Kunstforscher - Ein Vermittlungsprojekt in Kooperation mit der

„Kunstforscher“ - Ein Vermittlungsprojekt in Kooperation mit der AWO-Kindertagesstätte „Am Gutshof“ und der Städtischen Galerie Wolfsburg im Schloss W...
Author: Fritz Buchholz
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„Kunstforscher“ - Ein Vermittlungsprojekt in Kooperation mit der AWO-Kindertagesstätte „Am Gutshof“ und der Städtischen Galerie Wolfsburg im Schloss Wolfsburg Seit über 10 Jahren besuchen die Vorschulkinder der AWO-Kita „Am Gutshof“ regelmäßig die Ausstellungen der Städtischen Galerie Wolfsburg. Das Projekt ‚Gewaltprävention durch Kunst’ startete in den Einrichtungen im April 2006. Anliegen des Projektes ist es, Kindern im Rahmen ihrer Entwicklung und Bildung durch Fantasie und Kreativität - Eigenschaften, die für das Leben unerlässlich sind – vielfältige Möglichkeiten der Lebensbewältigung aufzuzeigen. Ziel ist eine Persönlichkeitsentwicklung, die Kreativität und Kommunikation fördert, um Konflikten vorzubeugen oder lösungsorientiert und gewaltfrei zu bewältigen. Positionen zeitgenössischer Kunst halten dazu eine breite Palette an Themen bereit. Die Städtische Galerie Wolfsburg bietet darüber hinaus eine Erweiterung des Bildungsspektrums für die Kindertagesstätte an. Die Betrachtung zeitgenössischer Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr rufen die unterschiedlichsten Gefühle und Reaktionen auch bei den ganz jungen Betrachtern hervor. In der direkten Umsetzung werden die Gefühle visualisiert und bieten so einen Ansatz zur Bewältigung von Konflikten. Die Fachkräfte der Kindertagesstätte und die Kunstvermittlerinnen der Städtischen Galerie Wolfsburg arbeiten dabei Hand in Hand und entwickeln die Inhalte immer wieder neu und themenbezogen. Die ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und die Entfaltung ihrer Persönlichkeit stellen einen wichtigen Faktor für Lebensfreude und -bewältigung dar. Die Entwicklung des Selbstwertgefühls, der Kommunikationsfähigkeit und Konfliktbewältigung sowie die frühkindliche Sprachförderung sind Bereiche der Persönlichkeitsentwicklung und damit auch Bildungsschwerpunkte aller Aktivitäten der Projektreihe „Gewaltprävention“ der Städtischen Galerie Wolfsburg und des Vereins „jugend in der galerie“.

Eine Auswahl an Projekten 2006: Emil Nolde „Arbeiten auf Papier“ Der Maler Emil Nolde schuf neben seinen farbgewaltigen Gemälden auch ein umfangreiches druckgrafisches Werk in den klassischen Techniken der Radierung, des Holzschnittes und der Lithografie sowie Aquarelle und Gouachen. In diesen grafischen Arbeiten entdeckten die Kunstforscher einige Motive zu Stimmungen, Auseinandersetzungen, die sie auf ihre ganz eigen Weise interpretierten. So haben sich die Kinder mit den Arbeiten von Emil Nolde unter dem Motto „Farben und Gefühle“ auseinandergesetzt und sich in der Aquarellmalerei geübt. Aber auch Themen wie „Brutale Kraft“ oder „Lebensfreude“ aus der Mappe „Phantasien“ regten zu Rollenspielen und Fotografien mit Gesichtsausdrücken, die Freude, Wut oder Trauer widerspiegeln. Da sehr schnell viele Arbeiten der kleinen Kunstforscher entstanden sind, wurden die ersten Kunstmappen entworfen, um alle Werke zu sammeln.

2006: Ken Ohara „Erweiterte Portraitstudien“ Die Ausstellung mit Fotografien und Projekten von Ken Ohara (*1942 in Tokyo) gab einige Anregungen für Projekte und war der Beginn der langjährigen Brieffreundschaft mit dem Künstler. Er besuchte die Kinder zwei Mal in Wolfsburg. Er ist sehr begeistert von dem Projekt und es findet mit ihm ein reger Austausch darüber statt. So fotografierten die Kinder selbstständig auf dem Hansaplatz einige Passanten und in einem weiteren Schritt machten sie mit einer Einmalkamera Aufnahmen von sich und ihrer unmittelbaren Umgebung. Die Gruppe der „Kunstforscher“ schrieb einen Brief an Ken Ohara, in dem sie über ihr Projekt berichteten und den Künstler in die Kindertagesstätte einluden. Daraufhin hatte der Künstler den Kindern geantwortet. Mit seinem ersten und sehr langen Brief – verschickt von Kalifornien nach Wolfsburg – begann die lange Brieffreundschaft mit dem Künstler und die Ankunft eines neuen Briefes wurde jedes Mal zu einem Ereignis. In einem der Briefe bezeichnete er die Verbindung nach Wolfsburg als eines seiner wichtigsten Projekte und so war auch die Freude besonders groß, als er zwei Jahre später aus Kalifornien anreiste und das Schloss Wolfsburg sowie die Kita persönlich besuchte.

