Europa nach der EU-Erweiterung

Europa nach der EU-Erweiterung Dynamik – Perspektiven - Erweiterungsfähigkeit Europa ist bunter geworden. Am 1. Mai dieses Jahres traten zehn weitere ...
Author: Katja Thomas
0 downloads 1 Views 142KB Size
Europa nach der EU-Erweiterung Dynamik – Perspektiven - Erweiterungsfähigkeit Europa ist bunter geworden. Am 1. Mai dieses Jahres traten zehn weitere Staaten der EU bei. Damit wurde die größte Erweiterung in der Geschichte der Europäischen Union vollzogen. Im Jahr 2007 wollen die Länder Bulgarien und Rumänien ebenfalls Mitglieder der EU werden. Wie soll es weitergehen? Es stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis und nach der generellen Erweiterungsfähigkeit der europäischen Staatengemeinschaft.

Als die EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 vollzogen wurde, gesellten sich neben alle Euphorie, die dieses historische Ereignis begleitete, auch skeptische Aspekte: Wird unsere Wirtschaft dem Konkurrenzdruck aus Ländern mit einem wesentlich niedrigeren Lohnniveau standhalten? Wie wird sich die Situation auf den Arbeitsmärkten entwickeln? Was ist vordringlich zu tun im Hinblick auf die Sicherheitsproblematik bei den neuen EUAußengrenzen, die Finanzierbarkeit der Erweiterung sowie auf die Migration innerhalb Europas? In Zusammenarbeit mit der Akademie für Politische Bildung, der Südosteuropa-Gesellschaft und der Münchner Vertretung der Europäischen Kommission ging Studienleiter Martin Held in einer international besetzten Tagung den denkbaren Risiken aber auch den deutlich absehbaren Chancen der EU-Erweiterung näher auf den Grund. Über die zeitliche Perspektive ihres EU-Beitritts und die noch zu lösenden Aufgaben berichteten Professor Vasile Puscas, Minister für Europaangelegenheiten Rumäniens, sowie Antoinette Primatarova, stellvertretende Außenministerin der Republik Bulgarien a.D. und heutige Programmdirektorin am Zentrum für liberale Strategien in Sofia:

Vasile Puscas ------------------------------Rumänien – Beitrittskandidat mit sicherer zeitlicher Perspektive für den EU-Beitritt? Die jetzige Erweiterung der Europäischen Union ist, sowohl für die EU als auch für die Beitrittsländer, ein bedeutender Prozess. Rumänien und Bulgarien sind Teil der gegenwärtigen Erweiterungsrunde, die inklusiv und untrennbar ist. Die EU-Mitgliedschaft wird von der rumänischen Öffentlichkeit unterstützt, 75-85% befürworten den EU-Beitritt. In den letzten zwei Jahren hat Rumäniens Weg in Richtung EU mit dem Beitrittsziel 2007 eine Veränderung erfahren; das von Rumänien selbst bestimmte Beitrittsdatum ist zur gemeinsamen Zielsetzung Rumäniens und der EU der 25 geworden! Weshalb sollte Rumänien der EU im Jahr 2007 beitreten? Es gibt dafür politische und wirtschaftliche Argumente, die berücksichtigt werden sollten.

