Ich habe Monster geschaffen

Gesellschaft MODE „Ich habe Monster geschaffen“ John Casablancas, Chef der weltweit erfolgreichsten Model-Agentur „Elite“, im spiegel-Gespräch über S...
Author: Hilke Holtzer
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Gesellschaft MODE

„Ich habe Monster geschaffen“ John Casablancas, Chef der weltweit erfolgreichsten Model-Agentur „Elite“, im spiegel-Gespräch über Supermodels, das Modegeschäft und Magersüchtige auf den Laufstegen

Supermodels Crawford, Schiffer: „Der Mann von der Straße findet so was umwerfend“ SPIEGEL: Herr Casablancas, bei den jüngsten Prêt-à-porter-Schauen in Paris wurde Claudia Schiffer nur ein einziges Mal auf dem Laufsteg gesehen: Bei der Dior-Show trug sie eine schwarze Perücke und verschwand gleich wieder. Geht ihre Karriere zu Ende? Casablancas: Unsinn, auch wenn ein paar Modedesigner Claudia Schiffer nicht buchen, bleibt sie doch eine der schönsten und eine der bekanntesten Frauen der Welt. Als Model hat sie sowieso mehr erreicht als alle Frauen vor ihr. SPIEGEL: Sie meinen, weil sie mit einem Jahresverdienst von schätzungsweise zwölf Millionen Mark in der Liga der SuperDas Gespräch führten die Redakteure Thomas Hüetlin und Marianne Wellershoff.

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models immer noch mitspielt und Millionen von ihren Fitneßvideos verkauft hat? Casablancas: Das hat weniger mit Geld als mit ihrer Popularität zu tun. Wenn ich nach Indien reise und dort einen „Elite“-Modelwettbewerb veranstalte, sagen mir alle Mädchen, sie wollen so sein wie Claudia. Wenn ich meine ehemaligen Arbeitskollegen von der Unternehmensberatung Merrill Lynch treffe, rufen sie: „Hey John, verschaff uns ein Date mit Claudia!“ Wenn ich mit meiner Mutter rede, die 82 Jahre alt ist, sagt sie: „Ah, diese schöne Claudia.“ Und dann sehe ich mir meinen Sohn an: Er ist 18 Jahre alt, und er kann Models nicht leiden, aber ein Foto hat er doch in seinem Zimmer – das von Claudia. SPIEGEL: Gilt nicht trotzdem das Gesetz, daß Mode nach Wechsel verlangt? Daß ein d e r

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REVLON

Gesicht, das jeder kennt und mag, plötzlich langweilig werden muß? Casablancas: Claudia Schiffer ist jenseits der Mode. Sie ist ein Allround-Star: das Mädchen von nebenan, nicht bedrohlich, nicht aggressiv, ohne jede Härte, aber dafür so gesund, so höflich und auf eine sehr traditionelle Weise sexy. Claudia hat einen tollen Busen und einen tollen Hintern – der Mann von der Straße findet so was umwerfend. SPIEGEL: In Interviews ist Frau Schiffer, höflich ausgedrückt, sehr zurückhaltend, und als sie vor anderthalb Jahren eine eigene Talkshow im deutschen Fernsehen startete, war nach einer Folge und vernichtenden Kritiken Schluß. Haben nicht doch jene Leute recht, die sie harmlos und ohne jedes Geheimnis nennen?

Casablancas: Sie ist eben ein wenig reser-

doch den Marktgesetzen. Ein Mädchen wie die adlige Engländerin Stella Tennant begann als Punkrebellin mit Ring in der Nase und repräsentiert heute Nobelmarken wie Chanel. Casablancas: Als Stella zu Elite kam, behielten wir große Teile ihres Punk-Images, aber wir haben auch das bedrohliche Element herausgenommen, ihre ganze Erscheinung weicher und kommerzieller gemacht. Wir haben ihr gesagt: Das hier ist ein Geschäft. Du mußt dich als Star ver-

