02/ 2017

stadtleben DAS MIETERMAGAZIN

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Steile Aussichten im Brunnenviertel

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Da geht was!

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Stadt der Wahlbürger – oder wie jeder zum Berliner wird Seite 16

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ICH BIN 'NE BERLINERIN

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MAKING OF

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D E R S TA DT L E B E N - G U I D E

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Ihr Mietermagazin wurde renoviert. Wieso? Warum? Was ist neu? Ein Überblick

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Machen Sie mit!

stadtleben hat nicht nur einen neuen Look und ab sofort zwei Kiezreporter, die Redaktion möchte noch viel mehr als bisher Ihre Meinung hören. Wie gefällt Ihnen die neue Optik? Was mögen Sie am Magazin und was nicht? Und vor allem: Gibt es Themen, über die wir berichten sollten? Schicken Sie Ihre Ideen und Wünsche an [email protected]

Alles ein bisschen neu

Ab dieser Ausgabe ist alles ein bisschen übersichtlicher. stadtleben hat jetzt nur noch zwei Kapitel: Unter Stadt berichten wir im Kiezreport aus den Quartieren, erklären in „Auf einen Blick“ komplizierte Zusammenhänge rund ums Thema Wohnen und erzählen in „Damals wie heute“ von historischen Gebäuden. Im Kapitel Leben widmen wir die Titelgeschichte einem Thema, das die Mieter umtreibt, und stellen ihnen in „Stadtmenschen“ Berliner vor, die ihre Stadt ein Stück besser machen.

NÄCHSTE AUSGABE

BESSERWISSEN

Zahlen, Bilder und Fragen aus der Stadt 05

LEBEN

16 TITELGESCHICHTE

Wer ist eigentlich ein Berliner? stadtleben klärt auf

TERMINE

Was sie in Berlin auf keinen Fall verpassen sollten 06 A K T U E L L B E I degewo

Nachrichten aus dem Wohnungsbauunternehmen

24 DAHEEME & CHILLEN

Zu Hause ist's schöner: Wie Sie daheim Urlaub machen 26 S TA D T M E N S C H E N

stadtleben spielt Basketball – mit „Alba macht Schule“ S TA D T

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BERLINER KULISSEN

KIEZREPORT

Mieter zu Gast in der Abhöranlage auf dem Teufelsberg

Boom im Paradies: Das Brunnenviertel will hoch hinaus

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AUF EINEN BLICK

IMPRESSUM

Untermiete ganz einfach: Was Sie beachten müssen

COUPONS

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Das Mieterfest verpasst? Keine Sorge! stadtleben schwelgt im nächsten Heft in Erinnerungen – so fühlt es sich für jeden so an, als sei er dabei gewesen.

DAMALS WIE HEUTE

Zeitzeuge: Ein Haus in Lankwitz ist bereit für die Zukunft CHRISTOPH BECK

degewo-Vorstandsmitglied

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DOMINIK SCHOT TNER

35 Jahre, überzeugter Neuköllner

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AUF E INEN

43 Jahre, gebürtige Berlinerin

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JASNA ZAJCEK

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TER NEUHEITEN

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WER IST DAS DENN? Die Neuen im stadtleben-Team sind die Stimmen der Mieter und kennen in Berlin jede Ecke. In dieser Ausgabe berichten sie zum Beispiel aus dem Brunnenviertel und von waschechten Berlinern. In der nächsten erzählen sie vielleicht Ihre Geschichte. Sprechen Sie sie einfach an: [email protected]

U N S E R T I T E L M OT I V Ein stürmischer Frühlingstag – die Frisur muss trotzdem sitzen, schließlich wird Bloggerin Laura Gehlhaar (l.) für das neue stadtleben-Cover fotografiert. Die Friedrichshainerin ist Teil unserer Titelgeschichte und hat beim Shooting eine ganz neue Ecke ihrer Stadt kennengelernt: den Park am Gleisdreieck.

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Veränderungen mögen wir meistens nicht. Manchmal merken wir jedoch: Sie sind nötig, um etwas zu verbessern – so wie diese: Obwohl sie zu Deutschlands bester Mieterzeitung gekürt wurde, haben wir stadtleben auf den Kopf gestellt. Sie ist jetzt noch frischer, moderner, überraschender, aber vor allem ist sie noch viel mehr als zuvor: Ihr Magazin! Alle Geschichten sollen von Themen erzählen, die Ihnen am Herzen liegen. Damit das klappt, ist nun ständig ein Kiezreporter in den Quartieren unterwegs – und Sie sind eingeladen, Ideen einzureichen. Ich bin gespannt, wie Ihnen die neue stadtleben gefällt. Vielleicht haben Sie ja auch eigene Ideen und Verbesserungsvorschläge? Dann schreiben Sie uns an [email protected] – und denken Sie daran: Es ist Ihr Magazin!

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LIEBE MIETERINNEN, LIEBE MIETER,

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B E R L I N E R N OT I Z E N

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TERMINE

BESSERWISSEN

Straßennamen raten stadtleben verrät die Geschichten hinter den Wegweisern

MARZAHN — 16. JUNI

Mieterfest trifft Gartenschau Alle zwei Jahre gastiert das degewo-Mieterfest in den Gärten der Welt. Doch in diesem Jahr ist alles anders, schließlich findet dort die Internationale Gartenausstellung statt, und die Mieter haben das Gelände einen Abend lang für sich. Unbedingt machen: auf dem Wasserspielplatz planschen, vom Wolkenhain (Bild) das Feuerwerk bestaunen und tanzen, tanzen, tanzen! Anreise mit der U5 bis Haltestelle Kienberg, Eintritt nur mit vorbestelltem Ticket

Wer war

So wohnt die Stadt

1.998.300 In den

BERLINER WOHNUNGEN LEBEN IM SCHNITT

1,9 73,1

Quelle: Berliner Wohnungsmarktbericht 2016

Menschen auf durchschnittlich

Quadratmetern. Sucht man nach einer neuen Wohnung, muss man berlinweit mit einer Durchschnittsmiete von

9,07

Euro pro Quadratmeter nettokalt rechnen – am teuersten ist dieser Quadratmeterpreis in Friedrichshain-Kreuzberg:

11,50

Euro, am günstigsten in Marzahn-Hellersdorf: 6,51 Euro.

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In den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts sorgte sie (*1890) in Berlin für volle Schauspielhäuser: Die Regisseure liebten, das Publikum feierte sie – egal ob im Staatstheater, in der Volksbühne, am Schiller- oder Deutschen Theater. Ab 1925 arbeitete sie fast ausschließlich mit ihrem Lebensgefährten zusammen, dem jüdischen Regisseur und Schauspieler Leo Reuss. Um ihn vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu schützen, gründete sie ein eigenes Theater, das ihren Namen trug und heute „Theater am Kurfürstendamm“ heißt. 1938, ihr Partner war längst aus Deutschland geflohen, hatte sie einen schweren Autounfall. Drei Jahre später starb sie an den Spätfolgen. In Gropiusstadt ist ein Weg nach ihr benannt. Lösung: Agnes Straub

Der Blog „Notes of Berlin“ ist eine Hommage an alle Notizen, die Berlin täglich im Stadtbild hinterlässt. Ab sofort zeigt stadtleben die besten. Auch eine Notiz entdeckt? Senden Sie sie an [email protected]

BERLIN – 17. & 18. JUNI

G R O P I U S S TA D T – 2 4 . J U N I

MOABIT – 12. JULI-20. AUGUST

TAG D E R S TA DT N AT U R 26 Stunden, ein Ticket, 500 Veranstaltungen an 150 Orten: Die Stiftung Naturschutz Berlin schickt die Hauptstädter in die Wildnis vor ihrer Haustür. Auch dabei: die Naturschutzstation Marienfelde. https://2017.langertagderstadtnatur.de

S C H Ü L E R T R I AT H LO N Schwimmen, Rad fahren, laufen – in Dreier-Teams jagen Neuköllner Schüler der dritten bis 13. Klasse Preise und Siegerprämien. Veranstalter ist degewo. Ab 8.30 Uhr, degewo-Stadion, Lipschitzallee 27-29, 12351 Berlin, www.degewo-schuelertriathlon.de

S T R A S S E N T H E AT E R Ob Feuershow, Puppenspiel, Zirkus oder Musik – bei „Berlin lacht!“ treten 150 Künstler in mehr als 684 Shows auf. Eintritt frei! Tgl. 12-22 Uhr, Washingtonplatz am Hauptbahnhof, www.berlin-lacht.de

KÖPENICK – 22. JUNI

PAT E N S U C H E Auch bei degewo wohnen Geflüchtete – der Verein Sternenfischer sucht Paten, die den neuen Nachbarn helfen, sich zurechtzufinden. Infoveranstaltung: 17.30 Uhr, Kundenzentrum Köpenick, Bahnhofstr. 2b, 12555 Berlin

MARZAHN – 1.-8. JULI

K U N S T F E S T I VA L Fotografie, Performance, Installationen – gut eine Woche lang dreht sich im Osten der Stadt bei „Acht Tage Marzahn“ alles um die unterschiedlichen Arten der Kunst. www.acht-tage-marzahn.de

KÖPENICK – 17. JULI

B E W E G U N G Immer montags treffen sich die Senioren aus Köpenick-Süd zum einstündigen Training auf dem neuen Bewegungsparcours. Trainer ist Dustin Padlowski. Montags, 10.15 Uhr, Charlottenstr. 17c, 12557 Berlin, Tel. 0172-3861811

Was ist denn hier los?

