Epidemiologie der Herzinsuffizienz

374 © 2004 Schattauer GmbH Epidemiologie der Herzinsuffizienz H.-W. Hense Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Bereich Klinische Epidemiolo...
Author: Jasper Thomas
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374 © 2004

Schattauer GmbH

Epidemiologie der Herzinsuffizienz H.-W. Hense Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Bereich Klinische Epidemiologie, Universität Münster Schlüsselwörter

Keywords

Zusammenfassung

Summary

Herzinsuffizienz, systolische Dysfunktion, diastolische Dysfunktion, Epidemiologie Die Herzinsuffizienz ist definiert als eine Einschränkung der kardialen Funktion, die durch typische klinische Symptome gekennzeichnet ist. Für die Diagnose sind Anamnese, körperliche Untersuchung und Röntgen-Thorax sowie die Durchführung einer (Doppler-) Echokardiographie erforderlich. Letztere ist notwendig, um insbesondere zu differenzieren, ob eine systolische und/oder eine diastolische ventrikuläre Funktionsstörung vorliegt. In epidemiologischen Studien sind Anforderungen sowohl an eine bevölkerungsweite Erfassung wie auch an die technisch adäquate, diagnostische Abklärung einer Herzinsuffizienz zu stellen. Letztere können insbesondere auch die epidemiologisch wichtigen asymptomatischen Stadien der systolischen und diastolischen Ventrikelfehlfunktion erfassen, die sich klinisch (noch) nicht manifestiert haben. In dieser Übersicht werden aktuelle Befunde zur Epidemiologie der Herzinsuffizienz aus der Literatur zusammenfassend vorgestellt. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf Daten aus bevölkerungsbasierten (im Gegensatz zu hospitalbasierten) Studien. Es werden Resultate zu Inzidenz und Prävalenz, Risikofaktoren und zum Überleben bei verschiedenen Stadien der Herzinsuffizienz vorgestellt.

D

ie Herzinsuffizienz bildet das Endstadium vieler Herzerkrankungen. Sie ist definiert als eine Einschränkung der kardialen Funktion, die durch typische klinische Symptome wie Atemnot in Ruhe und bei Belastung, geringe körperliche Leistungsfähigkeit und Flüssigkeitsretention gekennzeichnet ist (1). Für die Diagnose sind Anamnese, körperliche Untersuchung und Röntgen-Thorax sowie die Durchführung einer (Doppler-)Echokardiographie erforderlich. Letztere ist notwendig, um insbesondere zu differenzieren, ob eine systolische und/oder eine diastolische ventrikuläre Funktionsstörung vorliegt. Andererseits ist bekannt, dass viele Patienten mit einer eingeschränkten systolischen und/oder diastolischen ventrikulären Funktion noch lange Zeit frei von den oben

Heart failure, systolic ventricular dysfunction, diastolic ventricular dysfunction, epidemiology Congestive heart failure is defined by an impaired ventricular function in combination with typical clinical symptoms. Medical history, physical examination, thorax radiogram and (Doppler) echocardiography are required for its diagnosis, the latter being required to differentiate systolic and/ or diastolic ventricular dysfunction. In epidemiologic investigations of heart failure, the population-based approach has to be reconciled with a technically adequate diagnostic work-up to identify in particular the important asymptomatic stages of systolic and/or diastolic ventricular dysfunction which are (as yet) clinically inapparent. In this overview the recent literature on the epidemiology of chronic heart failure a focus is put on population-based (rather than hospital-based) studies. Results from various studies are presented that address the incidence, prevalence, aetiology and prognosis of the different stages of heart failure.