G. MARINEAU / STILLS / STUDIO X

Grunge-Model

„Wie aus der Mülltonne“

sich anständig benehmen und schauspielern können. SPIEGEL: Ist das Ihre Erklärung dafür, daß neuerdings im Modegeschäft und beispielsweise in der Calvin-Klein-Parfümwerbung Typen auftauchen, die der New Yorker Scout Ned Ambler von der Straße weg engagiert hat und die noch nie einer Agentur angehört haben? Casablancas: Die meisten modernen Kampagnen pflegen derzeit den sogenannten Grunge-Stil, und die Models erinnern an magersüchtige Drogenabhängige. Auf den Laufstegen finden sie heute Frauen, die nicht mal richtig gehen können und aussehen wie aus der Mülltonne. Dann kommt irgendein Fotograf mit einer rosa gefärbten Strähne im Haar und sagt: „Ich stelle jetzt diese Zicke vor die Kamera und beweise, daß es funktioniert.“ Die wollen damit einzig und allein ihr Ego befriedigen. 80 Prozent der Mädchen machen in der nächsten Saison keine Show mehr. Ich weiß gar nicht, wie ich diesen neuen Trend nennen soll. SPIEGEL: Fotografen nennen ihn „new realism“. Aber auch viele der neuen, normalen oder verwahrlosten Models gehorchen d e r

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RETNA / INTER-TOPICS

viert. Zu Hause hat man ihr beigebracht, daß Selbstkontrolle wichtig ist. Die Schiffers sind nicht die Art Leute, die ihre Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit waschen und die Fotos aus der Hochzeitsnacht an die Presse verkaufen. Ich finde, das ehrt sie und unterscheidet sie auch. SPIEGEL: Und niemand stört es, daß das Publikum an den Laufstegen von Paris und Mailand gähnt, wenn Claudia Schiffer auftritt? Casablancas: Alle Supermodels laufen seltener in den Schauen, das ist der Zeitgeist. Noch vor zehn Jahren mußte nur die Unterklasse im Modelgeschäft auf den Laufstegen Geld verdienen. Dann kamen ein paar Designer auf die Idee, einen riesigen Medienzirkus zu inszenieren, indem sie die Mädchen von den Titelseiten für ihre Shows buchten, und die Gagen explodierten. SPIEGEL: Die Kanadierin Linda Evangelista prahlte damals: „Unter 10 000 Dollar steige ich erst gar nicht aus dem Bett.“ Casablancas: Die Designer wurden wahnsinnig. Naomi Campbell, Cindy Crawford und Linda Evangelista verlangten für eine Show 20 000 Dollar, und die B-Klasse trat auch nicht mehr unter 10 000 Dollar an. Ökonomisch war das für die Designer eine Katastrophe. Dazu kam, daß die Models langsam durchdrehten: Sie verhielten sich wie Primadonnen, kamen zu spät, waren auf Drogen, schrien rum, waren schlecht zurechtgemacht. Kurz, sie verhielten sich wie Schlampen aus der Hölle. SPIEGEL: Sie selbst warfen Naomi Campbell damals aus Ihrer Agentur – mit der Begründung, sie sei ein „verwöhntes, selbstsüchtiges Balg, eine gewinnsüchtige Person, die einmal ein paar hinter die Ohren braucht“. Casablancas: Sie rief in der Früh an und bedrohte uns, sie verpaßte ihre Flüge, sie war böse zu jedermann. Wann immer sie ein Telefon in die Hand bekam, fing sie an, uns aufs neue zu erpressen. Sie brachte meine Mitarbeiter zum Weinen, meine Agentur verwandelte sich in ein Tollhaus. Ich sagte: Das alles ist mit Geld nicht zu bezahlen – raus mit dir. SPIEGEL: Sie haben als Besitzer der größten Agentur der Welt diese Geschöpfe doch mitgeschaffen. Casablancas: Das ist richtig. Auf der Liste der Verantwortlichen war ich die Nummer eins. Ich habe diese Monster geschaffen. Und ich habe mir irgendwann gesagt: John, das geht alles zu weit. Du willst wieder ruhig schlafen in der Nacht. Selbst wenn du nur noch halb soviel Geld verdienst. Ich habe ein Memorandum geschrieben an alle anderen Agenturen: „Die Zeit der Supermodels geht zu Ende. Wir müssen etwas auf mittlerem Niveau schaffen.“ Sehen Sie, das ist im Hollywood der neunziger Jahre ja genauso: Nicht 5 Superstars bestimmen das Geschäft, sondern 50, die

