleihung findet an allen Tour-Tagen zwischen 18.00 und 20.30 Uhr statt. Im Anschluss erwarten Sie Konzerte mit bekannten Top Acts.

Termine

Top Acts

30.07. Marktredwitz / Auftakt

Zum Redaktionsschluss standen die Künstler an den jeweiligen Terminen noch nicht fest. In Kürze erfahren Sie alle Details zum Rahmenprogramm auf unserer Website.

31. 07. Neustadt an der Waldnaab 01. 08. Neunburg vorm Wald 02.08. Viechtach 03.08. Vilshofen 04.08. Vilshofen 05.08. Burghausen / Tourfinale

Die Teilnahme an der Preisverleihung und der Besuch der Konzerte sind kostenfrei. Weitere Informationen finden Sie unter www.vbw-champ.de

Die vbw ist dabei !

POLITIK

Brexit – das sagen

Foto: destina – Fotolia

Am 23. Juni entscheiden die Briten, ob sie sich aus der Europäischen Union verabschieden. Das vbw Unternehmermagazin sprach mit Ökonomen über die Folgen, die ein Brexit hätte – für Großbritannien und für uns. Immerhin: Die meisten rechnen mit einem „Nein“ zum Brexit.

PROFESSOR DR. WOLFGANG GERKE Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums „Die politischen Folgen würden katastrophal sein, Europa sich weiter auseinanderleben und die nationalstaatlichen Interessen wieder in den Vordergrund treten. Kurzfristig würden die Briten mehr unter einem Brexit zu leiden haben als Kontinentaleuropa, auf Dauer würden sie den Schulterschluss zu den USA schaffen. Die Zuspitzung, dass sich die Briten damit quasi zu einem transatlantisch gelegenen US-amerikanischen Bundesstaat machen, würde die britische Seele allerdings schwer treffen. Von den negativen Folgen eines Brexit besonders betroffen wäre Deutschland: Geografisch in der Mitte Europas gelegen und wirtschaftlich eine Exportnation, die von freien Grenzen lebt, hätten wir besonders unter den Folgen eines wirtschaftlich und politisch auseinanderdriftenden Europas zu leiden. Für Bayern als wirtschaftlicher Motor in Deutschland gälte das in einem noch höheren Maße.“ 왗

DR. JÖRG KRÄMER PROFESSOR DR. CLEMENS FUEST Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung „Ein Brexit würde sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der verbleibenden EU erheblichen Schaden anrichten. Einem Volksentscheid für den Austritt würde eine Phase der Unsicherheit folgen, in der über die Modalitäten des Austritts verhandelt wird. Diese Unsicherheit würde Unternehmen und private Haushalte veranlassen, Investitionen zu verschieben, vor allem im Vereinigten Königreich würde die Konjunkturentwicklung leiden. Die langfristigen Wirkungen hängen davon ab, ob die britische Wirtschaft auch nach dem Austritt in den europäischen Binnenmarkt integriert bleibt. Deutschland exportiert derzeit Waren für rund 90 Milliarden Euro pro Jahr ins Vereinigte Königreich, das damit der drittgrößte Exportmarkt für deutsche Produkte ist.“ 왗

Chefvolkswirt der Commerzbank AG „Zunächst könnten die Finanzmärkte unruhig werden, das Britische Pfund dürfte schwächer handeln. Ein Euro-Anstieg könnte aber trügerisch sein, der Euroraum ist nicht der sichere Hafen, für den ihn viele halten: Denn die Staatsschuldenkrise ist in einer Reihe von Ländern keineswegs gelöst, sondern nur von der ultralockeren Geldpolitik der EZB übertüncht. Mit einem Brexit dürften die Europa-kritischen Kräfte auf dem Kontinent Auftrieb bekommen und es den etablierten Politikern erschweren, Strukturreformen und die europäische Integration voranzutreiben. Schließlich würde Deutschland einen Verbündeten für eine marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung in Europa verlieren. Für die Wirtschaftsbeziehungen mit Großbritannien wird entscheidend sein, ob, wann und wie ein Assoziierungsabkommen geschlossen wird – das kann noch Jahre dauern.“ 왗

20

ANDREAS REES Chefvolkswirt von Unicredit „Größter Verlierer eines Brexit wäre nicht die EU (oder Deutschland), sondern Großbritannien selbst. Schließlich ist die EU der mit Abstand engste und größte Handelspartner Großbritanniens. Im Zuge eines Brexit würde die Unsicherheit über das zukünftige Verhältnis des Landes mit der EU erheblich ansteigen. Eine hohe Unsicherheit ist aber schlecht für die (britische) Wirtschaft. Die Investitionen dürften massiv zurückgehen, die Preise von Vermögenswerten in Großbritannien deutlich fallen, und der Außenhandel würde empfindlich getroffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Land innerhalb von zwei Jahren eine Rezession erlebt, liegt bei über 50 Prozent. Unseren Schätzungen zufolge könnte ein Brexit in den nächsten zehn bis 15 Jahren unter dem Strich rund sechs Prozent des britischen BIP kosten.“ 왗

die Ökonomen PROFESSOR DR. MICHAEL HEISE Chefvolkswirt, Allianz SE „Obwohl ich immer noch von einem „Remain“-Votum im Juni ausgehe, so ist das Risiko einer Mehrheit für „leave“ doch beachtlich. Die unmittelbaren Folgen wären ein Einbruch an den Finanzmärkten, erhöhte Risikoprämien und Kreditkosten und eine Abwertung des englischen Pfundes. Die – wahrscheinlich Jahre dauernde – Neuaushandlung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU würden nicht immer in guter Atmosphäre verlaufen. Zu viel steht für beide Seiten auf dem Spiel. Das unausweichliche politische Drama würde die wirtschaftliche Unsicherheit noch verstärken. Eine Rezession in Großbritannien könnte nicht ausgeschlossen werden. Länder mit enger wirtschaftlicher Verflechtung zum Königreich – wie Deutschland, Irland oder die Niederlande – würden negativ in Mitleidenschaft gezogen werden. Die politischen Folgen eines Brexit wären noch gefährlicher. Die Brexit-Verhandlungen würden die politische Energie der EU aufzehren – und das zu einer Zeit, in der die EU mit Flüchtlingskrise, Terrorgefahr, akuten Sicherheitsrisiken in ihrer Nachbarschaft und den verbleibenden Schwächen des Euros bereits überfordert scheint.“ 왗

