33 Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

33 33 G  utartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum S. Willis, R. Kasperk, M. Saklak, F. Ulmer, J. Braun, V. Schumpelick 33.1 Kolititis  – 44...
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33 33 G  utartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

S. Willis, R. Kasperk, M. Saklak, F. Ulmer, J. Braun, V. Schumpelick

33.1

Kolititis  – 449

33.1.1

Pseudomembranöse Kolitis  – 449

33.1.2 33.1.3 33.1.4 33.1.5 33.1.6

M. Saklak, S. Willis Ischämische Kolitis  – 450 M. Saklak, S. Willis Diversionskolitis  – 451 M. Saklak, S. Willis Radiogene Kolitis  – 452 M. Saklak, S. Willis Mikroskopische Kolitis  – 452 M. Saklak, S. Willis Colitis ulcerosa  – 453 S. Willis, J. Braun Literatur  – 462 Internetadressen  – 463

33.2

Divertikulose und Divertikulitis  – 464 R. Kasperk, S. Willis

33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.2.4 33.2.5 33.2.6 33.2.7 33.2.8 33.2.9

Grundlagen  – 464 Klassifikation  – 466 Klinische Symptomatologie  – 466 Diagnostik  – 467 Therapieziele und Indikationsstellung  – 468 Konservative Therapie  – 469 Chirurgische Strategie und Verfahrenswahl  – 469 Operationstechnik  – 471 Ergebnisse  – 472 Literatur  – 472

33.3

Gutartige Neubildungen und Fehlbildungen  – 473 R. Kasperk, S. Willis

33.3.1 33.3.2 33.3.3

Adenome  – 473 Gefäßanomalien des Kolons  – 474 Morbus Hirschsprung  – 475 Literatur  – 475

33.4

Funktionelle Erkrankungen  – 475 S. Willis, R. Kasperk

33.4.1 33.4.2 33.4.1

Chronische Obstipation  – 475 Syndrom des irritablen Kolons (Reizdarmsyndrom)  – 478 Intestinale Pseudoobstruktion  – 479 Literatur  – 479

33.5

Kolonvolvulus  – 480 F. Ulmer, S. Willis Grundlagen  – 480 Sigmavolvulus  – 481 Zökumvolvulus  – 483 Transversumvolvulus  – 485 Volvulus der linken Kolonflexur  – 485 Literatur  – 485

33.5.1 33.5.2 33.5.3 33.5.4 33.5.5

449

33.1 · Kolititis

33.1

Kolititis

) )



Man unterscheidet grundsätzlich zwischen akuten und chro­ nischen Kolitiden. Akute Entzündungen des Dickdarms durch Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten gehören zu den häufigsten Darmerkrankungen überhaupt. Ihr Kardinalsymptom ist der Durchfall, der auch mit diffusen und krampfartigen Bauchschmer­ zen einhergehen kann. Zudem können vegetative Reaktionen wie Übelkeit, Erbrechen sowie Exsikkose auftreten. Je nach Patho­ genitätsfaktoren der beteiligten Erreger sind unterschiedliche Krankheitsverläufe möglich. So können von manchen Erregern sekundäre Immunprozesse ausgehen, die zu einer anderweitigen Organschädigung führen können (z. B. reaktive Arthritis bei Yersinieninfektion). Die meisten Formen der akuten infektiösen Kolitis sind unkompliziert, selbstlimitierend und bedürfen keiner chirurgischen Intervention. Ausnahmen stellen die pseudomem­ branöse Kolitis oder bei Neugeborenen die nekrotisierende Enterokolitis dar, die bei kompliziertem klinischem Verlauf auch rasch eine chirurgische Therapie erforderlich machen können (7 Kap. 45). Chronisch-rezidivierende, unspezifische Entzündungen des Darms werden entweder als Colitis ulcerosa oder als Morbus Crohn klassifiziert. Während die Colitis ulcerosa ausnahmslos den terminalen Dickdarm befällt und nur selten auf den Dünndarm übergreift, betrifft der M. Crohn in unterschiedlichem Ausmaß sämtliche Abschnitte des Magendarmtrakts, weshalb diese Er­ krankung in einem separaten Kapitel abgehandelt wird (7 Kap. 32). Ischämische Kolitis und mikroskopische Kolitis stellen wichtige Differenzialdiagnosen der chronischen Kolitis dar, sind jedoch meist konservativ zu beherrschen und erfordern nur selten eine chirurgische Therapie.

33.1.1 Pseudomembranöse Kolitis





M. Saklak, S. Willis

Pathogenese Die pseudomembranöse Kolitis ist eine entzündliche Erkrankung des Kolons, die allgemein durch eine Veränderung der Zusammensetzung der physiologischen Darmflora ausgelöst wird. Als Ursachen kommen alle Faktoren in Frage, die das natürliche Gleichgewicht der Darmflora nachhaltig verändern. Neben der epidemiologisch häufigen antibiotikaassoziierten Diarrhö (10– 30% der Fälle) kommen ätiologisch auch Ischämien des Gastrointestinaltraktes, Schock, Sepsis und Urämie in Frage. Bei den klinisch relevanten Fällen steht die Infektion mit Clostridium difficile im Vordergrund. Die Inzidenz der pseudomembranösen Kolitis in den Indus­ trienationen nahm in den letzten Jahren aufgrund des ge­ stiegenen Einsatzes von Breitbandantibiotika zu.

Clostridium difficile besitzt mehrere Pathogenitätsfaktoren. Es kommt u. a. auch in der normalen Darmflora des Menschen vor, wo es aber physiologischerweise nicht schädigend wirkt. Erst eine Dysbalance der Darmflora, wie sie häufig nach Antibiotikabe-

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handlung oder zytostatischer Therapie oder bei allgemeiner Abwehrschwäche vorliegt, bietet ideale Voraussetzungen für eine unkontrollierte Vermehrung von Clostridium difficile. Fortgeschrittenes Lebensalter und bereits abgelaufene Clostridiumdifficile-Infektionen stellen weitere Risikofaktoren dar (Price 2003). Verantwortlich für die klinische Symptomatik sind die von Clostridium difficile gebildeten Toxine A und B, die ihre Hauptwirkung an der Darmschleimhaut entfalten. Sie werden aktiv ins Darmlumen sezerniert, von wo aus sie an Rezeptoren der Enterozyten binden. Nach Aufnahme in die Zelle entfalten sie ihre zytotoxische Wirkung durch Zerstörung des Zytoskeletts und Lockerung des Zellverbundes. Die Folge ist ein Flüssigkeitsverlust ins Darmlumen, der als wässrige, teils blutige Diarrhö imponiert. Enterotoxin A und Zytotoxin B spielen auf zellulärer und subzellulärer Ebene die entscheidenden Rollen für die umfassende Schädigung der Darmmukosa. Toxin B schädigt dominant das Zytoskelett der Mukosa, Toxin A aktiviert parallel die Signaltransduktionskaskade der Immunabwehr, sodass durch die Degranulation von Mastzellen und Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie den Interleukinen IL-1, IL-6, IL-8 und TNF chemotaktisch Granulozyten und Monozyten einwandern. Die Immunreaktion gegen die Bakterienzellen zur Abräumung von Zelldetritus wie Muzin und Fibrin bedingt beim Vollbild der pseudomembranösen Kolitis eine ausgeprägte Inflammation der Mukosa, die zu den endoskopisch nachweisbaren Pseudomembranen führt (Surawicz u. McFarland 2000). Klinische Symptomatologie Die Leitsymptome der pseudomembranösen Kolitis sind wäss­ rige – oder seltener blutige – Diarrhö, Fieber und abdominelle Schmerzen oder Krämpfe. Laborchemisch kann eine ­Leukozytose auftreten. In der Regel zeigen sich die Symptome in der ersten Woche nach Beginn einer antibiotischen Therapie, jedoch ist ein Ausbruch der Erkrankung auch Wochen nach Absetzen der Antibiotikatherapie möglich. In diesem Zusammenhang wichtig ist die präzise medikamentöse Anamnese. Diagnostik Die Diagnose beruht auf der klinischen Symptomatik, einer mikrobiologischen Stuhluntersuchung und auf dem Nachweis von Pseudomembranen bei der Endoskopie. Besonderes Augenmerk liegt auf den allgemein prädisponierenden Faktoren wie einer abgeschlossenen oder laufenden antibiotischen oder chemo­ therapeutischen Behandlung oder eines kürzlich stattgefundenen operativen Eingriffes. Prinzipiell kann jede – auch einmalige prophylaktische Gabe – eines Antibiotikums Auslöser einer pseudomembranösen Kolitis sein, die häufigsten Auslöser sind aber β-Laktam-Antibiotika wie die Cephalosporine, Penicilline und Ampicillin sowie das Lincosamid Clindamycin. Generell tritt die pseudomembranöse Kollitis häufiger bei Substanzklassen auf, die die anaerobe Flora des Kolons verändern. Cave Auch eine einmalige Antibiotikumgabe kann eine pseudo­ membranöse Kolitis auslösen!

Zur Diagnosestellung ist der Nachweis von C. difficile und Toxin im Stuhl zwingend erforderlich. Der Toxinnachweis erfolgt im-

450

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

. Abb. 33.1.  Pseudomembranöse Kolitis

33

munologisch mittels ELISA, wobei eine Sensitivität und Spezifität von mehr als 90%erreicht werden. Der Nachweis von C. difficile erfolgt durch mikroskopische Kulturen. Zu beachten ist, dass 5–10% der Bevölkerung asymptomatische Träger sind ohne krank zu sein. Von hohem diagnostischem Wert ist die endos­ kopische Untersuchung des Patienten, da in über 90% der Fälle Pseudomembranen sigmoidoskopisch bzw. koloskopisch nachgewiesen werden können (. Abb. 33.1). Meist ist eine flexible Sigmoidoskopie ausreichend, da die Pseudomembranen typischerweise vorwiegend im Linkskolon lokalisiert sind. Da die Leitsymptome nicht spezifisch für die pseudomembranöse ­Kolitis sind, müssen andere Ursachen der Diarrhö sorgfältig ausgeschlossen werden. Diagnostik der pseudomembranösen Kolitis 5 A namnese und klinische Untersuchung 5 Stuhluntersuchung zum Toxinnachweis (A und B) mittels ELISA 5 Stuhlkultur zum Erregernachweis 5 Endoskopie

Differenzialdiagnosen der pseudomembranösen Kolitis 5 B akterielle Infekti onen mit Enterobakterien, insbeson­ dere enteropathogene E. coli 5 Virale Infektionen insbesondere Enteroviren und HIV 5 Enteritiden durch Medikamente und andere chemische Noxen 5 Nahrungsmittelallergene (Sprue, Zöliakie) 5 Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Therapie Neben den allgemein supportiven Maßnahmen bei Diarrhö wie einer adäquaten Flüssigkeitsbilanzierung und Hydrierung des Patienten steht insbesondere bei den klinisch schwereren Fällen die Wahl eines geeigneten Antibiotikums im Vordergrund. In leichten Fällen reicht unter Umständen neben den allgemeinen Maßnahmen ein Absetzen der bestehenden antibiotischen Me­ dikation aus. Die wichtigsten Antibiotika sind in der Therapie

Metronidazol, Vancomycin und Teicoplanin (Surawicz u. Farland 2000). Metronidazol ist das Mittel der Wahl in der Dosierung von 3-mal täglich 400 mg p.o. für 14 Tage. Während der Therapie ­sollte aufgrund möglicher Nebenwirkungen auf eine Alkoholkarenz geachtet werden. Vancomycin und Teicoplanin sind Mittel der Reserve. Ihr Einsatz sollte trotz leicht gestiegener Resistenzen gegen Metronidazol weiterhin restriktiv erfolgen, und nur bei Versagen bzw. einer Kontraindikation der Metronidazol-Therapie (medikamentöse Unverträglichkeit oder Gravidität im 1. Trimenon) verabreicht werden. Bis heute sind keine vollständigen Resistenzen gegen Vancomycin bekannt. Die Dosierung für Vancomycin liegt bei 3-mal täglich 250 mg p.o. Neuere Studien weisen vermehrt auf einen Nutzen probio­ tischer Therapien hin. Zielsetzung ist dabei eine weitgehende Wiederherstellung der normalen Darmflora durch Saccharo­ myces boulardii und Lactobacillus-Applikation. Im Verlauf sollte sich eine Besserung der Symptomatik in­ nerhalb von 1–4 Tagen zeigen. Die Diarrhö sollte innerhalb von 2 Wochen sistieren. Rezidive treten in 20% der Fälle auf und müssen erneut konsequent behandelt werden. Bei fehlender Besserung, fulminanten Verläufen oder endoskopisch nicht beherrschbarer diffuser Blutung ist die Resektion des betroffenen Kolonsegmentes bis hin zur Kolektomie indiziert. 33.1.2 Ischämische Kolitis





M. Saklak, S. Willis

Pathogenese Die ischämische Kolitis ist die häufigste Manifestation gastro­ intestinaler Ischämien. Sie verläuft entweder akut oder chronisch. Auslöser der Ischämie sind zumeist Verschlüsse der Mesente­ rialgefäße, wobei lokale Durchblutungsstörungen auf kleinere Kolonsegmente beschränkt sind. Die Prädilektionsstelle – vor allem beim älteren Menschen – ist die Riolan-Anastomose im Bereich der linken Kolonflexur, wo sich die arteriellen Versorgungsgebiete der A. mesenterica superior und A. mesenterica inferior treffen. Meist wird die ischämische Kolitis spätpostoperativ nach gefäßchirurgischen Eingriffen an der Aorta abdominalis beo­ bachtet. Durch lokale Ischämie kommt es zur sekundären Schleimhaut- bzw. Darmwandentzündung, bzw. narbiger Ausbreitung mit z. T. langstreckigen Strikuturen. Die lokalen Ischämien entstehen zumeist auf der Basis vorbestehender arterio­sklerotischer Ver­ änderungen. Höheres Lebensalter ist dementsprechend ein wesentlicher Risikofaktor, der sich vornehmlich aus dem im Alter schlechteren Gefäßstatus ergibt (Higgins et al. 2004). Die ischämische Kolitis wird häufig postoperativ nach gefäß­ chirurgischen Eingriffen – vor allem aortoiliakalen Eingriffen – beobachtet.

Klinische Symptomatologie Es werden 3 Subtypen der ischämischen Kolitis unterschieden, wobei insbesondere die transienten und die stenosierenden Typen von dem klinisch dringlicheren gangränösen Typus unterschieden werden müssen (Higgins et al. 2004).

451

33.1 · Kolititis

4 Die transiente ischämische Kolitis präsentiert sich im akuten Verlauf mit abdominellen Schmerzen, vor allem im Bereich der linken Kolonflexur und mit blutiger Diarrhö. ­Häufig sind Übelkeit und Erbrechen, im weiteren Verlauf kommt es zum Fieberanstieg. Laborchemisch finden sich eine Leukozytose und Entzündungsparameter. 4 Die stenosierende Kolitis ist insgesamt häufiger und äußert sich insbesondere mit Passagestörungen, postprandialen Schmerzen, die auch in eine Angst vor Nahrungsaufnahme im Sinne einer Angina abdominalis einmünden können. 4 Die gangränöse Kolitis ist in ihrem Verlauf fulminant und äußert sich mit den klinischen Zeichen eines akuten Ab­ domens. Diagnostik Die klinische Symptomatik mit Angina abdominalis oder ein gefäßchirurgischer Eingriff in der Anamnese führen zur Verdachtsdiagnose. Entscheidendes diagnostisches Verfahren ist die Koloskopie. Hier imponieren zunächst ödematöse Schleimhautbezirke mit Einblutungen, später auch – insbesondere bei schwerem gangränösen Verlauf – dunkelrote bis schwarze Mukosaabschnitte, zum Teil mit Ulzerationen (. Abb. 33.2). Der Kolonkontrasteinlauf ist hilfreich zum Nachweis von Kolonstenosen. Die Angiographie der Mesenterialgefäße ist meist entbehrlich, da Verschlüsse im Bereich der Randarkden häufig nicht dargestellt werden können. Therapie Die transienten Verlaufsformen sind einer konservativen Therapie in der Regel gut zugänglich (MacDonald 2002). Die kon­ servative Therapie umfasst eine effiziente Schmerztherapie sowie eine adäquate Flüssigkeitssubstitution. Wichtig ist eine auf­ merksame Verlaufskontrolle, um möglichen Komplikationen rasch begegnen zu können. Vereinzelt wird eine Vollheparinisierung empfohlen. Die Prognose ist meist gut mit kompletter Ausheilung innerhalb von 2–3 Monaten. Bei bis zu 25% der Patienten muss jedoch mit einer späteren Strikturbildung oder einer segmentalen Kolitis gerechnet werden. Bei der stenosierenden Kolitis sollte das entsprechende Segment elektiv reseziert werden.