Topmodel Tennant

„Bedrohliches Element herausgenommen“

markten. Ich bin besonders stolz darauf, daß uns dieser Übergang so gut gelungen ist. Das liegt aber auch an Stellas Persönlichkeit: Sie ist smart, spontan, witzig, sie ist ein Mensch, mit dem man gerne seine Zeit verbringt. SPIEGEL: Was halten Sie von Cindy Crawfords erfolglosem Versuch, mit ihrem ersten 139

Gesellschaft Kinofilm in Hollywood groß herauszukommen? Casablancas: Wir haben Cindy immer gesagt, wenn du es in Hollywood versuchst, dann geh auf Nummer Sicher. Such dir einen tollen Regisseur, tolle Hauptdarsteller – und eine sehr kleine Rolle, die du kontrollieren kannst. Sieh dir an, wie das Ganze funktioniert. Wenn es schiefgeht, hast du dich nicht vor der ganzen Welt blamiert. Und was macht Cindy? Sie nimmt sich einen B-Klasse-Regisseur und spielt selbst die Hauptrolle. SPIEGEL: Haben Sie tatenlos zugesehen? Casablancas: Das hätte ich nie getan. Ich habe vorher Millionen mit Cindy verdient, aber dann wurde ein Typ von der Schauspieleragentur William Morris ihr neuer Guru – und alles war vorbei. Schauen Sie sich doch an, wo sie heute steht. Die Arme macht jetzt Werbung für Omega-Uhren und MCM-Handtaschen. Ich finde, das sieht entsetzlich aus. Oder ihren Werbefilm für Cadillac. Okay, Cadillacs sind Autos für Mittvierziger, die einen Bauch haben, in der Vorstadt wohnen und es in der Mittelklasse zu ein bißchen was gebracht haben. Also denken die Werbeleute sich, wir nehmen Cindy Crawford, und dann sieht unser Auto ein bißchen jünger, ein bißchen mehr sexy aus. Nur,

„Models schlafen, mit wem sie wollen und wann sie wollen“ was machen Cindys neue Berater? Sie ziehen ihr einen schwarzen Minirock an, und amerikanische Feministinnen sehen dies als Herabsetzung der Frau. Dieser Werbefilm wird nicht lange laufen, denn nach ein paar Tagen rufen die ersten Familienväter aus der Vorstadt bei Cadillac an und beschweren sich: „Hey, ich habe viel Geld für dieses schöne Auto bezahlt, und ihr tut so, als sei das ein Gefährt für Prostituierte.“ SPIEGEL: Was hat Cindy Crawford denn auf einmal gegen Ihre Agentur? Casablancas: Wir erinnern sie an ihre Vergangenheit, von der sie jetzt nichts mehr wissen will. Mit 16 Jahren war sie ein kleines Mädchen aus einem kleinen Kaff in Illinois, und niemand wollte etwas von ihr und ihrem Leberfleck wissen. Wir haben sie erfunden, ohne unsere Pläne wäre sie bestenfalls ein Katalogmädchen für Bademoden in Miami geworden. Wir haben gesagt: Du bist der amerikanische Traum. Und wir haben ein Image für sie entworfen, das zugleich sexy, aber eben auch sehr, sehr sauber war. Gleichzeitig vermittelten wir sie in Hochglanz-Modezeitungen wie die vogue. Dadurch wirkte ihre Schönheit weniger vulgär. SPIEGEL: Haben Sie in Ihrer Rolle als Übervater auch die kurze Ehe mit dem Schauspieler Richard Gere in die Wege geleitet? 140