2006: Julia Oschatz „Vager Vagabund“ Julia Oschatz (*1970) beschäftigt sich in ihrer Ausstellung „Vager Vagabund“ mit den Themen Reisen, Räume und verborgene Landschaften. In einer spannenden Rauminstallation befanden sich gezeichnete, gemalte oder computeranimierte Bilder und immer wieder tauchte darin ein geheimnisvolles Mischwesen auf, das geheimnisvolle Dinge und die Welt entdecken wollte. Angeregt durch die Bilder in der Ausstellung machten sich Kunstforscher auf zu Entdeckungsreisen in ihre Umgebung. Zunächst mussten sich allerdings Masken schaffen und allerlei andere Ausrüstungsgegenstände. Auch an Julia Oschatz hatten die Kinder viele Fragen, die sie ihr bei einem Besuch der Künstlerin in der AWO-Kita stellen konnten. Dabei wurde ihr auch ein Film präsentiert, den die Kinder bei ihren Erkundungen durch die Nordstadt gedreht hatten. Außerdem wurde ein Fotoband erstellt.

2007: “Home Stories” Die Gruppenausstellung „Home Stories“ widmete sich vielen zeitgenössischen künstlerischen Positionen zum Thema „Wohnen“ als einem individuellen und gesellschaftlichen Phänomen. Präsentiert wurden Werke von 15 deutschen Künstlerinnen und Künstlern. Die Ansätze - in den Medien Fotografie, Video, Malerei und Installation - reichten dabei von dokumentarischen Verfahren bis hin zu rein fiktiven Inszenierungen. Darunter war auch die Videoprojektion „Flooded Home“ von Susanne Kutter (*1971). Dabei wurde ein Zimmer, installiert in dem leeren Becken eines Hallenbades, über eine Stunde lang mit Wasser geflutet. Dabei konnte beobachtet werden, wie sich die Gegenstände langsam in Bewegung setzten, verselbstständigen und sich neu ordnen. Mithilfe eines Aquariums und vielen wasserfesten Utensilien wurde dieses Experiment in der Kindertagesstätte nachgestellt und dokumentiert. Bei der langsamen Flutung kam das Heber-Senker-Prinzip zum Einsatz und die Kunstforschung nahm ihren Lauf.

2007: Christine de la Garenne & Via Lewandowsy „Neobiota. Fragmente des Missverstehens: Peking“ Die Videokünstlerin Christine de la Garenne (1973 in Karlsruhe) und der Installationskünstler Via Lewandowsky (1963 in Dresden) schossen während ihres viermonatigen Aufenthaltes in Peking jeden Tag ein Foto, das ihnen besonders bezeichnend für die fremde Kultur erschien. Sie dokumentieren in einer Sammlung von Fotografien 120 Alltagsgegenstände und Situationen Momentaufnahmen einer gesellschaftlichen und urbanen Umwandlung und zugleich Indizien für die eigenen Adaptionsprozesse an eine fremde Kultur Die vielen Bilder wurden von den Kunstforschern eingehend analysiert und über fremde Sitten und Gebräuche diskutiert. Dabei stand das Essen mit Stäbchen im Mittelpunkt und die fremden Schriftzeichen wurden per Kalligrafie ausprobiert.

2007: Michael Reisch „Landschaften“ Michael Reisch (*1964) kreiert in seinem Werk ein ganz eigenes Bild von Landschaft. Sie erscheint teils real und teils fiktiv. Er fotografiert Landschaften, Industriekomplexe und Häuser mit der Großbildkamera, digitalisiert die Diavorlagen und bearbeitet sie schließlich am Computer. Dabei werden zivilisatorische Spuren entfernt und versetzt oder verdoppelt, so auch Bau oder Landschaftsteile. Nach dem Besuch der Ausstellung erkundeten die Kunstforscher die Landschaften ihrer direkten Umgebung, fotografierten sie und veränderten sie mithilfe von Computer-programmen. Auch die Kita erhielt ein ganz neues Aussehen.