. Abb. 33.2.  Ischämische Kolitis

33

Die gangränöse ischämische Kolitis ist mit hohen Mortalitätsraten behaftet und erfordert eine schnelle chirurgische Intervention mit Resektion betroffener Darmabschnitte. Je nach Lokalisation und Durchblutungssituation des Restdarms kann eine Anastomosierung versucht werden. Bei einer schlechten oder klinisch nicht einschätzbaren Durchblutungssituation ist von einer primären Anastomose abzuraten. Das sicherste Verfahren ist in solchen Fällen die Diskontinuitätsresektion (MacDonald 2002). 33.1.3 Diversionskolitis





M. Saklak, S. Willis

Pathogenese Die Diversionskolitis ist definiert als unspezifische Entzündung des Intestinums, die nach chirurgischer Intervention aboral eines Ileo- oder Kolostomas auftritt. Die Inzidenz basierend auf endos­ kopischen Kriterien liegt bei über 50%, wobei 0–50% der Pa­ tienten Symptome entwickeln. Der Entstehungsmechanismus der Diversionskolitis ist unverstanden, diskutiert wird der fehlende trophische Reiz durch die endoluminale Stuhlpassage. Histopathologisch imponieren milde bis moderate Entzündungsherde mit lymphozytären und plasmazellulären Infiltraten der Lamina propria, erweiterten Blutgefäßen, Kryptenabszessen und einer Reduktion der Kryptenanzahl und der Bildung von lymphoiden Knötchen. Klinische Symptomatologie Die Diversionskolitis verursacht Blutungen und mukösen Ausfluss. Patienten klagen häufig über Völlegefühl und abdominelle Schmerzen mit Ausstrahlung in das Becken und/oder Rektum. Der Zeitpunkt des Auftretens der Symptome variiert sehr stark. Sie können innerhalb eines Monats postoperativ auftreten, ma­nifestieren sich jedoch nicht selten auch erst nach mehreren Jahren. Diagnostik Die klinischen Symptome sind nicht wegweisend. Entscheidend ist die Endoskopie der ausgeschalteten Darmabschnitte mit Biop­ sieentnahmen für die histomorphologische Beurteilung ergeben. Radiologische Verfahren spielen zur Sicherung der Diagnose keine entscheidende Rolle, da die Befunde unspezifisch sind. Endoskopisch kann die Diversionskolitis auch wie ein M. Crohn oder eine Colitis ulcerosa imponieren, so dass die Diagnose immer im Gesamtkontext mit der Vorgeschichte des Patienten zu stellen ist. Therapie Die kausale Therapie besteht in der Wiederherstellung der Darmkontinuität. Bei Patienten, bei denen die Stomaanlage temporär erfolgte, sollte – soweit chirurgisch vertretbar – die Kontinuität frühestmöglich wiederhergestellt werden. Auch wenn bis dato keine Angaben über Dysplasien ausgeschalteter Darmsegmente vorliegen, wird eine regelmäßige Nachsorge empfohlen. Asymptomatische Patienten sollten regelmäßig endos­kopisch sowohl im ausgeschalteten und nicht-ausgeschalteten Darmab­ schnitt kontrolliert werden. Patienten mit permanentem Stoma können häufig erfolgreich mit Steroiden, Salizylaten und kurzkettigen Fettsäuren

452

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

symptomatisch behandelt werden. Bei erfolgloser medikamen­ töser Therapie sollte bei Patienten mit permanenter Stomaanlage die Resektion des ausgeschalteten Darmabschnittes erwogen werden (Eggenberger u. Farid 2001). 33.1.4 Radiogene Kolitis



33



M. Saklak, S. Willis

Pathogenese Die Toleranzschwelle des Dickdarms beträgt etwa 50 Gy Herd­ dosis. Höhere Dosen und lokale Strahlenspitzen (z. B. Radiumeinlagen) bewirken irreversible Wandschädigungen, bevorzugt nach Bestrahlung intrapelviner Karzinome sowie von Nieren­ karzinomen. Die Schädigung der Stammzellen der Schleimhaut führt in 11–15% der Fälle zu einer akuten Proktokolitis mit geschwollener Schleimhaut, Blutungen, Erosionen und Ulzerationen. Davon zu unterscheiden ist die chronische Strahlenkolitis, die sich oft erst Jahre nach der Bestrahlung im bestrahlten Gebiet entwickelt. Sie ist die Folge einer Strahlen-induzierten Angio­ sklerose, die in der Folge zu Schleimhauthypoxie, Wandfibrose, Stenosebildung und einem erhöhten Kolonkarzinomrisiko führt. Die Häufigkeit operationspflichtiger Strahlenspätschäden beträgt 1,5–2%. Klinische Symptomatologie und Diagnostik Kardinalsymptom der akuten radiogenen Kolitis sind blutigschleimige Diarrhö und Tenesmen. Die chronische Strahlen­ kolitis manifestiert sich entweder als hämorrhagisch-ulzeröse Proktokolitis mit diffusen Blutungen oder als chronischer Dickdarm(sub)ileus. Höhergradige lokale Wandschäden können Fistelbildungen zur Blase, Scheide, seltener enterokutane Fisteln bewirken. Als Begleitschäden können Schrumpfgallenblase, Harnleiter- und Dünndarmstenosen und eine sklerosierende konstriktive Peritonitis aufteten. Diagnostikum der Wahl ist die flexible Endoskopie, bei Stenosen und Begleiterkrankungen können Kolonkontrasteinlauf und CT erforderlich sein. Therapie Die therapeutischen Möglichkeiten sind häufig unbefriedigend. Die konservative Therapie umfasst Sulfasalazin, Panthenol, Sucralfat-Einläufe, Spasmolytika, Sedativa, Östrogen-Proges­ teron-Kombinationen, Kortisonklysmen und schlackenreiche Kost (Wurzer et al. 1998). Die akute Strahlenkolitis klingt meist nach wenigen Wochen ab, der Übergang in eine chronische Kolitis ist selten. Diffuse Blutungen bei hämorrhagischer chronischer Prok­ tokolitis lassen sich am besten endoskopisch mittels Laser­ koagulation behandeln (Tjandra u. Sengupta 2001). Bei nicht beherrschbarer profuser Blutung oder Ileus ist die sofortige operative Therapie indiziert. Ansonsten sollte die Operations­ indikation aufgrund einer hohen Operationsletalität von 5–10% und einer Anastomoseninsuffizienzrate von bis zu 50% zu­ rückhaltend gestellt werden. Lokale Reparationsversuche sind wegen der schlechten Heilungstendenz meist frustran, weshalb im Zweifelsfall dem mehrzeitigen Vorgehen der Vorzug zu geben ist.

33.1.5 Mikroskopische Kolitis





M. Saklak, S. Willis

Pathogenese Es handelt sich hierbei um eine erstmals 1976 beschriebene Erkrankung des Kolons mit chronischer Diarrhö und normalem endoskopischen Aspekt, bei der sich histologisch ein charakteristisches subepitheliales kollagenes Band findet. Später wurde zusätzlich eine klinisch ähnliche, lymphozytäre Kolitis entdeckt, die ebenfalls nur mikroskopisch zu erkennen ist. Beide Erkrankungen wurden unter dem Oberbegriff »mikroskopische Kolitis« subsummiert (Schiller 2004). Die kollagene Kolitis kann aus einer lymphozytären Kolitis entstehen und umgekehrt. Die Ursache der mikroskopischen Kolitis ist unklar, eine familiäre Häufung und damit eine genetische Prädisposition scheinen vorzuliegen. Vermutlich liegt der mikroskopischen Kolitis eine abnormale Immunreaktion auf luminale Antigene zugrunde. An der Entstehung der Diarrhö ist bei der kollagenösen Variante die Kollagenschicht wahrscheinlich nicht beteiligt. Wahrscheinlicher ist als Ursache der Diarrhö und des erhöhten Stuhlgewichtes die Infiltration mit Entzündungszellen und konsekutive Freisetzung von Mediatorstoffen anzusehen. Es gibt Hinweise auf eine Assoziation mit autoimmunologischen Krankheiten wie dem Sjögren-Syndrom oder der Sprue, sodass eine autoimmunologische Komponente auch bei den mikroskopischen Kolitiden vorliegen kann. Medikamente, v. a. NSAR und Lansoprazol können möglicherweise ebenfalls eine mikroskopische Kolitis auslösen. Neuere Daten weisen auf einen kausalen Zusammenhang mit der Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie M. Crohn und Colitis ulcerosa hin (Robert 2004). Klinische Symptomatologie und Diagnostik Kardinalsymptom ist die wässrige Diarrhö. Korrekt diagnostizierbar ist die Erkrankung allerdings nur über eine endoskopische Stufenbiopsie und einer histopathologischen Untersuchung. Da die mikroskopische Kolitis meist den gesamten Dickdarm betrifft, können die Biopsien im gesamten Kolon entnommen werden. Die Breite der Kollagenschicht nimmt jedoch vom Zökum zum Rektum ab. Das Rektum kann in seltenen Fällen ausgespart bleiben. Daher ist eine Biopsie aus dem Sigma und/ oder dem rechten Kolon anzustreben. Wichtig ist der Ausschluss anderer Ursachen einer wässrigen Diarrhö, insbesondere einer Colitis ulcerosa (Schiller 2004). Therapie Die Therapie ist primär konservativ, eine chirurgische Therapie ist in der Regel nicht indiziert. Primär sollten alle potenziell verursachenden Medikamenten (z. B. NSAR) abgesetzt werden. Kortikoide, speziell Prednisolon und Budesonid, haben sich als erfolgversprechende Therapie erwiesen. Die Relapsgefahr nach Absetzen ist jedoch hoch. Wismutsubsalyzylat und Mesalazin können eingesetzt werden. Symptomatisch kann die Stuhlfrequenz mit Loperamid gesenkt werden. Oftmals treten Spontan­ remissionen auf, wobei ältere Patienten haben eine höhere Spon­ tanremissionsrate und einen milderen Verlauf aufweisen als junge Patienten (Schiller 2004).

33.1 · Kolititis

453

33

33.1.6 Colitis ulcerosa





S. Willis, J. Braun

ektomie und Stress weniger gut belegt ist. Es gibt wenig Evidenz dafür, dass psychosomatische Faktoren von pathogenetischer Bedeutung sind. Vielmehr scheinen verschiedene psychologische Auffälligkeiten sekundär durch den chronischen Krankheits­ prozess verursacht zu sein (Farrell u. Peppercorn 2002; Podolsky 2002).

Definition und Epidemiologie Die Colitis ulcerosa ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung unbekannter Ätiologie. Sie betrifft primär das Rektum, kann sich jedoch von distal nach proximal ausdehnen und das ganze Kolon befallen. In der klinischen Praxis wird zwischen einem Befall des Rektums (Proktitis), des Rektosigmoids (Proktosigmoiditis), des Colon descendens (Linksseitenkolitis) und des gesamten Kolon (Pankolitis) unterschieden. Die Entzündung befällt ausschließlich Mukosa und Submukosa. Bei 10–40% der Patienten bleibt die Erkrankung auf das Rektum und Sigma beschränkt. Bei etwa 10% der Patienten mit schweren Verlaufsformen ist eine Beteiligung des terminalen Ileum möglich, die als »Backwash«-Ileitis bezeichnet wird. Die Inzidenz der Colitis ulcerosa wird mit 5–8 Neuerkrankungen/100 000 Menschen/Jahr und die Prävalenz mit 40–90 Fälle/100.000 Menschen angegeben. Das Manifestationsalter liegt zumeist zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr. In einigen Statistiken wird ein zweiter Häufigkeitsgipfel zwischen dem 60. und dem 70. Lebensjahr beschrieben. Auffällig ist eine Zunahme der Inzidenz während der letzten Jahre, wobei nicht klar ist, ob die Krankheitsfälle tatsächlich zunehmen, oder ob die Diagnose aufgrund besserer Diagnostik häufiger gestellt wird. Bei 25% der Fälle liegt die Erstmanifestation im Kindesalter, was mit einer sehr schlechten Langzeitprognose verbunden ist. Bei Frauen wird die Colitis ulcerosa etwas häufiger beobachtet als bei Männern. Ebenso wie beim M. Crohn, jedoch nicht so ausgeprägt, gibt es sowohl eine familiäre als auch einen ethnische Häufung (euro­ päische und nordamerikanische Juden), was eine genetische Komponente in der Krankheitsentstehung suggeriert. Andere epidemiologische Untersuchungen haben ergeben, dass Bewohner ländlicher Gegenden weniger häufig betroffen zu sein scheinen als die Bewohner städtischer Regionen. Die Bewohner nördlicher Länder sind stärker betroffen als die Bewohner südlicher Regionen, was für eine Beteiligung von Umgebungsfaktoren in der Pathogenese der Erkrankung spricht (Loftus 2004).

Morphologie Morphologisch ist die erkrankte Mukosa durch ein samtartig, feingranuläres Aussehen gekennzeichnet. Die Entzündungsausbreitung ist kontinuierlich mit im Regelfall scharfer Begrenzung zum gesunden Darm. Punktförmige Erosionen gehen in hochgradig entzündlich veränderten Bereichen auch in echte Ulzerationen über. Nach dem Abklingen der akuten Entzündungsphasen kommt es durch Hyperplasie der zwischen den Ulkusnarben erhaltenen Schleimhautinseln zur Ausbildung charakteristischer entzündlicher Pseudopolypen (. Abb. 33.3). Im Extremfall können diese sogar das Bild einer Polyposis coli vortäuschen. Im akuten Schub ist das Kolon zunächst dilatiert. Bei langjährigem Verlauf kommt es zu einer zirkulären Schleimhautzerstörung mit narbiger Schrumpfung und es entwickelt sich das Bild eines weitgehend funktionslosen »Fahrradschlauches« (. Abb. 33.4). Die histologische Untersuchung von Material, das im floriden Stadium gewonnen wurde, zeigt eine granulozytäre Entzündung mit Reduktion der Becherzellen. Häufig sind Krypten­ abszesse, die allerdings auch beim M. Crohn und anderen Entzündungen gefunden werden. Remissionen gehen bisweilen mit einer Normalisierung des Schleimhautbildes einher. Bei lang­ dauernder Kolitis findet man zunehmend Epitheldysplasien, die aufgrund histologischer Kriterien in »High-grade«- und »Lowgrade«-Dysplasien unterteilt werden. Gelegentlich ist diese Unterscheidung auch für geübte Pathologen schwierig, woraus eine geringe Konkordanz in der histologischen Beurteilung resultiert. In schwierigen Fällen sollte deshalb grundsätzlich eine zweite Meinung eingeholt werden. Etwa 50% der Dysplasien findet man in beetartig erhabenen oder flachen, evtl. perlmuttartig diskolorierten Bezirken, bevorzugt im Rektum. Diese »Dysplasie-asso­ ziierten Läsionen oder Massen« (DALM) sind eng mit dem

Pathogenese Ätiologie und Pathogenese der Colitis ulcerosa sind noch weit­ gehend ungeklärt. Vermutlich führt wie beim M. Crohn ein Zusammenspiel genetischer, immunologischer und Umgebungsfaktoren zur Ausbildung der chronischen Entzündung. Dabei scheint nicht nur der Phänotyp der Erkrankung (M. Crohn oder Colitis ulcerosa), sondern auch der Krankheitsverlauf genetisch determiniert zu sein. Man geht heute davon aus, dass die chronische Entzündung der Darmwand auf einer andauernden und überschießenden Aktivierung des mukosalen Immunsystems durch endoluminale Substanzen beruht. Dabei kann die chronische Immunstimulation durch einen Defekt der mukosalen Schleimhautbarriere und/oder durch ein Ungleichgewicht proinflammatorischer und entzündungshemmender Zytokine verursacht sein. Der Trigger, der die chronische Immunstimulation auslöst, ist nicht bekannt. Grundsätzlich kann es sich um ein Nahrungsantigen, bestimmte Bakterien wie atypische Mykobakterien, Bestandteile der normalen Darmflora oder ein Autoantigen handeln. Gesichert ist, dass Rauchen statistisch vor der Entstehung einer Colitis ulcerosa schützt, während ein Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten, Antikonzeptiva, vorausgegangener Append­

. Abb. 33.3.  Pseudopolypen bei Colitis ulcerosa

454

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

Karzinome bei Colitis ulcerosa sind statistisch gleichmäßig über das gesamte Kolon und Rektum verteilt und treten in ca. 30% der Fälle multifokal auf. Es handelt sich meist um wenig differen­ zierte und muzinöse Adenokarzinome. Auch wenn nicht alle Kolitis-Karzinome aus Dysplasien entstehen, gelten letztere als Präkanzerosen. Schwere Dysplasien sind in 50–74% der Fälle mit einem kolorektalen Karzinom assoziiert, wobei diese auch fern der Schleimhaut entstehen können, die von der »High-grade«Dysplasie betroffen sind. Deshalb wird 8–10 Jahre nach Erkrankungsbeginn eine kontinuierliche Überwachung mittels jähr­ licher Koloskopie und Stufenbiopsien alle 10 cm des gesamten Dickdarms empfohlen, obwohl dadurch bislang weder eine statistisch signifikante Lebensverlängerung noch eine Kosteneinsparung nachgewiesen werden konnte (Delco 2000; Podolsky 2002). Durch die Entwicklung molekulargenetischer Marker könnte die Entdeckung von Dysplasien in Zukunft jedoch deutlich effizienter werden. Cave Jede Stenose bei Colitis ulcerosa ist malignitätsverdächtig!

33

. Abb. 33.4.  Kolonkontrasteinlauf bei »ausgebrannter« Colitis ulcerosa mit Haustrenverlust und langstreckiger Stenosierung

Auftreten von Karzinomen verknüpft (Warren 2004). In 10–15% der Fälle ist die Abgrenzung von anderen chronisch entzünd­ lichen Darmerkrankungen, vor allem zum M. Crohn schwierig. Ist eine eindeutige Zuordnung trotz ausreichender Biopsien nicht möglich, spricht man von indeterminierter Kolitis.

Klinische Symptomatologie Die klinische Symptomatik der Colitis ulcerosa hängt von der Ausbreitung der Erkrankung und vom Schweregrad der Entzündung ab. Die Leitsymptome sind blutig-schleimige Durchfälle. Typisch für die aktive Colitis ulcerosa sind 4–10 Stuhlentleerungen pro Tag, darunter auch nächtliche Stuhlentleerungen. Viele Patienten klagen zudem über Tenesmen, Defäkationsschmerzen, imperativen Stuhldrang und das Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung.

50% der Dysplasien finden sich in normaler Schleimhaut.