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Casablancas: Damit hatten wir nichts zu tun. Ich habe nur Cindy zu ihrer guten Wahl gratuliert und gesagt: „Das ist toll für deine Karriere.“ Jeder Mensch, der auch nur über ein wenig Gehirn verfügt, muß so was doch zugeben. Aber nicht sie. Sie verlor komplett jeden Humor und schrie: „Unverschämtheit. Diese Heirat hat keinem von uns geholfen. Ich verdanke meine Karriere nur mir selbst. Ich schulde niemandem irgendwas.“ SPIEGEL: Haben Sie das Mädchen, als sie die Agentur verließ, verklagt? Casablancas: Dank einer neuen Gerichtsentscheidung sind wir den zwei Millionen Dollar näher, die Cindy Elite schuldet.

Aber seit O. J. Simpson versuchen ja viele, das Justizsystem mit geschickten Anwälten auszutricksen. SPIEGEL: Vor 20 Jahren interessierte sich noch kein Mensch für die Models, sie verdienten maximal 1000 Dollar am Tag … Casablancas: … und waren nicht mehr als ein paar hübsche Gesichter. Das haben ich und ein paar Agenturchefs geändert, und es war harte Arbeit. Aber im Grunde war die Sache klar: Junge Mädchen sind das beste Produkt der Welt. Jeder kann sich mit ihnen schmücken. Frauen wollen so aussehen wie sie, Männer träumen davon, mit solchen Mädchen auszugehen. Also holten wir sie raus aus den Modezeitschriften,

steckten sie in die Werbung, in Kalender, in Popvideos und in Talkshows. Und heute setzt sich ein Mädchen wie Naomi Campbell mit vier verschiedenen Kleidern abends in eine Limousine, besucht vier Partys, und am nächsten Tag öffnet man die Zeitungen und sieht Naomi Campbell überall. SPIEGEL: Mit 20 Jahren waren Sie der Marketingchef von Coca-Cola Brasilien. Warum versuchten Sie vor 27 Jahren Ihr Glück im Modelgeschäft? Casablancas: Ich lernte die damalige Miss Denmark kennen, und das Milieu gefiel mir. Ich war jung, ich war unverheiratet, und ich hatte eine ziemlich einfache Stra-

tegie: Such neue Gesichter, und mach Stars aus ihnen. SPIEGEL: Störte Sie nicht das Image, ein Mädchenhändler zu sein? Casablancas: Ach was, wenn ich morgen meine Agentur verkaufen würde, dann würde ich sofort wieder als Modelscout losziehen. Es gibt für mich kein größeres Vergnügen, als ein junges Mädchen zu finden, das 15 oder 16 Jahre alt ist, ohne jeden Stil, schüchtern, mit schrecklicher Frisur, schlechten Zähnen und ohne große Weltgewandheit – und dann verwandele ich sie binnen eines Jahres in einen wunderschönen Engel, der auf dem Cover der vogue erscheint.

SPIEGEL: Man sagt Ihnen nach, auch der Liebhaber dieser Mädchen gewesen zu sein. Mit der damals 16jährigen Stephanie Seymour beispielsweise waren Sie monatelang zusammen. Casablancas: Darüber haben sich nur die Amerikaner empört. In diesem Land kann man Heroin nehmen, man kann Kokain in der Öffentlichkeit schnupfen und mit einem Gewehr Menschen erschießen. Nichts passiert. Aber wenn man dort mit einem 16jährigen Mädchen ausgeht, wollen sie einen ins Gefängnis werfen. SPIEGEL: Was ist so falsch an dem Gedanken, daß da einer die mangelnde Erfahrung von 16jährigen ausnutzt? Casablancas: Niemand prostituiert sich weniger als Models. Sie schlafen, mit wem sie wollen, wann sie wollen. Männer, die Geld gemacht haben und große Autos fahren, träumen nur noch von einem: ein Model als Freundin. Die Mädchen werden mit Blumen, Geschenken und Essenseinladungen zugeschüttet – und am Ende gehen sie mit Typen nach Hause, die keinen Pfennig haben. Ein Freund von mir, der Verleger von harper’s bazaar in Italien, gab immer riesige Partys in seiner Zwei-Millionen-Suite im vornehmsten Hotel von Rom, und um vier Uhr morgens setzte er der Crème der Modewelt ein exzellentes