DR. HOLGER SCHMIEDING Chefvolkswirt, Berenberg Bank „Scheiden tut weh. Nach einem Brexit könnte London nicht mehr das Finanz- und Dienstleistungszentrum für Europa bleiben, da Europa in London ansässige Firmen dann als Auslandsfirmen weit härter als bisher regulieren müsste. Großbritannien verlöre Kapital, Investitionen und Arbeitsplätze. Angesichts des hohen Fehlbetrags in der britischen Leistungsbilanz ist selbst eine Sterling-Krise möglich. Das Europa zugeneigte Schottland würde ein neues Referendum über seine Unabhängigkeit verlangen, um so doch in der EU bleiben zu können. Für Deutschland würde der Handel mit seinem zweitwichtigsten Partner außerhalb der Eurozone leiden. Zudem würde innerhalb der EU ein oftmals liberal gesinnter Partner fehlen. Das Beispiel eines Brexit könnte europafeindlichen Kräften auch in anderen EU-Staaten Auftrieb geben. Die Folge neuer Zweifel am Zusammenhalt der EU und des Euros wäre möglicherweise eine Art neuer Euro-Krise. Nur durch eine schnelle gütliche Scheidung ließen sich die Risiken eingrenzen.“ 왗

21

BARBARA BÖTTCHER Referatsleiterin Deutsche Bank Research „Ein Brexit würde für Großbritannien und die dann EU-27 eine Phase erheblicher wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit einläuten. Großbritannien ist ein großes und wirtschaftlich dynamisches Mitgliedsland, dessen Austritt die Machtbalance in der EU verändern und Europa in seiner globalen Rolle, gerade auch mit Blick auf die Außenund Sicherheitspolitik, deutlich schwächen würde. Die Austrittsverhandlungen würden schwierige institutionelle und politische Fragen aufwerfen, u. a. wie die neuen Stimmengewichte zu verteilen wären oder der substanzielle britische Beitrag zum EU-Haushalt kompensiert werden kann. Für Deutschland ist Großbritannien ein wichtiger Partner in der Gestaltung einer investitionsfreundlichen und handelsliberalen europäischen Wirtschaftspolitik. Als Deutschlands drittstärkster Exportmarkt würde die längere Unklarheit über die weiteren vertraglichen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien deutliche Bremsspuren in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit hinterlassen. Das gilt umso mehr für Großbritannien, das fast die Hälfte seiner Exporte mit der EU abwickelt und ein wichtiges Hub für Finanzdienstleistungen ist. Viele ausländische Investoren betrachten es als Brücke in die EU, ein wichtiger Standortvorteil für Investoren, den Großbritannien bei einem Austritt

verlieren würde. Letztendlich werden die wirtschaftlichen Folgen von den neuen vertraglichen Regelungen zwischen der EU und Großbritannien abhängen, deren Aushandeln angesichts der erforderlichen Zustimmung von 27 EU-Mitgliedsländern erhebliche Zeit in Anspruch nehmen und zwischenzeitlich starke Friktionen in den Handels- und Investitionsbeziehungen verursachen wird. Die politischen Folgen hängen davon ab, ob der Brexit eine Reihe weiterer (Austritts-)Referenden anstößt oder ob die EU ihre Integrität bewahren, möglicherweise sogar die Kohärenz in einzelnen Politikbereichen stärken kann.“ 왗

PROFESSOR DR. MARCEL FRATZSCHER Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung „Ein Brexit würde enorm viel wirtschaftliche und politische Unsicherheit in Europa schaffen. Auch wenn die direkten Kosten für Großbritannien, für Deutschland und für die gesamte Europäische Union wohl kurzfristig eher gering sein würden, so würde ein solcher Schritt viel Vertrauen in Europa zerstören. Ein Brexit könnte zudem Nachahmer in anderen europäischen Ländern finden und damit die gesamte europäische Integration gefährden. Eine solche Unsicherheit könnte viele Jahre andauern und würde hohe Kosten, gerade für eine offene Volkswirtschaft wie Deutschland, bedeuten.“ 왗

Schriftmuster

Farbe

V Verlag erlag Magazine Lektor

Akquise

Urheberrecht

Druck

Herausgeber

Buch

ANZEIGE

Cellophanierung

Kl Klamm erhef h ftung

Bildband d

Donau-Wald-Presse-GmbH Medienstraße 5 Tel. 0851/802-594

apier Papier Hardcover P Workflow

Fotoos Fotos

Tageszeitung T agesz a e eitung g

94036 Passau www.pnp.de

22

Autor A utor

STANDPUNKT

Foto: Bayerisches Finanzministerium

A

ngesichts steigender Steuereinnahmen und niedrigerer Zinslasten im Staatshaushalt müssen wir jetzt den Steuerstillstand der letzten Jahre beenden. Bayerns Wirtschaft geht es gut, das Land wächst. Dieser Erfolg zeigt sich gerade in den Steuereinnahmen: In 2016 kann der Freistaat mit zusätzlichen Steuereinnahmen von 334 Millionen Euro rechnen, die komplett in die Rücklage fließen sollen. Kommendes Jahr sollen es 450 Millionen Euro mehr sein, im Jahr 2018 dann noch einmal 594 Millionen Euro mehr. Der finanzpolitische Fahrplan für die nächsten Jahre lautet daher: Wir wollen keine neuen Schulden, sondern im Gegenteil den Schuldenabbau fortführen. Seit 2012 hat der Freistaat bereits mehr als 3,6 Milliarden alter Schulden getilgt. Die Investitionsquote soll auf über zwölf Prozent gehalten werden und die Personalquote stabil bleiben. Für die SPD bedeutet Steuergerechtigkeit automatisch Steuererhöhungen. Das ist angesichts der aktuellen Rekordsteuereinnahmen und Niedrigzinsen genau das falsche Signal. Es geht um Entlastungen für die Bürger, nicht neue Belastungen. Durch die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank findet ohnehin eine schleichende Enteignung der Sparer statt. Mit den Niedrigzinsen entsteht ein heimlicher Finanzausgleich zugunsten Südeuropas und auf Kosten der deutschen Sparer. Schulden machen lohnt derzeit offenkundig mehr als sparen. Das muss sich ändern. Gleichzeitig spart sich der deutsche Staat enorme Zinskosten. Wir werden daher ein Konzept für eine neue Steueroffensive zur Entlastung der Bürger vorlegen. Dabei geht es auch um die Balance zwischen Aktie