Karzinomrisiko Patienten mit Colitis ulcerosa haben ein signifikant höheres ­Risiko, ein Kolonkarzinom zu entwickeln, als die Allgemeinbevölkerung. Dieses Risiko ist im Wesentlichen abhängig von Ausmaß und Dauer der Erkrankung. Die Aktivität der Erkrankung spielt demgegenüber keine Rolle. In einer Populations-basierten Studie war die Karzinominzidenz im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung bei Proktitis um das 1,7-fache, bei Linksseitenkolitis um das 2,8-fache und bei Pankolitis um das 14,8-fache erhöht. Nach 10-jähriger Erkrankungsdauer betrug die kummulative Karzinominzidenz von 0,1–0,8%, nach 30-jähriger Krankheitsdauer bereits 6–16% (Hata 2003). Noch höher ist das Karzinomrisiko bei Erstmanifestation der Erkrankung unter 30 Jahren, bei Nachweis einer sklerosierenden Cholangitis oder »Backwash«Ileitis oder bei positiver Familienanamnese für kolorektale Karzinome (Heuschen 2001; Jayaram 2001). Als Faustregel steigt nach einer Erkrankungsdauer von 10 Jahren das Entartungs­risiko pro Jahr um 1% an. Eine kontinuierliche Aminosalizylat-Therapie, Rauchen und möglicherweise Folsäure- und Vitamin-ESupplementierung konnten bislang als protektive Faktoren identifiziert werden (Farrell u. Peppercorn 2002). Das Karzinomrisiko bei Colitis ulcerosa ist abhängig von Aus­ maß und Dauer, nicht aber der Aktivität der Erkrankung.

Leitsymptom der Colitis ulcerosa sind blutig-schleimige Durchfälle.

Der Schweregrad der Colitis ulcerosa wird nach Truelove und Witts in 3 Stadien eingeteilt (. Tab. 33.1; Truelove u. Witts 1954). Als Folge hoher Krankheitsintensität können Anämie, Eiweißmangel, Abwehrschwäche und Gewichtsverlust bis hin zur Anorexie auftreten. Die Erkrankung verläuft überwiegend schub­weise

. Tabelle 33.1.  Aktivitätsbeurteilung der Colitis ulcerosa nach Truelove und Witts

Symptome/ Aktivität

Mild

Mittelschwer

Schwer

Stühle/Tag

9

Blutung

Gering

Intermittierend profus

Dauernd profus

Fieber

Afebril

37,5–38,5°C

>38,5°C

Hämoglobin

Normal

37,8°C

Nein Ja

0 1

Endoskopie

33

Ödem Granulationen Kontaktvulnerabilität Verlust der Gefäßzeichnung Schleimexsudation Ulzerationen

1 1 1 1 1 1

Histologie Polymorphe Leukozyteninfiltration

Keine Mild Mild + Kryptenabszesse Ausgeprägt + Kryptenabszesse

0 1 2 3

Ulzerationen

Keine 50%

0 1 2 3

tion nicht belegt ist (Willis et al. 2003). Der heilende und damit entscheidende Schritt zur Verbesserung der Lebensqualität bei Kolitispatienten ist die Entfernung des erkrankten Kolons und nicht der Funktionserhalt durch die Pouch-Anlage. Heuschen et al. konnten in einer prospektiven Verlaufsstudie nachweisen, dass die Lebensqualität von Kolitispatienten nach Proktokolek­ tomie und Loop-Ileostomie signifikant zunahm, während die Wiederherstellung der natürlichen Stuhlpassage durch den Ileostomieverschluss keinen signifikanten Zugewinn mehr ergab (Heuschen 1998). Dementsprechend ist die Lebensqualität nach Proktokolektomie mit endständiger Ileostomie nur unwesentlich schlechter als nach restaurativer Proktokolektomie. Lediglich in den Aktivitätsbereichen Sport und Sexualleben zeigten Patienten nach IPAA bessere Resultate als die beiden anderen Gruppen (Camilleri-Brennan et al. 2003; Berndtsson et al. 2004). Nachsorge Es besteht nur ein sehr geringes Risiko für eine De-novo-Ent­ sehung von Dysplasien in der Pouch-Mukosa, wobei Patienten mit chronischer Pouchitis möglicherweise stärker betroffen sind. Dysplasien und Karzinome entstehen vorwiegend in der analen Transitionalzone nach Double-Stapling oder inkompletter Mukosektomie, weshalb eine jährliche endoskopische Nachun­ tersuchung mit Biopsieentnahme allgemein empfohlen wird (Thompson-Fawcett et al. 2001).

Durch die Proktokolektomie ist im Gegensatz zur medikamen­ tösen Therapie eine definitive Heilung der Colitis ulcerosa und damit eine wirksame Karzinomprävention möglich. Der ileoanale Pouch löst die Probleme des Dickdarmverlusts von allen zur Verfügung stehenden Verfahren hinsichtlich äußerer Integrität, Lebensqualität und Funktion am besten. Die Stuhl­ frequenz bleibt langfristig erhöht und die Kontinenzleistung ist häufig zumindest partiell eingeschränkt. Aufgrund der schweren präoperativen Einschränkungen durch die Colitis ulcerosa bedeutet dies für die meisten Patienten dennoch eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität, weshalb die Operationsindikation häufiger und früher als bisher ge­ stellt werden sollte.

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33.1 · Kolititis

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464

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

33.2

Divertikulose und Divertikulitis



R. Kasperk, S. Willis



) )

33

Divertikel sind sackartige Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch Lücken in der Muskelschicht der Darmwand. Sie können im gesamten Gastrointestinaltrakt vorkommen, treten jedoch in ei­ nigen Regionen häufiger auf: im oberen Ösophagus, im Jejunum und im Dickdarm, wobei vor allem letztere klinisch relevant sind. Das Vorhandensein von Divertikeln im Dickdarm bezeichnet man als Divertikulose, die zumeist asymptomatisch ist und keinen Krankheitswert hat. Die symptomatische Divertikulose ist schwer von anderen funktionellen Krankheitsbildern abzugrenzen. Die Divertikelkrankheit im engeren Sinne umfasst die verschiedenen Stadien der Divertikulitis. Hierunter versteht man die Entzün­ dung eines oder mehrerer Divertikel. Komplikationen des Ent­ zündungsprozesses sind vor allem gedeckte (Abszess, Fistel) und freie (Peritonitis) Perforationen sowie Obstruktionen. Die Diver­ tikelblutung erfolgt eher aus nicht akut-entzündlich veränderten Divertikeln und ist die häufigste Ursache der akuten unteren gas­ trointestinalen Blutung. Bei rezidivierender oder komplizierter Divertikulitis liegt eine Indikation zur Sigmaresektion vor. Da­ gegen ist die Divertikelblutung zunehmend eine Domäne der Endoskopie.

33.2.1 Grundlagen Anatomie und Pathogenese Bei den Divertikeln des Dickdarmes handelt es sich um sog. »falsche« Divertikel, bei denen die Schleimhaut durch ge­ fäßbedingte Lücken der Muskelwand herniert (. Abb. 33.10). Alle Wandstrukturen des Kolons sind an diesem Prozess be­ teiligt: 4 die Schleimhaut herniert und bildet den Divertikelsack, 4 die Submukosa bildet die notwendige Verschiebeschicht zwischen Schleimhaut 4 und Muskelrohr, 4 die Gefäße fungieren als Leitschienen und ihre Gefäßlücken sozusagen als Bruchpforten, 4 die Ringmuskulatur führt zur Ausbildung sog. Druckkammern mit einem erhöhten intraluminären Druck, 4 die kontrakten Tänien verkürzen das muskuläre Darmrohr (»Konzertinaform«). Divertikel sind zunächst intramural gelegen (inkomplette Diver­ tikel) und ragen erst im weiteren Verlauf über das Niveau der äußeren Muskelwand hinaus. Intramurale Divertikel weisen oft einen sehr engen Hals auf und sind daher auch für die Ent­stehung einer Divertikulitis prädisponierend. Das komplette Divertikel weist meist einen weiten Hals auf, der Divertikelsack wird nicht mehr von Muskulatur bedeckt. Rechtsseitige, im Zökum gelegene Divertikel sind durchschnittlich größer; damit kann das über die Divertikelwand und -kuppe ziehende Vas rectum auch in einem längeren Abschnitt geschädigt werden. Dies erklärt die bekannte größere Blutungsneigung rechtsseitiger Dickdarmdivertikel anatomisch. Jedes Divertikel kann zum Ausgangspunkt einer Entzündung werden, wobei nicht sicher ist, dass dieser immer eine Inkarzera-

. Abb. 33.10.  Schemazeichnung eines Kolonsegments mit Divertikeln (falsches Divertikel, gebildet aus Mukosa und Serosa)

tion von Darminhalt im Divertikel zugrunde liegen muss. Möglicherweise reichen auch schon kleinste mechanische Alterationen, die dann zu Mikroperforationen führen und die Entzündung initiieren. Je nach Lokalisation des Divertikels und Grad des Entzündungsprozesses entwickelt sich aus dem lokalen Prozess eine Peridivertikulitis oder auch eine Perikolitis mit oder ohne Perforation in die freie Bauchhöhle. Schon ein einziges,ggf. inkomplettes Divertikel kann im Ent­ zündungsfall das gesamte Komplikationsspektrum der Diver­ tikelkrankheit auslösen.

Die mit 80–90% bevorzugte Lokalisation der Divertikel ist das Kolon sigmoideum. Dies gilt zumindest für westliche Länder, während in asiatischen Ländern umgekehrte Verhältnisse mit einer Bevorzugung des rechten Kolons in 40–80% vorliegen, die auch nach Migration erhalten bleibt (Nakaji 2002). Die Patienten sind bei Krankheitsbeginn durchschnittlich 20 Jahre jünger als diejenigen in westlichen Ländern mit der typischen linksseitigen Divertikulitis. Die Ursachen hierfür sind unbekannt. Epidemiologie Die Divertikulose nimmt zumindest in den westlichen Industrie­ nationen in den letzten Jahrzehnten an Häufigkeit zu und ist in ihrer Inzidenz bzw. Prävalenz in einer gleichen Größenordnung wie Adipositas, koronare Herzkrankheit und Diabetes mellitus anzusetzen. Die Divertikuloseprävalenz zeigt eine klare Alters­ abhängigkeit, da die unter 50-Jährigen zu ungefähr 1/3 und die über 80-Jährigen zu 2/3 betroffen sind. Es gibt keine eindeutige Geschlechtsprädilektion, wobei Frauen durchschnittlich 5 Jahre später Komplikationen entwickeln, die eine chirurgische ­Therapie erfordern. In Bezug auf die Komplikationen zeigen Männer eine etwas höhere Inzidenz der Blutung, wogegen Frauen eine höhere Inzidenz von Striktur und Obstruktion aufweisen (McConnell et al. 2003). Von den Patienten mit einer Divertikulose bleiben ca. 70% asymptomatisch, 5–15% erleiden eine Divertikelblutung und 10–25% entwickeln eine Divertikulitis (. Abb. 33.11).

465

33.2 · Divertikulose und Divertikulitis

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. Abb. 33.11.  Natürlicher Verlauf der Divertikelkrankheit

Pathogenese Ätiologisch werden immer wieder bestimmte Lebensumstände der westlichen Industriegesellschaften diskutiert: Dies gilt ins­ besondere für einen niedrigen Anteil an Ballaststoffen und ein Überwiegen von hoch raffinierten Zuckern in der Nahrung. ­Echte Beweise im Sinne evidenzbasierter Studien gibt es hierzu allerdings nach wie vor nicht. Dennoch scheinen die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen, geringe physische Aktivität, die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika oder Kortikosteroiden und die Existenz anderer Erkrankungen, z. B. einer Niereninsuffizienz bei Zystennieren, prädisponierende Faktoren für die Entwicklung einer Divertikulitis zu sein (Morris et al. 2003). Auf der funktionellen Ebene werden Motilitätsstörung bzw. Drucksteigerung als Ursachen diskutiert (Simpson et al. 2003). Allerdings ist die Datenlage uneinheitlich und von Widersprüchen hinsichtlich der Ursachen-Wirkungsbeziehung gekennzeichnet. Auf morphologischem bzw. strukturellem Niveau sind bereits seit längerem eine Abnahme der elastischen Fasern in der Darmwand und eine Veränderung der Architektur der Muskelzellen bei Divertikulitis bekannt. Darüber hinaus weiss man, dass mit zunehmendem Alter die »cross links« innerhalb der Kollagenfibrillen der Darmwand zunehmen und damit die Elastizität

ohnehin schrumpft. Insgesamt ist der Kollagengehalt der Darmwand im Fall einer Divertikulitis höher als in nicht betroffenen Fällen. Parallel dazu lässt sich in der Darmwand von Divertikulitispatienten eine verminderte Expression der Matrixmetalloproteinasen 1 und 13 und eine Überexpression der Matrixmetalloproteinasen 2, 3 und 9 nachweisen (Schumpelick u. Kasperk 2001). Dies steht wiederum in enger Beziehung zu einer gleichfalls nachweisbaren Rarefizierung von Nervenzellen im Plexus submucosus und myentericus bei der Divertikulitis, also von Nervengeflechten, die maßgeblich an der Vermittlung motorischer Funktionen der Darmwand beteiligt sind. Hier zeigen sich gewisse Parallelen zu den histopathologischen Kriterien einer interstinalen neuronalen Dysplasie. Als Bindeglied zu den beschriebenen funktionellen Veränderungen lassen sich schließlich Untersuchungsergebnisse interpretieren, die die intrinsische Innervationsstörung auf Transmitter-Niveau untersuchen. Es ließ sich zeigen, dass die divertikeltragende Kolonwand eine verminderte Reaktion auf relaxierende Transmittersubstanzen zeigt, entweder aufgrund eines Überwiegens der aktivierenden Transmittersubstanzen oder durch beschleunigten Abbau der relaxierenden Transmitter (Young-Fadok u. Farrugia 2003). Kritisch muss allerdings zu diesen pathophysiologischen Daten angemerkt werden, dass bislang nicht sicher festzulegen ist, ob es sich bei den beschriebenen Veränderungen um primäre Ursachen oder vielmehr Folgezustände in einem divertikulitisch veränderten Darm handelt. Krankheitsverlauf Aufgrund der weit differierenden Literaturangaben zur Häufigkeit der Entwicklung einer Divertikulitis bei vorhandenen Divertikeln ist die immer wieder zitierte Zahl von maximal 10–25% nach wie vor als Schätzung anzusehen. Die Mehrzahl dieser Erkrankungen verläuft als unkomplizierte Divertikulitis, die gut auf konservative Therapie anspricht. In ca. 1/4 der Fälle entwickelt sich eine komplizierte Form die eine interventionelle bzw. ope­

. Abb. 33.12.  Formen und Häufigkeit der komplizierten Sigmadiver­tikulitis. (Nach Oertli et al. 1993)

freie Perforation 37 %

Blutung 3%

Abszess 31 %

Fistelbildung 10 %

Stenose 19 %

33

466

33

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

rative Therapie erfordert. Dabei stellen Fistelbildung, Darm­ obstruktionen durch narbige oder entzündliche Stenosen, gedeckte Perforationen mit Abszessbildung und freie Perforationen mit Peritonitis die häufigsten Komplikationen dar (. Abb. 33.12). Während klinisch relevante Blutungen bei der akuten Divertikulitis eher eine Rarität darstellen, sind sie die häufigste Komplikation der Divertikulose. Von den initial konservativ behandelten Patienten mit einer Divertikulitis entwickeln ca. 30% langfristig rezidivierende Beschwerden, die schließlich einer Operation zugeführt werden müssen. Diejenigen Patienten, die operiert werden, dürfen weitgehend als geheilt eingestuft werden, obwohl meist Divertikel im verbleibenden Kolon vorliegen. Nur etwa 2% der Patienten entwickeln in den Folgejahren eine operationspflichtige Divertikulitis im Restkolon. Für einen besonders komplikationsträchtigen Verlauf der Divertikulitis beim (gut eingestellten) Diabetiker gibt es keine Beweise. Auch der immer zitierte Hinweis, dass die Divertikulitis beim jüngeren Menschen eine aggressivere Erkrankung sei, lässt sich nicht sicher belegen (Guzzo u. Hyman 2004). Die hohe Zahl an Primäroperationen, die das Bild eines relativ schwereren Verlaufes suggerieren, wird durch eine hohe Anzahl an präopera­ tiven Fehldiagnosen relativiert. 33.2.2 Klassifikation Es gibt vielfältige Bemühungen das Krankheitsausmaß bei klinischer Manifestation der Divertikelkrankheit exakt zu definieren. Die publizierten Schemata unterscheiden sich sowohl hinsichtlich der einbezogenen Variablen (klinisch versus apparativ erhobene Befunde), als auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Erhebung relevanter Befunde (präoperativ versus kombiniert prä- und in-

traoperativ). Dementsprechend hat keine der Klassifikationen bislang für die klinische Routine nennenswerte Relevanz. Die größte Verbreitung in der Literatur hat die 1978 von Hinchey publizierte Stadieneinteilung gefunden, die sich allerdings lediglich auf die Perforationssituation bezieht und diese in Stadien von I bis IV unterteilt (. Abb. 33.13). Kritisch ist zu dieser Klassifikation anzumerken, dass sie auf einer unizentrischen retrospek­tiven Analyse von nur 95 operierten Patienten beruht, sodass z. B. in das sog. Stadium IV mit generalisierter kotiger Peritonitis lediglich 7 Patienten fielen (Hinchey 1978). 33.2.3 Klinische Symptomatologie Klinisches Leitsymptom der Divertikulitis ist der Schmerz im linken Unterbauch mit oder ohne peritonitischer Abwehrreaktion (Schumpelick u. Kasperk 2001). Die Schmerzlokalisation entspricht dem anatomischen Verteilungsmuster der Divertikelkrankheit. In den westlichen Ländern findet sich diese zu über 90% im linksseitigen Kolon, meist im Kolon sigmoideum, und nur zu 1–2% im rechtsseitigen Kolon. In den asiatischen Ländern hingegen finden sich 40–80% der Divertikulitiden im rechts­ seitigen Kolon! Die Mehrzahl der Patienten gibt Episoden mit ähnlicher Symptomatik in der Vorgeschichte an, sodass von wiederholten Divertikulitisepisoden auszugehen ist. Uncharakteristische Allge­ meinbeschwerden wie Krankheitsgefühl, Inappetenz, Übelkeit und Meteorismus können meist erfragt werden. Fieber und Leukozytose weisen auf den entzündlichen Prozess hin. Zu betonen ist, dass eine Divertikulitis in allen Fällen von Erkrankungen des Mittel- und Unterbauches als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden muss (Divertikulitis als »klinisches ­Chamäleon«).

