Hintergrund Epidemiologie von Herz-Kreislauf- Erkrankungen

Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemiologische Studien als Beitrag zur Erklärung regionaler Unterschiede in der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkra...
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Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemiologische Studien als Beitrag zur Erklärung regionaler Unterschiede in der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen Alexander Kluttig, Stefanie Bohley und Johannes Haerting Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik; ­Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Hintergrund – Epidemiologie von Herz-KreislaufErkrankungen Kardiovaskuläre Erkrankungen sind nach wie vor die Haupttodesursache in Europa sowie weltweit [1]. Trotz des seit ca. 30 Jahren zu verzeichnenden Rückgangs der Herz-Kreislauf-Mortalität geht in Europa nahezu die Hälfte (46% gesamt, 51% bei Frauen und 42% bei Männern) aller Todesfälle auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurück [2]. Die Hauptformen kardiovaskulärer Erkrankungen sind die koronare Herzkrankheit und der Schlaganfall. Ca. 50% der HerzKreislauf-Mortalität begründet sich bei Männern sowie bei Frauen auf der koronaren Herzkrankheit, beim Schlaganfall sind es ein Drittel der Frauen und ein Viertel der Männer. Separat betrachtet ist die koronare Herzkrankheit mit 20% aller Todesfälle die häufigste Todesursache in Europa (1,8 Millionen Todesfälle pro Jahr). Männer und Frauen versterben gleich häufig an der koronaren Herzkrankheit. Dagegen versterben am Schlaganfall und an anderen kardiovaskulären Erkrankungen (u.a. der Herzinsuffizienz) prozentual häufiger Frauen als Männer (Schlaganfall 14% vs. 12%, andere kardiovaskuläre Erkrankungen 16% vs. 12%) [2]. In Deutschland sind ca. 40% der Sterbefälle auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen [3]. Im zeitlichen Verlauf konnte seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts ein starker Rückgang der kardiovaskulären Sterblichkeit beobachtet werden. Der Rückgang entspricht dem auch in vielen anderen westlichen Industrienationen beobachteten Trend [4]. Im Jahr 1990 waren ca. 50% aller Sterbefälle in Deutschland auf Krankheiten des Herz-Kreislauf-

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Systems zurückzuführen. 2007 traf dies noch auf 43% zu. Trotz einer Annäherung der kardiovaskulären Mortalität zwischen den alten und neuen Bundesländern ist in Ostdeutschland die altersstandardisierte kardiovaskuläre Mortalitätsrate jedoch nach wie vor höher als in Westdeutschland [5]. Der Vergleich hinsichtlich kardiovaskulärer Erkrankungen (ICD 10: I00–I99) zwischen den Bundesländern zeigt, dass die Mortalität (und auch, sofern er­ fasst, die Erkrankungshäufigkeit) in­ner­halb Deutsch­ lands tendenziell von Nordosten nach Südwesten abnehmen. Im Jahr 2012 waren die altersstandardisierten Sterberaten pro 100.000 Einwohner in Sachsen-Anhalt (341/100.000), Mecklenburg-Vorpommern (314/100.000) und Sachsen (306/100.000) am höchsten, am niedrigsten in Hamburg (234/100.000), Berlin (238/100.000), Baden-Württemberg (247/100.000) und Hessen (257/100.000) [5]. Die Mortalitätsrate für den akuten Herzinfarkt (ICD 10: I21) lag im Jahr 2011 im Bundesland Sachsen-Anhalt nach Altersstandardisierung bei 65 Sterbefällen pro 100.000 Einwohner. Im Vergleich dazu lag diese in Bayern bei 43 pro 100.000 Einwohner, der Bundesdurchschnitt lag ebenso bei 44 pro 100.000 Einwohner [3]. Die altersstandardisierte Sterblichkeit bei Herzinfarkt lag damit in SachsenAnhalt 43% über und in Bayern 2% unter dem Bundesdurchschnitt. Sachsen-Anhalt nahm im Jahr 2012 zusammen mit Brandenburg bundesweit die Spitzenposition hinsichtlich der Herzinfarktsterblichkeit ein [6].