Epidemiology of congestive heart failure Med Welt 2004; 55: 374 – 9

genannten Symptomen sind und somit klinisch nicht oder nur wenig auffallen (2, 3). Asymptomatische ventrikuläre Dysfunktionen gelten als Vorstufe (Stage B) in der Entwicklung einer chronischen Herzinsuffizienz mit rekurrierenden (Stage C) und persistierenden Symptomen (Stage D) (4). Nur die letzten beiden Stadien umfassen die traditionelle klinische Diagnose einer Herzinsuffizienz. In epidemiologischen Studien sind die Voraussetzungen bislang eher selten erfüllt worden, die einerseits an eine bevölkerungsweite, repräsentative Erfassung und andererseits an die technisch adäquate, diagnostische Abklärung einer Herzinsuffizienz zu stellen sind – insbesondere wenn auch die asymptomatischen Störungen der systolischen und diastolischen Ventrikel-

funktion mit erfasst werden sollen. Die Zahl entsprechender Studien hat in den vergangenen Jahren aber zugenommen, sodass im Folgenden versucht werden soll, aktuelle Befunde zur Epidemiologie der Herzinsuffizienz aus der Literatur zusammenfassend vorzustellen. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt dabei auf Daten aus bevölkerungsbasierten (im Gegensatz zu hospitalbasierten) Studien. Es werden Resultate zu Inzidenz und Prävalenz, Ätiologie bzw. Risikofaktoren und zum Überleben bei chronischer Herzinsuffizienz vorgestellt.

Symptomatische Herzinsuffizienz Die Feststellung einer Herzinsuffizienz ist nicht immer einfach, weil die meisten der Symptome und Zeichen nicht organspezifisch sind. Für die Diagnose einer symptomatischen Herzinsuffizienz sind die bereits benannten Hauptsymptome sowie der Nachweis einer kardialen Dysfunktion – meist über eine Echokardiographie – erforderlich (1, 4, 5). Das Vorhandensein weiterer Zeichen, wie z. B. ein erhöhter Jugularvenendruck, ein dritter Herzton, eine Herzfrequenz über 120/Minute, kann die Diagnose stützen, aber nicht sichern. Abwesenheit der genannten Symtpome, Zeichen und Befunde, aber auch ein unauffälliges EKG, niedrige Plasmakonzentrationen von BNP oder Nichtansprechen auf die eingeleitete Therapie können dagegen helfen, eine Herzinsuffizienz auszuschließen (5). Studien zur Epidemiologie der Herzinsuffizienz werden dadurch behindert, dass es keine universelle Übereinstimmung hinsichtlich der Definition einer Herzinsuffizienz gibt (4–6). Verschiedene Studienergebnisse, aber auch die offiziellen Mortalitäts- und Hospitalisierungsdaten sind deshalb nur mit großer Zurückhaltung vergleichbar.

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Med Welt 11–12/2004

375 Hense

Tab. 1 Vergleich des Risikos (in Prozent) über die nächsten 5 Jahre oder über die gesamte verbleibende Lebenszeit für eine Herzinsuffizienz (Daten der Framingham-Studie [15]). Lebensalter (Jahre)