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Mitte

Sichere Mieten KEINE SORGE VOR HOHEN MIETSTEIGERUNGEN: Bei degewo werden die Mieten in Zukunft um nicht mehr als zwei Prozent jährlich steigen. So hat es der Senat mit den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen vereinbart – betroffen sind Bestandsmietverträge. Die Gesellschaften verzichten dadurch auf rund 85 Millionen Euro an möglichen Mieteinnahmen und bauen gleichzeitig bis 2021 mindestens 30.000 neue Wohnungen.

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PREIS

Eine ganze Menge! stadtleben verrät, welche Themen die degewo-Mitarbeiter an der Potsdamer Straße und in den Kundenzentren beschäftigen

Grünau

Beste Lage de gewo H AT E I N G E K AU F T Ein paar Gehminuten vom S-Bahnhof Grünau entfernt baut die 6. Bärlin Invest Immobilien GmbH für das Unternehmen ein Gebäudeensemble mit 578 Wohneinheiten, die sowohl gefördert als auch frei finanziert sind. Zur Anlage, die aus alten und neuen Gebäuden besteht, gehört ein Studentenwohnheim, eine Kita sowie ein Geschäftshaus. Die Lage zählt zu den begehrtesten in Treptow-Köpenick. Baubeginn ist für 2018 geplant.

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Ein Wettbewerb für die Zukunft: Ulrich Jursch, Geschäftsführer der degewo netzWerk GmbH, hat zusammen mit seinen Mitarbeitern den „degewo Innovationspreis: Smart Up the City 2017“ entwickelt. Die Teilnehmer sind aufgerufen, Skizzen für neue digitale Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle rund um Immobilien einzureichen. Der Sieger erhält ein Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro und kann seinen Vorschlag mit degewo in einem Pilotprojekt umsetzen.

Unser Haus soll grüner werden

Newsticker

GEBÄUDEREINIGER GESUCHT

Häuser sauber halten und Berlin kennenlernen: degewo sucht weitere Gebäudereiniger und wirbt mit übertariflicher Bezahlung und Sozialleistungen. Voraussetzungen: Erfahrungen im Reinigungsgewerk und Freude im Umgang mit Mietern. Schicken Sie ihre Bewerbung an [email protected] MITSPRACHE IM WEDDING

An der Wiesenburg geht es voran: degewo plant gemeinsam mit den heutigen Nutzern die Zukunft des 12.500 Quadratmeter großen historischen Areals an der Panke. Außerdem beteiligen sich Vertreter von Bezirk, Senatsverwaltung und Quartiersmanagement. In Runde zwei des Werkstattverfahrens wird das städtebaulich-architektonische Bebauungskonzept weiterentwickelt. Es wird Grundlage für das Baugenehmigungsverfahren. PREISTRANSPARENZ

Was Wohnraum mieten in Berlin kostet? Der neue Mietspiegel für 2017 ist seit Mai online abrufbar unter www.stadtentwicklung.berlin.de/ wohnen/mietspiegel MIETZUSCHUSS BEANTRAGEN

Bewerbungen bis zum 11. August unter www.smartupthecity.berlin

Gesundbrunnen

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NACHRICHTEN

AKTUELL BEI degewo

H E R Z E N S A N L E G E N H E I T Die Mieter der 88 Wohnungen in der Graunstraße 12 haben sich einen Dachgarten gewünscht, in den Sommerferien wird er bereits eröffnet. Auf mehr als 150 Quadratmetern finden Hoch- und Kräuterbeete, Tische, Bänke und Sonnenschirme Platz. Das Projekt der degewo-Azubi hat degewo finanziert, zusammen mit den Mietern geplant und umgesetzt.

Sie leben in einer Sozialwohnung? Ihr Einkommen liegt innerhalb der Grenzen für den Berliner Wohnberechtigungsschein? Die Nettokaltmiete kostet mehr als 30 Prozent des Einkommens? Dann könnten Sie Anspruch auf einen Mietzuschuss haben. Es werden maximal 2,50 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Familien können so bis zu 3.000 Euro pro Jahr erhalten. Anträge prüft im Auftrag des Senates die zgs Consult GmbH. Tel. 030 / 28409302, [email protected], www.mietzuschuss.berlin.de

degewo

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T E X T Jasna Zajcek 

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  B I L D Gene Glover

Berlin, so heißt es, bestehe aus vielen Dörfern. Zeit, sie kennenzulernen, dachten sich die stadtleben-Kiezreporter und starten in dieser Ausgabe die Serie „Kiezreport“. Folge eins: das Brunnenviertel, eine der ärmsten Ecken Berlins ohne Zukunftsaussichten für seine Bewohner. Oder doch nicht?

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BRUNNENVIERTEL

KIEZREPORT

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Boom im Paradies B L Ü H E N D E FA S S A D E N

Das Brunnenviertel war in den 1980er-Jahren das größte Flächensanierungsgebiet Europas. Das Ergebnis: leuchtend rote, gelbe und rosafarbene Fassaden

Zwischen den Stauden und den Stahlvögeln raschelt es. Holger Eckert kniet im Schatten eines Baumes im Blumenbeet und sät die ersten Blumen für den Sommer. Seit sieben Jahren kümmert er sich zusammen mit Freundin Dunja um die Gleim-Oase. Eckert, der Hobbygärtner, nennt die begrünte Verkehrsinsel mit Skulpturenpark „sein kleines Paradies“. Ein Paradies mitten in Berlin, dort, wo die Gleim- auf die Graunstraße trifft, genau drei Gehminuten von der viel befahrenen Straße entfernt, die diesem Kiez seinen Namen gibt: Brunnenviertel. Das ehemalige Arbeiterviertel im Ortsteil Gesundbrunnen gilt als sozial schwach. Hier leben deutlich mehr Arbeitslose als durchschnittlich in Berlin: Jeder Zehnte ist ohne Job. Noch beunruhigender ist diese Zahl: Zwei Drittel der Kinder wachsen in Haushalten auf, die staatliche Transferleistungen wie Sozialhilfe oder Wohngeld beziehen. Und rund 65 Prozent der 13.000 Quartiersanwohner haben einen Migrationshintergrund. Wie passt das zu der Idylle, in der Holger Eckert seine Blumen sät? Das wollte ich genauer wissen. Seit Jahren prophe-

K E I N E FATA M O R G A N A

Mitten auf der Gleimstraße heißt der Skulpturenpark Gleim-Oase Besucher im Viertel willkommen

Gesundbrunnen

zeien mir Stadtplaner, aber auch Freunde und Bekannte: „Die Ecke kommt.“ Und während ich durch die Straßen streife, bin ich immer wieder überrascht: kein Müll, keine halb-abgerissenen Plakate und keine Graffiti an den Wänden, die rot, orange und gelb leuchten. Stattdessen: Bäume, Kinderspielplätze, Tischtennis-Platten, Bänke und Tische, an denen sich nicht nur die älteren Kiezbewohner im Sommer zum Kartenspielen und Kaffeetrinken treffen. „Klar geht es auf den Spielplätzen auch mal laut zu“, sagt degewo-Mieterin Marlies Schöttke, die ich im Ostsee-Viertel treffe, wo alle Straßen nach Orten an der Küste benannt sind: Usedom, Stralsund, Jasmund. Sie hat eine einfache Lösung gefunden, wenn der Krach ihr den Mittagsschlaf raubt: „Dann mache ich einfach das Fenster zu“, sagt sie und lacht. Streitereien, wie man sie in sozialen Brennpunkten erwartet, kennt sie nicht. Im Nachbarschafts- und Jugendtreff „OlofPalme-Zentrum“ in der Demminer Straße 28 weiß man, dass das kein Einzelfall ist. „Vielleicht ist es hier so ruhig und gepflegt, weil wir eine aktive Nachbarschaft gestalten und so auch bei den Kleinen und Jugendlichen einen Sinn für Gemeinschaft und soziales Miteinander schaffen“, mutmaßt die Leiterin Anna Madenli. Montags reparieren Kiezbewohner in der Werkstatt des Hauses ihre Fahrräder, dienstagabends treffen sich die Hobbyzeichner, donnerstags singt der PopChor und für Kinder und Jugend-

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BRUNNENVIERTEL

KIEZREPORT

Kiez zum Ausprobieren

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„ DA M U S S ICH HIN!“ E isdiele G E L AT E R I A M A N U E L