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Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemio­logische Studien als Beitrag zur Erklärung ­regionaler ­Unterschiede in der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Mögliche Ursachen für regionale Unterschiede von Herz-Kreislauf-Erkrankungen Mehrere Faktoren könnten für diese überdurchschnittlich hohe Sterblichkeit an kardiovaskulären Erkrankungen ursächlich sein: „„Diskutiert werden die unterschiedlichen Häufigkeiten von kardiovaskulären Risikofaktoren, die in Bundesländern mit einer hohen kardiovaskulären Mortalität besonders hoch sind [7]. Sozioökonomische Variablen, wie ein niedriger sozioökonomischer Status und eine hohe Arbeitslosigkeit, stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, z.T. vermittelt über einen ungesunden Lebensstil und psychosoziale Risikofaktoren. So hat beispielsweise Sachsen-Anhalt eine der höchsten Arbeitslosenquoten [8] und ein niedrigeres durchschnittliches Bildungsniveau, gemessen am beruflichen Bildungsabschluss, im Vergleich zum Bundesdurchschnitt [9]. „„Zudem werden regionale Unterschiede in Versorgungsstrukturen und -prozessen als weitere mögliche Ursache angeführt. So kann ein wenig effektives Notarztsystem sowie längere Prähospitalzeiten bei einem akuten Ereignis wie dem Herzinfarkt als ursächlich für regionale Unterschiede in der Herz-Kreislauf-Mortalität angesehen werden [10]. Weitere mögliche strukturelle Faktoren, die die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität beeinflussen könnten, sind z.B. die geringe Arztdichte (Hausärzte, Kardiologen) sowie ein geringer Anteil von Kliniken mit Linksherzkatheterlabor. Daten zu regionalen Variationen in der Häufigkeit von Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen in Deutschland liefern sowohl bundesweite Surveys (die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland [DEGS], Gesundheit in Deutschland Aktuell [GEDA], German Metabolic and Cardiovascular Risk Project [GEMCAS]) als auch regionale, bevölkerungsbezogene Kohortenstudien. Die klassischen Hauptrisikofaktoren kardiovaskulärer Ereignisse sind der Diabetes mellitus, die arterielle Hypertonie, die Hypercholesterinämie und das Rauchen [11]. Darüber hinaus spielen weitere Aspekte des Lebensstils (z.B. körperliche Inaktivität), Übergewicht und Adipositas sowie psychosoziale Faktoren eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von kardiovaskulären Erkrankungen. Zu den aktuell in Deutschland laufenden bevölkerungsbezogenen Kohortenstudien zählen u.a. die SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania) in Mecklenburg-Vorpommern [12], die

Heinz Nixdorf Recall Studie in Nordrhein-Westfalen [13], die KORA Studie (Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) in Bayern [14] sowie die CARLA-Studie (Cardiovascular diseases, living and ageing in Halle) in Sachsen-Anhalt [15]. Im folgenden Kapitel wird exemplarisch auf die CARLA-Studie näher eingegangen. Dabei werden sowohl Ziele als auch Methodik sowie Ergebnisse im regionalen Vergleich dargestellt. Dem folgt eine Beschreibung des Regionalen Herzinfarktregisters Sachsen-Anhalt (RHESA), welches als eines von zwei bevölkerungsbezogenen regionalen Herzinfarktregistern in Deutschland im Jahr 2013 eingerichtet wurde, um die Versorgung von Patienten mit Myokardinfarkt in zwei Regionen Sachsen-Anhalts zu untersuchen.

Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemiologische Studien zur Untersuchung von Ursachen regionaler Unterschiede in der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität Die CARLA-Studie Die CARLA-Studie ist eine Kohortenstudie in der älteren Allgemeinbevölkerung der Stadt Halle (Saale). Das Untersuchungsmotiv leitete sich aus der spezifischen Ausgangssituation in Ostdeutschland 10 Jahre nach der Wiedervereinigung her. Seinerzeit war eine erhöhte Herz-Kreislauf-Sterblichkeit, insbesondere in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, zu beobachten, die ihren Schwerpunkt in den Altersgruppen oberhalb 45 Jahre zeigte. Demzufolge wurden aus dem Melderegister der Stadt Halle (Saale) eine nach 5-Jahres-Altersgruppen und Geschlecht stratifizierte Stichprobe von Bewohnern im Alter von 45 bis 80 Jahren gezogen und die ausgewählten Personen nach den Regeln einer epidemiologischen Bevölkerungsstudie zur Teilnahme an der Studie eingeladen. Die Basisuntersuchung fand von Dezember 2002 bis Januar 2006 statt. Bei Probanden, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage waren, in das Untersuchungszentrum zu kommen, wurden Hausbesuche mit mobilem Untersuchungsinventar durch­ geführt. Die insgesamt ca. 4-stündige Untersuchung umfasste ein standardisiertes, computergestütztes Interview (Fragen zu soziodemographischen und sozioökonomischen Faktoren, medizinischer Vorgeschichte, verhaltensbezogenen Risikofaktoren und Medikamenteneinnahme) sowie eine hochstandardisierte medizinische Untersuchung (Blutdruck, Anthropometrie, Echokardiogramm, EKG und Blutab-

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Schwerpunkt Wissenschaft

nahme). Um die Möglichkeit gemeinsamer gepoolter Auswertungen mit anderen Kohortenstudien in Deutschland zu schaffen, und damit auch die Möglichkeit für regionale Vergleiche, wurde großen Wert auf die Wahl vergleichbarer Instrumente zu den anderen größeren Kohortenstudien in Deutschland gelegt. Insgesamt wurden 1.779 Einwohner der Stadt Halle (Saale) im Alter von 45 bis 83 Jahren (812 Frauen, 967 Männer) zum Basiszeitpunkt 2002–2006 untersucht. Zusätzlich gab es eine Non-ResponderBefragung bei 373 Probanden, die nicht an der Studie teilgenommen haben. Die Teilnahmequote der Studie lag nach Bereinigung für qualitätsneutrale Ausfälle (z.B. verstorbene oder verzogene Personen) bei 64%. Im 4-Jahres-Follow-up konnte zwischen 2007 und 2010 bei 1.436 der 1.779 ursprünglichen Probanden das weitestgehend identische Untersuchungsprogramm der Basiserhebung durchgeführt werden. Im Jahr 2013 wurde eine zweite Follow-up-Untersuchung bei insgesamt 1.146 Teilnehmern durchgeführt. Eine weitere Follow-up-Untersuchung ist derzeit geplant. Während des gesamten Studienzeitraums wurden darüber hinaus sogenannte Mortalitäts-Follow-ups durchgeführt, d.h. es fanden Abgleiche mit dem Melderegister statt. Bei verstorbenen Studienteilnehmern wurde die Todesursache über Totenscheine recherchiert. Die CARLA-Studienpopulation ist durch eine – auch im Vergleich zu anderen deutschen Kohorten – auffallend hohe Prävalenz und Inzidenz einiger klassischer Risikofaktoren und Herz-Kreislauf-Krankheiten charakterisiert. Dies trifft insbesondere auf die Hypertonie, die abdominelle Adipositas und den Typ-2-Diabetes mellitus zu. Die folgenden Angaben stellen jeweils altersstandardisierte Häufigkeiten dar, sodass die unterschiedliche Altersverteilung der Studienpopulationen als Erklärung ausgeschlossen werden kann. So zeigte sich, dass sowohl die Prävalenz als auch die Inzidenz des Typ-2-Diabetes im regionalen Vergleich in der CARLA-Studie höher lag als in vergleichbaren Studienregionen in Deutschland [16, 17]. Beispielsweise lag die Prävalenz des Typ-2-Diabetes in Halle bei 12,0% und im Vergleich in der Region Augsburg bei 5,8% (s. Beitrag von Tamayo, Rathmann und Kuß, ❱❱❱ Schwerpunkt Wissenschaft). Auch die Rate der Neuerkrankungen am Diabetes Typ 2 war in der CARLA-Studienpopulation mit 16,9 pro 1.000 Personenjahre am höchsten (Augsburg 9,3 pro 1.000 Personenjahre). Neben der hohen Prävalenz des Typ-2Diabetes mellitus zeigten vergleichende Analysen