Männer

Frauen

5-Jahres-Risiko

Lebenszeitrisiko

5-Jahres-Risiko

Lebenszeitrisiko

40 Jahre

0,2

21,0

0,1

20,3

50 Jahre

0,8

20,9

0,1

20,5

60 Jahre

1,3

20,5

0,7

20,5

70 Jahre

4,0

20,6

2,2

20,2

80 Jahre

8,3

20,2

7,8

19,3

Mit mehr als 5 Jahrzehnten Follow-Up ist die Framingham-Studie die längste epidemiologische Beobachtungsstudien zur Herzinsuffizienz (7, 8). In Ermangelung der heutigen echokardiographischen Möglichkeiten wurden in der Framingham-Studie manifeste Symptome und klinische Zeichen in einem CHF-Score zusammengefasst (9), der nach Haupt- und Nebenkriterien unterschied: waren zwei Hauptkriterien oder ein Haupt- sowie zwei Nebenkriterien bei einer Person vorhanden, so wurde die Diagnose einer Herzinsuffizienz gestellt (7, 9). In einer Validierungsstudie an 54 Personen aus einer bevölkerungsbasierten Stichprobe, die einschließlich Doppler-Echokardiographie kardiologisch diagnostiziert worden waren („Goldstandard“), fand sich für einen positiven Framingham-Score eine Sensitivität von 71% und eine Spezifität von 89% für eine mögliche, sowie von 100% bzw. 78% für eine definitive Herzinsuffizienz (10). Fünf weitere Symptom-Scores, die alle im Rahmen älterer epidemiologischer Studien entwickelt worden waren und ebenfalls keine direkte Messung der ventrikulären Funktion umfassten, zeigten ähnliche diagnostische Güten (10, 11). Die Angaben zu den Neuerkrankungsraten (Inzidenz) der so definierten symptomatischen Herzinsuffizienz weisen erwartungsgemäß eine hohe Streuung zwischen den Studien auf (11). Ein starker Altersgradient ist dabei allen gemein und in praktisch jeder Studie weisen Männer unabhängig vom Alter die höheren Inzidenzraten auf. So stieg im 40-Jahres-Follow-Up der Framingham-Studie (1948–1988) die Inzidenz bei Männern von 5/1000/Jahr (55–64 Jährige) auf 28/1000/Jahr (85–95 Jährige) und bei Frauen von 3/1000/Jahr auf 26/1000/Jahr Med Welt 11–12/2004

(7, 9). Eine kürzlich durchgeführte Trendanalyse in der Framingham-Studie belegt, dass im Vergleich zur Periode 1950–1969 die altersstandardisierte Inzidenz der symptomatischen Herzinsuffizienz bei Männern bis 1990–1999 nur unwesentlich gesunken ist. Ähnliches gilt auch für Frauen, bei denen sich die Inzidenzraten seit 1970–1979 nicht mehr signifikant geändert haben (12). Noch stärker schwanken die Angaben zur prozentualen Häufigkeit (Prävalenz) der symptomatischen Herzinsuffizienz in den einzelnen Bevölkerungsstudien (11). Die zeitlich weiter zurückliegenden Untersuchungen berichten dabei ähnliche Prävalenzen wie die neueren Studien: in den Altersgruppen über 65 Jahren liegt die geschätzte Prävalenz zwischen etwa 2 und 8% (2, 9, 11, 13). Detailliertere Analysen weisen hierbei darauf hin, dass ab einem Alter von etwa 75 Jahren die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Frauen höher ist als bei Männern (2, 9). In der bevölkerungsbasierten Olmsted-County-Studie wurden die CHF-Scores nach Framingham klinisch validiert. Im Alter über 45 Jahre fand sich eine Prävalenz dieser validierten Herzinsuffizienz von 2,7% bei Männern und von 1,7% bei Frauen (14). Eine einzigartige Analyse wurde ebenfalls von den Autoren der Framingham-Studie präsentiert (15). Dort bestimmte man das Risiko einer Person, während der noch verbleibenden Lebenszeit eine symptomatische Herzinsuffizienz zu entwickeln. Derartige empirische (und nicht extrapolierende) Untersuchungen erfordern sehr lange Beobachtungszeiten wie sie zurzeit nur in der Framingham-Studie gegeben sind. Es zeigte sich, dass das kurzzeitige Risiko – über die nächsten 5 Jahre eine Herzinsuffizienz zu

entwickeln – deutlich mit dem Alter steigt (siehe oben Inzidenz), dass aber das Lebenszeitrisiko sich nicht mit dem Alter änderte, sondern bei Männern und Frauen stets etwa bei 20% lag (Tab. 1). Zum Vergleich: das Lebenszeitrisiko für eine KHK bei 40-Jährigen beträgt 50% bei Männern und etwa 30% bei Frauen, das Lebenszeitrisiko für ein Mammakarzinom liegt im gleichen Alter bei etwa 8% (15, 16). Bei Vorliegen einer Hypertonie ist das Lebenszeitrisiko für eine Herzinsuffizienz imVergleich zu Normotonikern verdoppelt. Bei Personen, die keinen vorgehenden Myokardinfarkt hatten, trat eine Herzinsuffizienz nur etwa bei einer von neun Personen im Verlauf des Lebens auf (15).