. Abb. 33.13.  Klassifikation der per­ forierten Divertikulitis nach Hinchey. Grad I: mesenterial gelegene Phleg­ mone oder Abszess, Grad II: parakoli­ scher Abszess mit Quadrantenperito­ nitis, Grad III: diffuse eitrige Perito­nitis, Grad IV: diffuse kotige Peritonitis

PUS PUS

I

II

FECES PUS

III

IV

33.2 · Divertikulose und Divertikulitis

Insbesondere kann die Mitbeteiligung der ableitenden Harnwege bzw. des inneren Genitale zu differenzialdiagnostischen Schwierigkeiten führen. Die sog. Rechtsdivertikulitis ist in der west­ lichen Welt eine Rarität, führt aber aufgrund der schwierigen differenzialdiagnostischen Abgrenzung zur Appendizitis oft zur Operation. Bei allen entzündlichen Erkrankungen des Mittel- und Unter­ bauchs ist die Divertikulitis eine in Betracht zu ziehende Dif­ ferenzialdiagnose.

33.2.4 Diagnostik Typische Anamnese und klinische Untersuchung begründen die Verdachtsdiagnose einer Divertikulitis. Laborchemie, Abdomensonographie und, bei klinischem Verdacht, die Abdomenröntgenübersichtsaufnahme stellen die überall verfügbare Basisdiagnostik dar. Weitergehende Aussagen insbesondere bei unklarer Klinik oder vermutetem Vorliegen einer komplizierten Verlaufsform erlauben der Röntgenkontrasteinlauf und vor allem die Abdomencomputertomographie (Kaiser et al. 2004). Die CT erlaubt die umfassendste Aussage auch im Hinblick auf extraluminale Organveränderungen oder -beteiligungen (Abszess, Fistel, Gefässkomplikationen, Leberbeteiligung, inneres Genital etc.), ist aber möglicherweise nicht überall zu jeder Uhrzeit verfügbar und teurer (. Abb. 33.14; Rotert et al. 2003). Der Kolonkontrast­ einlauf ist breiter verfügbar und kostengünstiger, beschränkt sich aber in seiner Aussage auf intraluminale Veränderungen und ist daher als Routinediagnostik weitgehend verlassen worden (. Abb. 33.15). In fast allen Fällen kann die Diagnose allein aufgrund der klinischen Symptome und einer im Ultraschall nachweisbaren Kokarde als Ausdruck des Darmwandödems gestellt werden. Nach Ausschluss einer freien Perforation durch die Ab. Abb. 33.14.  Darstellung der kompli­ zierten Divertikulitis im CT. Nachweis eines lokalisierten Abszesses (Kon­ trastmittelenhancement und Luftein­ schlüsse) im mesenterialen Fettgewebe (Pfeil)

467

33

domenröntgenübersichtsaufnahme kann eine CT meist früh­ elektiv zum nächst verfügbaren Zeitpunkt im Routinebetrieb vorgenommen werden. Zwingend erforderliche Akutdiagnostik bei Verdacht auf Divertikulitis: Klinik, Sonographie, Labor, Abdomenröntgen­ übersichtsaufnahme. Eine CT (seltener Kontrasteinlauf ) ist zum frühelektiven Zeitpunkt oft sinnvoll.

Die Koloskopie ist im Stadium der akuten Divertikulitis wegen Perforationsgefahr kontraindiziert. Ihr Stellenwert liegt zum einen in der Kolonabklärung im Intervall zum differenzialdiagnostischen Ausschluss eines Tumorgeschehens. Zum anderen ist sie diagnostisches Mittel der Wahl in der Notfallsituation einer akuten unteren gastrointestinalen Blutung (Messmann 2003). Sie sollte hierbei unverzüglich, d. h. ohne den Versuch einer orthogeraden Lavage, von einem geübten Endoskopeur vorgenommen werden. Auf diese Weise ist es am wahrscheinlichsten möglich, den Ort der Blutung genau zu identifizieren. Eine Szintigraphie oder Angiographie liefern, sofern sie überhaupt noch in der akuten Phase der Blutung stattfinden (hohe Rate spontanen Sistierens, s. unten), dagegen nur ungefähre Informationen zur Blutungslokalisation. Liegt nach Abklingen der akuten Divertikulitis eine Stenosierung vor, die eine Komplettinspektion des Kolonrahmens mittels Endoskopie unmöglich macht, ist es nach orientierender Durchführung eines Kontrasteinlaufs indiziert, zunächst zu resezieren und die Komplettendoskopie ca. 2 –3 Monate postoperativ nachzuholen. Je nach konkret vorliegender Symptomatik kann es im Einzelfall erforderlich werden, dieses diagnostische Repertoire um weitere Maßnahmen, z. B. in Hinblick auf urologische oder gynäkologische Erkrankungen zu erweitern. Auch die explorative Laparoskopie hat hier durchaus ihren Stellenwert.

468

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

. Abb. 33.15.  Kolonkontrasteinlauf bei akuter Sigmadivertikulitis. Nachweis einer fixierten Stenose im mittleren Sig­ ma und die für die Entzündung charak­ teristischen spitz zulaufenden, öde­ matös verquollenen Divertikelhälse (Pfeil)

33 33.2.5 Therapieziele und Indikationsstellung Divertikulitis Die Therapie der unkomplizierten Sigmadivertikulitis ist konservativ und besteht in Antibiotikagabe, Nahrungskarenz, parenteraler Ernährung und Bettruhe. Darunter werden 80% der Pa­ tienten mit einem ersten Divertikulitisschub dauerhaft beschwerdefrei, nur ein kleiner Prozentsatz entwickelt nach konservativ behandeltem erstem Schub Komplikationen oder weitere Entzündungsschübe. Für diese Patienten gibt es daher keine Indikation für eine operative Therapie. Wichtige Maßnahmen nach erfolgreich konservativ behandeltem erstem Schub einer Sigmadivertikulitis ist die Durchführung einer Koloskopie zum Ausschluss eines Malignoms oder einer postentzündlichen Stenose. Eine Ausnahme stellen immunsupprimierte Patienten dar, bei denen aufgrund eines deutlich erhöhten Rezidiv- und Komplikationsrisikos bereits nach dem ersten Schub eine elektive Sigma­ resektion durchgeführt werden sollte. Dagegen scheint bei jungen Patienten unter 50 Jahre im Vergleich zu älteren Patienten kein erhöhtes Rezidiv- oder Komplikationsrisiko vorzuliegen, sodass die Indikation zur elektiven Sigmaresektion nicht generell bereits nach dem ersten Schub gestellt werden sollte (Biondo et al. 2002; Guzzo u. Hyman 2004). Bei jedem weiteren Schub einer unkomplizierten Sigmadivertikulitis vermindert sich sukzessive das Ansprechen auf die konservative Therapie bei gleichzeitigem Anstieg der Komplikationshäufigkeit bei weiteren Schüben. Aus diesem Grund sollte die Indikation zur elektiven Sigmaresektion nach dem zweiten Schub gestellt werden. Gründe, die ein solches auch von Gastroenterologen akzeptiertes Vorgehen unterstreichen, sind die zunehmende Sicherheit der Operation, das Erreichen einer definitiven Heilung der Erkrankung und das Vorbeugen lebensbedrohlicher Komplikationen (Chautems et al. 2002). Einschränkend ist anzumerken, dass dieser Empfehlung nur eine Level-III-Evidenz zugrunde liegt (Janes 2005).

Nach dem zweiten Schub einer unkomplizierten Divertikulitis ist die Indikation zur elektiven Resektion gegeben.

Im Gegensatz zur Sigmadivertikulitis erleiden bei der Zökum­ divertikulitis im weiteren Verlauf mehr als 60% der Patienten ein Rezidiv trotz erfolgreicher konservativer Therapie. Dementsprechend wird hier bei gesicherter Diagnose bereits nach dem ersten Schub die Indikation zur Ileozökalresektion gestellt (Fang et al. 2003). Bei der komplizierten Divertikulitis besteht in jedem Fall die Indikation zum chirurgischen Vorgehen. In den Stadien Hinchey III und IV, d. h. beim Vorliegen einer diffusen Perito­ nitis, handelt es sich um akut lebensbedrohliche Notfälle, die der sofortigen chirurgischen Intervention entsprechend den Grundsätzen der Peritonitisbehandlung bedürfen. Im Gegensatz dazu stellen die Stadien Hinchey I und II, d. h. gedeckte Per­ forationen mit Abszessbildung, keine perakuten Operations­ indikationen dar. Hier sollte durch konservative Therapie und falls möglich durch sonographische oder CT-gesteuerte Abszessdrainage das akut entzündliche Geschehen überwunden und eine operative Fokussanierung möglichst frühzeitig angestrebt werden. Nach kurzem konservativem Therapieintervall von 7–10 Tagen kann der Gesamtzustand des Patienten in der Regel deutlich gebessert werden. Die anschließende frühelektive Operation ermöglicht die Resektion des Entzündungsherdes unter kontrollierten Bedingungen und minimalem Komplika­ tionsrisiko. Bleibt die Befundbesserung aus, muss allerdings unverzüglich chirurgisch interveniert werden. Ebenso darf eine komplette klinische Bes­serung nach interventioneller Therapie nicht zum Verzicht auf die Resektion führen: diese Fälle weisen eine hohe Rezidivquote auf (Schumpelick u. Kasperk 2001; Kaiser et al. 2004).

Divertikelblutung Die Divertikelblutung stellt die häufigste Ursache eines akuten massiven Blutverlustes aus dem Kolon dar (30–50% der Fälle). Etwa 10–15% der Patienten mit Divertikulose erleiden eine Divertikelblutung, davon ca. 1/3 einen massiven Blutverlust. Da es sich vorwiegend um alte und multimorbide Patienten handelt, beträgt die Mortalität der Divertikelblutung 15–20%. Ursächlich liegt der Blutung eine Erosion des arteriellen Vas rectum im Bereich des Divertikelhalses zugrunde. Klinisch zeigt sie sich durch eine schmerzlose Hämatochezie. In ca. 80% der Fälle kommt es zum spontanen Stillstand der Blutung. Dennoch ist bei der eingeschränk­ ten Kompensationsfähigkeit der meist alten Patienten ein aggressives klinisches Management mit Volumen- und Blutsubstitution unter Monitoring von Blutgasen und Ausscheidung erforderlich. Die bereits angesprochene Notfallkoloskopie bietet als initiale Untersuchung ideale Möglichkeiten der Diagnostik (Lokalisation) und Primärtherapie (z. B. Unterspritzung mit verdünnter Adrenalinlösung, Argon-Plasma-Koagulation, Clip-Applikation). Sie ist technisch anspruchsvoll. Dies gilt allerdings ebenso für die diagnostischen Alternativen der Szintigraphie (erforderliche Blutungs­ intensität 0,1 ml/min) und der Angiographie (erforderliche Blutungsintensität 0,5–1 ml/min). Die An­gaben zur Erfolgsquote der letztgenannten Verfahren schwanken in weiten Grenzen. Im Rahmen der Angiographie besteht die Möglichkeit der selektiven arteriellen Embolisation (Gady et al. 2003). Allerdings sind die Erfahrungen sehr begrenzt und das Vorgehen trägt das Risiko der Darmischämie und -nekrose von mindestens 10%. Die Indikation zur Operation ist bei massiver oder rezidivierender Divertikuloseblutung gegeben. Eine operative Interven­ tion sollte nur bei klarer Lokalisationsangabe und in Abwägung des oftmals nicht unbeträchtlichen allgemeinen Operations­ risikos vorgenommen werden. Therapie der Wahl ist die segmentale Resektion. Bei anhaltender Blutung und weiterhin unklarer Lokalisation haben sich im eigenen Krankengut eine (naturgemäß arbiträre) Grenzziehung des konservativen Vorgehens nach Transfusion von insgesamt 6 Erythrozytenkonzentraten pro 24 h und ein anhaltender bzw. wieder auftretender Transfusions­bedarf von 2 Erythrozytenkonzentraten pro 24 h etabliert. Stets wird dann intraoperativ endoskopiert, um zumindest eine Eingrenzung auf das linke oder rechte Kolon zu erreichen. Unter diesem Vorgehen gelingt es, die Zahl der infolge anhaltender Blutung und fehlendem Lokalisationsnachweis erforderlichen subtotalen Kolektomien mit Ileorektostomie auf ein Minimum zu reduzieren (Renzulli et al. 2002). 33.2.6 Konservative Therapie Symptomatische Divertikulose Die symptomatische Divertikulose mit funktionellen Beschwerden unterscheidet sich klinisch von der akuten Divertikulitis im Wesentlichen durch fehlende Infektzeichen. Die Therapie besteht hier in einer faserreichen Diät mit mehr als 30 g/Tag unlöslichen Faserbestandteilen (Evidenzgrad Ib) und aus regelmäßiger körperlicher Betätigung z. B. durch Jogging (ebenfalls Evidenzgrad Ib). Ziel dieser Maßnahmen ist eine Stuhlregulierung, d. h. der intraluminale Druck soll reduziert, die Stuhlmasse erhöht und die Passagezeit verkürzt werden. Die Wirkung von Spasmolytika ist nicht wissenschaftlich belegt, ihr Einsatz wird jedoch häufig empfohlen (Evidenzgrad IV). Antibiotika sind in dieser Situation nicht indiziert.

33

469

33.2 · Divertikulose und Divertikulitis

. Tabelle 33.6.  Effektive Antibiotikatherapie der symptomati­ schen Divertikulitis

Antibiotikum

Ansprechrate

Evidenzgrad

Piperacillin/Tazobactam

88%

Ib

Cefoxitin

78%

Ib

Meropenem

92%

Ia

Imipenem/Cilastatin

80%

Ib

Tobramycin-Clindamycin

89%

Ib

Cefepime-Metronidazol

88%

Ia

Unkomplizierte Divertikulitis Klinisch sind hier die Schmerzen im linken Unterbauch (tastbare Walze) ohne Vorhandensein einer echten Abwehrspannung kenn­ zeichnend. Basis jeder Therapie ist die mit höchstem Evidenzgrad unterlegte Gabe von Antibiotika. Für verschiedene Therapie­ regime, sowohl als Mono- als auch als Kombinationstherapie liegen Evidenzgrade von I vor (. Tab. 33.6). Die Therapiedauer ist mit ca. 7 Tage anzusetzen. Ein Patient, der entfiebert, klinisch gebessert ist und normale Leukozytenzahlen aufweist, profitiert von einer fortgeführten Antibiotikatherapie nicht. Außerordentlich wichtig ist, dass der Patient unter der Antibiotikatherapie innerhalb kurzer Zeit eine deutliche klinische Besserung erfahren sollte. Ein Nichtansprechen innerhalb von 2–3 Tagen zeigt entweder einen komplizierten Verlauf an oder sollte zu einem Überdenken der Diagnose mit erneuter und intensivierter Diagnostik führen. Bei klinisch leichtem Verlauf ist es durchaus möglich, die Antibiotika oral zu verabreichen. Bei Nichtansprechen einer vermuteten Divertikulitis auf kon­ servative Therapie unbedingt Diagnose überdenken und ggf. Diagnostik vertiefen.

Alle anderen häufig praktizierten Maßnahmen sind nicht durch Studien gesichert. Mesalazin/5-ASA hat mit einem Evidenzgrad Ib keinen signifikanten Erfolg in der Behandlung der akuten Divertikulitis. Klinisch durchaus von Vorteil erscheinen die Verabreichung von Analgetika sowie eine Reduktion der enteralen Belastung, wobei dies abhängig vom klinischen Schweregrad sein sollte. Auch lokal kühlende Maßnahmen werden vom Pa­ tienten häufig als angenehm empfunden und sind praktisch nebenwirkungsfrei. Keinerlei Nutzen hat jedoch eine strikte Bett­ ruhe (Schumpelick u. Kasperk 2001). 33.2.7 Chirurgische Strategie und Verfahrenswahl Unkomplizierte Sigmadivertikulitis. Goldstandard in der chir-

urgischen Behandlung der unkomplizierten Sigmadivertikulitis ist die offene Sigmaresektion mit Wiederherstellung der Darmkontinuität durch eine End-zu-End-Anastomose. Dies sollte möglichst einzeitig und in einer Elektivsituation geschehen. Ziel der Operation ist es nicht, alle divertikeltragenden Kolonabschnitte zu entfernen, sondern nur den entzündeten Anteil. Das

470

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

a

dem immer vorhandenen Selektions-Bias interpretiert werden! Die Vorteile hinsichtlich kürzerer Verweildauer werden durch die Ergebnisse der »Fast-track«-Chirurgie vollständig aufgehoben, ganz zu schweigen von den längeren Operationszeiten, den höheren Kosten und dem zweifelsohne gesteigerten technischen Schwierigkeitsgrad des Eingriffs. Trotzdem stellt die laparoskopische Sigmaresektion in spezialisierten Zentren zunehmend den »state of the art« bei der unkomplizierten Sigmadivertikulitis dar. Selbstverständlich muss nicht laparoskopisch operiert werden, wenn die entsprechenden patientenbezogenen, infrastruk­ turellen oder personellen Voraussetzungen nicht gewährleistet sind. Konventionelles und laparoskopisches Vorgehen stehen in der Elektivsituation gleichberechtigt nebeneinander. Für den Patienten viel bedeutsamer ist ein klinisches Management nach »Fast-track«-Kriterien.