EIS MIT HERZ ALLES IM GRIFF

Die degewo-Hausmeister kümmern sich um 5.100 Mietwohnungen im Quartier

Berliner türkischer Herkunft treffe ich auf der Brunnenstraße. „Bis vor ein paar Jahren haben hier fast nur türkisch- und arabischstämmige Menschen gelebt. Deutsch hat kaum einer gesprochen“, sagt er. Das sei eine Parallelgesellschaft gewesen. Jetzt aber kämen junge Briten, Schweden, Amerikaner, Franzosen, Italiener, Spanier und Vietnamesen. Es kämen Menschen, die kleine Läden und Geschäfte eröffnen: „Von da, die Straße herauf“, sagt er und streckt seinen Arm gen Süden – nach Mitte. Dort liegt der szenige Teil der Brunnenstraße, wo asiatische Mittagsmenüs oder Kaffee und Kuchen gerne drei bis acht Euro mehr als hier kosten. Wo die Hotels liegen und Mietwohnungen für die meisten unbezahlbar sind. „Aber hier wird zu bezahlbaren Preisen gebaut“, sagt Mehmet auf dem nördlichen Teil der Brunnenstraße und lacht, „also geht es mit uns gar nicht anders als aufwärts!“ Er freut sich auf die kommenden Jahre: „Denn dann wird das hier richtig international und wirklich multikulti.“

AUF RECHERCHE

stadtleben-Kiezreporterin Jasna Zajcek erkundete für diese Ausgabe das Brunnenviertel – und traf unter anderen die Leiterin des Olof-Palme-Zentrums, Anna Madenli

In der Gelateria Manuel ist das Eis noch hausgemacht, kommt in den ausgefallensten Sorten daher und wird sogar mit einem Lächeln serviert

Der KIEZREPORTER soll auch bei Ihnen einmal vorbeischauen? Schreiben Sie an [email protected] und erklären Sie, warum er Ihren Kiez unter die Lupe nehmen soll.

Eine Kugel Schoko-Nuss-Nougat und einmal Sahnegries-Holunder, bitte! Wer es geschafft hat, sich aus 23 hausgemachten Sorten sein Lieblingseis auszusuchen, muss sich nur noch überlegen: mit Topping oder ohne? Für was Sie sich auch entscheiden: Es wird köstlich schmecken. Brunnenstr. 83, Tel. 030-22494928, tgl. ab 11 bis mind. 20 Uhr Bist ro UNICORN CANTEEN

Nebenan im stunden- und tageweise mietbaren Büro gleichen Namens arbeiten und im Pavillon eine Pause machen: Das Café bietet Snacks, Drinks und keinen WLAN-Zugang: „Die Leute müssen auch mal Pause machen und miteinander sprechen“, so das Motto. Brunnenstr. 65, Tel. 030-91445472, www.unicorn.berlin, Mo-Fr 8.30-19 Uhr G es ch enkar tikel E I N FA C H F Ü R D I C H

Auf der Suche nach einem einzigartigen Geschenk? Hinter der Unicorn Canteen mieten Kreative und Bastler in einem Laden Verkaufsfächer und bieten darin Kunsthandwerk, Schmuck und Kleidung an. Die meisten Teile sind Unikate.

GLÜCKLICHE BE WOHNER

Marlies Schöttke und ihr Mann Manfred leben seit fünf Jahren im Viertel und sagen: „Wir sind rundum glücklich!“

Brunnenstr. 65, Tel. 030-54 84 50 41, www.einfach-fuer-dich.de, Mo, Do, Fr 10.30-18.30, Di, Mi 13.30-18.30, Sa 11-17 Uhr S treet Fo o d BRUNNENMARKT

Machen Sie sich jeden ersten Sonntag im Monat auf in die Brunnenstraße: Beim Food-Markt können Sie sich einmal um die Welt schlemmen – nach Mexiko, Korea, in die USA ... Brunnenstr. 53-65, Tel. 0179-5298209, jeden ersten So im Monat 11-18 Uhr

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liche ist die Tür immer offen – zum Tanzen, Kochen und Kickern, zum Theaterspielen, zum Breakdance oder zur Gitarren-AG. Wer soll bei so viel Programm noch auf dumme Gedanken kommen? Bis in die 1970er-Jahre hinein war das Brunnenviertel ein Überbleibsel der Industrialisierung, die nach billigem Wohnraum für viele Arbeiter verlangt hatte. Erst als der Senat das Viertel zum Sanierungsgebiet erklärte, ging es wieder aufwärts. In den Siebzigern und Achtzigern zogen Neubauten mit Aufzügen und großen Balkonen, Platz zwischen den Häusern und viel Grün junge Familien an. Doch als das letzte Werk der AEG im Kiez 1983 geschlossen wurde, stieg die Arbeitslosigkeit und der soziale Abstieg begann. Solche Armutsinseln sind gefährlich, weil sich für alle Bewohner das Risiko häuft, dass kaum noch eine Chance auf einen sozialen Aufstieg besteht. Um diese Abwärtsspirale zu stoppen, müsste hier eine neue Mischung aus alten und neuen Berlinern entstehen. Kann das klappen? Überall im Kiez sieht man derzeit Kräne, Bagger und Lastwagen. Allein degewo wird bis Sommer 2018 weitere 128 Wohnungen an der Ecke von Usedomer- und Wattstraße fertigstellen, an der Gleimstraße 62A kommen ein Jahr später noch 52 Wohnungen dazu, und bereits 2016 hatte das Unternehmen 104 Wohnungen in der Graunstraße gebaut. Sogar der Mauerpark wird derzeit um eine Fläche von knapp zehn Fußballfeldern erweitert. Und wenn gebaut wird, kommen normalerweise auch neue Bewohner. „Ja, man merkt, dass hier etwas passiert“, erzählt mir auch Mehmet Yumusak. Den jungen

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UNTERMIETE

AUF EINEN BLICK

Alles geregelt Die Wohnung ist eigentlich viel zu groß, aber umziehen wollen Sie nicht? Viel lieber möchten Sie das leere Zimmer untervermieten? stadtleben erklärt, was Hauptmieter und Untermieter beachten müssen – und was der Vermieter damit zu tun hat

Der Vermieter Ohne eine schriftliche Genehmigung des Vermieters darf niemand seine Wohnung untervermieten. Tut er es doch, kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen. Allerdings: Nach § 540 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hat der Hauptmieter Anspruch auf eine teilweise Untervermietung seiner Wohnung, wenn berechtigte persönliche oder wirtschaftliche Gründe vorliegen. Zum Beispiel: Nach einer Scheidung ist die Wohnung zu teuer und eine Untermiete für den Hauptmieter die Lösung. Anders sieht es aus, wenn die ganze Wohnung untervermietet werden soll. Erlaubt der Vermieter es nicht, steht dem Hauptmieter ein Sonderkündigungsrecht zu: mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten – auch wenn der Mietvertrag eine längere Mietdauer vorsieht. Und daran denken: Eine Untervermietung als Ferienwohnung ist in Berlin generell verboten.

Der Hauptmieter MÖCHTE SEINE WOHNUNG MIT ANDEREN TEILEN ODER GANZ UNTERVERMIETEN

Die Gründe können ganz unterschiedlich sein: Ein klassischer Fall sind Wohngemeinschaften, sie haben häufig einen Haupt- und mehrere Untermieter. Aber auch Lebensgefährten oder Geschwister, die in die Wohnung einziehen wollen, fallen unter die Untermieter-Regeln. Und wer, zum Beispiel aus beruflichen Gründen, längere Zeit abwesend ist, möchte vielleicht die ganze Wohnung für diesen Zeitraum untervermieten.

Untermietvertrag

Der Untermieter SUCHT NACH GÜNSTIGEM WOHNRAUM ODER NACH EINER VORÜBERGEHENDEN UNTERKUNFT

Für den Untermieter gelten die gleichen Rahmenbedingungen wie bei einem normalen Mietverhältnis: Der Hauptmieter kann eine Schufaund Selbstauskunft verlangen, außerdem die Vorlage des Personalausweises. Er sollte allerdings beachten: Der Hauptmieter darf mehr Miete verlangen, als er selbst zahlt. Allerdings muss sie in einem angemessenen Verhältnis zur vermieteten Fläche und zu den Gesamtkosten der Wohnung stehen.

Immer drauf achten: Hauptund Untermieter müssen miteinander einen Mietvertrag abschließen. Wird der Vertrag für eine bestimmte Dauer, also befristet, abgeschlossen, gilt für beide Vertragsparteien: Der Vertrag ist nicht vorzeitig kündbar. Wird jedoch im Vertrag kein Grund für die Befristung angegeben, gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

degewo

degewo verlangt einen Untermietzuschlag, der in der Regel 25 Euro beträgt. Anders ist es bei öffentlich geförderten Wohnungen im Bestand. Da sind es maximal 2,50 im Monat pro Person, zieht mehr als eine Person ein, sind es 5 Euro. Außerdem bitten die Kundenzentren um die Vorlage des Untermietvertrags sowie des Personalausweises des Untermieters.

