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MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG Institut für Soziologie Korrespondenzzirkel Sozialkunde: Arbeitsblatt 2010-11.1 (Reinhold Sackmann) Lösung...
Author: Marielies Frei
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Korrespondenzzirkel Sozialkunde: Arbeitsblatt 2010-11.1 (Reinhold Sackmann) Lösungshinweise für Lehrer/innen 1. Aufgabe: Datenanalyse zur Bevölkerungsentwicklung (demographischer Wandel) Antworten. Die Fragen sind so angelegt, dass Sie eine unterschiedliche Tiefe der Beantwortung ermöglichen. Die im Folgenden gegebenen Antworten zielen auf Hauptdimensionen, die z.T. auch auf zusätzlichen Quellen beruhen. Aufgabe 1.1: Recherchiere, wie die Kennziffer „zusammengefasste Geburtenziffer“ berechnet wird. Die zusammengefasste Geburtenziffer ist ein Schätzwert für die im jeweiligen Erhebungsjahr x angegebenen Frauen, der angibt, wie viele Kinder sie durchschnittlich während ihres Lebens gebären werden. Dabei werden anhand der Geburtenstatistik des Jahres x jeweils bei allen einzelnen Frauenkohorten im gebärfähigen Alter Proportionen zwischen den gebärenden Frauen und allen Frauen des jeweiligen Jahres berechnet. Die Summe der entsprechenden Dezimalzahlen ergibt die zusammengefasste Geburtenziffer. [Dieser Wert hat den Vorteil die gegenwartsnächste Schätzung des Gebärverhaltens zu liefern, die zudem nicht von den absoluten Geburtenstärken der Frauenkohorten verzerrt wird. Ein Nachteil der zusammengefassten Geburtenziffer liegt darin, dass zeitliche Verschiebungen der Altersverteilung des Gebärverhaltens (z.B. ein Anstieg des Erstgeburtsalters) zu Verzerrungen führen können, die im Falle eines Anstiegs des Gebäralters zu einer Unterschätzung der Geburtenzahlen und im Falle einer Verjüngung des Gebäralters zu einer Überschätzung der Geburtenzahlen führen kann.] Aufgabe 1.2: Analysiere die Daten zur Geburtenentwicklung (Abb. 1): a) Prüfe welche Folgen die deutsche Wiedervereinigung 1990 für die Geburtenziffer hatte? Die Wiedervereinigung hatte keinen Einfluss auf das Gebärverhalten in Westdeutschland. In Ostdeutschland kam es wie in anderen Transformationsländern zu einem starken Abfall der Geburtenziffern. Ab 1993 kommt es in Ostdeutschland zu einer Angleichung an die Geburtenziffern in Westdeutschland. [Hauptverantwortlich für diesen Effekt ist eine Angleichung von Lebenslaufmustern zwischen Ost und West: In der DDR (wie in anderen kommunistischen Ländern) war es üblich sehr früh mit 22, 23 Jahren das erste Kind zu bekommen, um Wohnanrechte zu erhalten. Der Staat begünstigte Geburten während des Studiums. Mit der Vereinigung kam es zu einer deutlichen Erhöhung des Erstgeburtsalters, das inzwischen bei über 27 Jahren liegt. Nun werden Geburten während der Ausbildungsphase bzw. in den ersten Jahren der Berufstätigkeit gemieden, da sie als Signal für ein geringes Erwerbsinteresse interpretiert werden könnten.] b) Erschließe welche Folgen sich aus der Geburtenziffer für den demographischen Wandel in Deutschland ergeben? Die Geburtenziffer liegt unter 2 seit 1970, deshalb bewirkt sie eine rückläufige Bevölkerung, da die Kinderzahl nicht die Elterngeneration ersetzt. [Als Richtwert wird in der Demographie der Wert von 2,1 bei der zusammengefassten Geburtenziffer gesetzt, der eine Reproduktion der Bevölkerungszahl auf gleichem Niveau ermöglichen soll. Man beachte, dass die Geburtenziffer in Westdeutschland seit 1974 relativ konstant bei etwa 1,4 liegt.]