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eine ebenso erhöhte Prävalenz der zentralen Adipositas in der CARLA-Studienregion im Vergleich zu anderen bevölkerungsbezogenen Kohortenstudien (KORA, Heinz-Nixdorf-Recall Studie, SHIP). Trotz sich wenig unterscheidenden mittleren BMI-Werten in diesen Studien wurden in Halle die größten mittleren Taillenweiten (Männer: 103,6 cm, Frauen: 95,6 cm) beobachtet. Detaillierte Analysen zeigten, dass auch bei vergleichbarem BMI die Taillenweiten in der Hallenser Bevölkerung deutlich größer sind als in den übrigen Populationen [18]. Der erhöhte Blutdruck ist der häufigste und bedeutendste Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen [19] und damit auch einer der wichtigsten beeinflussbaren Risikofaktoren für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Verschiedene Studien weisen auf substanzielle Unterschiede in der regionalen Häufigkeit der Hypertonie innerhalb Deutschlands hin [20, 21]. Analysen der CARLA-Studie zeigen auch im regionalen Vergleich eine beachtenswert hohe Prävalenz und Inzidenz der Hypertonie in der Studienregion Halle (Saale) [22]. Die altersstandardisierte Prävalenz der Hypertonie lag bei 45–83-jährigen Männern und Frauen in der CARLA-Studie bei 74,3% (Männer) bzw. 70,2% (Frauen). In der Altersgruppe der 65–74-Jährigen wurde eine Prävalenz von 83,8% (Männer) bzw. 84,2% (Frauen) registriert. Dies ist insbesondere bei Frauen eine vergleichsweise hohe Prävalenz – vergleichbare Analysen der KORA und SHIP Studie zeigten in dieser Altersgruppe (65– 74 Jahre) bei Frauen Prävalenzen von 61,5% bzw. 74,5%. Die jährliche Neuerkrankungsrate der Hypertonie lag in Halle bei 8,6% bei Männern und 8,2% bei Frauen. Vergleichbare Zahlen aus anderen deutschen Kohortenstudien liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor, jedoch deutet der internationale Vergleich auch hier auf eine vergleichsweise hohe Neuerkrankungsrate hin. Ein bedeutendes Präventionspotenzial bzgl. kardiovaskulärer Erkrankungen wird deutlich, wenn man den Anteil der Personen mit Bluthochdruck betrachtet, die keine Kenntnis von ihrer Erkrankung hatten (31,0% der Männer und 19,1% der Frauen) bzw. die trotz der Einnahme von blutdrucksenkenden Medikamenten einen erhöhten Blutdruck aufwiesen (40,7% der Männer und 41,4% der Frauen) (❱❱❱ Abbildung 1). Hier könnte durch geeignete Maßnahmen ein beträchtlicher Anteil an kardiovaskulären Folgeerkrankungen vermieden werden.