2008: Daniel & Geo Fuchs „TOYGIANTS“ Die Künstler Daniel (*1966) und Geo Fuchs (*1969) arbeiten seit über vierzehn Jahren gemeinsam an konzeptionellen Fotoprojekten. TOYGIANTS ist ihr neuestes Werk, für das sie 2004 begonnen haben, in der Sammlung Selim Varol zu fotografieren. Varols Sammlung umfasst mittlerweile über 10.000 Figuren. Neben formalen Portraits der Köpfe der Plastik-Figuren wie beispielsweise von Andy Warhol, Silvester Stallone, Che Guevara, Saddam Hussein oder Osama Bin Laden haben Daniel und Geo Fuchs skurrile, teils irritierende Inszenierungen mit den Figuren erstellt, die sie zu neuem Leben erwecken. Es entsteht eine spannendes Wechselspiel zwischen Realität und Fiktion. Die großformatigen TOYGIANTS Arbeiten entwickeln beim Betrachter ein ungewöhnliches Eigenleben und geben den Blick frei in eine unbekannte Welt. In der Ausstellung gab es die Abbildung eines Experimentes mit tiefgefrorenen Figuren im Kühlschrank. Davon waren die Kinder so beeindruckt, dass sie ihre Heldenfiguren (Pokémonfiguren, Superman, Spiderman….) aus Plastik in der Küche der Kita ebenfalls diesem Experiment aussetzten. Die Kinder entwickelt aber auch einen Beschützer in Kooperation mit der Jugendwerkstatt und dem Bildhauer Stefan Lindegger wurde eine Figur entwickelt: Der Ritter Rost als Beschützer der Kita, steht noch heute am Eingang und begrüßt und beschützt alle Kinder und Gäste der Kita. Zur Einweihung gab es ein großes Fest mit allen Beteiligten.

2009: Heidersberger „Bufforama“ Mit der Ausstellung zum Werk von Heinrich Heidersberger (1906 – 2006) stellte die Städtische Galerie Wolfsburg einen Aspekt seines vielseitigen Schaffens des Wolfsburger Fotografen vor. Es war eine Serie von Portraitfotografien aus der Zeit des "Studio Five": ein Portraitstudio, das Heinrich Heidersberger kurz nach dem 2. Weltkrieg in zentraler Lage in Braunschweig (Hutfiltern) eröffnete. Dort trafen sich nicht nur Soldaten der britischen Besatzung, die Portraits für die Angehörigen zuhause anfertigen ließen, sondern auch Schauspielerinnen oder Tänzer und viele Künstler. In Heidersbergers "Studio Five" war zu jeder Tagesund Nachtzeit etwas los und der Spitzname "Bufforama" für das Fotostudio lässt auf eine aufregende Zeit schließen. Durch die Ausstellung angeregt, wurde in der Kita ebenfalls ein Fotostudio eingerichtet, Portraitaufnahmen erstellt und mit der Silhouette experimentiert. Für das Fotoshooting konnte man in eine andere Rolle schlüpfen.

2009: Henry Wessel „Photographs“ Der in Kalifornien lebende amerikanische Fotograf Henry Wessel (*1942) hat seit Mitte der 1960er Jahre ein vielschichtiges und beeindruckendes OEuvre geschaffen, das von seinem Interesse am amerikanischen Lebensraum geprägt ist. Er zählt mit Lewis Baltz, Robert Adams, Stephen Shore, Bernd und Hilla Becher u.a. zu den Vertretern der "New Topographics" - einer Fotografengruppe, die sich in ihrem Werk mit dem dialektischen Zusammenhang von Natur und Zivilisation auseinandersetzt. Darüber hinaus hat Wessel eine ganz eigene, sehr von Struktur geprägte Bildsprache gefunden, die sich aber auch durch Humor und Ironie auszeichnet. Die Kinder griffen die Ideen des Künstlers auf und entwickelten eigene Positionen dazu: Portrait, Bildhintergrund, Figur, Licht und Schatten waren die Themen, mit denen sie sich auseinandersetzten.