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MUSS DER UNTERVERMIETUNG ZUSTIMMEN

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Ein Haus mit Zukunft Die ersten Mieter sind eingezogen: In Lankwitz hat degewo ein ganz normales Miets- zum Zukunftshaus gemacht. Es erzeugt Wärme und Strom selbst T E X T: Margitta Schulze Lohoff 

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ZUKUNFTSHAUS

DAMALS WIE HEUTE

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Bevölkerungsboom, Bevölkerungsrückgang, Bevölkerungsboom: Diese Phasen hat Berlin im vergangenen Jahrhundert immer und immer wieder durchlebt. Und jedes Mal haben sie auch Stadtplanung, Bauvorhaben und Architektur der jeweiligen Zeit geprägt. Auch das degewo-Haus in der Havensteinstraße 20/22 ist ein Spiegelbild solcher Trends – und das gleich zwei Mal.

Lankwitz

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... W I E H E U T E

Berlin, im Jahr 2017. Es sind nicht Zehntausende ohne Obdach wie in den 1950ern, doch neuer Wohnraum muss trotzdem her. Berlin wächst. Es geht jedoch nicht mehr nur darum, Stein auf Stein zu setzen. Die Wohnnebenkosten steigen, das Klima muss geschützt werden. Architekten und Stadtplaner suchen nach klugen Lösungen, wie sie das Wohnen fit für die Zukunft machen. degewo hat deshalb ein Pilotprojekt für die Energiewende in der Wohnungswirtschaft gestartet – in einem der Häuser, die damals schnell, pragmatisch und ohne jeden Gedanken an CO2-Ausstoß und Energieeffizienz gebaut wurden: die Havensteinstraße 20/22. Zwei Jahre lang hat das bauWerk, die Bauund Planungsabteilung des Unternehmens, die

nachhaltige Sanierung geplant und durchgeführt. Ins Zukunftshaus sind inzwischen die ersten Mieter eingezogen. Das Besondere an dem Gebäude: Es erzeugt nahezu 100 Prozent der Wärmeenergie und 50 Prozent der Stromversorgung selbst. Solarmodule auf dem Dach produzieren Wärme, die in einen Wärmespeicher im Erdreich geleitet wird. Über eine Wärmepumpe wird sie je nach Bedarf ins Hausnetz gespeist. Den Strom produziert eine Fotovoltaikanlage, die ebenfalls auf das Dach gesetzt wurde. Die Gebäudehülle wurde so stark gedämmt, dass sie den Standards eines Passivhauses entspricht, und auch die Fenster sind heute dreifach verglast. Das senkt nicht nur die Wohnnebenkosten für Strom, Heizung und Warmwasser. Auch das Wohngefühl hat sich geändert: Die neuen Mieter müssen nicht mehr lüften – das Haus lüftet sich von selbst. Sie müssen die Heizung nicht mehr regulieren – durch den Wärmespeicher ist es am effizientesten, die Wohnungen auf konstanter Temperatur zu halten. Heizkörper stören nicht beim Einrichten – im Zukunftshaus liegen die Heizelemente hinter einer Verkleidung an der Zimmerdecke. Übrigens haben sich auch Grundrisse und Fassade verändert: Zum Beispiel haben die 64 Wohnungen heute moderne und größere Bäder. Auch die alten Balkone wurden abgesägt und größere davorgesetzt. Denn während die Kollegen in den 1950er-Jahren unter Zeitdruck bauen mussten, war die Motivation heute, Antworten zu finden – darauf, wie bestehende Mietshäuser auch ohne Kohle und Gas betrieben werden können.

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D A M A L S ...

Berlin, in den 1950er-Jahren. Die Stadt befindet sich mitten im Wiederaufbau. 40 Prozent der Innenstadt wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Manche Ortsteile hat es noch schwerer getroffen, im Südwesten zum Beispiel. Nur 15 Prozent der Gebäude von Lankwitz existieren noch. Zehntausende Menschen sind ohne Wohnung. Schnelle Lösungen müssen her. Und so werden überall die typischen einfachen Mehrfamilienhäuser der 1950er gebaut, auch in der Havensteinstraße 20/22. Acht Etagen, kleine Fenster, ein unauffälliger Hauseingang, keine schmucke Fassade, sondern eine simple mit dünnen Wänden, die aus heutiger Sicht schlechte Wärme- und Schallschutzeigenschaften haben. Die Fenster sind einfach verglast, die Wohnungen einfach geschnitten. Bis heute hat die Architektur dieser Zeit einen schlechten Ruf. Der Baustil der Nachkriegsmoderne war schnell, billig und suchte nach Standardlösungen statt nach Schönheit und Individualität.

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Intelligente Fassade: Das Zukunftshaus in Lankwitz trägt die Solarmodule, die für die Strom- und Wärmeerzeugung zuständig sind, nicht nur auf dem Dach, sondern auch an den Giebelwänden 02

Zeitreise: In den 1950er-Jahren war an eine energieeffiziente Bauweise noch nicht zu denken. Damals musste schnell Wohnraum her

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BERLINER

TITELGESCHICHTE

T E X T Dominik Schottner 

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Berlin

Wat seid'n ihr .. .. fur Vojel

Zwei von 3,67 Millionen Berlinern: Julia Bulla und ihr Freund Daniel zogen von Neukölln nach Karlshorst und eröffneten dort das Café „KarlsDörthe“

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DIE SUCHE

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DIE EXPERTIN

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DIE SICHTWEISEN

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DIE TIPPS

LEBEN

stadtleben erklärt, wer ein B E R L I N E R ist

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„Echte Berliner? Die jibt’s doch jar nich’ mehr!“ Diesen Satz hat stadtlebenKiezreporter Dominik Schottner einmal zu oft gehört. Er hat sich auf die Suche gemacht – nach dem wahren Hauptstädter

Stammt aus dem Senegal, wurde in Spanien EU-Bürger und arbeitet nun im Berliner Süden: Imbisswagenbesitzer Niane

Arbeitet in einem Bezirk mit Ur-Berlinern und Zugezogenen: Eva Schuh in Marienfelde

Antworten: das Rathaus Schöneberg. Der Ort, wo vor mehr als 50 Jahren ein Mann einfach behauptete, ein Bürger der Stadt zu sein: „Ich bin ein Berliner“, sagte der damalige US-Präsident John F. Kennedy am 26. Juni 1963. Niemand widersprach ihm, denn alle wussten, was er meinte: „Ich bin einer von Euch.“ Ein freier Bürger des Westens, der die Vorzüge der Demokratie genoss, während ein paar Kilometer weiter östlich die anderen – aus dieser Perspektive unfreien – hinter der Mauer lebten. Aber können auch Nicht-Politiker behaupten, Berliner zu sein? Muss die Stadt als Wohnort im Pass stehen? Muss man gar hier geboren sein? Vor dem Rathaus parkt ein Polizeiwagen. Ein Beamter sitzt darin und wartet, das Fenster ist offen. Ich frage ihn: „Sind Sie ein echter Berliner?“ Er nickt. „Gebürtig?“ Er schüttelt den Kopf. „Woher kommen Sie?“ – „Magdeburg.“ – „Aber der Name auf Ihrem Schild, der klingt doch ... italienisch.“ Grinsend sagt er: „Berlin ist Multikulti!“ Dann entschuldigt er sich – „Einsatz!“ – und kurbelt das Fenster hoch. „Berlin ist eine Stadt der Zugezogenen, jeder zweite ist woanders geboren.“ So steht es im Zugezogenen-Atlas der „Berliner Morgenpost“. Die Angaben sind aus dem Sommer 2015, aber am Trend hat sich nichts geändert: In Berlin herrscht ein Kommen und Gehen wie in einer Kneipe an der Kreuzberger Oranienstraße. Seit dem Mauerfall sind 2,9 Millionen Menschen her- und 2,7 Millionen weggezogen. Bei insgesamt circa 3,5 Millionen Einwohnern bedeutet das: Rund drei Vier-

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Keine Sorge, ich werde das nicht jedes Mal machen. Ich bin schon lange genug in Berlin, um zu wissen: Höflichkeit kommt hier am besten an, wenn man sie gut portioniert. Aber mich kurz vorzustellen, dazu muss Zeit sein. Also, ich heiße Dominik Schottner, bin 35 Jahre alt und ab sofort einer von zwei stadtleben-Kiezreportern. Was die machen, fragen Sie? Na, Berlin auf den Zahn fühlen. Fragen stellen, Antworten finden, den Puls der Stadt fühlen. Und natürlich: Ihnen zuhören – den Berlinern. Und da sind wir auch schon bei der ersten Frage: Wer ist eigentlich ein Berliner? Station eins auf meiner Suche nach

Interview

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Beim Quartiersmanagement: Dominik Schottner, Beate Miculcy und Eva Schuh (v.l.)