Steuerstillstand beenden, Balance zwischen Arbeit und Aktie wiederherstellen Staatsminister DR. MARKUS SÖDER erläutert seinen finanzpolitischen Fahrplan und Arbeit. Man darf nicht vergessen: Kräfte wie die AfD speisen sich nicht nur aus der Flüchtlingsfrage, sondern auch aus der Tatsache, dass viele Menschen, die hier leben und arbeiten, mit ihrem Arbeitseinkommen nicht in gleicher Weise erfolgreich sind wie mit Kapitalerträgen. Kernthema eines solchen Steuerkonzeptes ist eine Reform des Einkommensteuertarifs. Wir wollen insbesondere die gesellschaftliche Mitte entlasten. Schließlich müssen wir die Kalte Progression dauerhaft beseitigen. Ein Tarif auf Rädern wäre die sichere Alternative. Die Bürger brauchen auch für die folgenden Jahre die Gewissheit, dass sie nicht um ihre Lohnsteigerungen gebracht werden, wenn die Inflation wieder einmal ansteigt. Außerdem wollen wir den Hochtechnologiestandort Deutschland über eine Forschungsprämie für kleine und mittlere Unternehmen stärken. Fast alle Länder in der Europäischen Union haben eine steuerliche Forschungsförderung – Deutschland nicht. Bayern fordert deshalb schon seit langem die

23

Einführung einer steuerlichen Forschungsprämie. Nun starten wir zusammen mit Niedersachsen einen neuen Vorstoß. Bayern hat einen Antrag zur Einführung einer steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung für den Mittelstand in den Bundesrat eingebracht. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist eine Forschungsprämie notwendig, um dauerhaft im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Ein weiteres Thema bleibt die Reform der Erbschaftsteuer. Auch hier müssen wir darauf achten, unseren familiengeführten Mittelstand nicht zu gefährden. Diese Betriebe sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie sind besonders standorttreu und stehen für sichere Arbeitsplätze. Mit einer übertriebenen Neuregelung der Erbschaftsteuer würden wir dieses bayerische und deutsche Erfolgsmodell gefährden. Eckpunkte des Steuerkonzepts sollen bis zur Sommerpause erarbeitet werden. Es geht um Entlastungen für die gesellschaftliche Mitte, um die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands, um Wachstum und Wohlstand für alle. Dr. Markus Söder ist Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. 왗

Fotos: SCHULEWIRTSCHAFT

Im Rahmen der SCHULEWIRTSCHAFT-Tagung „Lebenswelt 4.0“ in der Technischen Hochschule Ingolstadt interpretierte eine Schülertheatergruppe des Reuchlin-Gymnasiums Ingolstadt das Thema Digitalisierung.

Teilnehmer des Workshops testen „Augmented Reality – Neue Möglichkeiten der Auswertung und Visualisierung von Produktionsinformationen“.

BILDUNG

Digitale Talentsuche Talente sind gesucht nicht nur wegen des Fachkräftemangels, der rasante Fortschritt ändert auch Berufsbilder – damit haben junge Menschen die Qual der Wahl und neue Chancen. Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT arbeitet auf verschiedenen Ebenen an Projekten zur optimalen Orientierung

D

ie Uroma hatte eine Tanzkarte, auf der sich interessierte junge Herren eintragen mussten, bevor sie sie auf dem Ball zum Walzer auffordern durften. Mit der Flirt-App, die potenzielle Gesprächspartner ortet, geht das mittlerweile viel einfacher. Auch auf dem Arbeitsmarkt bahnen sich Beziehungen heute anders an. Die Unternehmen informieren mittels App oder Job-Börsen über Stellenangebote. Die Arbeitsagentur porträtiert Lehrstellen im Video. Firmen und Praktikanten knüpfen erste Kontakte unter anderem beim Speed-Dating. Die Digitalisierung eröffnet immer neue Möglichkeiten. Das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft e.V. – bbw will mit seinen SCHULEWIRTSCHAFT-Angeboten in verschiede-

nen Projekten die dafür notwendige Unterstützung bei der Berufsorientierung anbieten. „Keine Ahnung“ antworten 15- bis 18-Jährige noch häufig auf die Frage, was sie nach dem Schulabschluss machen wollen. Zu vielschichtig sind die potenziellen Jobs, unüberschaubar die Möglichkeiten – aber auch riesig die Chancen. Eine erste Hilfe kann das Online-Tool KoJACK des bbw sein, das Jugendlichen, aber auch Erwachsenen und in jüngster Zeit zudem Flüchtlingen anhand von 125 Fragen in eineinhalb Stunden eine gute Grundlage für die weitere Berufssuche bereitet. Es dient den Usern zur Selbsteinschätzung und vermittelt einen Eindruck ihrer Kompetenzen. „In unseren Angeboten werden verstärkt digitale Medien eingesetzt, z. B. bieten Lernplattformen

25

neue Formen der Kommunikation, Kooperation und Vernetzung. Zudem bieten fachliche Online-Tools neue, effektive Wege der Vermittlung von Lehr- und Lerninhalten“, so Anna Engel-Köhler, Hauptgeschäftsführerin des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft e. V. Längst als Möglichkeit der Berufsorientierung etabliert hat sich die Praktikumsbörse Sprungbrett Bayern, auf der 15.000 Firmen registriert sind und über 32.000 Praktikumsplätze für über 3.900 unterschiedliche Berufe anbieten. In Speed-Datings, die Sprungbrett Bayern regelmäßig veranstaltet, haben in den letzten vier Jahren 1.700 Teilnehmer mögliche Praktikumsstellen gecheckt. In kurzen Gesprächen lernt der potenzielle Praktikant seinen eventuellen Arbeitgeber kennen. 왘

Vertreter aus Unternehmen und von Schulen tauschen sich über die Lebenswelt 4.0 aus. Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT setzt Ideen in vielfältigen Projekten um.