„Arnold Schwarzenegger ißt auch nicht in seinem ,Planet Hollywood‘ zu Mittag“ Büffet vor. Dann passierte immer dasselbe. Er fragte: „Wo sind all die Mädchen hin?“ Und die Antwort gab er sich gleich selbst: „Sie schlafen mit den Assistenten der Fotografen.“ SPIEGEL: Models sind offenbar nie dort, wo sie sein sollten. Das „Fashion Cafe“ in New York, so sagte Christy Turlington, sei eine „schäbige Szenekneipe für Touristen“. Das klingt nicht so, als würden Supermodels wie sie dort verkehren. Casablancas: Ist Christy nicht eine der Repräsentantinnen des Cafés? SPIEGEL: Gemeinsam mit Claudia Schiffer, Naomi Campbell und Elle MacPherson. Casablancas: Das „Fashion Cafe“ ist für Leute, die zum Modegeschäft keinen Zugang haben. Aus dem Business geht da natürlich niemand hin. Arnold Schwarzenegger ißt doch auch nicht in seinem „Planet Hollywood“ zu Mittag. SPIEGEL: Wie wichtig ist Ihr „Elite-ModelLook“-Wettbewerb für das Geschäft? Finden Sie da wirklich Ihren Nachwuchs? Casablancas: Wir haben so zum Beispiel Diane Heidkrüger entdeckt oder Simone Mütterthies aus Deutschland, ein exzellentes Model. Jedes Jahr bewerben sich weltweit 350 000 Mädchen, das ist ein gigantischer Pool. Die Hälfte meiner Models habe ich bei diesen Wettbewerben gefunden. Das ist einfach für uns, und es ist eind e r

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Gesellschaft fach für die: Sie müssen nur zwei Fotos schicken, anstatt ihre Sachen zu packen und nach Paris oder New York zu den Agenturen zu fliegen. SPIEGEL: Die meisten schaffen es nicht – obwohl sie mit ihrem Portfolio von Wettbewerb zu Wettbewerb und von Agentur zu Agentur ziehen. Was passiert denn mit denen? Casablancas: Ich nehme seit 30 Jahren Tennisunterricht und habe es nie bis nach Wimbledon geschafft. Ich lebe immer noch. SPIEGEL: Diese Kinder kommen aus Wyoming oder Lübeck, sind unglaublich ehr-

Casablancas: Für ganz wenige. 1000 von

Ich lasse mir doch von niemandem sagen, daß zum Skelett abgemagerte Frauen gut aussehen oder daß verschmiertes Makeup schön ist. Jeder findet das häßlich, jeder. Auch die Kids mögen das nicht, nur kaufen sie leider alles, was man ihnen anbietet. Die denken, daß es cool ist, weil es anders ist. SPIEGEL: Was machen Sie, wenn in Zukunft Firmen wie Calvin Klein oder auch der Jeanshersteller Gap die Leute nur noch von der Straße weg engagieren und Agenturen wie Ihre überflüssig machen? Casablancas: Ich muß nur mein eigenes Geschäft schützen. Ich muß Karrieren aufbauen und dann von den 20 Prozent Kommission leben. Wenn ich 20 Prozent von 200 Dollar am Tag akzeptieren muß, dann züchte ich lieber Kühe in Brasilien. SPIEGEL: Haben Sie schon ein paar Kühe gekauft? Casablancas: Ja. Aber erst sehr wenige. SPIEGEL: Herr Casablancas, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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L. VERES / GAMMA / STUDIO X