Komplizierte Divertikulitis. Bei der komplizierten Divertikulitis

33

b . Abb. 33.16.  Resektionsausmaß bei der Sigmadivertikulitis. a Oraler Absetzungsrand am Übergang Sigma – Colon descendens im entzün­ dungsfreien Gebiet, distaler Absetzungsrand im proximalen Rektum distal des Abbruchs der Taenien, b Die Skelettierung erfolgt darmwand­ nah und in kleinen Schritten aufgrund des entzündlich verdickten Meso­ sigmas

Resektionsausmaß richtet sich daher im Wesentlichen nach dem intraoperativen Befund. Im Falle des meist betroffenen Colon sigmoideum bedeutet dies, dass nach proximal so weit reseziert wird, dass die Darmwand nicht mehr verdi ckt oder palpatorisch rigide ist. Nach aboral ist die Resektion bis in das obere Rektum hinein fortzuführen, um die rektosigmoidale Hochdruckzone, der eine Schrittmacherfunktion in der Divertikelentwicklung zugeschrieben wird, vollständig mit zu entfernen. Es ist selbstverständlich, dass in die Nahtreihe der Anastomose keine Divertikel mit einbezogen werden (. Abb. 33.16). In dem nicht aufzuhaltenden Trend zur Minimierung des operativen Zugangs wurde die unkomplizierte Sigmadivertikulitis in den letzten Jahren zunehmend laparoskopisch oder laparos­ kopisch-assistiert operiert. Die laparoskopische Intervention in der Notfallsituation ist zwar prinzipiell möglich, weist aber keine generell dokumentierten Vorteile auf. Das laparoskopische Vorgehen bei der Divertikulitis ist – wenngleich in vielen Kliniken praktiziert – nach wie vor keineswegs zwingend. Die derzeit vorliegenden Studienergebnisse deuten einen Vorteil der laparoskopischen Operationen hinsichtlich eines rascheren Kostaufbaus, eines niedrigeren Analgetikaverbrauchs, einer Reduktion des Krankenhausaufenthaltes und einer Reduktion von Narbenhernien bei gleich hoher Erfolgquote an (Scheidbach et al. 2004; Schwandner et al. 2004; Willis et al. 2005). Die hierzu publizierten sehr guten Operationsergebnisse müssen vor

steht die Indikation zur Operation außer Frage. Die Art des chirurgischen Vorgehens ist abhängig vom Ausmaß der Erkrankung. In den Stadien Hinchey I und II ermöglicht die frühelektive Operation nach konservativer Therapie und ggf. interventioneller Abszessdrainage die Resektion des Entzündungsherdes unter kontrollierten Bedingungen und minimalem ­Komplikationsrisiko bei gleichzeitiger Wiederherstellung der Darmkontinuität. Bei entsprechender operativer Erfahrung kann dies im Einzelfall auch laparoskopisch durchgeführt werden. In den Stadien Hinchey III und IV, d. h. beim Vorliegen einer diffusen Peritonitis, handelt es sich um akut lebensbedroh­ liche Notfälle, die der sofortigen chirurgischen Intervention bedürfen. Allerdings stehen Fragen zur chirurgischen Technik und Verfahrenswahl derzeit im Brennpunkt der Diskussion. ­Prinzipiell gelten bei der Behandlung der komplizierten Sigmadivertikulitis die Prinzipien der Peritonitis- und Sepsisbehandlung. Die Resektion des entzündeten Darmabschnittes und damit die Fokus­ sanierung bildet die zentrale Voraussetzung für eine definitive Heilung. Daher sind dreizeitige Operationsverfahren, d. h. ­initiale Abszessdrainage und Kolostomie, gefolgt von der Sigmaresektion im Intervall und anschließender Kolostomieverschluss in einer dritten Sitzung, gänzlich verlassen worden. Am weitesten verbreitet ist derzeit ein zweizeitiges Vorgehen. Bei der Diskontinuitätsresektion nach Hartmann wird der betroffene Darmabschnitt reseziert, das proximale Ende als Stoma ausgeleitet, das Rektum blind verschlossen und die Abdominalhöhle gespült. Je nach Schweregrad der Peritonitis, in unserer Klinik gemessen anhand des Mannheimer Peritonitis Index, wird zusätzlich ein Laparostoma angelegt und programmierte Etappenlavagen durchgeführt. Die Wiederherstellung der Darm­ kontinuität erfolgt etwa 6 Monate nach Ausheilen der Peritonitis. Allerdings ist die Hartmann-Auflösung oft technisch anspruchsvoll und hat eine nicht zu vernachlässigende eigene Morbidität und Mortalität, weshalb sie bei etwa einem Drittel der häufig multimorbiden Patienten letztendlich nicht durchgeführt wird. Die Resektion des Sigmas mit Durchführung einer primären Anastomose in der diffusen Peritonitis wurde lange Zeit aufgrund des hohen Anastomosenrisikos bei nicht vorbereitetem Darm und umgebender peritonealer Reizung abgelehnt. In den letzten

471

33.2 · Divertikulose und Divertikulitis

33

. Tabelle 33.7.  Operationsverfahren und Indikationen bei Sigmadivertikulitis (Richtlinien der Chirurgischen Universitätsklinik der RWTH Aachen)

Indikation

Eingriff

Rezidivierende unkomplizierte Divertikulitis

Laparoskopische, ggf. offene Sigmaresektion mit Anastomose im entzündungsfreien Intervall

Komplizierte Divertikulitis mit Peridivertikulitis (Hinchey I)

Frühelektive laparoskopische, ggf. offene Sigmaresektion mit Anastomose

Komplizierte Divertikulitis mit parakolischem Abszess (Hinchey II)

Frühelektive offene, ggf. laparoskopische Sigmaresektion mit Anastomose nach interventioneller Abszessdrainage

Komplizierte Divertikulitis mit eitriger Peritonitis (Hinchey III)

Sofortige offene Sigmaresektion mit Anastomose und protektivem Stoma, ggf. Diskontinuitätsresektion nach Hartmann

Komplizierte Divertikulitis mit kotiger Peritonitis (Hi nchey IV)

Sofortige Diskontinuitätsresektion nach Hartmann, ggf. offene Sigma­ resektion mit Anastomose und protektivem Stoma

Jahren wird zunehmend die Resektion mit primärer Anastomose im Stadium Hinchey III, d. h. bei diffuser eitriger Peritonitis, propagiert. Begründet wird dies mit den Nachteilen der HartmannOperation und der Möglichkeit der intraoperativen Darmspülung. Mit einer Letalität von 0–20% sind die Ergebnisse nach derzeitiger Datenlage vergleichbar mit der Hartmann-Operation. Es handelt sich hierbei jedoch um Studien mit wenigen, höchst selektionierten Patienten, weshalb dieses Vorgehen noch nicht generell empfohlen werden kann. Es gibt letztendlich keine ge­ sicherten Daten zu der in diesen Fällen zu bevorzugenden Stra­ tegie, sodass die Verfahrenswahl immer eine subjektive Einzel­ fallentscheidung ist (. Tab. 33.7; Salem 2004).









33.2.8 Operationstechnik

Das operative Vorgehen unterscheidet sich prinzipiell nicht von der auch sonst geübten Technik. Die perioperative »Single-shot«Antibiotikaprophylaxe ist Standard. Eine Steinschnitt-Lagerung erlaubt jede Art von operativem Zugangsweg. Die Medianlaparotomie bietet sich insbesondere für Notfallsituationen an. Bei nicht zu adipösen Bauchdecken ist für die elektive Sigmaresektion im Sinne des »Fast-track«-Vorgehens eine quere bzw. schräge Inzi­ sion in der linken Fossa iliaca gut geeignet. Selbstverständlich kann auf eine radikuläre Unterbindung von Gefäßen aufgrund der gutartigen Grundkrankheit verzichtet werden, und eine tubuläre Resektion durchgeführt werden. Die Darstellung des linken Ureters ist bei jeder Form der Sigmaresektion obligat. Je nach anatomischen Verhältnissen erfolgt die Reanastomosierung per Klammer- oder Handnaht, entweder als fortlaufende, einreihigallschichtige Naht mit 3–0 oder 4–0 resorbierbarem monofilen Nahtmaterial oder mit 3–0 resorbierbaren allschichtigen Einzelknopfnähten. Entscheidend ist die Lokalisation der Anastomose im proximalen Rektum, das anhand der fehlenden Tänien prob­ lemlos identifiziert werden kann.





Für die Laparoskopie werden ein 10 mm Optiktrokar periumbili­ kal, ein 10 mm-Arbeitstrokar im rechten Mittel- und ein 12 mmArbeitstrokare im rechten Unterbauch platziert. Der erste Arbeitsschritt ist die Mobilisierung des Sigmas und des Colon descendens bis zur linken Flexur und die sichere Identifi­ zierung des linksseitigen Ureters. Anschließend erfolgt die Präparation ins kleine Becken bis un­ terhalb des rektosigmoidalen Übergangs mittels Ultracision oder Ligasure. Bei sehr langer Sigmaschlaufe ist ein zusätzlicher Trokar suprasymphysär oft hilfreich. Bei der meist durchgeführten laparoskopisch-assistierten Resek­ tion wird das Sigma mittels Endo-GIA abgesetzt, über einen 5– 10 cm langen Pfannenstielschnitt vor die Bauchdecke luxiert und das divertikeltragende Segment extrakorporal tubulär rese­ ziert. Nach Befreiung des zu anastomosierenden oralen Darmendes vom mesenterialen Fettgewebe wird dort eine Tabaksbeutel­ naht angelegt und ein EEA-Staplerkopf platziert. Der Darm wird wieder nach intraperitoneal zurückverlagert, die Minilaparotomie verschlossen und das Pneumoperitoneum wieder aufgebaut. Die Reanastomosierung erfolgt unter laparoskopischer Kontrol­ le nach peranalem Einführen des zirkulären Klammernahtgeräts in typischer Doppelstapler-Technik (. Abb. 33.17).

Bei gleichzeitiger Versorgung einer durch die Divertikulitis hervorgerufenen Fistelung zur Blase oder zu anderen Organen ist darauf zu achten, dass die entsprechenden Nahtreihen von Darm und mitbetroffenem Organ nicht direkt nebeneinander zu liegen kommen, da sonst das Fistelrezidiv vorprogrammiert wäre. Es bietet sich die Interposition eines gestielten Netzanteiles an. Eine übernähte Blase wird über einen bevorzugt suprapubisch eingelegten Katheter für ca. 10 Tage entlastet. Die Platzierung abdo­ mineller Drainagen kann zurückhaltend gehandhabt werden. Mobilisation und postoperativer Kostaufbau nach Elektivein­ griffen beginnen am Operationstag oder am ersten postopera­ tiven Tag. Im Allgemeinen sind die Patienten ideale Kandidaten für ein perioperatives Management im Sinne der multimodalen Rehabilitation (7 unten).

472

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

mit einer Letalität von ca. 1% und einer Morbidität von 25% (dabei 7% abdominelle und 18% extraabdominelle Morbidität) sehr gering (Pessaux et al. 2004). Ein Reoperationserfordernis bei gesichertem Divertikulitisrezidiv kommt bei weniger als 2% der Patienten vor. Im Langzeitverlauf scheint nach eigenen Untersuchungen eine erhöhte Inzidenz von Narbenhernien vorzuliegen. Hier könnte ein spezielles Risiko gegeben sein, das sich durch die wahrscheinlich zugrunde liegende Kollagen-Stoffwechselstörung erklärt. Eine erste Studie deutet darauf hin, dass durch die Bevorzugung der laparoskopischen Operationstech­ niken die Narbenhernieninzidenz zu reduzieren ist (Willis et al. 2005).

Literatur

33

. Abb. 33.17.  Laparoskopisch assistierte Sigmaresektion. Nach Resek­ tion des entzündlichen Herds vor der Bauchdecke und Einknoten des EEA-Staplerkopfes erfolgt die Reanastomosierung unter laparoskopi­ scher Kontrolle in Double-Stapling-Technik (1 Kameratrokar infraumbili­ kal, 2 Arbeitstrokar im rechten Unterbauch, 3 Arbeitstrokar im rechten Mittelbauch)

Im Falle der Diskontinuitätsresektion erfolgt die Reanas­ tomosierung in Abhängigkeit vom Schweregrad der ursprünglichen Erkrankung nach frühestens 6 Wochen, oft erst nach 6 Monaten. Auch dieser Eingriff kann laparoskopisch assistiert durchgeführt werden. »Fast-track«-Chirurgie. In den letzten Jahren wurde deutlich,

dass die Patienten im postoperativen Verlauf von einem Maßnahmenpaket, das auf die Optimierung der perioperativen Abläufe zielt erheblich profitieren. Besonders die Arbeiten von Kehlet waren hier wegbereitend (Basse 2004). Ein Benefit lässt sich für die verschiedensten Eingriffe, nicht nur in der Chirurgie, nachweisen. Dieses auch als multimodale Rehabilitation bezeichnete Vorgehen umfasst zunächst bekannte Maßnahmen, wie die Reduktion des Blutverlusts, die Vermeidung einer intraoperativen Auskühlung und die Aufrechterhaltung einer adäquaten Sauerstoffsättigung. Präoperativ wird besonders auf eine ausreichende enterale Ernährung bis wenige Stunden vor der Operation ge­ achtet. Das Eingriffstrauma selbst soll durch Verwendung von queren oder schrägen Zugängen bzw. durch minimalinvasive Techniken reduziert werden. Von höchster Bedeutung ist eine gute intra- und postoperative Schmerztherapie, vorzugsweise unter Nutzung einer thorakalen PDA. Postoperativ wird der Kostaufbau am 1. Tag nach dem Eingriff begonnen und bei Akzeptanz durch den Patienten schnell gesteigert sowie auf eine zügige Mobilisation, beginnend am Operationstag geachtet. Bei konsequenter Durchführung eines derartigen Maßnahmenpakets sind postoperative Verweildauern nach Kolonresektionen von 2–4 Tagen durch verschiedene Autoren belegt. Ausdrücklich gilt dies auch für die konventionelle Vorgehensweise. 33.2.9 Ergebnisse Unter den chirurgisch behandelten Erkrankungen des Gastro­ intestinaltrakts weist die Kolondivertikulitis eine der höchsten Heilungsraten auf. Das Operationsrisiko des Elektiveingriffs ist

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473

33.3 · Gutartige Neubildungen und Fehlbildungen

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33.3

 utartige Neubildungen G und Fehlbildungen



R. Kasperk, S. Willis



) )



Hierzu zählt eine Vielzahl oft sehr seltener Krankheitsentitäten, die sich am besten hinsichtlich ihrer Abstammung von den Keim­ blättern klassifizieren lassen. Aufgrund der speziellen viszeral­ chirurgischen Relevanz wird im Folgenden hauptsächlich auf die Adenome, die Angiodysplasie und den Morbus Hirschsprung ein­ gegangen. Bei allen anderen benignen Neubildungen des Kolons gilt zusammenfassend, dass sie im Wesentlichen entweder als Zufallsbefund diagnostiziert werden oder im Rahmen einer Pas­ sagebehinderung bzw. einer mehr oder weniger starken Blu­ tungsepisode infolge Schleimhautarrosionen über dem wand­ ständigen Tumor auffallen. Diagnostisch spielt die Endoskopie mit Biopsie eine herausragende Rolle. Im Einzelfall kommen alter­ native diagnostische Methoden wie die Computer- oder Mag­ netresonanztomographie oder die selektive Angiographie zum Einsatz. Bei Passagebehinderung bzw. stattgehabter Blutung ist die Operationsindikation im Prinzip stets gegeben. Sie besteht in einer sparsamen Entfernung des gutartigen Tumors. Dies kann sowohl mittels Kolotomie und Exzision wie auch mittels Segment­ resektion und End-zu-End-Anastomose erfolgen. Bei derartigen Eingriffen bewährt sich insbesondere ein laparoskopisch assis­ tiertes Vorgehen in Kombination mit der intraoperativen Endos­ kopie zur optimalen Lokalisation des Prozesses.

Gutartige Neubildungen und Fehlbildungen des Dickdarms 5 Epitheliale Neubildungen – Neoplastische Polypen/Adenome – Nicht-neoplastische Polypen – Hyperplastisch – Hamartomös (Peutz-Jeghers, juvenil) – Entzündlich 6

33

5 Mesenchymale Neubildungen – Lipom – Leiomyom – Hämangiom – Lymphangiom

33.3.1 Adenome Grundlagen Unter den adenomatösen Veränderungen der Dickdarmschleimhaut müssen die neoplastischen von den nicht-neoplastischen Erkrankungen abgegrenzt werden. Letztere sind praktisch nie von chirurgischer Relevanz. Im Gegensatz dazu ist die Diagnose von neoplastischen epithelialen Adenomen von erheblicher therapeutischer Bedeutung, wobei die Chirurgie hier ganz klar hinter endoskopischen Verfahren zurücktritt. Neben den einzelnen oder in geringer Zahl auftretenden Adenomen sind die sog. Adenomatosen zu unterscheiden, die durch das Auftreten von 100 und mehr Polypen definiert sind. Die bekannteste darunter ist die familiäre adenomatöse Poly­ pose, weitere sind das Gardner-, Turcot- und das Zanca-Syn­ drom. Gemeinsam ist allen ein klar definierter Erbgang und die hoch wahrscheinliche Ausbildung von Malignomen innerhalb und außerhalb des Gastrointestinaltrakts, häufig schon in jugendlichem Alter. Wichtig ist daher in allen Fällen eine möglichst frühere Diagnosestellung schon vor der Pubertät, besondere Bedeutung kommt der Familienanamnese zu. Im Fall der familiären adenomatösen Polypose ist heute zur Vorbeugung der obligaten Entwicklung eines Dickdarmmalignoms die restaurative Prok­ tokolektomie mit Ileumpouch-Bildung operativer Standard. Dieses sollte prophylaktisch möglichst nach der Pubertät, jedoch noch vor dem 20. Lebensjahr erfolgen. Das technische Vorgehen entspricht dem bei der Colitis ulcerosa (▶ Kap. 33.2.8). Die post­ operativen funktionellen Einbußen werden von den Adenoma­ tosispatienten allerdings wesentlich deutlicher empfunden, als von den Colitis-ulcerosa-Patienten. Dies muss aufklärungstechnisch berücksichtigt werden. Bei Adenomatose (z. B. FAP) erfolgt die restaurative Prokto­ kolektomie nach der Pubertät und vor dem 20. Lebensjahr.