Bei Siemens startet der Weg in Richtung Ausbildung online. Interessierte Schüler bekommen die aktuellsten Informationen über die Internetseite des Unternehmens und bewerben sich seit sechs Jahren über einen Eignungstest auf der Internetplattform. Zwar werden Noten und Lebenslauf online abgefragt, aber Zeugnisnachweise sind erst später gefragt. „Dadurch verkürzen wir unsere Antwortzeiten und können mehr Menschen einladen und kennenlernen“, berichtet Dr. Jürgen Hollatz, Human Resources, Siemens AG in Erlangen. Zudem stellt sich im Online-Test manchmal auch heraus, wo die Begabungen tatsächlich liegen. „Wir suchen nicht die besten, sondern die geeignetsten Bewerber für unsere Ausbildungs- und Arbeitsplätze.“ Neben den Einstellungsverfahren ändert die fortschreitende Digitalisierung Voraussetzungen quer durch alle Bereiche. „Wir aktualisieren laufend die Inhalte unserer Berufsbilder. So

kommt heute zum Beispiel Themen wie Robotik und 3-D-Druck ganz neue Bedeutung zu“, so Hollatz, der auch ehrenamtliches Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft SCHULEWIRTSCHAFT Bayern ist. Welche Berufe erfordern bei diesem rasanten Fortschritt welche Kompetenzen? Welche Fähigkeiten und welches Wissen sollten Bewerber mitbringen? Siemens schult Mitarbeiter der Ausbildungszentren zu den neuen Themen, die mit der Digitalisierung Einzug halten. Gleichzeitig werden die Bildungszentren mit den neuen Technologien ausgestattet. erade für die theoretische Wissensvermittlung gebe es durch Einzug der Digitalisierung in der Bildung neue Chancen. Kurse können, so Hollatz, über neue Medien noch „besser an persönliche Lernbedarfe“ angepasst werden, sodass die einen sich nicht unterfordert fühlen und andere intensivere Erklä-

G

26

rungen und Wiederholungen bekommen, die sie zum Verständnis benötigen. „Diese Individualisierung des Lernens bietet künftig noch bessere Chancen im Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten.“ uch in Zukunft, so ist Dr. Hollatz überzeugt, wird der persönliche Kontakt im Vordergrund stehen, und müssen Ausbilder, Trainer und Coaches den Lernprozess der Auszubildenden unterstützen. Die Vielzahl möglicher Methoden auf ihre Qualität und ihren Nutzen zu bewerten, wird ebenso eine besondere und spannende Herausforderung. In über 100 Arbeitskreisen des Netzwerks SCHULEWIRTSCHAFT tauschen sich Lehrer und Unternehmensvertreter aus, um die Berufsfindung aufeinander abzustimmen. Mehr als 5.000 Aktive engagieren sich in Bayern für gelingende Übergänge von der Schule in die Arbeitswelt. „Das Netzwerk SCHULE-

A

WIRTSCHAFT bringt sich hier mit der breit gefächerten Expertise seiner Mitglieder ein und fördert den Dialog und Projekte sehr praktisch und regional vor Ort“, erklärt Hollatz. m zum Beispiel mehr Arbeitskräfte für sogenannte MINT-Berufe zu gewinnen, gibt es über die Bildungsinitiative „Technik – Zukunft in Bayern“ eine Reihe von Angeboten, die Schulen und Jugendliche nutzen. „My-CampStory“ etwa soll die Medienkompetenz fördern. In den Forscherinnencamps drehen die Teilnehmerinnen Filme über ihre Eindrücke. In DigiCamps wiederum wird es um das Thema Cybersecurity gehen. Auf dem Terminplan für den Herbst steht das Thema „Game Group“, die als Nach-

U

mittags-AG in Schulen praktisches Wissen der Spiele-Entwicklung vermittelt und eine erste Berufsorientierung in diese Richtung ermöglicht. Medienpädagogen und Spieledesigner entwickeln zusammen mit den Schülerinnen und Schülern Computerspiele im Bereich Technik. In „Start-App“ wiederum werden Workshops oder Seminare angeboten, in denen sich junge Leute auf verschiedene Weise mit den Möglichkeiten der Geräte und Anwendungen auseinandersetzen und selber Ideen entwickeln. Das Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT hat zudem eine Vielzahl von Projekten und Veranstaltungsformaten in Arbeit, die Impulse für die Kompetenzen in einer digitalisierten Welt geben und an den Bedürfnissen der Regionen orientiert sind. 왗

Foto: contrastwerkstatt – Fotolia

BILDUNG

Neue Medien nicht verteufeln: Begeisterung für Technik kann bereits im Kindergartenalter gefördert werden.

Anzeige

WIR FÖRDERN ANALOG UND DIGITAL Bayerns Mittelstand ist stark in seiner Vielfalt. Als Förderbank für Bayern finanzieren wir bewährte Konzepte genauso wie die Umsetzung digitaler Ideen. Gerne beraten wir Sie kostenfrei, wie Sie unsere Fördermöglichkeiten nutzen können. Tel. 0800 – 21 24 24 0

www.lfa.de

Fotos: Namberger, Maloja

Peter Räuber (l.) und Klaus Haas haben vor elf Jahren die Firma Maloja gegründet. Die Zentrale befindet sich auf einem Anwesen nahe Prien am Chiemsee.

PORTRÄT

Das Label Maloja erfindet sich für jede Kollektion neu.

Showroom unterm Scheunendach Mit dem Namen eines Schweizer Bergdorfs macht die Marke Maloja im oberbayerischen Chiemgau Karriere

S

aharastaub trübt den Blick auf die Kampenwand. Trotzdem ist Bergwetter. An solchen Tagen wären die Textiltechniker und die Designer, die hier für die nächste Kollektion anschieben, lieber da droben auf dem Berg – mit dem Rad oder der Kletterausrüstung im Sommer, mit Skiern oder dem Board im Winter. Die Leidenschaft zum Sport in der Natur ist quasi Einstellungskriterium. Die Zentrale für das Team, das die Marke „Maloja“ prägt, befindet sich auf einem Bauernhof im Chiemgau im kleinen Weiler Bach nahe Prien. Das kleine Schweizer Bergdorf, nach dem das Unternehmen benannt ist, wiederum steht für das Lebensgefühl der Bergsportler und für einen Traumtag. Wie auf einer Wandtapete stehen die Charolais-Rinder hinter den Schreibtischen. Stoisch kauend. Von den Ar-

beitstieren an den Schreibtischen trennt sie eine von Holzkreuzen durchsetzte Glasfront. Der Betrieb hat sich vor einigen Jahren in einer, wie die Inhaber damals meinten, viel zu großen Scheune eingerichtet. Doch die Fläche musste bereits um einen Anbau erweitert werden. Maloja hat sich gut entwickelt. Nicht rasant wie manches Start-up, sondern mit Maß. Der Showroom befindet sich unter alten Dachbalken. Im Erdgeschoss darunter und im Souterrain ist Platz für die 40 Teil- und Vollzeit-Beschäftigten. Mittendrin steht Valli am Herd und rührt für die Mittagspause eine thailändische Gemüsepfanne an. Das gemeinsame Mittagessen gehört hier so dazu wie das Du. Das ist wie auf dem Berg, wie beim Sport. Die Geschäftsführer und Gründer heißen Peter Räuber und Klaus Haas.