Systolische und/oder diastolische Dysfunktion Die zunehmende Verfügbarkeit echokardiographischer Untersuchungsmethoden erlaubt heute eine objektivere Erfassung der kardialen Funktion in epidemiologischen Studien. Während anfänglich vor allem die linksventrikuläre systolische Dysfunktion (LVSD) im Vordergrund stand, ist mit der Einführung verbesserter Techniken, insbesondere der Doppler-Echokardiographie, auch in bevölkerungsbasierten Studien die Erfassung diastolischer Funktionsstörungen grundsätzlich möglich geworden. Es ist heute bekannt, dass symptomarme Stadien einer linksventrikulären Dysfunktion für eine lange Zeit bestehen können, ehe sie in das klinisch manifeste Stadium einer Herzinsuffizienz übergehen. Andererseits finden sich unter Patienten, die wegen der Diagnose Herzinsuffizienz behandelt werden, viele ohne einen nachweisbaren kardialen Funktionsverlust. Ähnlich wie bei der Hypertonie wurde auch für die Herzinsuffizienz eine „Rule of Halves“ postuliert (17). Bislang gibt es weltweit noch keine publizierten größeren Untersuchungen, in denen sequenziell echokardiographische Verfahren zur Ermittlung der Inzidenz ventrikulärer Dysfunktionen eingesetzt wurden. Praktisch alle bisherigen Berichte stützen sich deshalb auf Prävalenzbefunde. Al-

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lerdings ist auch bei den echokardiographischen Messungen zu beachten, dass unterschiedliche Verfahren und Kriterien zur Definition einer Dysfunktion benutzt werden, was wiederum die Vergleichbarkeit zwischen den Studien erheblich erschwert (18). In der MONICA-Studie in Glasgow lag unter 1467 Teilnehmern im Alter von 25–74 Jahren die Prävalenz der LVSD, definiert als eine Auswurffraktion (EF) ≤30%, bei 4,0% für Männer und bei 2,0% für Frauen. Etwa die Hälfte dieser Teilnehmer war asymptomatisch (19). In der deutschen Bevölkerung der MONICA-Augsburg-Studie fand sich im gleichen Altersbereich nur ein männlicher Teilnehmer (0,07%) mit einer EF ≤30%, während eine EF zwischen 30 und 40% bei 0,4% (nur Männer) gefunden wurde (20). In der „Echocardiographic Heart of England Screening Study“, die Patienten bei General Practitionern erfasste, fand sich unter 3960 Patienten über 45 Jahre eine Prävalenz von 1,8%, die Prävalenz bei Männern (3,0%) war höher als bei Frauen (0,7%), die Hälfte der Patienten war symptomfrei (21). In der auf über 55-Jährige beschränkten Rotterdam-Studie fand sich ein Fractional Shortening (FS ≤25%) bei 5,5% der Männer und 2,2% der Frauen. Weniger als 20% dieser Personen wiesen auch Symptome einer Herzinsuffizienz auf, andererseits fand sich nur bei 10 von 35 Personen mit Herzinsuffizienz eine reduzierte FS (2). Kürzlich veröffentlichte Daten der Framingham-Studie weisen in die gleiche Richtung: die höchste Prävalenz fand sich bei Männern, die Prävalenz einer EF ≤40% lag über alle Altersgruppen (40–95 Jahre) bei 1,1%. Sie nahm mit dem Alter deutlich zu (22). Die bereits erwähnte Studie in Olmsted County fand eine Prävalenz der LVSD (EF ≤40%) von 3,6% bei Männern und 1,0% bei Frauen. Die Geschlechtsunterschiede blieben auch jenseits des 75. Lebensjahrs erhalten. Eine validierte Herzinsuffizienz fand sich bei knapp der Hälfte aller Teilnehmer mit einer LVSD – umgekehrt hatten etwa 40% der Patienten mit validierter Herzinsuffizienz eine LVSD (14). Die aktuellen Daten aus epidemiologischen Studien bestätigen also, dass in der Allgemeinbevölkerung die „Rule of Halves“ weitgehend zutrifft (17, 18).