Politische Argumente Die Europäischen Räte in Brüssel (Dezember 2004 und Juni 2004) haben festgelegt, dass die EUMitgliedschaft von Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 eine gemeinsame Zielsetzung der EU der 25 darstellt. Alle Kosten-Nutzen-Analysen zeigen, dass für beide, sowohl für Rumänien als auch für die Europäische Union, der Nutzen höher ist als die Kosten für den Beitritt 2007. Für die Europäische Union könnte der EU-Beitritt Rumäniens zu der Wiederherstellung des vereinigten Europas und zu einer steigenden Bedeutung der Europäischen Union auf der globalen Ebene beitragen. Eine Erfolgsgeschichte von Rumänien und Bulgarien als EU-Mitglieder würde einen wichtigen Impuls für die Beschleunigung der Reformen des westlichen Balkans leisten. Das Management der Minderheiten-Problematik in Rumänien bedeutet schon ein Modell für die Region. Wirtschaftliche Argumente Für Rumänien werden die EU-Fonds nach dem Beitritt höher als zuvor sein und eine Beschleunigung der Reformen mit sich bringen, was zu der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beitragen könnte. Der Beitritt im Jahr 2007 kann über die Gestaltung von neuen Möglichkeiten auf lokaler Ebene zu der Minderung der Migration aus Rumänien in die EU beitragen. Der Lebensstandard wird sich in Rumänien verbessern, neue Möglichkeiten werden für rumänische Güter und bessere Produkte für die Verbraucher geschaffen, die Innovation und Produktivität wird gefördert, ein gesünderes wirtschaftliches Umfeld und ein besseres Management der öffentlichen Gelder wird geschaffen werden. Desgleichen wird Rumäniens EU-Beitritt eine positive Wirkung auf die EU haben, über die Vergrößerung des Binnenmarktes (22 Millionen Verbraucher), über die Schaffung von neuen Möglichkeiten für europäische Unternehmen, die in Rumänien ein freundliches wirtschaftliches Umfeld vorfinden. Dies wird die wirtschaftliche Expansion in Richtung Ost-Europa, Russland und Zentralasien erleichtern. Die Verschiebung des EU-Beitritts Rumäniens auf einen Zeitraum nach 2007 könnte, sowohl für Rumänien als auch die EU, kostenintensiver sein. Für Rumänien könnte einerseits das Vertrauen der Wirtschaftsinvestoren abnehmen, das Wirtschaftswachstum angegriffen und der Rückstand zwischen Rumänien und den EU-Ländern vergrößert werden. Andererseits hat Rumänien für die Schaffung neuer Institutionen für die Anwendung des Acquis investiert. Eine Verspätung des Beitritts würde mit bedeutenden Kosten verbunden sein. Darüber hinaus würde die Europäische Union bedeutende Kosten bei der Verspätung des EU-Beitritts Rumäniens haben: eine mögliche steigende Migration in die EU-Länder aus den Ländern des Ostens, höhere Kosten für die Stabilisierung des Balkans und anderer Nachbarstaaten. Rumänien ist darauf vorbereitet die OstGrenze der Europäischen Union zu werden, indem in das Management der Grenzen investiert wurde. Damit Rumänien 2007 EU-Mitglied wird, ist der Zeitplan, der von dem Europäischen Rat in Brüssel (Juni 2004) beschlossen wurde, realistisch: Abschluss der Verhandlungen im Jahr 2004,