Zahlenmäßig weitaus bedeutsamer und für die klinische Praxis damit viel relevanter sind die neoplastischen epithelialen Ade­ nome, die zu 70% als tubuläre und zu ca. 10–15% als villöse Adenome vorkommen. Beide haben das Risiko der größen­ abhängigen malignen Entartung (klassisches Beispiel einer Adenom-/Karzinomsequenz), wobei dieses bei den letzteren deutlich höher ausgeprägt ist (Bonithon-Kopp et al. 2004). Insgesamt ist davon auszugehen, dass ca. 90% der kolorektalen Karzinome auf dem Boden präexistenter Adenome entstehen. Hauptlokalisation neoplastischer Polypen ist der rektosigmoidale Bereich. Klinische Symptomatologie und Diagnostik Rektumadenome weisen keine typische Symptomatologie auf. Gering bis mäßiggradige Schmerzen, Blutabgang und schleimige Durchfälle können vorhanden sein, meist jedoch handelt es sich

474

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

um Zufallsbefunde im Rahmen einer Screeningmaßnahme, wie dem Nachweis okkulten Blutes im Stuhl bzw. der Vorsorgekoloskopie. Diagnose und Therapie sind eine Domäne der Endos­kopie. Hinsichtlich der Diagnostik tritt die virtuelle Koloskopie mittels CT oder MR inzwischen neben die konventionelle Endoskopie (Vogt et al. 2004). Diese Verfahren haben aber noch beträchtliche Schwierigkeiten im Nachweis kleiner und flacher Läsionen und sind zudem nicht kostengünstiger. Wesentlichster Nachteil ist jedoch die fehlende Biopsie-/Abtragungsmöglichkeit. Auch wurden bereits Perforationen im Rahmen virtueller Koloskopien berichtet (Kamar et al. 2004).

33

Operative Therapie Die Therapie besteht bei allen Läsionen über 5 mm Größe in der totalen endoskopischen Abtragung (7 Kap. 9). Nur Läsionen unter 5 mm Größe bzw. makroskopisch bereits hochgradig verdächtige Raumforderungen sollten biopsiert werden (Church 2004; Eickhoff u. Riemann 2000). Chirurgische Verfahren der Adenomabtragung werden nur bei endoskopisch nicht abtrag­ baren Adenomen zum Einsatz kommen. Gründe hierfür sind Größe über 4 cm, Breitbasigkeit und Lokalisation in einem endos­ kopisch nicht vollständig einsehbaren Bereich. Weitere seltene Indikationen für eine chirurgische Intervention sind nach endos­ kopischer Abtragung auftretende Perforationen bzw. Nachblutungen. Die Indikation zur chirurgischen Adenomentfernung wird in Abhängigkeit von Größe, Breitbasigkeit oder Lokalisation in endoskopisch nicht einsehbarem Bereich gestellt.

Bei geplanter Operation ist für eine besonders sorgfältige Lokalisationsdiagnostik Sorge zu tragen, da intraoperativ u. U. selbst größere Polypen bei sehr weicher Konsistenz nicht transmural getastet werden können. Der Chirurg muss sich auf die präoperativen Angaben exakt verlassen können, reine Zentimeteran­ gaben als Abstand von der Anokutanlinie sind absolut unzu­ reichend. Hilfreich ist stets die Durchführung einer intraopera­ tiven Endoskopie (Grund 2002). Besteht keine Möglichkeit der intraoperativen Koloskopie, ist aus chirurgischer Sicht unbedingt zu fordern, dass die Tumorlokalisation präoperativ durch eine Abdomenröntgenübersichtsaufnahme mit vor dem Tumor liegendem Endoskop dokumentiert wird. Die endoskopische Applikation von Clips oder aber die Tuschemarkierung der Darmwand ist im Einzelfall hilfreich. Allerdings können sowohl intraluminal platzierte Clips, wie auch Tuschemarkierungen bei Adipositas des Patienten oder ausgeprägten Adhäsionen optisch maskiert und auch der Palpation entzogen sein.

laufend-resorbierbar, einreihig-allschichtig oder allschichtige, resorbierbare Einzelknopfnähte). Die Patienten sind postinterventionell in ein Nachsorgeprogramm mit einer erstmaligen Kontrollkoloskopie nach 3 Jahren und weiteren Kontrollen in 5-jährigen Abständen aufzunehmen. 33.3.2 Gefäßanomalien des Kolons Grundlagen Hierzu zählen neben den seltenen Hämangiomen und den echten Gefäßneoplasien (Hämangioendotheliom, Hämangioperizytom, Kaposi-Sarkom) die Teleangiektasien und die arteriovenösen Missbildungen. Unter letzteren haben vor allem die Angiodys­ plasien chirurgische Relevanz, da sie im gesamten Gastrointes­ tinaltrakt als Blutungsquelle in Erscheinung treten können und hinsichtlich der unteren gastrointestinalen Blutung sogar die zweithäufigste Ursache nach der Divertikulose darstellen. Angio­ dysplasien im Kolon sind vorwiegend im Zökum bzw. Colon ascendens oder im Rektum lokalisiert und kommen eher mul­ tipel als solitär vor. Wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Endoskopie, die ein charakteristisches Bild von Stecknadelkopfbis maximal 2 cm großen kirschroten, runden oder unregelmäßigen, stets scharf begrenzten Flecken zeigt, von denen oftmals kleinere Gefäße ausstrahlen, die ihnen dadurch ein »spiderför­ miges« Aussehen geben können (. Abb. 33.18). Vorwiegend werden Angiodysplasien bei Patienten über 55 Jahren diagnostiziert. Ätiologisch scheint es sich bei den im histologischen Bild ekta­ tischen venösen und arteriellen Gefäßen um eine degenerative Veränderung, möglicherweise im Zusammenhang mit einem Kollagendefekt, zu handeln (Roskell 1998). Neben der endoskopischen Nachweismöglichkeit kommt im Fall einer akuten Blutung auch die selektive Angiographie zum Einsatz. Operative Therapie Die primäre Therapie erfolgt bei endoskopischem Nachweis der Blutung auf interventionellen Wege durch perifokale Injektion in die Darmwand oder Laser- bzw. Argon-Plasma-Koagulation (Fogel u. Valdivia 2002). Die chirurgische Therapie tritt vor allem beim Rezidivblutungsereignis in den Vordergrund. Im Fall einer nicht sistierenden und wahrscheinlich im unteren Gastrointes­

Speziell bei minimalinvasivem Vorgehen ist eine sichere prä­ operative Lokalisation des Prozesses innerhalb des Kolons erforderlich.

Die chirurgische Taktik bezieht heute sehr stark minimalinvasive Vorgehensweisen mit laparoskopisch assistierten Resektionen ein (Hildebrandt et al. 2001). Die Entfernung kann entweder als Kolotomie und Wandexzision erfolgen oder aber als formale Segmentresektion mit zumeist handgenähter Anastomose (fort-

. Abb. 33.18.  Teleangieektasie im Kolon

475

33.4 · Funktionelle Erkrankungen

tinaltrakt lokalisierten Blutung, die sich auf koloskopischem Wege nicht sicher identifizieren lässt, sollte intraoperativ, ggf. über eine Enterotomie, eine erneute Panendoskopie erfolgen. Die intraoperative Endoskopie ist der Goldstandard der Diag­ nostik und Therapie einer unklaren unteren gastrointestina­ len Blutung.

Entweder können intraoperativ endoskopisch unterstützt ­gezielte transmurale Durchstechungsligaturen angebracht oder formale Resektionen durchgeführt werden. Blinde Resektionen von nicht sicher blutenden, angiodysplasietragenden Darmabschnitten sind nicht indiziert. Die eigene Erfahrung mit der gegenwärtig recht populären Videokapselendoskopie bei unklaren Blutungsquellen zeigt, dass eine exakte Blutungslokalisation im Dünndarm meist nicht möglich ist und deshalb aus chirurgischer Sicht der aussichtsreicheren intraoperativen Endoskopie der Vorzug zu geben ist. Bei allgemeinen Kontraindikationen gegen eine Operation besteht ebenfalls die Möglichkeit einer supraselektiven Angio­ graphie mit Embolisation. Dies beinhaltet allerdings das poten­ zielle Risiko eine Kolonwandischämie mit späterer Perforation und stellt darüber hinaus ein nicht überall verfügbares Verfahren dar. 33.3.3 Morbus Hirschsprung Grundlagen Der Morbus Hirschsprung, die kongenitale intestinale Aganglionose, ist im Wesentlichen eine Erkrankung des Kindesalters (7 Kap. 45), allerdings sind ca. 5% der Patienten bei Diagnose­ stellung älter als 16 Jahre. Die Abwesenheit von Ganglionzellen im Bereich des Dickdarmes beginnend direkt oberhalb der Linea dentata und reicht unterschiedlich weit nach proximal, unter Umständen bis in den Dünndarm. Das aganglionäre Segment bedingt eine funktionelle Stenose: die betroffenen ­Darmabschnitte können aufgrund der nicht kompensierten sympathischen Innervation nicht relaxieren. Der Begriff des »Megacolon congenitum« ist insofern irreführend, da das sekundär dilatierte proximale Kolon von dem ursächlichen Defekt nicht betroffen ist.

Linia dentata (Elhalaby et al. 2004; Teitelbaum 2003). Mit jeder der zur Verfügung stehenden operativen Techniken lassen sich in 80% der Fälle gute Ergebnisse erzielen. Wichtig ist zudem neben der Entfernung des aganglionären Segments die Resektion des proximal angrenzenden funktionsuntüchtigen dilatierten Darmabschnittes. An der proximalen Resektionslinie sollten durch intraoperative Schnellschnittuntersuchung Ganglienzellen nachwiesen werden.

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33.4

Funktionelle Erkrankungen



S. Willis, R. Kasperk

) )

Die dilatierten Dickdarmanteile liegen beim M. Hirschsprung proximal der pathophysiologisch betroffenen Kolonabschnitte.

Klinisch steht die chronische, gelegentlich intermittierende, Obs­tipation im Vordergrund. Anamnestisch lassen sich die Beschwerden bis ins Kindesalter zurückverfolgen. Die definitive Diagnose wird durch eine Rektumbiopsie gestellt, in der fehlende Ganglienzellen, hypertrophierte Nerven und ein erhöhter Azetylcholinesterasegehalt nachweisbar sind. Operative Therapie Das Prinzip der heutzutage meist einzeitig durchgeführten Operation besteht in der vollständigen Entfernung des aganglionären Segments und in der Reanastomosierung des proximalen gang­ liontragenden Dickdarmes mit dem Rektumstumpf in Höhe der

33

Die wesentlichen Aufgaben des Kolons sind die Stuhleindickung durch Wasser- und Elektrolytresorption sowie der Weitertrans­ port und die kontrollierte Ausscheidung unverdauter Nahrungs­ reste. Klinisch äußern sich Störungen dieser Funktion nicht nur als Obstipation oder Diarrhö, sondern auch in Form von abdominel­ len Schmerzen, Blähungen und einer Vielzahl unspezifischer systemischer Symptome. Die Behandlung dieser funktionellen Störungen ist eine Domäne der Gastroenterologie, eine chirurgi­ sche Therapie ist nur bei ausgewählten Funktionsstörungen indi­ ziert.

33.4.1 Chronische Obstipation Grundlagen Die chronische Obstipation gehört zu den häufigsten Störungen der Dickdarmfunktion. Man unterscheidet eine primäre oder

476

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

funktionelle Obstipation von sekundären, mit Medikamenten­ einnahme oder anderen Krankheitsbildern assoziierten Formen. Gemeinsames Symptom ist die zu seltene, erschwerte oder inkomplette Entleerung von zu kleinen und in der Regel zu harten Stuhlmengen. Die Prävalenz beträgt je nach Definition von 2 bis zu 28% der Bevölkerung mit Häufung bei Frauen und Zunahme im Alter. Ein Zusammenhang mit dem Lebensstil oder dem Vorhandensein von Hämorrhoiden konnte bislang nicht sicher nachgewiesen werden. Nur etwa ein Drittel der Betroffenen sucht ärztlichen Rat; dennoch werden die Kosten der durchgeführten diagnostischen Maßnahmen aufgrund von chronischer Obsti­ pation in den USA auf jährlich 6,9 Billionen Dollar geschätzt (Talley 2004). Funktionelle Obstipation. Anhand epidemiologischer Daten

33

wurden in einer Konsensuskonferenz in Rom die diagnostischen Kriterien der funktionellen Obstipation festgelegt (Thompson et al. 1999). Sie wird demnach als Kombination von chronischen oder rezidivierenden Defäkationsbeschwerden von mindestens 12 Wochen Dauer in den zurückliegenden 12 Monaten beschrieben. Dabei muss der Patient während einem Viertel der Zeit mindestens über 2 charakteristische Symptome klagen: Rom-II-Kriterien der funktionellen Obstipation 5 Starkes Pressen bei mehr als 25% der Stuhlentleerun- gen 5 Klumpiger oder harter Stuhl bei mehr als 25% der Stuhl­ entleerungen 5 Gefühl der inkompletten Entleerung bei mehr als 25% der Stuhlentleerungen 5 Gefühl der anorektalen Obstruktion oder Blockierung bei mehr als 25% der Stuhlentleerungen 5 Manuelle Manöver zur Erleichterung der Defäkation bei mehr als 25% der Stuhlentleerungen (z. B. digitale Aus­ räumung, Stützen des Beckenbodens) 5 Weniger als 3 Stuhlentleerungen pro Woche 5 Fehlende Kriterien für das Vorliegen eines Reizdarm­ syndroms

Pathophysiologisch werden mehrere Formen der funktionellen Obstipation unterschieden (Prather 2004): 4 Die »slow-transit constipation«, auch innertes Kolon genannt, ist eine primäre Kolonmotilitätsstörung mit pathologischer Verlängerung der Kolontransitzeit bei normaler Evakuation. Sie kommt bei etwa 12% der Patienten isoliert vor. 4 Eine »Outlet-Obstruktion« liegt bei etwa 16% der Patienten mit funktioneller Obstipation vor. Es handelt sich um eine Evakuationsstörung, deren Ursache meist eine Koordinations­ störung der Beckenbodenmuskulatur ist. 4 Die gemischte Störung bedeutet eine verzögerte Kolonpassage mit zusätzlicher Evakuationsstörung. 4 Die idiopathische Obstipation betrifft etwa die Hälfte aller Patienten, bei denen keine Kolonpathologien nachweisbar sind. In vielen Fällen bestehen psychische Auffälligkeiten, die entsprechend behandelt werden müssen (Whitehead 1996) Formal ist die funktionelle Obstipation vom obstipationsprä­ dominanten Reizdarmsyndrom abzugrenzen, bei dem neben der Verstopfung zusätzlich noch andere Symptome wie abdominelle

Schmerzen, Meteorismus oder wechselnde Stuhlkonsistenz vorhanden sind (7 unten). Sekundäre Obstipation. Verschiedenste neurologische, psychi-

sche, metabolische, endokrinologische und strukturelle Krankheitsbilder sind mit einer chronischen Obstipation assoziiert. Außerdem ist die Obstipation eine häufige Nebenwirkung verschiedenster Medikamente. Sekundäre Ursachen der chronischen Obstipation 5 Erkrankungen des Kolons – Kolonstenose (postoperativ, entzündlich, tumorös) – M. Hirschsprung – Intestinale Pseudoobstruktion – Chagas-Erkrankung – Rektozele – Intussuszeption, Rektumprolaps – Sigmoidozele, Enterozele – Rezidivierender Volvulus 5 Muskel-Bindegewebserkrankungen – Sklerodermie – Amyloidose – Dermatomyositis 5 Metabolisch-endokrinologische Erkrankungen – Diabetes mellitus – Hypothyreose – Porphyrie – Hypokaliämie – Hyperkalzämie – Schwangerschaft 5 Neurologisch-psychiatrische Erkrankungen – Apoplex – M. Parkinson – Multiple Sklerose – Depression – Anorexie 5 Medikamente – Opiate – Trizyklische Antidepressiva – Antiepileptika – Diuretika – Nichtsteroidale Antiphlogistika – Kalziumantagonisten – Aluminiumhaltige Antazida – Eisen – Laxanzienabusus

Megakolon. Die Begriffe Megakolon oder Megarektum beschrei-

ben eine übermäßige Dilatation der entsprechenden Organe. Im Colon transversum wird dieser Begriff bei einem Querdurchmesser von über 6,5 cm, im Colon ascendens bei über 8 cm und im Rektum bei über 12 cm verwendet. Im Rektosigmoid handelt es sich in vielen Fällen um die Folge einer langjährigen chronischen Obstipation. Ein Megakolon kann jedoch auch auf dem Boden eines M. Hirschsprung, einer chronisch intestinalen Pseudo­ obstruktion oder einer Infektion mit Trypanosoma cruzi auftreten. Das toxische Megakolon ist eine lebensbedrohliche Komplikation der Colitis ulcerosa oder anderer infektiöser Kolitiden (7 Kap. 33.2).