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tel des Teams Berlin wurden in den vergangenen 25 Jahren einmal ausgewechselt. Viele zogen nach Brandenburg, NRW und Bayern, noch mehr kamen aus Hamburg, Dresden und Leipzig hierher. Und ich frage mich: Sollte man nicht einfach zwischen „echten“ und „waschechten“ Berlinern unterscheiden, wie es der Volksmund tut? Zwischen solchen, die die Stadt im Herzen tragen, und solchen, die hier geboren sind? Hans Seidler (Name von der Redaktion geändert) zum Beispiel ist hier geboren. Den Rentner treffe ich in Marienfelde, einem der Quartiere am südlichen Stadtrand, in das wir Zugezogenen oft erst nach vielen Jahren kommen. Seidler gießt mit seiner Frau Gabriele gerade ein Blumenbeet vor dem be-

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BERLINER

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TITELGESCHICHTE

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BERLINER K ANN MAN LERNEN B R E N D A S T R O H M A I E R , Journalistin und Autorin des Buches „Der Berlin-Code“, hat über das Thema auch ihre Doktorarbeit geschrieben, Titel: „Wie lernt man, ein Berliner zu sein?“ Frau Strohmaier, sind Sie eine echte Berlinerin? Hm, ich wurde in München geboren und bin in Hessen aufgewachsen, aber in den 26 Jahren, die ich in Berlin wohne, habe ich gelernt, Berliner zu sein. Ich glaube daran, dass man das kann: lernen, Berlinerin oder Berliner zu sein. Wie geht das? Es gibt da auf der einen Seite ganz offensichtliche Lernprozesse: Hundehaufen und Sperrmüll in Neukölln nicht zu nahe an sich ranlassen, auffällige Menschen nicht mit großen

Augen anstarren, die öffentlichen Verkehrsmittel richtig benutzen, in Stadtteilen und Kiezen denken. Und dann gibt es eine wichtige Erkenntnis, die einem die Stadt näherbringt: Wer hier unter den 3,5 Millionen Einwohnern nicht verzweifeln will, sollte die Möglichkeiten, die Berlin bietet, erkennen und nutzen. Welche sind das? Eine Bremerin sagte zu mir mal: „Die Berliner sind total unfreundlich!“ In Wahrheit ist es so, dass die Berliner diese Eigenart als eine Form der Höflichkeit sehen: Hier kann jeder so muffelig sein, wie er gerade ist, ohne dass es andere stört. Oder nehmen Sie das Geld: Das hat in Berlin eine ganz andere, weniger wichtige Bedeutung als zum Beispiel in München – und

das, obwohl oder eben weil es jetzt wieder einen ähnlichen Gründergeist gibt wie Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts schon einmal. Weniger Geld führt zu mehr Kreativität. Aus wenig viel machen – das ist in der Berliner DNA angelegt. Der Spruch „Arm, aber sexy“ ist also nicht Ausdruck von Hilflosigkeit, sondern Absicht? Wissen Sie, der Stadtname leitet sich vom slawischen Wort für „Sumpf“ ab, da mussten die Regierenden hier schon immer besondere Überzeugungskünste haben, um Menschen anzulocken. Das Versprechen des heutigen Berlin hat ein Taxifahrer mal sinngemäß so zusammengefasst: „Du kannst hier rund um die Uhr Krokodil essen und schwul sein.“

TITELGESCHICHTE

zirklichen Quartiersbüro in der Waldsassener Straße 40. Was sich für ihn als Berliner in den vergangenen Jahren verändert habe, frage ich ihn. Seine Antwort: „Ick bin Marienfelder und Berliner. In der Reihenfolge.“ Vor lauter Verwirrung über die Antwort auf eine Frage, die ich erst später stellen wollte, vergesse ich nachzuhaken, was er meint: Lebt er nun in einem Dorf, das zufällig im AB-Bereich der Verkehrsbetriebe liegt? Oder ist Hans Seidler der Beweis dafür, dass die Berliner ihre Kieze so lieben, weil sie die Großstadt sonst nicht ertragen könnten? Der waschechte Berliner lässt mich lächelnd auflaufen: „Ich wohne einfach gerne hier! Die Menschen, die nahe Natur, die Infrastruktur, wir haben hier alles, was wir brauchen.“ Beate Miculcy vom bezirklichen Quartiersbüro sieht das grundsätzlich ähnlich: „In Marienfelde herrscht eine große Wohnzufriedenheit.“ Aber es gebe eben auch etwas zu tun, sonst wären sie und ihre Kollegin Eva Schuh ja nicht hier. Ein paar Läden zum Beispiel fehlten im Quartier, sagt Miculcy, eine Drogerie, ein Restaurant. Vor einiger Zeit hat ein Supermarkt geschlossen, das bedauern viele Bewohner. Der Großteil der rund 9.000 Menschen lebe seit Anfang der 1970er-Jahre hier. Wenn man so will, Berliner Binnenmigranten, die wegen der Sanierung innenstädtischer Altbauten ein neues Zuhause suchten und es in den von viel Grün umgebenen Hochhäusern fanden. Ihnen folgten in den vergangenen Jahren auch Migranten aus anderen Ländern. Russen, Polen, Syrer, Iraker. Gut ein Zehntel der Marienfelder hat einen ausländischen Pass, ein Drittel einen Migrationshintergrund.

Unbewusst waren die ersten Neu-Marienfelder Teil einer Entwicklung, die in ganz Berlin bis heute andauert – und die der neue Senat nun aufhalten will: Die Zugezogenen zog es lange eher in die Gebiete innerhalb des S-Bahn-Ringes. Acht von zehn Bewohnern rund um den Potsdamer Platz etwa stammen nicht aus Berlin, am Heideberg in Spandau hingegen sind acht von zehn Bewohnern in der Stadt geboren. Aber auch da nähern sich die Neu- den Alt-Berlinern an. Zwangsweise – die steigenden Mieten treiben inzwischen auch sie an die Ränder des AB-Bereichs. Und so wird Berlin vielleicht genau dort gestärkt, wo man es bislang am wenigsten vermutete: am Rand. Bei Julia Bulla war der Überdruss am Überfluss der Grund, warum sie von Neukölln nach Karlshorst gezogen ist und dort ihr Café „KarlsDörthe“ eröffnet hat. Warum nicht in Neukölln, frage ich sie. „Zu übersättigt!“ Die 36-Jährige stammt aus Paderborn, lebt aber seit elf Jahren in Berlin. Sie wollte unbedingt raus aus ihrem Studienort Bielefeld und rein in die Hauptstadt. Bereut hat sie den Schritt nie, im Gegenteil: Sie liebe die Stadt, weil sie Experimente wie das Café ermögliche. Ihr Freund und Mitbetreiber Daniel nickt. Er, gebürtiger Kasseler, lebt wie ich erst seit vier Jahren in Berlin. Optisch hat er sich bereits angepasst: die Jeans hochgekrempelt, die Frisur in Teilen sauber ausrasiert – ein hipper Berliner eben. Ganz im Gegensatz zu mir, der modetechnisch nicht auf jeden Zug aufspringt. Doch wir sagen beide, wenn wir gefragt werden, wo unser Zuhause ist: „Berlin“. Für einen Hessen und einen Bayern ist das eine ziemlich schnelle Integration, finden Sie nicht?

WIR SIND BERLINER Was echte und waschechte Einwohner an ihrer Stadt schätzen

DIE

Freiheitsliebende K A M U R A N Y E S I LT E P E *

53, degewo-Mieterin aus Schöneberg (*Nachname von der Redaktion geändert)

DER

Zufallsintegrierte PETER SIBLEY

75, Charlottenburg

Zu Gast im Café „KarlsDörthe“ in Karlshorst: Die Inhaber schätzen Berlin als Stadt der unendlichen Möglichkeiten

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BERLINER

So ganz lässt Peter Sibley sein alter Wohnort nicht los. „In Hamburg“, sagt der 75 Jahre alte Engländer, „in Hamburg kannst Du zehn Jahre in einer Kneipe sitzen und keiner redet mit Dir. In Berlin reden die Leute mit Dir. Das ist toll!“ Sibley lacht laut, als er das sagt. Seit fünf Jahren wohnt der ehemalige Theater- und Musikproduzent in Charlottenburg in einer ziemlich einmaligen Wohngemeinschaft: einer Pflege-WG in einem schwul-lesbischen Mehrgenerationenhaus. So etwas gebe es weder in seiner Heimat noch in Hamburg, wo Sibley viele Jahre wohnte – bis zu einem Schlaganfall im Jahr 2012. „Während der Reha habe ich damals ,schwules betreutes Wohnen‘ gegoogelt. Das hier kam dabei raus“, erklärt er. Er bekam das Zimmer mit Balkon am Ende des langen Flurs der Wohngemeinschaft. Die Wohnung ist barrierefrei mit Platz für acht Bewohner, gemeinsamer Wohnküche und einem 24-Stunden-Pflegedienst. „Aber wir sind kein Vorzimmer für ein Krematorium, kein schwules Altenheim“, wendet Sibley ein. In den anderen Etagen des Hauses lebten Jüngere, ohne die er hier nicht wohnen – und nicht feiern wolle: Fast jedes Wochenende ist er auf Achse und ist überzeugt: „Berlin ist nach London die kulturell bestintegrierte Stadt in Europa, noch vor Paris.“