Regionales Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (RHESA) Daten zur Versorgungsstruktur und -qualität können u.a. durch klinische Krankheitsregister gewonnen

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Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemio­logische Studien als Beitrag zur Erklärung ­regionaler ­Unterschiede in der Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Abbildung 1

Bewusstsein, Behandlungsstatus und Kontrolle des Bluthochdrucks bei Studienteilnehmern der CARLA-Studie [22]

50 45 40 35

Prozent

30 25 20

40,7

15

41,5 31,0

28,6

10

18,9

17,7

5

10,7

11,0

0 Bluthochdruck bekannt, kontrolliert behandelt (< 140/90 mmHg)

Bluthochdruck bekannt, nicht kontrolliert behandelt (≥ 140/90 mmHg) Männer (n = 742)

werden. Aktuell existieren in Deutschland zwei bevölkerungsbezogene Herzinfarktregister, das Augsburger Herzinfarktregister [14] und das Regionale Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt (RHESA) [23]. Darüber hinaus gibt es noch klinische Register zur Erfassung der Herzinfarktversorgung (z.B. Berliner Herzinfarktregister e.V., [24]). Ziel der Register ist es, unter standardisierten Erhebungsbedingungen Herz­ ­infarkt-Erkrankungs- und -Todesfälle möglichst vollständig zu erfassen, zeitliche Trends abzubilden und in Beziehung zu verschiedenen individuellen und strukturellen Einflussfaktoren zu setzen. Inwieweit mögliche Versorgungsdefizite mitverantwortlich für die erhöhte kardiovaskuläre Mortalität in Sachsen-Anhalt sein könnten, wird aktuell im Rahmen des Regionalen Herzinfarktregisters Sachsen-Anhalt untersucht. In einer städtischen und einer ländlichen Wohnbevölkerung des Landes Sachsen-Anhalt wird eine regionale bevölkerungsbezogene Herzinfarktregistrierung aufgebaut, um Ursachen der überdurchschnittlich hohen Sterblichkeit am akuten Herzinfarkt im Land Sachsen-Anhalt zu untersuchen und mögliche Maßnahmen zur gezielten Beeinflussung zu finden. Registriert werden seit dem 1. Juli 2013 alle überlebten und tödlichen Herzinfarkte aus der Stadt Halle (Saale) und der Altmark (Landkreis Stendal, Altmarkkreis Salzwedel).

Bluthochdruck bekannt, nicht behandelt

Bluthochdruck nicht bekannt

Frauen (n = 582)

Überlebte Herzinfarkte werden über 16 beteiligte Krankenhäuser der Registerregion an das RHESA, tödliche Herzinfarkte werden über die Gesundheitsämter der Registerregion in Kooperation mit den leichenbeschauenden Ärzten an das RHESA gemeldet. Die prähospitale Versorgung wird über die Dokumentation der beteiligten Rettungsleitstellen erfasst. Die Etablierung eines regionalen bevölkerungsbezogenen Herzinfarktregisters ist ein zentraler Schritt zur Gewinnung von Erkenntnissen mit dem Ziel der Reduktion der Herzinfarktmortalität im Land Sachsen-Anhalt. Obwohl bestimmte Routinedaten (z.B. Gesundheitsberichterstattung, Krankenhausstatistik, Krankenkassendaten) gewisse Anhalte zu den versorgungsrelevanten Ursachen der regionalen Unterschiede in der Herzinfarktmortalität liefern, reichen diese Daten nicht aus. Ein bevölkerungsbasiertes Herzinfarktregister ist in der Lage, das Morbiditäts- und Mortalitätsgeschehen in einer definierten Region abzubilden und wesentliche Aufschlüsse zu den versorgungsrelevanten Einflussfaktoren zu liefern. Damit wird es letztendlich möglich, problemorientiert die Qualitätssicherung der Versorgung von Herzinfarktpatienten nach wissenschaftlichen Kriterien zu steuern. Dies wird durch das etablierte bevölkerungsbasierte KORA Herzinfarktregister Augsburg belegt [14, 25].