J. MAGREAN

denen kommen in die Endausscheidungen der Länder, 80 schaffen es in Finale. 50 beginnen dann eine Profikarriere, 20 davon behalten wir bei Elite. Und von diesen werden fünf eine wirklich gute Karriere machen. SPIEGEL: Fünf Stella Tennants? Casablancas: Nein, noch nicht mal. Im Durchschnitt ist alle zwei Jahre ein Star dabei. Manchmal dauert es drei Jahre, bis wir einen neuen Superstar finden. SPIEGEL: Wie lange dauert eine erfolgreiche Modelkarriere? Casablancas: Wer es mal geschafft hat, kann 12, 15 Jahre als Model arbeiten. Manche sind mit Mitte 30 noch im Geschäft. Es ist für die Mädchen auch schwer, wieder aufzuhören. Wenn die zwei Millionen Dollar im Jahr verdient haben, wollen die keinen normalen Job, der ihnen 35 000 Dollar im Jahr einbringt. SPIEGEL: Und was ist mit männlichen Models? Wann gibt es unter denen ein Supermodel? Casablancas: Ich hoffe, Sie wollen mit mir nicht darüber sprechen. SPIEGEL: Haben Sie keine Männer unter Vertrag? Casablancas, Model: „Niemand prostituiert sich weniger“ Casablancas: Sicher. Ein paar von denen haben es geizig, investieren ihr gespartes Taschen- auch weit gebracht. Wir hatten mal einen geld in Flugtickets und Fotos für die Map- Jungen in der Agentur, aus Schweden, der pe, hören auf zu essen, werden mager- war so lieb und süß, wie hieß der denn süchtig und haben Mißerfolg nach Mißer- bloß? folg. Gibt es niemanden in den Agenturen, SPIEGEL: Markus Schenkenberg? der sich verantwortlich fühlt und denen Casablancas: Genau. Daß mir sein Name sagt, Kind, du wirst es nie schaffen, fahr nicht eingefallen ist, beantwortet wohl die nach Hause? Frage nach der Bedeutung männlicher MoCasablancas: Wir nehmen keine unter Ver- dels. Schenkenberg hat sich als femininer trag, an deren Talent wir Zweifel haben. Typ aber sehr geschickt selbst vermarktet. Das wäre viel zu teuer. Das Mädchen aus SPIEGEL: Das ganze Geheimnis liegt also Wyoming ist doch bestimmt nicht die Toch- im schönen Produkt und in dessen Verter des Bürgermeisters, sondern die Toch- marktung? ter des Kerls, der im Gemüseladen aus- Casablancas: Ja. Und das ist so gut gelunhilft. Sie hat keinen Penny, also müssen gen, daß inzwischen jeder Fernsehsender wir alles bezahlen: den Zahnarzt, den Fri- seine eigene Modesendung hat. Und diese seur, das Apartment und so weiter. Wir Sendeminuten müssen gefüllt werden. Da müssen ein Vermögen auslegen, und wenn suchen dann alle nach Storys. sie dann keine Karriere macht, ist das Geld SPIEGEL: Die vermitteln oft das Bild, daß es verloren. Ich werfe auf diese Art jedes Jahr ganz einfach ist, Model zu werden und viel eineinhalb Millionen Dollar zum Fenster Geld zu verdienen. hinaus. Wenn wir ein Mädel ablehnen, ver- Casablancas: Genau, das macht das Gesucht es sein Glück bei anderen Agenturen. schäft so attraktiv. Jeder denkt, er kann Die Mädchen sind 17, 18 Jahre alt, und das schaffen. Das ist natürlich ein Irrtum. wenn sie scheitern, ist das eigentlich kein Aber es gibt immer wieder neue Chancen großes Problem. Natürlich ist ihr Ego für neue Typen. Was vor vier Jahren als schwer angeschlagen, aber so ist das Leben schön galt, ist heute nicht mehr unbedingt nun mal. Viele Träume erfüllen sich nicht. gefragt. Ich bin gegen Regeln, mir ist es SPIEGEL: Und für wie viele der 350 000 egal, ob ein Model groß ist oder klein, ob Bewerberinnen bei Ihrem Nachwuchs- es kurze oder lange Haare, üppige oder wettbewerb erfüllt sich der Traum von der kleine Brüste hat. Aber ich bin auch dagegen, weibliche Schönheit zu sabotieren. Modelkarriere?

Schiffer bei Dior-Show

„Verschaff uns ein Date mit Claudia“