Erst in den vergangenen Jahren wurden durch die Doppler-Echokardiographie Messungen möglich, die eine objektivierte Bestimmung der diastolischen Dysfunktion zulassen. Diese erlauben es, in Fällen von Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Funktion weitergehende Charakterisierungen durch Untersuchungen der diastolischen Funktion vorzunehmen und darüber hinaus auch Fälle von reiner diastolischer Dysfunktion (ohne Symptome) in der Allgemeinbevölkerung zu identifizieren (23). Lange Zeit war es strittig, ob das Vorliegen einer Herzinsuffizienz ohne Zeichen einer systolischen Funktionsstörung (im allgemeinen als eine EF >50% definiert) im Sinne einer Ausschlussdiagnose eine „diastolische Herzinsuffizienz“ definieren würde (4, 23–26). Neuere Befunde sprechen dafür, dass die diastolische Herzinsuffizienz in der Tat eine eigene Entität darstellt (27). Epidemiologische Studien haben bisher nur selten echokardiographische Indizes einer diastolischen Dysfunktion untersucht. Hier sollen die Resultate aus zwei großen Bevölkerungsstudien berichtet werden, der Olmsted-County (14) und der MONICA-Augsburg-Studie (28). In der bereits erwähnten Olmsted County Studie wurde die diastolische Funktion – basierend auf dem Flussprofil an der Mitralklappe (E/A-Quotient und Dezelerationszeit) mit und ohne Valsalva, dem Gewebedoppler und dem Pulmonalvenenfluss – technisch aufwändig in 4 Stufen der Dysfunktion eingeteilt. Dabei fand sich eine milde diastolische Dysfunktion bei 22,5% der Männer und 19,4% der Frauen, mäßiggradig war sie bei 6,7% bzw. 6,6% und stark bei 0,6% bzw. 0,8%. Weniger als die Hälfte der Personen mit einer schweren diastolischen Dysfunktion wies Symptome einer Herzinsuffizienz auf und knapp 40% hatten keine eingeschränkte Auswurffraktion (EF >50%). Bemerkenswert ist der Befund, dass die Prävalenz der diastolischen Dysfunktion, im Gegensatz zu Herzinsuffizienz und LVSD, bei Männern und Frauen gleich hoch war (14). In der Augsburger Bevölkerung wurden die Kriterien nach der „European Study Group on Diastolic Heart Failure“ angewandt (26). Nach Ausschluss der Teilnehmer mit einer EF ≤45%, fand sich eine Prä-

valenz für die nach Europäischen Kriterien „Diastolic Abnormalities“ von 13,8% bei Männern und 8,6% bei Frauen (28). Nach diesen Studien sind diastolische Funktionsstörungen in der Bevölkerung häufig, sie treten öfter auf als systolische Funktionsstörungen und sie sind vor allem auch bei Frauen relativ häufig zu finden.

Risikofaktoren Eine Vielzahl von Studien belegt, dass die Prävalenz von systolischen und diastolischen Dysfunktionen sowie von Herzinsuffizienz unter Personen mit bestimmten Faktoren deutlich erhöht ist. Prospektive Studien sind besonders geeignet, Hinweise auch im Sinne einer kausalen Beziehung zu erbringen. Entsprechend sind vor allem die Ergebnisse der Framingham-Studie genutzt worden, um grundlegende Informationen zur Verursachung von ventrikulärer Dysfunktion und Herzinsuffizienz zu erhalten (9, 12, 15, 29–32). In dieser Studie wurden verschiedene Faktoren identifiziert, die in der Bevölkerung den größten Einfluss auf die Entwicklung der Herzinsuffizienz nehmen (29). Die mit den einzelnen Faktoren assoziierten relativen Risiken sind in Tabelle 2 enthalten. Sie wurden auch in Form einer Prädiktionsgleichung für individuelle Patienten ausgearbeitet (29). Nach Framingham sind die Faktoren mit dem größten bevölkerungsbezogenen Attributiv-Risiko die Hypertonie (59% bei Männern, 39% bei Frauen), ein Myokardinfarkt (34% bzw. 13%) und ein Diabetes (6% bzw. 12%). Herzklappenfehler waren für weniger als 10% aller in der Bevölkerung aufgetretenen Fälle verantwortlich (7). Eine neue Untersuchung belegt die unabhängige prädiktive Bedeutung einer Adipositas (32): ein BMI von 30 kg/m2 und mehr, im Vergleich zu Normalgewichtigen, war bei Männern mit einem relativen Risiko von 1,9 und bei Frauen von 2,1 verbunden. Die Bedeutung dieses Befunds angesichts der sich entwickelnden Adipositas-Epidemie in den Industrieländern liegt auf der Hand. Weitere Studien weisen allerdings auf die potenzielle Untererfassung einer subkli-