„Die Fremdenfeindlichkeit“, sagt Kamuran Yesiltepe*, die Verkäuferin im Kiosk „Luther99“ am Rathaus Schöneberg, „die macht mir zurzeit zu schaffen. Neulich hat ein Kunde zu mir gesagt: ,Gehen Sie zurück in ihr Land!‘ Nur weil der Ticketautomat der BVG nicht ging!“ Die 53-Jährige mit den wallenden braunen Locken ist ganz ruhig, als sie von diesem Vorfall erzählt, obwohl er ihrer Einstellung widerspricht: „Mein Land ist doch hier! Ich liebe Berlin!“ 1976, als sie zwölf Jahre alt war, zog sie aus Istanbul zu ihren Eltern nach Berlin. Sie waren dort Gastarbeiter, blieben und wurden heimisch. Kamuran ist das ohne Zweifel: Als zwei Zivilpolizisten den Laden betreten, bindet sie sie sofort in das Gespräch ein, respektvoll, aber mit der typischen Berliner Lässigkeit: „Na, was sagt Ihr, soll ich mit dem Reporter reden?“ Der Kiosk gehört nicht ihr, sondern ihrer Tochter. Die Mutter vertritt sie manchmal. „Meine Kinder sind Berliner. Und ich bin es auch. Jeder kann Berliner sein. Man muss nur ein wenig Deutsch können.“ Zwei Jahre habe sie mit ihrer Familie mal im schwäbischen Biberach gewohnt, „schöne Stadt, gute Schulen“. Aber die Sehnsucht war zu groß: Kamuran Yesiltepe* und ihre Familie zogen zurück. „Ich schätze diese Freiheit in Berlin. Hier kann ich als Frau anziehen, was ich will.“

LEBEN

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BERLINER

TITELGESCHICHTE

DIE

TIPPS

Hindernis.. Bekampferin

E I N TAG „ E C H T E S B E R L I N “

L AUR A GE HLHA AR

33, Friedrichshain

DIE METROPOLE FÜHLEN

DER

Waschechte

Ab in die Innenstadt und sich mit der Entscheidung quälen: den echten Tyrannosaurus Rex Tristan im Naturkundemuseum bestaunen oder sich der jüngeren Berliner Geschichte am Mauerdenkmal widmen? Machen Sie am besten beides. Museum für Naturkunde, Invalidenstr. 43, 10115 Berlin, www.naturkundemuseum.berlin. Gedenkstätte Berliner Mauer, Bernauer Str. 111, 13355 Berlin, www.berliner-mauer-gedenkstaette.de

ROBERT IDE

42, Prenzlauer Berg

„Früher“, sagt Robert Ide, „da haben meine Freunde und ich unser Taschengeld gespart und sind auf den Fernsehturm gefahren, um die Stadt zu sehen.“ Innendrin der DDR-Futurismus, außen beide Teile der Stadt, dazwischen die Mauer: „Von da oben hat man erst mal gesehen, wie lang die war.“ Dass sie irgendwann fiel, prägt das Leben des 42 Jahre alten Ide bis heute. Sei es in der Kleingartenanlage Bornholm I, dessen Stellvertretender Vorsitzender er ehrenamtlich ist, oder bei seiner Arbeit als Leiter der Berlin/Brandenburg-Redaktion des Tagesspiegel: „Mein Berliner-Sein definiert sich maßgeblich über diese turbulente Wendezeit.“ Wann immer er heute noch auf den Fernsehturm fährt, sieht Robert Ide deswegen keine geteilte Stadt mehr, sondern eine weite. Und: „Dass Berlin ein fantastisches Umland hat. Das ist mir erst nach der Wende klar geworden.“ Wie andere Ur-Berliner an den Rand der Stadt oder gar ganz wegzuziehen, kommt für ihn trotzdem nicht in Frage. „Ich wüsste gar nicht, warum ich das tun sollte. Hier ist doch alles möglich.“ Er sei zwar wie viele Berliner etwas störrisch und dafür, den Kern Berlins zu bewahren, „die Brachen oder durch Zufall entstandene Flächen wie das Tempelhofer Feld“. Aber neugierig auf das Neue sei er eben schon, deswegen sei der Fernsehturm auch sein Lieblingsort: „Der vereint die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Wenn ich den sehe, habe ich immer ein ganz starkes Heimatgefühl.“

IM GRÜNEN TOBEN Vom Akazienkiez geht es per Rad zum Natur-Park Südgelände, einem von der Natur zurückeroberten ehemaligen Rangierbahnhof im Süden Tempelhofs. Viel Platz zum Toben, Flanieren und Atmen! Prellerweg 47-49, 12157 Berlin, www.gruen-berlin.de/ natur-park-suedgelaende

WELLNESSTA N K E N Einmal nichts tun? Kunden des Salons Thon Pho in der Tegeler Straße im Wedding schwärmen von der „besten Thaimassage außerhalb Thailands“, das leicht schrammelige Ambiente hingegen: typisch Berlin. Tegeler Str. 37, 13353 Berlin, www.thaimassage-thonpho.de

E I N M A L A B TAU C H E N Oder vielleicht doch zwei Haltestellen weiterfahren bis Gesundbrunnen? Dort steigen wir mit den kundigen Guides der „Berliner Unterwelten“ hinab in ein weitverzweigtes System aus Bunkern und Tunneln, das im Zweiten Weltkrieg Tausenden Berlinern das Leben rettete. Brunnenstr. 105, 13355 Berlin, www.berliner-unterwelten.de

LEBEN

Der Titel ihres Buches könnte auch die allzeit gültige Schlagzeile zu Berlin sein: „Kann man da noch was machen?“ Doch während sich Berlin oft selbst im Weg steht, geht es bei der Autorin Laura Gehlhaar um ihre Behinderung durch andere, auch durch die Stadt, in der sie seit 2008 lebt: Die 33-Jährige sitzt wegen einer Muskelerkrankung seit Jahren im Rollstuhl. Großes Aufheben macht sie darum nicht. „Meine Erkrankung ist etwas Persönliches“, sagt sie beim Gespräch in ihrer Friedrichshainer Wohnung. Gehlhaars Perspektive auf Berlin hängt damit natürlich trotzdem irgendwie zusammen. „Der Rollstuhl dient mir als Arschloch-Filter“, sagt Gehlhaar, „er trennt die Guten von den Deppen, die mich ausgrenzen oder anstarren.“ Leider gibt es einige Deppen: genervt dreinblickende Busfahrer, die die Rampe rausholen müssen; Türsteher, die ihr den Eintritt zum Club verwehren, weil ihr ja etwas passieren könnte; oder Stadtplaner, die an Bahnhöfen Aufzüge vergessen haben und löchrige Gehwege nicht reparieren. Trotzdem sagt Laura Gehlhaar: „Es gibt nichts Besseres als Berlin. Das ist mein Zuhause.“ Denn trotz aller Hindernisse, die ihr die Stadt in den Weg legt: „Als jemand, der ganz offensichtlich anders ist als viele, kann ich hier auch super untertauchen.“

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URLAUB

DAHEEME & CHILLEN

Hotel Berlin Überlaufene Urlaubsorte an der deutschen Küste, volle Hotels auf Mallorca, in Italien und Co. – in diesem Jahr lässt sich in letzter Minute kaum noch eine Reise für die Sommerferien ergattern. stadtleben sagt, wie Sie sich zu Hause wie im Urlaub fühlen

Goldene Regel

I N F E R N E W E LT E N E I N TA U C H E N

Der Klassiker des Urlaubszeitvertreibs: endlich mal wieder Zeit, zum Beispiel für dieses: „Ach, wäre ich nur zu Hause geblieben – lustige Urlaubsgeschichten für Daheimgebliebene“ von Kerstin Gier, Bastei Lübbe, 9,90 €

M E E R S AT T

Jeden Tag das Gleiche machen: aufstehen, zum See fahren, in der Sonne liegen, schwimmen, Eis essen und sich wundern, dass der Tag schon wieder um ist. Wer es exotisch mag: morgens eine Kokosnuss einpacken und am Ufer schlürfen (Bohrer nicht vergessen). www.berlin.de/tourismus/seen

Machen Sie alles so, wie Sie es im Urlaub auch machen würden. Oder besser gesagt: Machen Sie nicht, was Sie dort nie machen würden. Also keine Arzttermine oder Renovierungen planen.

RUHIGE KUGEL SCHIEBEN

Zu deutschen Sommern gehört der Regen wie der Monsun zu Thailand. Aber für Schlechtwetter gibt es Lösungen: Gehen Sie mit Ihrer Familie zum Bowlen – stilecht mit Hotdogs und Softdrinks, bitte. Zum Beispiel www.bowlplay-berlin.de, Bahn und Stunde ab 10 €

EINMAL FLIEGEN EIN BISSCHEN LUXUS

Im Hotel müssen Sie Ihre Betten auch nicht selbst machen. Wie wäre es im Urlaub daheim ebenfalls mit ein bisschen Hilfe? Gönnen Sie sich eine Putzkraft auf Zeit. www.helpling.de, ab 13,90 € pro Stunde

M O N E Y, M O N E Y, M O N E Y

Wer in den Urlaub fährt, macht einen Plan. Das gilt auch, wenn Sie daheim bleiben. Legen Sie fest, was Sie wann machen wollen und setzen Sie sich ein Budget – ohne Reise- und Hotelkosten können Sie sich in diesen Ferien einige Extra-Wünsche gönnen.