Unterzeichnung des Beitrittsvertrags möglichst früh im Jahr 2005, EU-Mitgliedschaft im Januar 2007. Weshalb sollte Rumänien die Verhandlungen im Jahr 2004 abschließen? Erstens, weil Rumänien sich in der letzten Zeit systematisch auf die EU-Mitgliedschaft vorbereitet hat. Zweitens möchte Rumänien den Fahrplan (2004, 2005, 2007), der von den Europäischen Räten empfohlen wurde, einhalten. Die Ratifizierung des Beitrittsvertrags in 25 Mitgliedstaaten würde anderthalb Jahre beanspruchen, wenn man die Zeitspanne der Ratifizierung des Beitrittvertrags für die ersten 10 neuen Mitgliedstaaten berücksichtigt. Andererseits wird eine substantielle Veränderung der europäischen Institutionen erfolgen. Nach der Erweiterung wird die Kommission 25 Mitglieder haben, ab November wird eine neue Kommission eingesetzt werden. Zur gleichen Zeit wurde ein neues Europäisches Parlament gewählt. Ungeachtet ihrer Entscheidung den Erweiterungsprozess abzuschließen, werden diese Institutionen eine Zeit der Neuordnung benötigen, die den Verhandlungsprozess erschweren könnte. Für die Europäische Union hat das Jahr 2004 eine besondere Bedeutung: Es ist das Jahr der Erweiterung um die ersten 10 Mitgliedstaaten. Der Abschluss der Verhandlungen in diesem Jahr macht diese inklusive Erweiterung zur Gewissheit. Nach dem Beitritt der ersten zehn neuen Mitgliedstaaten könnte eine Erweiterungsmüdigkeit erscheinen. Das könnte mit dem Abschluss der Verhandlungen verhindert werden. Bis jetzt hat Rumänien die Verhandlungen für 25 Kapitel vorläufig abgeschlossen und möchte die weiteren 6 Kapitel unter der holländischen Präsidentschaft zu Ende verhandeln. Die letzten Kapitel, für die die Verhandlungen vorläufig abgeschlossen wurden, waren sehr schwierige Kapitel: Landwirtschaft, Haushalt und Energie. Auf dem Sektor ‚Landwirtschaft’ hat sich Rumänien auf fünf als strategisch betrachtete Bereiche konzentriert: ländliche Entwicklung, Grundlagen für Getreide, Tiere, Weinbranche und landwirtschaftliche Industrie (Zucker und Milch). Das Verhandlungsergebnis kann als zufriedenstellend betrachtet werden. Rumänien hat für die Zeitspanne 2007-2009 4,7 Billionen Euro für die Landwirtschaft erhalten, davon 3.921 Billionen Euro für Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft und ungefähr 0,8 Millionen Euro für die Projekte, die aus den Strukturfonds finanziert werden. Der größte Teil der Fonds (um die 3 Billionen Euro) sind für ländliche Entwicklung vorgesehen, um die neuen GAP-Kriterien erfüllen zu können und progressiv die Disparitäten zwischen den städtischen und den ländlichen Räumen zu verkleinern, neue Arbeitsplätze zu schaffen und das erwerbslose Arbeitskraftpotential in nicht-landwirtschaftlichen Bereichen (wie Dienstleistungen, Industrialisierung der landwirtschaftlichen Produkte, ländlicher Tourismus, usw.) aufzufangen, die ländliche Infrastruktur zu entwickeln, um ein angemessenes Lebensniveau für die Bewohner des ländlichen Raums und angemessene Renten für Landwirte sicherzustellen. Rumänien hat nun den Rahmen für die Landwirtschaft und muss sehr hart arbeiten, um die erforderlichen Institutionen aufzubauen, um alle sanitär-veterinären Standards zu erreichen, um die Gründstücke zusammenzuschließen, um auf der Höhe der verhandelten Quoten zu produzieren, um