29

Maloja – der Ort – liegt 17 Kilometer südlich vom glamourösen St. Moritz, von dessen Ruhm das Bergdorf gänzlich unberührt geblieben ist. Maloja – die Marke – will auch so sein: anders. Und mit einem eigenwilligen wie konsequenten Weg bewahrt der kleine Sporttextilhersteller seit zwölf Jahren seine Selbständigkeit neben den großen Konkurrenten und wächst, weil er sich Nischen sucht – in Europa und weltweit. Zu den Fans der kleinen Marke gehören Sportler, die sich selber nichts schenken. Biken, Klettern, Laufen oder im Winter Skitourengehen und Langlauf sind ihre Sparten. Das Outfit muss passen und praktisch sein. „Funktionskleidung“ gab es auch Ende der 90er Jahre, als Mountainbiking langsam immer populärer wurde. „Radlgwand“, sagt Peter, „war rot oder royalblau und es war langwei-

Variable Schriftzüge gehören zum Programm.

Design macht vorm Reißverschluss nicht halt.

Stoffe müssen wechselnde Bedingungen aushalten.

Damit nichts zwickt, werden Nähte gelasert. Klaus Haas (l.) ist zuständig fürs Geschäft, Peter Räuber für Ideen. Die aktuelle Kollektion bei Maloja heißt Rock & Roll.

lig.“ Der gelernte Feinmechaniker arbeitete als Quereinsteiger im Vertrieb für Marken, die zum Beispiel Windsurfer mit peppigen Klamotten ausstatteten. Im Sommer veranstaltete Peter Touren für Mountainbiker am Gardasee. „Mir fehlte die Verbindung aus Technik und Style, Trikots und Hosen, mit denen man auch abends noch gut angezogen ist.“ Er entwickelte seine Vision einer Mode, die Radler und Bergsportler nicht nur praktische Technik bietet, sondern sie auch gut aussehen lässt. Klaus Haas, den Unternehmensberater, kannte Peter Räuber geschäftlich, weil er über ihn Ware für einen Windsurfer-Laden in der Karibik orderte. „Der kennt sich mit Zahlen aus.“ Peter wollte, dass der Betriebswirt ihn bei seiner Geschäftsidee berät. Der gebürtige Schwabe wiederum fand die Idee so cool, dass er ins Unternehmen mit einsteigen wollte. Und noch einer kam dazu: Der E-Werk-Besitzer Dr. Andreas Stern, der sich aber im Hintergrund halten wollte. In einer Wohnung wurde Maloja 2004 gegrün-

det und brachte die ersten 80 Teile auf den Markt. Heute sind es 600 im Jahr, davon 350 Funktionsteile und 250 Streetware-Styles. aloja, den Namen zur Idee, brachte Peter mit. Maloja war für ihn und eine Gruppe von Freunden der Ausdruck für etwas Besonderes und stand für die Erinnerung an einen Traumtag, den sie erlebten, weil sie sich abseits der bekannten Pfade im Engadin bewegten. „Mit den Snowboards hatten wir die Pisten um St. Moritz abgegrast, da wollte ich noch Maloja sehen.“ Es war ein Schriftzug auf einem Lieblingsbild: Der Sprung eines Freestylers im Pulverschnee, blauer Himmel, Bilderbuchlandschaft. Oben am Pass zwischen Engadin und Bergell fand die Gruppe einen steilen Hang mit Tellerlift und erlebte einen „Wahnsinnsvormittag“. Der Name des Bergdorfs stand seitdem für ein Lebensgefühl und lieferte später die Grundlagen der Unternehmensphilosophie: Einfache Mittel, Respekt vor

M

30

Mensch und Natur, Emotion, die man mit anderen teilt – eigene Wege gehen. In der Scheune im Chiemgau duftet es nach asiatischen Gewürzen. Die Chefs und Mitarbeiter holen sich Teller und bedienen sich an der Pfanne. Die Tischplatte besteht aus einer ehemaligen Bauernschranktür mit farbigen Blumen. Es gab hier keinen Innenarchitekten, aber einen befreundeten Schreiner mit Liebe zu Gebrauchtem und die Lust des einen oder anderen, auf Flohmärkten nach ausgefallenen Stücken zu stöbern. Die alten Teile mixen sich mit Schreibtischen aus Massivholz und Regalen aus dem Möbelhaus. Im Showroom spiegelt sich der Kunde in einem 70er-JahreFrisiertisch, der mit plüschigem rosa Samt verkleidet ist. Zur aktuellen Maloja-Kollektion könnte das nicht besser passen. Sie ist geprägt vom Stil der frühen 60er Jahre. Rock & Roll ist das Thema. Dass sich jedes Jahr das Motto der Kollektion ändert, gehört bei Maloja zum Programm. Selbst vom Schrift-

PORTRÄT

zug gibt es jedes Mal eine neue Variation. Das widerspricht dem von PRBeratern beschworenen Corporate Identity, und so soll es sein. Kunden werden das Shirt, das sie im Jahr zuvor gekauft haben, nicht wieder finden. Sie müssen ein anderes ausprobieren. en Kreativschub für das eine Thema, mit dem sich alle ein Jahr lang beschäftigen, holt sich das Team auch bei speziellen Exkursionen. Die bislang außergewöhnlichste stand unter der Überschrift „HiSociety“, eine Kollektion, die sich dem Lebensraum zwischen 1.400 und 2.000 Höhenmetern widmen sollte. Die Firma sperrte eine Woche lang zu und die Mitarbeiter leisteten eine Woche Sozialarbeit bei der Bergbauernhilfe in Südtirol, ein Unterstützungsprogramm, ohne die die Höfe nicht überleben könnten. „Da wirst du extrem demütig“, resümiert Peter, „eine warme Dusche, ein Klo, das auf Knopfdruck funktioniert – das weißt du plötzlich zu schätzen.“ Zudem begleitete den Einsatz „ein wahnsinniger Respekt vor der Leistung der Bauern und diesem Kulturgut, das sie pflegen“.