Einfach mal was Verrücktes machen: Wie wäre es mit Bungee jumpen oder gar einem Fallschirmtandemsprung? www.bungee-berlin.de/bungee-berlin, ab 69 €, www.gojump.de in Gransee, 199 €

R AUS AUFS L AND

Die ganze Zeit zu Hause hocken? Ist auch öde. Fahren Sie ins Umland. Die stadtleben-Tipps: im Spreewelten-Bad in Lübbenau neben Pinguinen schwimmen oder im Wildpark Schorfheide Elche, Luchse und Wölfe beobachten und danach im angrenzenden Kletterpark austoben. www.wildpark-schorfheide.de www.spreewelten-bad.de

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T E X T Margitta Schulze Lohoff  

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ALBA MACHT SCHULE

STADTM E N SCH E N

  B I L D Darius Ramazani

An 150 Berliner Schulen trainieren Übungsleiter des Basketballvereins Alba Berlin mit den Schülern. Das hilft den Schulen und dem Club. Ein Besuch in der AlbertGutzmann-Schule im Wedding

Was ein Ball bewegt

Wedding

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Hinter den Milchglasfenstern versteckt sich der blaue Himmel. Es riecht nach dem Gummi von Turnschuhen, das Tausende Schüler über Jahrzehnte in der Sporthalle abgewetzt haben. Hinter ihrem Gitterkäfig zeigt die Bahnhofsuhr halb drei. Ein Ball klatscht auf den Linoleum-Boden der Halle. Eins – zwei – drei – Stille, dann zischt der Basketball durch das Netz. „Jetzt bist Du dran“, sagt Tom Grawe zu einem der zwei Drittklässler, die schon eingetroffen sind und darauf warten, dass die Basketball-AG an der Albert-Gutzmann-Schule endlich beginnt. Heute dabei: die zwei Trainer Tom Grawe und Tomas de Paiz Pätow, Philipp Hickethier von Alba Berlin und Sabine Gutschke, Erzieherin an der Schule. Vier Personen, die erzählen, was das Projekt „Alba macht Schule“ außergewöhnlich macht.

TO M G R AW E



26, Basketballtrainer bei Alba Berlin

Ich spiele Basketball seit ich zwölf Jahre alt bin, außerdem habe ich Sportwissenschaften an der Hochschule für Gesundheit und Sport in Lichtenberg studiert. Über ein Praktikum bin ich bei Alba gelandet. Dort trainiere ich heute zwei Teams: die weibliche U13 und als Co-Trainer auch die Damen-Regionalligisten. Insgesamt arbeite ich 30 Stunden pro Woche als fest angestellter Trainer: 14 Stunden im Alba-Nachwuchsbereich, 16 Stunden hier an der Schule. Ich begleite den Sportunterricht und trainiere zusammen mit Tomas die Basketball-AG. Hierhin kommt jeder freiwillig. Wir versuchen, die Schüler spielerisch an den Basketball heranzuführen – sodass sie am Ende des Tages gar nicht merken, dass sie eine neue Technik gelernt haben.



schnell gelernt

WA S I S T B A S K E T B A L L? Eine Ballsportart, die man in der Halle spielt. Zwei Teams mit je fünf Spielern (und bis zu sieben Auswechselspielern) versuchen den Ball in den gegnerischen Korb (englisch: Basket) zu werfen. Jeder Treffer in das in 3,05 Meter Höhe hängende Netz zählt zwei oder drei Punkte. Ein Spielfeld ist 28 Meter lang und 15 Meter breit.

Du kommst hier nicht durch! Team Grün am Ball, Team Rot versucht den Weg zum Korb zu blocken – eine ganz normale Szene aus dem Basketballunterricht

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ALBA MACHT SCHULE

STADTM E N SCH E N

PHILIPP HICKETHIER



Erst das linke Bein vor, am nächsten Hütchen das rechte: Tom Grawe trainiert mit einem Schüler einen Korbleger

SABINE GUTSCHKE

50, koordinierende Erzieherin im Ganztagsbereich der Albert-Gutzmann-Schule



Wir arbeiten mit 150 Partnerschulen und 40 Kitas in ganz Berlin und teilweise sogar in Brandenburg zusammen, um unseren Sport – Basketball – an die Schulen zu bringen. Natürlich werden wir oft gefragt, warum wir das alles machen. Die Antwort ist ganz einfach: Wir engagieren uns, weil wir auch davon profitieren. Die Alba-Jugend ist ein eigenständiger Verein – vollkommen unabhängig von der GmbH der Profis. Bei uns trainieren rund 1.000 Nachwuchsbasketballer im Verein, weitere 3.000 in Kita, Grund- und Oberschule. Die Kooperationen mit den Schulen helfen uns, unsere Trainer zu finanzieren. Den Schulen in Berlin stehen Gelder zur Verfügung, um externe Angebote wie unseres zu nutzen. So können wir zum Beispiel Tom und Tomas 16 Stunden pro Woche hierher schicken und gleichzeitig das Trainer- vom Ehrenamt befreien. Mehr als die Hälfte unserer rund 100 Übungsleiter sind fest angestellt auf Minijob- oder Vollzeitbasis. Davon profitieren alle: Die Schulen können ihren Sportunterricht aufwerten, wir haben professionelle Trainer, bewegen 4.000 Kinder mindestens einmal pro Woche und fördern den Basketballsport: Denn ein paar von den Kindern, die wir heute trainieren, werden irgendwann mal richtig gut sein.



Die Schüler lieben es, dass sie bei ,Alba macht Schule’ nicht nur trainieren, sondern echte Turniere spielen und sich in der Alba-Grundschulliga mit anderen Schulen messen können. Für die Schule hat die Kooperation mit Alba viele Vorteile: Wir sind eine Brennpunktschule, für 90 Prozent der Kinder hier ist Deutsch nicht ihre Muttersprache. Viele Familien beziehen Transferleistungen oder sind Asyl suchend. Außerhalb der Schule haben viele nicht die Möglichkeit, neue Sportarten auszuprobieren oder gar in einem Verein zu spielen. Basketball ist ideal für unsere Schüler: Es fördert die koordinative Wahrnehmung, die psycho-motorische Entwicklung und die soziale Kompetenz. Sie müssen den Trainern und Mitspielern zuhören, sich auf sie einlassen und die Regeln akzeptieren. Sie müssen ein Team sein, sonst wirft man in einem Spiel keine Körbe.



Wer den Ball hat, muss dribbeln, um voranzukommen. Tomas de Paiz Pätow erklärt seinen Schülern eine wichtige Regel: Wer mit dem Ball in der Hand mehr als drei Schritte läuft, muss den Ball abgeben

kurz gefasst

T O M A S D E PA I Z PÄT O W



42, Trainer bei Alba Berlin

Ich lebe seit zwei Jahren in Berlin. Meine Frau und ich waren im Urlaub hier und dachten, ,hier möchten wir gerne eine Zeit leben‘. Wir hatten schließlich schon während des Jura-Studiums vier Jahre lang in Deutschland gewohnt und konnten die Sprache. Ich habe in Spanien als Prozessbevollmächtigter gearbeitet, meine Ausbildung wurde hier aber nicht anerkannt. Was also tun? Meine Frau hat dann in einem Magazin von einem Trainerkurs bei Alba gelesen. Da bin ich hin. Schließlich habe ich Jahre lang selbst Basketball gespielt, bei Salesianos Las Palmas auf Gran Canaria. Ich wusste so viel über den Sport, dass ich das Interview bei Alba erfolgreich absolviert habe – und seitdem bin ich Trainer. In Vollzeit und wir können hier davon leben. Das würde in Spanien nicht funktionieren, da würde ich für den gleichen Job vielleicht 120 Euro im Monat bekommen. Alle Mann zum Korb! Team Rot schaltet auf Angriff, Team Grün versucht den Korbwurf zu verhindern



SO FUNK TIONIERT „ A L B A M AC H T SCHULE“ Der Verein Alba Berlin stellt für seine Nachwuchssportler hauptberufliche Trainer ein. Einen Teil ihrer Arbeitszeit verbringen sie im Verein, den anderen an Schulen in ganz Berlin. Ein Trainer mit einem Vertrag über 30 Arbeitsstunden zum Beispiel arbeitet 14 Stunden im Nachwuchsbereich und 16 Stunden an den Schulen im Unterricht oder in Basketball-AGs. In degewo-Quartieren unterstützt das Wohnungsunternehmen das Projekt – zum Beispiel mit Trikotsätzen für die Turniere.