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Abb. 1: Zusammengefasste Geburtenziffer in Deutschland, 1952-2008 Quelle: Statistisches Bundesamt (Internetquelle, letzter Zugriff 6.8.2010: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/AktuellGeburtenentwicklung,templat eId=renderPrint.psml)

Aufgabe 1.3: Analysiere die Daten zur Sterbeentwicklung (Abb. 2): a) Beschreibe und vergleiche die Sterbeentwicklung in Niedersachsen und SachsenAnhalt mit der Kennziffer mittlere Lebenserwartung bei Männern. Die mittlere Lebenserwartung ist in Deutschland zwischen 1993 und 2006 bei Männern um vier Jahre angestiegen. Sachsen-Anhalt (wie andere ostdeutsche Bundesländer) wies Anfang der 1990er Jahre eine deutlich niedrigere Lebenserwartung auf, während Niedersachsen eine leicht über dem Bundesdurchschnitt liegende Lebenserwartung zeigt. In Sachsen-Anhalt gibt es einen schnelleren Anstieg der Lebenserwartung seit der Wiedervereinigung als in Niedersachsen, weswegen sich die Lebenserwartung angleicht. b) Erschließe welche Folgen sich aus der Sterbeentwicklung für den demographischen Wandel in Deutschland ergeben. Wenn die Lebenserwartung steigt, dann sinkt die Zahl der Sterbenden. Dadurch wächst die Bevölkerungszahl bei konstanten anderen Faktoren. Eine steigende Lebenserwartung bewirkt auch eine demographische Alterung der Bevölkerung, [insbesondere wenn die Lebenserwartung ab Alter 60 stark steigt.] Die Entwicklung der Sterblichkeit in den letzten Jahrzehnten hat den sich aus der Geburtenentwicklung ergebenden Bevölkerungsrückgang reduziert und zugleich erheblich zu einer demographischen Alterung der Bevölkerung beigetragen. Abb. 2: Durchschnittliche Lebenserwartung von Männern in Deutschland 1993-2006, nach Bundesländern Quelle: Statistisches Bundesamt (Internetquelle, letzter Zugriff 6.8.2010: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/GeburtenSterbefaelle/Tabellen/Conte nt75/LebenserwartungBundeslaenderZeitreiheMaennlich,templateId=renderPrint.psml)

Durchschnittliche fernere Lebenserwartung in den Bundesländern bei Geburt und im Alter von 60 Jahren1

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Bundesland Männlich BadenWürttemberg Bayern2 Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen MecklenburgVorpommern Niedersachsen NordrheinWestfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt SchleswigHolstein Thüringen Deutschland

1993/1995 2003/2005 2004/2006 2005/2007 2006/2008 0 60 0 60 0 60 0 60 0 60 Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 74,51 18,99 77,64 21,20 78,02 21,50 78,33 21,69 78,58 21,84 73,87 71,91 70,00 72,37 73,28 73,94

18,65 17,58 16,74 18,19 18,80 18,63

76,78 75,84 74,86 75,05 76,41 76,74

20,58 20,17 19,58 20,00 20,39 20,57

77,20 76,27 75,39 75,64 76,65 77,24

20,88 20,46 19,94 20,36 20,58 20,95

77,42 76,60 75,76 75,80 77,03 77,52

21,07 20,67 20,09 20,55 20,77 21,14

... 76,87 76,10 76,00 77,28 77,69

... 20,86 20,32 20,68 20,93 21,25

68,84 16,45 74,03 19,41 74,53 19,70 74,85 19,86 75,13 19,99 73,27 18,28 76,04 20,26 76,47 20,56 76,72 20,75 76,79 20,81 73,20 17,92 75,80 19,86 76,17 20,14 76,45 20,33 76,71 20,50 73,59 72,36 71,44 70,29

18,30 17,46 17,26 16,63

76,11 75,01 75,58 74,21

20,06 19,42 20,12 19,19

76,53 75,37 76,09 74,55

20,38 19,64 20,45 19,43

76,78 75,61 76,42 74,87

20,56 19,74 20,69 19,63

77,05 75,78 76,76 75,09

20,73 19,84 20,89 19,74

73,74 18,53 76,29 20,43 76,55 20,61 76,96 20,82 77,08 20,87 71,31 16,97 74,97 19,49 75,36 19,78 75,68 19,96 75,90 20,15 72,99 18,08 76,21 20,27 76,64 20,58 76,89 20,75 77,17 20,93

1

Quelle: Für die Werte in dem Zeitraum 1993/1995 siehe Sommer, Bettina (1998): Die Sterblichkeit in Deutschland im regionalen und europäischen Vergleich, in Wirtschaft und Statistik 12/1998, S. 960ff. 2 Die Werte für Bayern wurden aufgrund einer länderspezifischen Methodik ermittelt. ...=Angaben fallen später an.