33.4 · Funktionelle Erkrankungen

Diagnostik Die Behandlung der chronischen Obstipation erfordert zunächst eine exakte Definition der pathophysiologischen Ursache. Anam­ nestisch kann eine erste Einordnung durch folgende Fragen erfolgen: 4 Ist die Stuhlhäufigkeit zu gering? 4 Ist die Evakuation zu schwer? 4 Ist die Konsistenz zu hart? 4 Dauert die Stuhlentleerung zu lange? Eine gezielte Befragung nach Vorerkrankungen und eingenommenen Medikamenten erlaubt häufig bereits die Ursache einer Stuhlunregelmäßigkeit zu eruieren. Das Ausmaß der apparativen Diagnostik hängt vom Alter des Patienten, der Dauer der Beschwerden und der Präsenz von Begleitsymptomen ab. Bei Alarm­ symptomen wie ungewolltem Gewichtsverlust, Änderung der Stuhlgewohnheiten, rektalem Blut- oder Schleimabgang muss ein organisches Leiden mittels Koloskopie ausgeschlossen werden. Zeigen einfache Therapieansätze keinen Erfolg, ist eine weiterführende Funktionsdiagnostik gerechtfertigt. Dabei sollten Patienten mit infrequenter Defäkation primär mittels Kolon­ transitzeitmessung abgeklärt werden. Diese kann mittels peroral applizierten, radiodichten Markern oder szintigraphisch durchgeführt werden. Der Vorteil der Szintigraphie ist die geringere Strahlenbelastung und die Möglichkeit, auch Magenentleerung und Dünndarmpassagezeit auswerten zu können (Wald 2004). Wegen der aufwendigeren Technik wird diese jedoch in der Praxis seltener eingesetzt. Bei der Markertechnik werden 10 Marker pro Tag über einen Zeitraum von 6 Tagen gegeben. Am 7. Tag wird eine Abdomenübersichtsaufnahme angefertigt und die Pas­sagezeit anhand der Markerverteilung kalkuliert. Ist die Kolontransitzeit bei gleichmäßiger Verteilung der Marker bzw. der radioaktiv markierten Testmahlzeit im Kolorektum verzögert, spricht man von »slow-transit constipation« oder »inertem Kolon«. Grundsätzlich kann eine Kolontransitzeit von mehr als 72 h als pathologisch betrachtet werden.

Bei Akkumulation der Marker im Rektum liegt am ehesten eine Entleerungsstörung vor. Diese kann über einen Ballonexpulsions­ test einfach und kostengünstig bestätigt werden (Minguez et al. 2004). Hierbei wird ein mit 50 ml Wasser gefüllter Ballon in das Rektum eingeführt. Kann der Ballon nicht spontan ausgestoßen werden, wird zunehmend Gewicht angehängt. Bei einem Gesunden müssen durchschnittlich 126 g Gewicht angehängt werden, während bei Evakuationsstörungen bis zu 700 g erforderlich sein können. Die Ursachen einer Entleerungsstörung werden mittels De­ fäkographie und Analmanometrie weiter abgeklärt. Bei der Videodefäkographie wird das Rektum mit einer stuhlähnlichen Bariumpaste gefüllt und anschließend die Defäkation im horizontalen Strahlengang gefilmt. Dadurch lassen sich Größe und Kontraktion des Rektums beurteilen sowie eine Rektozele, eine Intussuszeption oder eine Sigmoideozele nachweisen. Neuerdings steht auch die MR-Defäkographie zur Verfügung, die neben der fehlenden Strahlenbelastung auch die Beurteilung der Beckenbodenmotilität erlaubt (Dvorkin et al. 2004). Ein Fehlen des rektoanalen Inhibitionsreflexes bei der Analmanometrie ist

477

33

verdächtig auf einen M. Hirschsprung und muss durch Rektumbiopsien weiter abgeklärt werden (s. oben). Kann manometrisch eine Kontraktion des Schließmuskels während der Ballonex­ pulsion nachgewiesen werden, so ist dies als Hinweis auf eine Beckenbodendysfunktion zu werten. Therapie Die primäre Therapie der chronischen Obstipation ist konservativ (Herold 2001; DiPalma 2004). In vielen Fällen sind bereits eine ballaststoffreiche Ernährung und das Umstellen der Medikation erfolgreich. Gerade bei älteren Menschen ist auf eine ­ausreichende Trinkmenge hinzuweisen. Anstelle natürlicher Ballaststoffe können auch synthetische Polymere eingesetzt werden. Sie binden Wasser im Darm, erhöhen damit das Stuhlgewicht und fördern so die Dickdarmmotilität. Eine entsprechende Wirkung erzielen osmotische Laxantien wie Laktulose, Polyethylenglykol (PEG) oder Natriumpicosulfat. Diphenylmethanderivate (Bisacodyl) und pflanzliche Antrachinone (Aloe, Faulbaumrinde, Sennesblätter) wirken über eine direkte Stimulation der Darmmotilität bei gleich­ zeitiger Hemmung der intestinalen Wasserresorption. In Studien Erfolg versprechend sind neuere Therapieansätze mit Opiat- und 5-HT4-Antagonisten. Bei Entleerungsstörungen sind Klysmen oder Natriumhydrogenkarbonat-Suppositorien hilfreich. »Slow-transit constipation«. Erst nach Ausschluss anderer Ursachen und Ausschöpfen sämtlicher konservativer Therapiemöglichkeiten sollte die Indikation zur operativen Intervention in Betracht gezogen werden. Nur etwa 3–7% aller Patienten mit chronischer Obstipation sind Kandidaten für eine Operation. Das weitaus am häufigsten angewandte Verfahren ist die Kol­ ektomie mit ileorektaler Anastomose – entsprechend liegen hier die größten klinischen Erfahrungen vor. Die Erfolgsrate liegt bei etwa 90% mit persistierenden Obstipationsbeschwerden bei 10% der Patienten. Demgegenüber beträgt die Rate an postoperativen Diarrhöen bis zu 69% und die Rate neu aufgetretener Inkon­ tinenzbeschwerden bis zu 52%. Bei bis zu 29% der Patienten entwickelt sich im Langzeitverlauf ein therapiepflichtiger Ileus und bis zu 9% der Patienten enden mit einem permanenten Ileostoma (. Tab. 33.8). Dementsprechend war die postoperative Lebensqualität trotz Behebung der Obstipation in vielen Fällen relevant eingeschränkt (Lim u. Ho 2001; FitzHarris et al. 2003). Vor diesem Hintergrund wurden in den vergangenen Jahren Studien mit reduziertem Resektionsausmaß durchgeführt. Die Ergebnisse nach subtotaler Kolektomie mit ileosigmoidaler oder auch zökorektaler Anastomose waren mit Erfolgsraten von 12–51% deutlich schlechter als nach Kolektomie und in 2 Studien mit erweiterter Hemikolektomie links betrug die Versagerrate gar 100% (Knowles et al. 1999). Derzeit ist die Kolektomie mit ileorektaler Anastomose als chirurgische Standardtherapie bei therapierefraktärer »slowtransit constipation« anzusehen. Nach bisherigem Kenntnis­ stand kann dieses Verfahren mit gleichem funktionellem Ergebnis auch laparoskopisch durchgeführt werden (Bruch et al. 1999; Inoue et al. 2002).

Die partielle Kolonresektion ist nur gerechtfertigt, wenn der Verdacht auf eine segmental beschränkte Transportstörung besteht. Für diese Indikation wurden bei einzelnen Patienten gute Erfolge beschrieben (Lundin et al. 2002).

478

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

. Tabelle 33.8.  Ergebnisse nach Kolektomie und Ileorektostomie bei »slow-transit-constipation«

33

Autor

Patientenzahl

Erfolg (%)

Ileus (%)

Diarrhö (%)

Inkontinenz (%)

Stoma (%)

Piccirillo 1995

  54

94

 9



24

0

Redmond 1995

  34

90

18

10



5

de Graaf 1996

  44

67

 2

14

14

7

Pluta 1996

  24

92

21

33



0

Lubowski 1996

  59

90

17

20

22

0

Platell 1996

  96

82





52

9

Nyam 1997

  74

87

 9

10

 1

0

Ho 1997

  24

96

13

 0

 0

0

Bernini 1998

106

75

29

15

20



Fan 2000

  24

87

21

 8





FitzHarris 2003

112

81

17

69

45

4

Die restaurative Proktokolektomie mit Ileumpouch-analer Anastomose zur Behandlung der idiopathischen Obstipation ist nur in Ausnahmefällen indiziert, meist bei persistierender Obstipation nach Kolektomie oder bei Vorliegen eines Megakolon mit Einschluss des Rektum (Kalbassi 2003). In diesen Fällen ist die präoperative Dünndarmszintigraphie zum Ausschluss einer Dünndarmmotilitätsstörung obligat. Dadurch kann das Risiko einer persistierenden Obstipation trotz Proktokolektomie vermieden werden. Outlet-Obstruktion. Die primär konservative Therapie bein­

haltet die Stuhlregulation, Ernährungsberatung und Entleerungshilfen. Bei Therapieversagern kann die operative Therapie indiziert sein. Diese orientiert sich an der verursachenden Pathologie: Wird das distale Rektum durch eine Enterozele oder Sigmoidozele komprimiert, ist eine Elevation des Beckenbodens mit synchroner Rektopexie und Sigmaresektion zu empfehlen. Bei manifestem Rektumprolaps findet sich bei bis zu 2 Dritteln der Patienten eine begleitende Obstipation. Hier stehen die trans­ abdominelle Resektionsrektopexie und perineale Verfahren (Rehn-Delorme-Operation, Altemeier-Operation) als Therapie­ opti­onen zur Verfügung. Bei intrarektaler Intussuszeption bieten trans­anale Verfahren Vorteile. Auch Rektozelen sind häufig Ursachen von Entleerungsstörungen. Therapeutisch konkurrieren die vagi­nale, die transanale und die transperineale Raffung mit Levatorenplatik. Als relativ neues Verfahren steht die transanale gestapelte Rektumresektion (STARR) zur Verfügung, das nach bisheriger Datenlage zumindest ebenbürtig mit den an­ deren Verfahren ist (Boccasanta et al. 2004). In Anbetracht der komplexen und eigenständigen Krankheitsbilder wird auf 7 Kap. 35 verwiesen. Bei Koordinationsstörungen ist das Biofeedback-Training die Therapie der Wahl. Über einen geeigneten Sensor wird dem Patienten seine Beckenbodenfunktionsstörung dargestellt und über eine operative Konditionierung eine Funktionsänderung erreicht. Die Erfolgsraten betragen 55–100%, im Mittel 78% (Herold 2001; DiPalma 2004).

Gemischte Störung. Besteht eine Kombination von »slow-transit

constipation« und »outlet obstruction« ist primär das Biofeedbacktraining indiziert. Nach Behebung bzw. Verbesserung der Entleerungsstörung kann in Ausnahmefällen die Kolektomie mit Ileorektostomie angezeigt sein (Pemberton 1991). Eine Übersicht über den Behandlungsalgorithmus bei chronischer Obstipation gibt . Abb. 33.19. 33.4.2 Syndrom des irritablen Kolons

(Reizdarmsyndrom)

Die für verschiedenste, eher unspezifische funktionelle Darm­ beschwerden gebräuchliche Diagnose des Colon irritabile oder des spastischen bzw. nervösen Kolon kann nur per exclusionem und nicht aufgrund biologischer Marker gestellt werden. Da nicht nur das Kolon, sondern der gesamte Gastrointestinaltrakt be­ troffen ist, hat sich in den letzten Jahren der Begriff des »irritable bowel syndrome« oder des Reizdarmsyndroms durchgesetzt. Die diagnostischen Kriterien wurden 1999 auf einer Kon­ sensuskonferenz definiert (Rom-II-Kriterien des Reizdarmsyndroms). Es wird als Kombination von chronischem und rezidivierendem abdominellen Unbehagen oder Schmerzen von mindestens 12 Wochen Dauer während der vorhergehenden 12 Monate definiert, deren Ursache nicht in strukturellen oder biochemischen Abnormitäten liegen und die 2 der 3 nachfolgenden Charakteristika aufweisen: 4 Erleichtert durch Defäkation und/oder 4 Beginn verbunden mit einer Änderung der Stuhlfrequenz und/oder 4 Beginn verbunden mit einer Änderung der Stuhlform Kumulativ unterstützende Symptome für ein Reizdarmsyndrom sind: 1. 3 Stuhlentleerungen pro Tag 3. Harter oder klumpiger Stuhlgang

479

33.4 · Funktionelle Erkrankungen

33

. Abb. 33.19.  Therapeutischer Algorithmus bei chronischer Obsti­pation

4. 5. 6. 7. 8. 9.

Breiiger oder wässriger Stuhlgang Pressen während des Stuhlgangs Imperativer Stuhldrang Gefühl der unvollständigen Stuhlentleerung Schleimabgang während der Stuhlentleerung Abdominelles Völlegefühl, Blähungen und abdominelle Schwellung

Man unterscheidet einen diarrhöprädominanten (ein oder mehr Symptome von 2, 4, 6, aber kein Symptom von 1, 3, 5) und einen obstipationsprädominanten Typ (ein oder mehr Symptome von 1,3, 5, aber kein Symptom von 2, 4, 6). Oft wird das Beschwerdebild von anderen gastrointestinalen Beschwerden wie Dyspepsie und Übelkeit begleitet. Die Prävalenz liegt bei 15–20% der Bevölkerung mit Häufung bei Frauen. Als mögliche Ursachen werden intestinale Dysmotilität, ­viszerale Hypersensibilität und psychosoziale Faktoren diskutiert. Die Therapie ist in allen Fällen konservativ und symptomorientiert. Für den Viszeralchirurgen ist das Krankheitsbild wichtig als Differenzialdiagnose zur funktionellen Obstipation (Thompson et al. 1999). 33.4.1 Intestinale Pseudoobstruktion Grundlagen. Die intestinale Pseudoobstruktion, erstmalig durch

Ogilvie 1948 beschrieben, umfasst ein klinisches Zustandsbild, das durch eine Behinderung des intestinalen Transports mit erheblicher Kolondilatation in Abwesenheit eines mechanischen Hindernisses charakterisiert ist. Üblicherweise ist der Dickdarm involviert, seltener auch der Dünndarm. Die Ätiologie ist nach wie vor unklar. Betroffen sind insbesondere ältere, kritisch multi­ morbide Patienten, z. B. im postoperativen Verlauf. Es handelt sich typischerweise um akut auftretende Krankheitsbilder, die mit erheblicher Distension des Abdomens und Schmerzen im Sinne eines akuten Abdomens einhergehen (Kuhn 2003). Ein zweiter Altersgipfel einer allerdings mehr chronischen Verlaufsform der intestinalen Pseudoobstruktion findet sich im Kindes-

alter, auch hier typischerweise im Gefolge schwerer angeborener Erkrankungen. Diagnostik. Die Diagnose wird bei klinisch auffälliger Distension

des Abdomens meist anhand des Röntgen-Übersichtsbilds gestellt, das eine Dilatation des Zökums oder des Colon ascendens mit einem Durchmesser von über 12–14 cm zeigt. Wichtigste Differenzialdiagnose ist der mechanische Ileus, z. B. infolge eines Zökal- oder Sigmavolvulus. Therapie. Therapieziel ist die Vermeidung der Perforation infolge

Wandüberdehnung, die eine Letalität von mehr als 20% aufweist (Delgado-Aros 2003). Therapie der Wahl ist die endoskopische Dekompression und ggf. transanale Platzierung einer Sonde zwecks Rezidivprophylaxe. Alternativ kommt die Anlage einer Zökalfistel oder eines Kolostomas infrage. Die Indikation zu einer Kolonresektion besteht nur selten, z. B. bei manifesten Wand­ ischämien. Nach endoskopischer Dekompression kann die Tonisierung des Darmes auf pharmakologischem Wege (Neostigmin) versucht werden.

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480

33

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

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33.5

Kolonvolvulus



F. Ulmer, S. Willis



) )



Unter einem Volvulus versteht man die Torsion eines sich an ei­ nem Stiel befindlichen Organs. Am häufigsten ist der Kolonvol­ vulus, bei dem die Torsion entweder um die eigene (organoaxial) oder häufiger um die Mesenterialachse (mesenterioaxial) er­ folgt. Schon im Altertum befassten sich Hippokrates und Aulus Cor­nelius Celsus mit dem Krankheitsbild. Das vorgeschlagene konservative Vorgehen mit Einblasen von Luft in den Darm ist auch heute noch Bestandteil bei der endoskopischen Therapie. ­Atherton führte 1883 die erste operative Derotation eines Sigma­ volvulus durch. Beim Volvulus kommt es durch die Rotation zu einer partiel­ len oder vollständigen Okklusion des Darms. Darüber hinaus liegt zusätzlich oft eine Minderdurchblutung des betroffenen Seg­ ments vor. Eine Distension des Darmabschnittes mit eventueller Gangrän, Nekrose und Perforation ist die Folge. In Entwicklungs­ ländern ist der Volvulus nach Kolontumoren und Divertikulitis dritthäufigste Ursache eines Darmverschlusses. Die häufigsten Formen des Volvulus betreffen das Sigma sowie das Zökum. Die einzuleitende Therapie hängt davon ab, wie sehr die Durchblu­ tung des Darms beeinträchtigt ist. Bei vitalem Darm ist die endos­ kopische Dekompression gefolgt von einer elektiven Resektion die Therapie der Wahl. Im Ileus oder bei Darmnekrose ist eine Notfalllaparotomie angezeigt.