D

In diesen Jahren war Maloja sehr von traditionellen Einflüssen getragen. Als das Thema Tracht aber immer mehr zum Trend wurde, wechselte Maloja den Stil. Für eine der nächsten Serien reiste das Entwickler-Team 11.000 Kilometer nach Peru: Pachamama – Mutter Erde. „Wir sind mit einem klapprigen Reisebus 5.000 Meter hohe Pässe raufgefahren“, erzählt Peter. Die Maloja-Themen sollen, so seine Intention, nicht einem Marketing-Ziel entsprechen, sondern eine Hommage sein an Menschen und ihre spezielle Lebensart und Kultur. eben einem eigenen Produktionsbetrieb in Bulgarien mit mittlerweile 130 Mitarbeitern lässt Maloja in Italien produzieren. Aber auch in China. „Ohne Asien geht es nicht, weil es in Europa für bestimmte Styles keine ausreichenden Produktionskapazitäten gibt und das Know-how teilweise erst aufgebaut werden müsste“, sagt Klaus. Doch weil die Oberbayern auf langfristige Beziehungen aus sind, vertrauen sie ihren Zulieferern. Auf Partnerschaft baut auch die Zusammenarbeit mit Athleten auf Weltklasseniveau in Maloja-Disziplinen, die dazu beitra-

N

gen, die Qualität des Outfits immer wieder zu verbessern. Maloja stattet etwa das Pushbiker Rennradteam aus, dessen Mitglieder bei den Sechstagerennen ununterbrochen im Sattel sitzen. Die Anregungen dieser Experten sind für die Chiemgauer ein wertvoller Input für die technische Weiterentwicklung der Kollektion. angsam, aber beständig ist das Unternehmen gewachsen. Mit Massenproduktion könnte Maloja nicht konkurrieren. Stattdessen sind 85 Prozent der produzierten Ware von langfristigen Partnern vorbestellt. Nicht jedes Geschäft sei für die Marke gewinnbringend. „Wir wollen exklusiv bleiben.“ Wachstumsmärkte liegen außerhalb Europas. Neben Läden in München, Innsbruck und Salzburg hat das Label aus dem bayerischen Chiemgau inzwischen auch einen in Seoul eröffnet. Viel Potenzial gibt es auch in den USA, Kanada sowie in Skandinavien und selbst im kleinen Wüstenstaat Dubai machen die Chiemgauer gute Umsätze. Viele kleine Gipfel habe Maloja nach und nach erklommen und Betriebswirt Klaus Haas meint: „Wir sehen, dass es da noch viele weitere Gipfel gibt.“ 왗

L

Zum Großraumbüro in der Scheune gehört eine offene Küche, zum Arbeitstag das gemeinsame Mittagessen.

31

6

Fotos: Obermeier

1 2

3

5

4

7

8

10

9

SZENE

11

Ministerpräsident für Themenoffensive „Gespräche mit der bayerischen Wirtschaft liefern wertvolle Impulse für die Themenoffensive der bayerischen Staatsregierung“, sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer beim Bayerischen Wirtschaftsgespräch der vbw. „Mir ist wichtig, dass die Unternehmen Luft zum Atmen haben und nicht mit immer noch mehr Aufwand und Bürokratie überzogen werden. Dafür werde ich in Berlin weiter kämpfen.“ vbw Präsident Alfred Gaffal erklärte, dass die wirtschaftliche Lage derzeit von einer konsumgetriebenen Scheinkonjunktur geprägt sei. „Diese wird ausschließlich durch den niedrigen Ölpreis, die niedrigen Zinsen und den schwachen Euro gestützt und ist nicht nachhaltig. Trotz dieser volatilen konjunkturellen Lage geht von der Bundesregierung eine Flut an Regulierungen auf die Wirtschaft nieder. Das muss aufhören.“ Wichtige Zukunftsaufgaben sieht die vbw in der Digitalisierung, der Globalisierung, einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur und im Breitbandausbau. 1 vbw Präsident Alfred Gaffal (v. l.), Ministerpräsident Horst Seehofer, vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. 2 Horst Seehofer bei seiner Rede. 3 Interessierte Gäste hörten Horst Seehofer im Europasaal zu. 4 vbw Ehrenpräsidenten Dr.-Ing. Eberhard von Kuenheim (l.) und Senator E. h. Hubert Stärker. 5 Klaus Lindner (v. l.), Hauptgeschäftsführer Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie, Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer Bayerischer Bauindustrieverband, Manfred D. Zehe, Geschäftsführer Bayerischer Ziegelindustrie-Verband, Professor Elmar Bauer, Vizepräsident Verband der Bayerischen Textil- und Bekleidungsindustrie. 6 Fragen aus dem Publikum, Thomas Kaeser, Vorstandsvorsitzender Kaeser Kompressoren und bayme vbm Regionalvorsitzender Oberfranken-West. 7 Christian Brix (l.), Geschäftsführer enUMtec GmbH, Gudrun Schillig, Jürgen Müller, Geschäftsführer PARItec GmbH, und Frau Cornelia (r.). 8 Professor Dr. Dr. h.c. Heinrich Oberreuter (l.) und Alfred Sauter MdL. 9 Michael Gammel (v. l.), Geschäftsführer Gammel Engineering GmbH, mit Frau Gudrun und Alfred Gaffal. 10 Horst Seehofer beantwortete Fragen der Medienvertreter. 11 Ministerpräsident Horst Seehofer beim Vorgespräch mit den Mitgliedern des vbw Präsidiums. 12 FDP-Landesvorsitzender Albert Duin (v. l.) und Dr. Wolfgang Heubisch, ehemaliger bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. 13 Dr. Brian Rampp (l.), Leiter Politik AUDI AG, und Markus Blume MdL. 14 Get-together im Foyer.