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Schwerpunkt Wissenschaft

Das regionale Herzinfarktregister Sachsen-Anhalt kann mittel- und langfristig: „„eine Datengrundlage für die Planung und Steuerung geeigneter Präventionsmaßnahmen bieten, „„die medizinische Versorgung von Herzinfarktpatienten in Sachsen-Anhalt abbilden und basierend auf diesen Erkenntnissen zur Verbesserung der Herzinfarktversorgung in Deutschland beitragen und „„zu einer Verbesserung der Gesundheitsberichterstattung des Bundes beitragen, indem eine validere bundesweite Hochrechnung von Ereignisraten zu Herzinfarkten angestrebt wird. Erste offizielle Ergebnisse des regionalen Herzinfarktregisters Sachsen-Anhalt sind ab 2016 zu erwarten.

Zusammenfassung und Ausblick Trotz des rückläufigen Trends sind kardiovaskuläre Erkrankungen nach wie vor die Haupttodesursache in Deutschland und auch weltweit. Es zeigt sich, dass innerhalb Deutschlands deutliche regionale Unterschiede sowohl bei der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität existieren. Ursächlich können v.a. Unterschiede in der regionalen Verteilung von kardiovaskulären Risikofaktoren sein. Dies beinhaltet klassische Risikofaktoren wie z.B. Diabetes mellitus, Hypertonie, Hypercholesterinämie und Rauchen. Auch die soziale Lage der Bevölkerung, welche einen Einfluss auf die Verteilung von Risikofaktoren hat, kann zur Erklärung der Unterschiede bei der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität herangezogen werden. Regionale Unterschiede in der kardiovaskulären Mortalität können auch durch Unterschiede in den Versorgungsstrukturen und -prozessen verursacht werden. Regionale, bevölkerungsbezogene, epidemiologische Erhebungen wie die ­CARLA-Studie und das RHESA-Herzinfarktregister kön­­­­nen für die Erklärung dieser regionalen Unterschiede einen entscheidenden Beitrag leisten und als Datengrundlage für die Planung und Steuerung geeigneter Präventionsmaßnahmen dienen.

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Schwerpunkt Wissenschaft

Dr. rer. medic. Alexander Kluttig, MPH Studium der Sportwissenschaft (Schwerpunkt Prävention, Rehabilitation und Therapie) sowie Master­ studiengang Public Health (Schwerpunkt Epidemiologie). Seit 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Martin-Luther-Universität H ­ alle-Wittenberg. 2007 Promotion zum Dr. rer. medic. Seit 2009 Koordinator der CARLA-Studie. Seit 2012 Studienzentrums­ leiter der Nationalen Kohorte am Standort Halle.

Stefanie Bohley Studium der Sportwissenschaften mit dem Schwerpunkt Prävention, Rehabilitation und Therapie s­ owie Studium der Soziologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Von 2008 bis 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Medizinische Soziologie, mit dem Schwerpunkt Prävention/­Gesundheitsförderung und Qualitätssicherung in der Gesundheitsversorgung. Seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik, mit dem F­ orschungsschwerpunkt HerzKreislauf-Epidemiologie und Versorgungsforschung. Seit 2013 Koordinatorin des Regionalen Herzinfarktregisters Sachsen-Anhalt (RHESA). Prof. Dr. rer. nat. habil. Johannes Haerting Nach dem Studium der Mathematik (Spezialisierung Stochastik) an der TU Dresden seit 1972 wiss. ­Mitarbeiter am Institut für Biostatistik und Med. Informatik der Universität Halle. Promotion 1980, Promotion B (­Habilitation) 1990 an der Universität Halle. 1992 Gastaufenthalt an der Abteilung für Epidemiologie und Biostatistik des Karolinska Institutet Stockholm. 1994–1996 Hochschuldozent für Med. Statistik und Dokumentation am Institut für Med. Statistik, Informatik und Dokumentation der Universität Jena. Seit 1996 Hochschulprofessor für Med. Epidemiologie und Biometrie und Direktor des Instituts für Med. Epidemiologie, Biometrie und Informatik der Universität Halle.

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