33.5.1 Grundlagen Epidemiologie Die Inzidenz des Kolonvolvulus variiert weltweit erheblich. In Westeuropa und in den USA erkranken daran nur ca. 5% oder weniger. In Osteuropa, Ländern des mittleren Ostens und Afrika ist der Volvulus in bis zu 75% der Fälle Ursache für einen Darmverschluss. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei etwa 60–65 Jahren, mit einer Verteilung von 80% >50 Jahren und 45% >70 Jahren. Einige Autoren gehen von einer ausgewogenen Geschlechtsverteilung aus, wobei aus Ländern des mittleren Ostens, Südamerikas und Afrika von einem Verhältnis zugunsten der Männer berichtet wird (Pfeifer 2003). Mögliche Ursache hierfür könnte ein anderes Verhältnis von Länge zu Breite beim Meso­ kolon des Mannes sein. Der Dickdarmvolvulus kommt meist im Bereich des Sigmas und Zoekums vor. In einer Studie von Ballantyne wurden die Daten von 546 in den USA lebenden Patienten mit Dickdarmvolvulus ausgewertet, wobei 95% der Fälle

481

33.5 · Kolonvolvulus

. Tabelle 33.9.  Häufigkeit der Lokalisation des Dickdarmvolvulus (Ballantyne 1990)

Lokalisation

Häufigkeit (%)

Sigma

60,9

Zökum

34,5

Colon transversum

  3,6

Linke Flexur

 1

einen Sigma- oder Zökumvolvulus aufwiesen (. Tab. 33.9). Sehr selten sind Colon transversum, linke Flexur, Colon descendens oder Appendix betroffen (Ballantyne 1990). Pathogenese Die Ätiologie des Volvulus ist noch nicht vollständig geklärt. Einig ist man sich, dass anatomische Voraussetzungen (ein langer, mobiler Darmabschnitt mit entsprechend langem Mesokolon) für die Entstehung notwendig sind. Eine kongenitale Variation der Länge des betroffenen Darmabschnitts und dem dazugehö­ rigen Mesenterium könnte somit auch der Grund für das weltweit unterschiedliche Vorkommen sein. In der Literatur werden neben diesen wichtigen anatomischen Voraussetzungen noch zahlreiche andere prädisponierende Faktoren beschrieben: M. Hirschsprung, M. Chagas, Megakolon, Adhäsionen von vo­ rausgegan­genen Operationen, Diabetes mellitus, Tuberkulose, kardiovas­kuläre Störungen, neurologische und psychiatrische Erkrankungen, Vitamin-B-Mangel, ischämische Kolitis, Schwangerschaft und der exzessive Verbrauch von Einläufen. Ebenso kann eine angeborene Anomalie (Malrotation) die Ursache für einen Volvulus neonatorum sein (Pfeifer 2003). 33.5.2 Sigmavolvulus Der Sigmavolvulus ist weltweit die häufigste Form des Volvulus. Aufgrund einer ballaststoffreicheren Ernährung und der damit häufig einhergehenden Kolonverlängerung kommt der Sigmavolvulus in Ländern wie Asien und Afrika vermehrt vor. Ein langes Sigmamesenterium mit einer relativ schmalen Basis ist eine wichtige anatomische Voraussetzung für eine Torquierung im oder gegen den Uhrzeigersinn, wobei erstere die häufigere Form darstellt. Bei einem einfachen Darmverschluss im Bereich des Sigmas bleibt der betroffene Abschnitt normalerweise noch einige Tage lebensfähig. Grund hierfür ist, dass das Colon sigmoideum im Gegensatz zu den anderen Kolonabschnitten einem größeren intraluminalen Druck standhält, bevor es zu einer Gefäßobstruktion kommt. Übersteigt der intraluminale Druck jedoch den Kapillardruck, kommt es zu einer Venenthrombose mit konsekutivem Darminfarkt. Ist jedoch die akute Torquierung des Mesenteriums führend, so folgt der Darmischämie schnell die Nekrose. Klinische Symptomatologie Es werden 3 unterschiedliche Formen des Sigmavolvulus unterschieden: Eine häufige subakute, eine seltenere akute Form mit schnell eintretender Wandnekrose und der sog. ileosigmoidale Knoten.

33

4 Bei der subakuten Form entwickeln sich die Symptome wie Bauchsschmerzen und Übelkeit mit Erbrechen über Tage mit einem in der klinischen Untersuchung geblähten Abdomen sowie tympanischen Klopfschall. Die Verfassung des Patienten ist im Allgemeinen gut, der schwere Schockzustand ein Spätsymptom. Die Anamnese ist für ähnliche, vorausge­ gangene Episoden häufig positiv. Oft ist das Hauptsymptom des Patienten eine neu aufgetretene Dyspnoe als Folge des Zwerchfellhochstands. 4 Im Gegensatz hierzu beginnt die Klinik bei der akuten Form mit plötzlich auftretenden, starken, kolikartigen Schmerzen und Erbrechen mit raschem Übergang in eine Peritonitis, meist innerhalb der ersten 24 Stunden. 4 Bei der dritten Form, dem ileosigmoidalen Knoten, zeigen die Patienten eine Vielfalt unterschiedlicher Symptome, die von einfacher Verstopfung bis hin zum akuten Abdomen reichen. Ursache ist ein Ileumsegment, das sich um die Basis einer Sigmaschlinge wickelt und so zu einer mehr oder minder ausgeprägten Gefäß- oder Darmabschnürung führt. Diagnostik In den meisten Fällen ist das Röntgenbild des Abdomens im Stehen wegweisend. Typischerweise kommt das Sigma ahaustral in Form eines verkehrten U’s zur Darstellung (. Abb. 33.20; Kaffeebohnenzeichen). Bei Unklarheiten kann der Kolonkon­ trasteinlauf mit wasserlöslichem Kontrastmittel weiterhelfen. Durch die Lumeneinengung an der Torsion kommt es zum sog. »bird’s peak sign« (Vogelschnabelzeichen) durch die sich verjüngende Kontrastmittelsäule an der Stelle der Torsion (. Abb. 33.21). Die Kombination von Abdomenröntgenleeraufnahme und Kolon­ kontrasteinlauf ermöglicht in den meisten Fällen die richtige Diagnose. Die Computertomographie hat eine hohe Treffsicherheit, ist jedoch meist entbehrlich. Differenzialdiagnostisch muss an eine distale neoplastische Obstruktion, an einen Kolonvolvulus anderer Lokalisation sowie an eine Pseudoobstruktion (s. oben) gedacht werden. Die ­nächste diagnostische und zugleich therapeutische Maßnahme ist die sofortige Sigmoidoskopie. Bei der subakuten Form erscheint die Mukosa des Sigma normal und rechtfertigt einen primär konservativen Therapieversuch (s. unten), während der Nachweis von Mukosanekrosen auf eine vitale Gefährdung des Darms bei der akuten Verlaufsform hinweist und zu einer Notfalllaparotomie mit Resektion des betroffenen Darmsegments führt. Therapie Die Therapie des subakuten Sigmavolvulus hat sich in den letzten Jahren von der sofortigen Operation mit einer häufig hohen Mortalitätsrate hin zu einer primär konservativen Therapie mit frühelektiver Sigmaresektion gewandelt. Goldstandard ist die umgehende endoskopische Dekompres­ sion des Volvulus und die Einlage eines Darmrohrs, um eine sofortige Retorquierung zu verhindern.

Die Erfolgsrate betrug zwischen 58 und 100% bei einer Mortalität zwischen 0 und 15%. Das Problem der ausschließlich endoskopischen Therapie ist die hohe Rezidivquote von 23–85%, weshalb heute die elektive Sigmaresektion noch während des gleichen Krankenhausaufenthalts empfohlen wird (Pfeifer 2003). Die

482

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

. Abb. 33.20.  Abdomenröntgenleer­ aufnahme bei Sigmavolvulus. Man er­ kennt ein großes gasgefülltes Hohlor­ gan, das aus dem kleinen Becken unter das linke Zwerchfell zieht. Dieses radio­ logische Phänomen wird verglichen mit einem zusammengepressten Schlauch eines Radreifens (»bent inner tube of a tyre«), auch »Kaffebohnenzeichen« oder »Omegazeichen« genannt

33

. Abb. 33.21.  Kolonkontrasteinlauf bei Sigmavolvulus. Durch die Verengung an der Basis der torquierten Schlinge entsteht das sog. Vogelschnabel­ zeichen (»bird’s beak sign«)

33.5 · Kolonvolvulus

483

33

. Abb. 33.22.  Therapieschema beim Zökum- und Sigmavolvulus

Reoperationsrate kann so auf 10% gesenkt werden (Renzulli et al. 2002). Dabei scheint die Laparoskopie gegenüber den offenen Verfahren zumindest gleichwertig zu sein, obwohl hierzu bislang nur wenige kasuistische Daten veröffentlicht wurden (Chung et al. 1997). Nichtresezierende Verfahren wie die Sigmapexie, Meso­­sigmoideoplastie und der T-Fastener sollten aufgrund schlechter Langzeitergebnissen kritisch bewertet werden und nur in Ausnahmefällen bei multimorbiden Patienten zum Einsatz kommen (Pfeifer 2003). Im Einzelfall ist bei stark erhöhtem Operationsrisiko aber auch ein rein konservatives Vorgehen vertretbar (. Abb. 33.22). Konsens besteht bei einem akuten Volvulus mit bestehender oder drohender Darmwandgangrän oder -nekrose. Hier ist eine unverzügliche Notfalloperation mit Resektion des betroffenen Segments indiziert. Die primäre Anastomose mit eventueller »on-table-lavage« und protektivem Stoma ist hierbei das Operationsverfahren der Wahl. Dabei scheinen sich die Ergebnisse hinsichtlich Mortalität (3%), Anastomoseninsuffizienzrate (15–27%) und mittlerem Krankenhausaufenthalt (12–16 Tage) beim Vorliegen von noch vitalem im Vergleich zu bereits gangränösem Darm nicht zu unterscheiden (Raveenthiran 2004). Bei ausgeprägter Peritonitis oder sehr schlechtem Allgemeinzustand des Patienten sollte im Zweifelsfall eine Diskontinuitätsresek­tion nach Hartmann durchgeführt werden, um den Patienten schnell aus seiner kritischen Situation zu bringen. Im Falle einer Gangrän empfiehlt es sich, intraoperativ den betroffenen Darm nicht zu detorquieren, da dies zu einem septischen Schock führen kann. 33.5.3 Zökumvolvulus Grundlagen Der Zökumvolvulus ist für etwa 10–40% aller Kolonvolvulusfälle bzw. ca. 1% aller Darmverschlüsse verantwortlich. Das Durchschnittsalter ist im Gegensatz zum Sigmavolvulus niedriger (zwi-

schen 30 und 60 Jahren). Die anatomische Voraussetzung eines Coecum mobile ist grundlegend. Sie resultiert aus einer fehlenden Verklebung und damit unvollständiger Fixation an das hintere parietale Peritoneum. Prädisponierende Faktoren für einen Zökumvolvulus sind vorausgegangene abdominelle Operationen, kongenitale Verwachsungen, ballaststoffreiche Ernährung, erhöhte Peristaltik aufgrund von Durchfall oder Abführmittel­ abusus sowie Schwangerschaften und maligne Prozesse im Becken­ bereich. Pathologisch-anatomisch werden 2 Formen unterschieden (Madiba u. Thomsen 2002): 4 Der axiale ileokolische Volovulus (Drehung des Zökums um seine Längsachse) 4 Der nach oben geklappte Zökumvolvulus, das sog. »Cecale bascule« (Drehung des Zökums um seine Vertikalachse nach ventral und kranial) Klinische Symptomatologie In Analogie zum Sigmavolvulus werden auch beim Zökumvol­ vulus 3 unterschiedliche klinische Verlaufsformen unterschieden (Pfeifer 2003): 4 Akut fulminanter Typ: Dieser ist durch ein akutes Abdomen auf dem Boden einer akuten mesenterialen Durchblutungsstörung charakterisiert. 4 Akut obstruktiver Typ: Dieser äußert sich durch die Rotation des Ileums klinisch als tiefer Dünndarmileus mit krampf­ artigen Bauchschmerzen, Erbrechen und aufgetriebenem Abdomen. 4 Subakuter oder rezidivierender Typ: Dieser ist durch unterschiedlich starke, kolikartige Bauchschmerzen gekennzeichnet, die meist nur von kurzer Dauer sind. Diagnostik Der Zökumvolvulus ist auf der Abdomenröntgenleeraufnahme meist leicht zu erkennen. Typischerweise findet sich ein dilatier-

484

Kapitel 33 · Gutartige Erkrankungen von Dickdarm und Rektum

. Abb. 33.23.  Abdomenröntgenleer­ aufnahme bei Zökumvolvulus. Man erkennt ein in den Mittelbauch dislo­ ziertes und massiv dilatiertes Zäkum mit Spiegelbildung, rechts daneben dilatierte Dünndarmschlingen mit multiplen Spiegeln als Ausdruck der be­gleitenden Dünndarmobturation

33

tes Zökum mit einem einzigen Flüssigkeitsspiegel, der abhängig von der Lage und dem Grad der Verdrehung überall im Abdo­ men auftreten kann. Bei dem axialen ileokolischen Volvulus zeigen sich oft zusätzlich erweiterte Dünndarmschlingen mit Spiegelbildung als Ausdruck eines Dünndarmileus (. Abb. 33.23). Die CT-Untersuchung führt ebenfalls zur Diagnose, ist jedoch meist entbehrlich und sollte jedoch aus Kostengründen nur bei Unklarheiten eingesetzt werden. Aufgrund der hohen Perforationsgefahr ist eine Koloskopie zur Diagnosestellung aufgrund der eingeschränkten Therapiemöglichkeiten umstritten (7 unten). Therapie Im Gegensatz zum Sigmavolvulus ist die Koloskopie beim Zökumvolvulus wenig erfolgversprechend, da die Strecke vom Anus bis zur Verdrehung des Zökums deutlich länger ist als beim Sigmavolvulus. In einer relativ aktuellen Studie gelang die endos­ kopische Dekompression beim Zökumvolvulus nur bei einem Drittel der Patienten (Renzulli et al. 2002). Ohne Frage ist bei Darmgangrän die Resektion Methode der Wahl. Eine Hemikolektomie rechts ist anzustreben. Je nach intraoperativem Befund kann ein vorgeschaltetes Ileostoma sinnvoll

sein. Bei bereits vorliegender Gangrän sollte der Volvulus ohne Detorsion reseziert und eine primäre Anastomose angestrebt werden (Madiba u. Thomsen 2002). Bei vitalem Darm bestehen 2 Therapieoptionen. Als nicht­ resezierendes Verfahren war die Detorsion kombiniert mit einer langstreckigen Zökopexie an der Tänie des Colon ascendens ­lange Zeit die Therapie der Wahl. Die Rezidivrate bei Zökopexie betrug durchschnittlich 16% bei einer Mortalität von 18% (Pfeifer 2003). Aufgrund verbesserter operations- und intensivtechnischer Methoden haben sich in den letzten Jahren die resezierenden Verfahren zunehmend durchgesetzt. Der Vorteil der Resektion ist, dass ein Wiederauftreten des Volvulus unmöglich ist. Bezüglich der Mortalität und Morbidität unterscheiden sich die resezierenden Verfahren heute nicht mehr wesentlich von den nichtresezierenden Verfahren, weshalb letztere heute nur noch bei Hochrisikopatienten eingesetzt werden sollten. Standard ist die Hemikolektomie rechts, die bei entsprechender Erfahrung auch laparoskopisch durchgeführt werden kann (. Abb. 33.22; Tuech et al. 2002; Renzulli et al. 2002; Pfeifer 2003).

485

33.5 · Kolonvolvulus

33

33.5.4 Transversumvolvulus

Literatur

Grundlagen. Nur ca. 4% aller Volvulusvorfälle betreffen das

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Colon transversum. Meist sind die Patienten jüngeren Alters und weiblichen Geschlechts. Angeborene Anomalien wie ein frei bewegliches rechtes Kolon, ein langes Mesokolon, ein elongiertes Colon transversum oder das Chilaiditi-Syndrom sind prädis­ ponierende Faktoren. Wie schon beim Sigma- und Zökumvol­ vulus muss zwischen einem akuten Typ mit peritonitischen Zeichen und einem subakuten Typ mit aufgetriebenem Abdomen, Krämpfen, Erbrechen und langsamer Verschlechterung unterschieden werden. Diagnostik. Die Verdachtsdiagnose wird aufgrund der klini-

schen Untersuchung und Röntgenaufnahme gestellt. Die eigentliche Diagnose wird jedoch meist erst bei der Laparotomie gestellt. Therapie. Bei Darmwandnekrose und bei Patienten in gutem

Allgemeinzustand wird eine erweiterte Hemikolektomie rechts durchgeführt. Bei kritischen Patienten sind eine rechtsseitige Kolostomie und eine distale Mukusfistel oder ein distaler Ko­ lonblindverschluss in das Therapiekonzept mit einzubeziehen (Pfeifer 2003). 33.5.5 Volvulus der linken Kolonflexur Grundlagen. Der Volvulus der linken Flexur ist eine Rarität. Weniger als 100 Fälle sind in der Literatur beschrieben. Zu einer Prädisposition kann es kommen, wenn die Haltebänder (Ligamentum gastrocolicum, phrenicolicum und splenocolicum) kongenital nicht angelegt sind oder bei chirurgischen Eingriffen durchtrennt wurden. Klinische Symptomatologie. Das klinische Erscheinungsbild ist

dem des Transversumvolvulus ähnlich. Beim fortgeschrittenen Stadium finden sich Zeichen eines Darmverschlusses. Im Kolonkontrasteinlauf ist dann eine komplette Obstruktion in Höhe der Milzflexur nachzuweisen. Therapie. Aufgrund der Schwierigkeit, die Milzflexur ausrei-

chend zu fixieren, ist eine Kolonsegmentresektion zu empfehlen (Mahajan et al. 2000).