12

13

14

SZENE

1

Mit Frankreich an einem Strang ziehen Bei einem Besuch des französischen Unternehmerverbands MEDEF im Haus der Bayerischen Wirtschaft diskutierten Firmenvertreter aus Frankreich und dem Freistaat über Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung, die Steigerung der Innovationskraft von Unternehmen sowie Erfahrungen in der Ausbildung. vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt betonte: „Frankreich ist ein sehr wichtiger Partner Bayerns in Europa. Von der deutsch-französischen Partnerschaft und Freundschaft profitieren beide Länder gleichermaßen auch in wirtschaftlicher Hinsicht.“ Der französische Unternehmerverband MEDEF vertritt mehr als 750.000 Unternehmen aus allen Wirtschaftssektoren in Frankreich.

2 3

4 1 Begrüßung durch den Präsidenten der MEDEF, Pierre Gattaz. 2 vbw Vizepräsidentin Stephanie Spinner-König mit Pierre Gattaz. 3 vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. 4 Pierre Gattaz freut sich über das Gastgeschenk der vbw. 5 Manfred E. Neubert schildert die Frankreicherfahrungen der SKF GmbH.

5

Die bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber bayme vbm haben im Rahmen eines Kongresses die Ergebnisse einer neuen Studie zum Thema „Industrie 4.0 – Auswirkungen auf Aus- und Weiterbildung in der M+E-Industrie“ vorgestellt. Dazu erklärte bayme vbm Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt: „Wenn wir die Herausforderungen der Industrie 4.0 positiv gestalten wollen, müssen wir die berufliche Aus- und Weiterbildung gezielt auf die Bedarfe der Digitalisierung in der industriellen Fertigung ausrichten.“ Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die bestehenden Berufsbilder der betrieblichen M+E-Ausbildung ein gutes Fundament für die Mitarbeiterqualifizierung bilden. 1 Moderator Roman Roell, Bayerischer Rundfunk (v. l.), Gerold Hasel, Leiter Personal Maschinenfabrik Reinhausen, Regensburg, Kurt Haßfurter, Oberstudiendirektor, Schulleiter Jakob-Preh-Schule, Bad Neustadt, Stefan Müller MdB, Parlamentarischer Staatssekretär Bundesministerium für Bildung und Forschung, Professor Dr. Dr. h.c. Georg Spöttl, Universität Bremen, bayme vbm Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. 2 Bertram Brossardt. 3 Metall- und Elektroarbeitgeber hatten zum Kongress geladen.

1

2

3

Fotos: vbw, Obermeier

Digitalisierung bringt neue Berufsbilder

2

1

Netz für Mobilität 4.0 5 3 4

6

„Das automatisierte Fahren wird kommen. Die Entwicklung und Umsetzung muss bei uns als technologieführendem Automobilstandort stattfinden. Dazu brauchen wir die entsprechende Infrastruktur“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt auf einem Kongress der vbw zum „automatisierten Fahren“. Im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe „Deutschland hat Zukunft“ diskutierten die Teilnehmer, unter ihnen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, über die Voraussetzungen der Infrastruktur. Dobrindt betonte: „Wir wollen unsere Erfolgsgeschichte beim Automobil digital fortschreiben und die Wachstums- und Wohlstandschancen der Mobilität 4.0 nutzen.“ 1 Bertram Brossardt und Alexander Dobrindt MdB, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. 2 Professor Dr. Matthias Klingner, Leiter FraunhoferInstitut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI. 3 Dr.-Ing. Stefan Knirsch, Mitglied des Vorstands, Technische Entwicklung AUDI AG, Ingolstadt. 4 Henning R. Mack, Regionalleiter Süd-Ost, Region Bayern (Muc BD) KÜHNE+NAGEL (AG & Co.) KG, Langenbach. 5 Alexander Dobrindt. 6 Bertram Brossardt (v. l.), Henning R. Mack, Alexander Dobrindt, Prof. Dr. Matthias Klingner, Dr.-Ing. Stefan Knirsch und Moderator Dr. Marc Beise, Süddeutsche Zeitung.

1

Masterplan zur Bildungsintegration Der Aktionsrat Bildung fordert in seinem Gutachten „Integration durch Bildung. Migranten und Flüchtlinge in Deutschland“ einen umfassenden Plan zur Integration durch Bildung. Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der vbw, die den Aktionsrat Bildung ins Leben gerufen hat, erklärte bei der Vorstellung des Gutachtens: „Die Integration von Migranten und Flüchtlingen gelingt nur, wenn sie gezielt den Weg in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit finden.“ Prof. Dr. Dieter Lenzen, Vorsitzender des Gremiums, sagte: „Die Integration durch Bildung ist eine der mit Abstand wichtigsten Bildungsaufgaben in der Geschichte der Bundesrepublik. Aus diesem Grund hat sich der Aktionsrat Bildung entschieden, eine Diskussion anzustoßen und konkrete Empfehlungen zu geben. Ein Masterplan Bildungsintegration als Teil eines Masterplans Migration duldet keinen Aufschub.“ 1 Teilnehmer der Podiumsdiskussion: Professor Dr. Dieter Lenzen (v. l.), Vorsitzender Aktionsrat Bildung und Präsident der Uni Hamburg, Dr. Christof Prechtl, Geschäftsführer und Leiter Abteilung Bildung der vbw, Dr. Claudia Bogedan, Präsidentin der Kultusministerkonferenz Berlin, und Herbert Püls, Ministerialdirektor im Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst. 2 Professor Dr. Rudolf Tippelt, Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Pädagogik und Bildungsforschung, LMU. 3 Professor Dr. Bettina Hannover, Leiterin des Arbeitsbereichs Schule und Unterrichtsforschung im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin. 4 Professor Dr. Tina Seidel, Prodekanin TUM School of Education. 5 vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

3 2

4

5

LIFESTYLE

Mehr als Die Fußball-Europameisterschaft nimmt uns ab 10. Juni gefangen und sie wird den ganzen Wahnsinn widerspiegeln, den die Liebe zu diesem Sport mit sich bringt. An Fanartikeln in Schwarz-Rot-Gold kommt keiner vorbei. Menschen bemalen sich in den Nationalfarben. Beim Publicviewing fallen sich Wildfremde in die Arme. Fans zahlen Unsummen, um ins Stadion zu kommen. Noch mehr Geld wird ausgegeben, um sich an besondere Momente zu erinnern, an große Spiele, an wunderbare Tore. Bis zu 200 Prozent Rendite und mehr bringen zum Beispiel schmutzige Fußballhemden, die damit sicher zu den gewinnbringendsten Geldanlagen gehören. Die sogenannten „matschworn“ Trikots der Stars gibt es schon bald nach jedem Spiel. Über das Portal sport-auktion.de bieten Vereine getragene Trikots mit den

B

eau Jeu – schönes Spiel heißt der Ball zur Fußball-Europameisterschaft in Frankreich, der eigens von Adidas entwickelt und zuvor von Profis getestet wurde. Es gibt ihn im Fachhandel für rund 140 Euro als Original. Der Wert wird sich um ein Vielfaches steigern, wenn der Ball im Spiel war und er dann auch noch die Unterschriften der Europameister trägt. Das Auktionsportal United Charity konnte mit signierten Bällen bereits viel Geld sammeln für Sporthilfe und andere Stiftungen.