Aufgabe 1.4: Analysiere Daten zur Wanderungsentwicklung (Abb. 3): a) Fasse die Entwicklung der Wanderung zwischen Deutschland und dem Ausland zusammen (Abb. 3). Der Wanderungsüberschuss in Form einer höheren Zahl an Zuwanderern im Vergleich zu Abwanderern ist stark rückläufig seit Beginn der 1990er Jahre. Insbesondere die Zahl der Zuwanderer hat sich zwischen 1991 und 2007 fast halbiert. [Verschärfte Bedingungen der Zuwanderung, etwa im Asylrecht oder bei Aussiedlern, haben diesen Rückgang bewirkt.] b) Bewerte die Bedeutung der Komponenten Geburtenentwicklung, Sterbeentwicklung und Wanderung für die Bevölkerungszahl unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Bevölkerungszahl Deutschlands erst seit 2002 rückläufig ist. Wanderungsgewinne haben bis 2002 eine sich aus der Entwicklung der „natürlichen Bevölkerungsentwicklung“ ergebende Bevölkerungsreduktion kompensiert. [Die durch den Rückgang der Geburtenzahlen in den 1970er Jahren erzeugten Bevölkerungsverluste konnten

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seit der politisch beschlossenen Reduktion der Zuwanderungszahlen nicht mehr ersetzt werden.]

Abb. 3: Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland 1991-2007 Quelle: Statistisches Bundesamt (Internetquelle, letzter Zugriff 6.8.2010: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Bevoelkerung/Wanderungen/Tabellen/Content50/ WanderungenInsgesamt,templateId=renderPrint.psml)

Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland 1991 bis 2007 Jahr Zugezogene Fortgezogene Saldo 2007 680 766 636 854 43 912 2006 661 855 639 064 22 791 2005 707 352 628 399 78 953 2004 780 175 697 632 82 543 2003 768 975 626 330 142 645 2002 842 543 623 255 219 288 2001 879 217 606 494 272 723 2000 841 158 674 038 167 120 1999 874 023 672 048 201 975 1998 802 456 755 358 47 098 1997 840 633 746 969 93 664 1996 959 691 677 494 282 197 1995 1 096 048 698 113 397 935 1994 1 082 553 767 555 314 998 1993 1 277 408 815 312 462 096 1992 1 502 198 720 127 782 071 1991 1 198 978 596 455 602 523

Aufgabe 1.5: Führe in deiner Klasse eine Befragung durch zur Kinderzahl der Mütter der Schüler in deiner Klasse. a) Werte die Daten aus, stelle sie in einer Tabelle dar und berechne ein Äquivalent zu einer zusammengefassten Geburtenziffer. b) Vergleiche den von dir erhobenen Durchschnittswert mit den Werten in Abb. 1. Begründe warum die von dir gefundenen Daten in spezifischer Weise von Werten in Abb. 1 abweichen. Es gibt zwei systematische Gründe von Abweichungen: a) Die Fallzahlen einer Klasse sind sehr viel kleiner als die Berücksichtigung der Gesamtbevölkerung in Abb. 1. Deshalb kann es bei der Klassenerhebung in beiden Richtungen zu Zufallsabweichungen kommen. b) Bei der Klassenbefragung handelt es sich im Vergleich zu allen Frauen im gebärfähigen Alter, deren Gebärverhalten bei der zusammengefassten Geburtenziffer betrachtet wird, um eine selektive Stichprobe, die verzerrend wirkt, da nur Mütter berücksichtigt werden, die mindestens ein Kind haben (und nicht auch kinderlose Frauen). Dadurch liegt die Kinderzahl in der Klassenbefragung tendenziell höher.

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Viel Spaß bei der Beantwortung der Fragen! Bitte schicke deine Antworten per mail an: [email protected] oder alternativ per Post an: Prof. Dr. Reinhold Sackmann Institut für Soziologie Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 06099 Halle (S.) Eine Rückmeldung wird zeitnah verfasst werden.