2010: Helmut Schweizer „Laboratorium“ Zum Leitmotiv aller Entwicklungsphasen seit Ende der 1960er Jahre wird bei Helmut Schweizer (*1946) das Motiv des Laboratoriums, was bei ihm als Metapher für das Leben und existenzielle Prozesse verstanden werden kann. Innerhalb der Ausstellung entstanden einige in situ Arbeiten für Wolfsburg und umfassen den Begriff „soziales Laboratorium“. So entstand zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung eine Lampenskulptur, die einen alten Kronleuchter von Schloss Wolfsburg einband. Dabei waren Bürger und Interessierte eingeladen, Glühbirnen aus aller Welt mitzubringen und die Arbeit rückte somit den alten Leuchter, der durch einen neuen ersetzt werden sollte, ins Bewusstsein. Ebenso sollte an die Glühbirne erinnert werden, also an eine bahnbrechende Erfindung, die heute schon nicht mehr hergestellt wird und damit historisch geworden ist. Ein anderes Experiment fand mit frischen Rosen statt, denen durch Zusätze nach und nach der Farbstoff entzogen wurde. Die Rosen veränderten sich im Lauf der Zeit in der Ausstellungsvitrine sehr, was die Empfindlichkeit und Vergänglichkeit von Natur in den Fokus rückte. Beide Arbeiten, die Lampenskulptur sowie das Experiment mit den Rosen, sollten in der Kita nachvollzogen werden: Eine eigene Lampenskulptur wurde entworfen und die Rosen mussten unterschiedliche Farbexperimente über sich ergehen lassen. Selbstverständlich wurde dabei das Für und Wider von Experimenten sowie der Umgang mit Natur erörtert.

2010: Friedemann von Stockhausen „Interface“ Eine Auswahl von Postkarten, über die Jahre auf Reisen zusammengetragen, bildete den Ausgangspunkt für die mehrteilige Wandarbeit von Friedemann von Stockhausen (*1945). Es sind Köpfe, Masken, Statuen aus verschiedenen Kulturen und historischen Epochen. Sie wurden vergrößert, zerschnitten und übereinander gelegt. Daraus entstanden unerwartete, neue Gesichter. Blicke kreuzen sich, Fremdes mischt sich mit Vertrautem und gewinnt eine eindringliche Präsenz. In seinem Werk hat Friedemann von Stockhausen eine vielfältige Formensprache entwickelt, die sich eindeutigen Zuschreibungen entzieht. Visionäres und Triviales, Lächerliches und Monströses, Rührendes und Groteskes treffen in den Bildern unmittelbar aufeinander und erweisen sich dabei als irritierend nah. In der Schwebe bleibt, was diese Figuren sind oder was sie darstellen. Die exotischen Figuren und Masken war ein spannendes Forschungsfeld für die Kinder der AWO-Kita, wie so häufig Bücher wurden hinzugezogen und das Bild als Collage entwickelt. so konnte man auch ganz neue Ansichten und Einsichten über sich gewinnen.

2012: Marc Brandenburg „NORMEX“ Marc Brandenburg (*1965) hatte in der Städtischen Galerie Wolfsburg mehrere ortsspezifische Installationen geschaffen, die unter UV-Licht oder an den Fenstern präsentiert wurden. Zeichnungen der letzten zwanzig Jahre wurden auf Foliensticker überführt, sodass die Motive wie Filmstreifen vor der Wand zu schweben scheinen. Erstmals gab Marc Brandenburg einen Einblick in sein umfangreiches Fotoarchiv. Brandenburg bildet einfach das ab, was er sieht, was ihm in der Realität oder in den Medien begegnet - oder besser, er trifft eine Auswahl aus den Bildern, die ihm im Kopf hängen bleiben. Die Kunstforscher experimentierten mit großem Engagement in dem Raum mit Schwarzlicht, weiße Kleidung wurde angezogen sowie Farben und Formen zum Leuchten gebracht.

2013: Bernhard Martin „Ode an die Vergesslichkeit“ Im Park von Schloss Wolfsburg ist eine Skulptur entstanden, die Jung und Alt gleichermaßen ansprechen soll. Schloss Wolfsburg wird von einem englischen Landschaftspark im Osten sowie einem Barockgarten auf der Nordseite umgeben. In den Parkanlagen verbinden sich traditionellerweise Natur und Kunst. Für die Ausführung der Skulptur konnte der bekannte Künstler Bernhard Martin (*1966 in Hannover) gewonnen werden, der im Jahr 2008 mit dem Kunstpreis der Stadt Wolfsburg ausgezeichnet wurde und der mit mehreren Werken in der Sammlung der Städtischen Galerie Wolfsburg vertreten ist. Er hat eine Gartenlaube entworfen, die in die Erde versunken scheint, gerade das Dach lugt noch heraus. Keck wächst aus dem Dach ein Ast, der gekrönt wird von einem unerwarteten Element, einem modischen Schuh. Und um diese surreal anmutende Skulptur herum wurde ein kleines Labyrinth angelegt, bestehend aus unterschiedlichen Heckengewächsen. Die Anpflanzung des Labyrinthes wurde intensiv von den Kunstforschern betreut und die Einweihung der Skulptur entsprechend gefeiert.

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