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32, Projektmanager bei Alba Berlin

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stadtleben verrät, was 20 degewo-Mieter beim exklusiven Rundgang gelernt haben

#3

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L AUSCHANGRIFF

GEHEIM, GEHEIM

S TA N D O R T V O R T E I L

Die Abhöranlage, von Amerikanern und Briten zu Beginn des Kalten Krieges gebaut, wurde bis 1991 betrieben.

Was genau spioniert wurde? Unklar. Alle Mitarbeiter haben sich zu Stillschweigen verpflichtet.

Bei gutem Wetter konnten die Antennen sogar den Taxifunk in Moskau empfangen.

#4

#5

M I T T E N I M WA L D

ALLES EHRENAMT

In den 1990er-Jahren kaufte ein Investor das Gelände, um Eigentumswohnungen zu bauen. Problem: Im Grunewald darf nicht gebaut werden. Der Investor meldete Insolvenz an.

Heute ist das Gelände verpachtet, ehrenamtliche Mitarbeiter bieten Führungen an. Das Eintrittsgeld fließt in die Instandhaltung. www.teufelsberg-berlin.eu

Berliner Schloss

Berliner Krankenhaus

Zierstrauch

Fluss durch Berlin

speisen

kurze Sommerhose

Flaschenteil

Gebäudekomplex Fischam Breit- fanggerät scheidplatz

kurz: unseres Erachtens

Festgedicht

alte Berliner Rennstrecke Vorname d. Berliner Sängers Kollo

Bericht

4 flache Vertiefung im Gelände

Donauzufluss in Passau

ehemaliger Berliner Sender

Gemälde, Porträts

Vorname d. Schauspielers Wepper

beste Zeugnisnote

Berliner ruckartig Veranstaltungsziehen ort

Zahl ohne Wert

Grammatik: Fall

Märchenland (Zauberer von ...) habichtartiger Greifvogel

Berliner Stadtbezirk

6 deutsche Zugkategorie

Zeitalter

Zierpflanze Frauenname Körperteilpaar

5 Frau von Tarzan Zeitraum von 365 Tagen

Schwur

Wortteil: gegen Internetkürzel für Ecuador

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verzweigte Flussmündung

alte dt. nordische Währung Gottheit Bauweisen schwäbischer Höhenzug

Wortteil: zwei

französisches Gebäck

Riechorgan

Die nächste Tour:

Berliner Fußballverein

machen

N E U E S Y N AG O G E Partnerstadt von Berlin

MITMACHEN & GEWINNEN!

nicht mehr modern

Berliner Eckensteher

Tischlerwerkzeug

In jeder Ausgabe lädt stadtleben 20 degewo-Mieter zu einem Blick hinter Berliner Kulissen ein. Der nächste exklusive Rundgang führt am 21. Juli um 14 Uhr durch die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße mit der Ausstellung „Tuet auf die Pforten“. Im Lostopf sind 10 x 2 Freikarten für den Ausflug. Schicken Sie eine Mail an s­ [email protected] oder eine Postkarte an degewo, Unternehmens­kommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Einsendeschluss: 30. Juni. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen!

Stadtteil mit Museumsdorf

Lebewohl

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Gewässer in Berlin

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Übungsstück in der Musik

poetisch: Insel Augendeckel

Schulleiter

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Herausgeber und Verleger degewo Aktiengesellschaft, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin Projektleitung Regine Zylka (V. i. S. d. P.), Isabella Canisius, 030 / 26485 1513, [email protected], www.degewo.de Redaktion TERRITORY Content to Results GmbH, Bei den Mühren 1, 20457 Hamburg, www.territory.de Geschäftsleitung Marius Darschin (Leiter Content Strategie) Creative Direction Maja Nieveler Publishing Management Gregor Kupper, Sandra Mauch (FR) Redaktions­ leitung Margitta Schulze Lohoff (FR), [email protected] Art Direction Mareike Krause Bildredaktion Nadine Yun Schlussredaktion Dr. Egbert Scheunemann (FR) Titelfoto Kai Müller Fotos Holger Talinski (S. 2, 18), Kai Müller (S. 2, 3, 16-22), Gene Glover (S. 2, 3, 8-11, 14, 30), www.notesofberlin.com (S. 4), IGA/ Dominik Butzmann (S. 5), degewo (S. 6), Heimatverein Steglitz Archiv (S. 15), Alty Kahyaoglu (S.19), PR (S. 22), Getty Images, picture alliance/dpa, plainpicture/FolioImages/ Petra Bindel, imago/Future Image (S. 23), Thordis Rüggeberg (S. 24-25), Darius Ramazani (S. 26-29) Illustrationen Martin Haake (S. 3, 6-7, 9, 12-13,14,17, 26) Druck ­Neef + Stumme, Wittingen Auflage ca. 75.000 Exemplare; stadtleben erscheint viermal im Jahr Hinweis: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet stadtleben auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten für beide Geschlechter.

Einem Forscher über die Schulter schauen oder gleich selbst experimentieren? Bei der „Langen Nacht der Wissenschaften“ am 24. Juni 2017 öffnen 70 Einrichtungen in Berlin und Potsdam ihre Türen. stadtleben verlost 5 x 2 Einzel- und 5 Familientickets. Mehr zum Programm: www.langenachtderwissenschaften.de Einsendeschluss: 19. Juni Stichwort: „Nacht der Wissenschaften“

Senden Sie eine E-Mail an [email protected] oder eine Postkarte an degewo, Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen!

Z U K U N F T S T H E AT E R Ein Theaterstück als Denkexperiment: Die Gruppe „51grad“ führt in diesem Sommer ihr Stück „Erschöpfte Demokratie“ im Max-Planck-Institut auf. Eine Reise zu alternativen und visionären Lebensentwürfen. stadtleben verlost 2 x 2 Karten für die Vorstellung am 19. Juli um 20 Uhr. Einsendeschluss: 30. Juni Stichwort: „Demokratie“

Senden Sie eine E-Mail an [email protected] oder eine Postkarte an degewo, Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen!

S TA R S I N C O N C E R T Im Beatles-Musical zu „Yesterday“ schmachten, in der Show „Michael“ den Moonwalk bestaunen oder in „Elvis“ den Hüftschwung des King of Rock'n'Roll bewundern – stadtleben verlost für alle drei Shows des Estrel Berlin jeweils 2 Freikarten. Einsendeschluss: 30. Juni Stichwort: „Estrel“, bitte Wunschshow angeben

Senden Sie eine E-Mail an [email protected] oder eine Postkarte an degewo, Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen!

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8 Beigabe zur Bratwurst

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201702

TEILNEHMEN & GEWINNEN

Die Türme mit den runden Kuppeln – Raddome genannt – verbargen die Abhöranlagen der US-Geheimdienste. Die Technik ist längst abgebaut und Künstler nutzen das Areal als riesige Freiluftleinwand.

IMPRESSUM

Stadt in Brasilien Kfz-Z.: Kassel

Skatwort

kurzer Moment

K A LT E R K R I E G T R I F F T S T R E E T A R T

N AC H T D E R W I S S E N S C H A F T E N

W O H N E N S I E E I N E N M O N AT M I E T F R E I !

AU F D E M T E U F E L S B E R G

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R ÄT S E L

BERLINER KULISSEN

Bringen Sie die Lösungsbuchstaben in die richtige Reihenfolge. Schicken Sie uns das Lösungswort und vergessen Sie dabei nicht, Ihre voll­ständige Adresse und die Mietvertragsnummer anzugeben. Mit etwas Glück wohnen Sie schon bald einen Monat mietfrei (eine Kaltmiete). degewo, Unternehmenskommunikation, Stichwort: Kreuzworträtsel, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin, oder per E-Mail an [email protected], Einsendeschluss ist der 14. Juli. Der Gewinner wird in der nächsten Ausgabe bekannt gegeben. Gewinner des Rätsels im vergangenen Heft ist Silvia Keller aus Köpenick. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

S T E Z U F T E L S A B E R A G

O E G L I T I R E I L U E I N G E R G E L G W A R A P A S R E L T R D E E M A N A S L D O E B L

O Z O S N T U U T N E I N O N G R L A I N

Lösung Heft 01/17 Lösungswort: Engagement

I G A - DAU E R K A R T E N Wem reicht schon ein Tag für die Internationale Gartenausstellung? Zwischen Kienberg, Gärten der Welt und Wuhletal gibt es so viel zu entdecken, dass stadtleben 10 x 2 Dauerkarten verlost. Die Gewinner können bis zum 15. Oktober täglich flanieren. Einsendeschluss: 30. Juni Stichwort: „IGA“

Senden Sie eine E-Mail an [email protected] oder eine Postkarte an degewo, Unternehmenskommunikation, Potsdamer Str. 60, 10785 Berlin. Die Gewinner werden benachrichtigt, Telefonnummer nicht vergessen!

GEWINNSPIELE

VORTEILE

GUTSCHEINE

Zu guter Letzt: Sparen Sie mit den Ange­­bo­ten von degewo und den Kooperationspartnern des Unternehmens. Wie? Einfach umklappen und an den Verlosungen teilnehmen!

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