Seltene Autogramme gibt es beim Schweizer Spezialisten Markus Brandes. Sie kosten zwischen 50 und 385 Schweizer Franken. Mehr Unterschriften gibt es im Internet unter www.autograph-market.com.

Schuhe in Gold der FußballerLegende Pelé, ein Ticket des Wunders von Bern sowie Rasen aus dem Olympiastadion in Rom, wo die DFB-Elf 1990 Weltmeister wurde. Rare und kuriose Devotionalien ergattern Sammler zum Beispiel im Auktionshaus Agon.

LIFESTYLE

ein Spiel Unterschriften der Kicker von der ersten Bundes- bis in die Regionalliga. Je spektakulärer das Ereignis, umso mehr wird für das Souvenir bezahlt. Der Fußball-Schuh, mit dem Mario Götze das goldene Tor für die Nationalmannschaft im WM-Finale gegen Argentinien geschossen hat, ist nun für einen guten Zweck versteigert worden. Der Schuh brachte zwei Millionen Euro bei der Spendengala „Ein Herz für Kinder“. Ausgewählte Andenken für gute Zwecke kommen häufig beim Auktionsportal United Charity unter den Hammer. Signierte Fußbälle, Autogrammkarten und Tickets oder sogar Teile des Rasens haben ihren Platz bei Versteigerungen auch auf Ebay. Dabei wird über die Devotionalien unter Umständen genauso leidenschaftlich diskutiert wie über das Spiel selber. Aber nur bis zum nächsten Anpfiff.

Fotos: Imago, JiSign - Fotolia

Fußball-Hammer: 31.099 Euro brachte im April 2016 ein verschwitztes, aber handsigniertes WM-Trikot von Toni Kroos bei United Charity.

Ihre Unterschriften sind fast Gold wert: Uwe Seeler, Pelé oder auch Otto Rehagel.

Die Plattform sport-auktion.de versteigert zum Beispiel diesen Schuh mit Unterschrift getragen von Lionel Messi, dem wohl erfolgreichsten aller Fußballstars. Allein viermal war er Weltmeister. Entsprechend groß ist das Interesse an Devotionalien rund um Messi.

LETZTE SEITE

Eine Frage noch ...

„I

ch könnte wie folgt anfangen: Unternehmerinnen und Unternehmer sind schon deshalb besser als ihr Ruf, weil ihr Ruf so schlecht ist. Aber ich lasse es. In Wirklichkeit sind die Unternehmerinnen und Unternehmer so unterschiedlich, wie Menschen überhaupt so unterschiedlich sein können. Viele von ihnen sind innovativ, entdecken neue Wege, neue Produkte. Sie sind im permanenten Stress, können nicht einmal richtig Urlaub machen, weil sie immer wieder darüber nachdenken, ob es gelingt, den einen Auftrag zu bekommen und den Verlust des anderen zu verhindern. Sie schaffen die Arbeitsplätze in Deutschland, auf die wir dringend angewiesen sind. Viele von ihnen sind auch bemüht, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anständig zu behandeln und gut zu entlohnen. In gewisser Hinsicht haben es Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leichter, weil sie den Feierabend besser genießen können. Die innere Unruhe verlässt die Unternehmerinnen und Unternehmer fast nie. Aber es gibt auf der anderen Seite auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die frei von Ideen sind, die

schon deshalb auf die Insolvenz zusteuern. Es gibt auch solche, die versuchen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlimm auszubeuten, die extrem niedrige Löhne bezahlen. Ich

wünschte mir, dass die vielen anständigen Unternehmerinnen und Unternehmer dagegen auch Stellung nähmen, schon um den eigenen Ruf zu verteidigen. Und dann gibt es jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die in Insol-

38

venz getrieben werden und daran völlig unschuldig sind. Auch deren Interessen müssen vertreten werden. Wir haben ein Problem, das darin besteht, dass Selbständige zu wenig geschützt sind. Das fängt mit dem Schutz der Gesundheit an und hört bei Arbeitslosigkeit und Rente auf. Hier muss man sich wirklich Gedanken machen, wie der Sozialstaat endlich auch zu den Selbständigen kommt. Eine Kritik der Linken ist aber berechtigt. Die großen privaten Banken, die großen Konzerne sind einfach zu mächtig. Sie entscheiden nicht nur, was die Politik macht, sondern gängeln auch die mittelständischen und kleinen Unternehmen. Wenn man deren Macht beschränken will, muss es ein politisches Bündnis der Linken mit den kleinen und mittelständischen Unternehmerinnen und Unternehmern geben. Daran arbeite ich, aber ich kann es noch nicht so richtig erkennen.



Gregor Gysi, promovierter Jurist und Rechtsanwalt, ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Er war von 2005 bis 2015 Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke 왗

Foto: Deutscher Bundestag

... HERR GYSI, sind Unternehmer in Wahrheit nicht viel besser als ihr Ruf?

À la Carte Business Lunch Cooking Party Catering

Regional trifft mediterran Genießen Sie exquisite Produktküche von Jürgen Weingarten und seinem Team. Im neuen Conti Restaurant im Haus der Bayerischen Wirtschaft – mitten in München, direkt am Kunstareal.

Conti Restaurant

Max-Joseph-Straße 5 80333 München [email protected]

Tel: 089 . 551 78-684 Fax: 089 . 551 78-681 www.conti-restaurant.de

Montag bis Freitag 10 : 00 – 1 : 00 Uhr Samstag 17 : 00 – 1 : 00 Uhr Küche durchgehend bis 22 : 00 Uhr