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Med Welt 11–12/2004

377 Hense

Risikofaktor

Einheiten

Männer

Frauen

Alter

10 Jahre

1,51

1,65

LVH

Ja

2,47

3,82

Herzfrequenz

10 Schläge/Minute

1,18

1,11

Systolischer Blutdruck

20 mmHg

1,17

1,07

KHK

Ja

4,99

4,74

Klappenerkrankung

Ja

2,64

4,03

Diabetes

Ja

1,25

4,00

nischen KHK in der Framingham-Studie hin. So berichten Fox et al. aus ihrer Studie, in der systematisch alle inzidenten Fälle von Herzinsuffizienz in Bromley mit einer Koronarangiographie untersucht wurden, dass in mehr als der Hälfte aller Herzinsuffizienzen (52%) eine KHK nachweisbar war (33). Der Anteil der Hypertonie war in dieser Studie sehr gering (4%), was allerdings zum Teil durch die verzerrte Erfassung allein zum Zeitpunkt des Auftretens der Insuffizienzzeichen erklärt werden kann. In einer ähnlichen Untersuchung war der hypertoniebezogene Anteil etwa 15%, derjenige der KHK dagegen 36% (34, 35). Viele Prävalenzstudien unterstreichen die Rolle der genannten Risikofaktoren für die Entwicklung der Frühstadien einer Herzinsuffizienz. Tabelle 3 zeigt die Bedeutung einzelner Risikofaktoren für das Vorliegen einer diastolischen Dysfunktion in einer deutschen Bevölkerung (28). In Untersuchungen bei Hoch-Risikogruppen fanden sich deutlich höhere Prävalenzen für die systolische Dysfunktion (2, 36–38) wie für die diastolische Dysfunktion (14, 28). Tab. 3 Risikofaktoren für das Auftreten einer diastolischen Dysfunktion und zugehörige relative Risiken (Daten der MONICA Augsburg Studie nach [28]). Risikofaktor

Relatives Risiko

Arterielle Hypertonie

2,8

LVH

7,6

Herzinfarkt

4,3

1

1,6

Adipositas

Fettmasse/Fettfreie Masse >0,7

2,9

Diabetes

2,3

1 BMI ≥27,3 kg/m2 Männer, ≥27,8 kg/m2 Frauen

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Tab. 2 Risikofaktoren für das Auftreten einer Herzinsuffizienz und zugehörige relative Risiken (Daten der Framingham-Studie nach [29]).

Verlauf und Prognose Die Prognose hängt in hohem Maße vom Fortschritt und dem Stadium der Erkrankung ab. Neuere epidemiologische Studien haben dabei gezeigt, dass die systolische und diastolische Dysfunktion nicht als relativ blande verlaufende Frühstadien verkannt werden dürfen, da sie bereits mit einer nachweisbaren Prognoseverschlechterung einhergehen. So fand sich in der OlmstedCounty-Study nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Auswurffraktion, dass eine milde diastolische Dysfunktion mit einer Erhöhung des Sterberisikos um das 8-fache, eine schwere diastolische Dysfunktion mit einer Erhöhung um das 10-fache assoziiert war (14). In der FraminghamStudie wurde die Prognose der asymptomatischen LVSD untersucht. Personen mit einer milden LVSD (EF 40–50%) wiesen ein Sterberisiko von 1,9 auf, solche mit einer starken LVSD (EF