wettbewerbsfähig zu sein. Was das Finanzpaket betrifft, wird Rumänien in der Zeitspanne 2007-2009 einen bestimmten Betrag an Geldern des EU-Haushalts für Landwirtschaft, für Struktur-Maßnahmen und Gemeinschaftsprogramme, bis zu 11 Billionen Euro an Verpflichtungen, erhalten. Deswegen werden wir in der Zeitspanne 2007-2009 einen Zufluss an Mitteln aus dem EU-Haushalt von etwa 2 Billionen Euro pro Jahr haben. Im Einklang mit den jetzigen Schätzungen wird sich Rumäniens Beitrag für den EU-Haushalt auf etwa 800 Millionen Euro pro Jahr beziffern. Die Verhandlungen über das ‚Energie-Kapitel’ wurden auf der Grundlage des neuen Acquis Communitaire geführt. Ich bin der Meinung, dass der Abschluss der Verhandlungen über das Energie-Kapitel zu einer positiven Entscheidung, betreffend den Status einer funktionierenden Marktwirtschaft für Rumänien, führen wird. Für das Energie-Kapitel hat Rumänien in den Beitrittsverhandlungen eine fünfjährige Übergangsfrist für die Schaffung der verpflichtenden Mindestmenge der Öl-Reserven erhalten. Ein weiteres Verhandlungsergebnis beim Kapitel Energie ist die vollständige Liberalisierung des Energie-Marktes (40% in 2004), die zu der Bildung eines wettbewerbfähigeren und effizienteren Marktes führen wird. Den Umweltschutz betreffend, haben wir in den Verhandlungen verschiedene Zielsetzungen verfolgt: die erneuerbare Energie wird bis 2010 etwa 11% der Energie-Ressourcen ausmachen. Die Kohle-Industrie wird weiterhin eine wichtige Energiequelle bleiben. In dem Bergwerkbereich ist der Restrukturierungsprozess im Gang (Schließung der unprofitablen Bergwerke und Rehabilitierung der Umwelt). Mittel- und kurzfristig ist die Atomenergie eine der höchst brauchbaren Energien für uns. In diesem Sinne hat Rumänien eine Anleihe von 223,5 Millionen Euro von EURATOM aufgenommen, um die zweite Einheit des Cernavodă-Atomkraftwerks fertig zu stellen. Diese Investition ist für Rumänien von strategischer Bedeutung im Zusammenhang mit der Sicherung der energetischen Unabhängigkeit und der Lieferung günstiger und reiner Energie. Ab nun müssen wir die Entwicklung des Energiemarktes und seiner Infrastruktur so bedenken, dass ein regionaler Energie-Markt strukturiert wird, der den Zugang zu dem EU-Markt erleichtert. Rumänien möchte auch ‚Regionalpolitik’, das andere Kapitel des Finanzpakets, unter der holländischen Präsidentschaft abschließen. Der institutionelle und rechtliche Rahmen wurde beginnend mit 2004 geschaffen, mit Blick auf die Sicherung der Stellenbesetzungen in diesem Bereich. Das Finanzministerium wurde als Management-Behörde für das Gemeinschaftliche Förderkonzept (Community Support Framework) und für die Kohäsionsfonds bestimmt. Rumänien möchte bis Mitte 2006 alle Institutionen für das Management der EU-Fonds einrichten. Was das Kapitel ‚Freier Dienstleistungsverkehr’ betrifft, hat Rumänien größtenteils den Acquis, der die Finanzdienstleistungen betrifft, übernommen und begonnen, die Gesetzgebung, die InvestitionsDienstleistungen und den Wertpapiermarkt, anzugleichen. Für die nächste Zeitspanne sollen andere Gesetze vom Parlament verabschiedet werden. Einige der Prioritäten sind die Stärkung der Aufsichtskapazität im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Regelungsbehörden (der rumänischen Nationalbank, der Versicherungsaufsichtskommission und der Nationalen Wertpapierkommission). Für das ‚Wettbewerbkapitel’ ist die Gesetzgebung vollständig an den Acquis angeglichen, einschließlich der Wettbewerbs- und Staatsbeihilfegesetze, Freihandelszonen, Bergbaugesetz usw. Die Wettbewerbsgesetzgebung hat gegenüber jedweder wettbewerbswidrigen Gesetzgebung Vorrang. Der Wettbewerbsrat ist die oberste Behörde in diesem Bereich bei der Bewilligung der Staatsbeihilfen und muss die Anwendung des Acquis Communitaire geltend machen. Für das ‚Umweltkapitel’ hat der Grad der Umsetzung des Umwelt-Acquis in die nationale

Gesetzgebung fast 90% erreicht. Der Mitarbeiterstab der zentralen und lokalen Behörden wurde vor allem im lokalen und regionalen Bereich aufgestockt. Eine besondere Aufmerksamkeit wird der Stärkung des Bewusstseins und der Bildung der Öffentlichkeit in Angelegenheiten der Umweltpolitiken und Strategien sowie der Stärkung des Bewusstseins der lokalen Behörden und Unternehmen bezüglich des Umweltprojektmanagements geschenkt, um eine öffentlich-private Partnerschaft (PPP) in diesem Bereich aufzubauen. Was das Kapitel ‚Justiz und Inneres’ betrifft, hat die Verfassungsänderung im Oktober 2003 die Grundlage für die Reform im Justizbereich gebildet, die über die Verabschiedung einer Reihe von Gesetzen vervollständigt werden wird. Eine Priorität für das Jahr 2004 ist die ‚Reform des Justizwesens’, bei der die Gesetze verabschiedet wurden, um Fachgerichtshöfe einzurichten, die Richter und Staatsanwälte ausbilden und ihre Arbeitsbedingungen verbessern sollen. Die ‚Korruptionsbekämpfung’ ist eine weitere Priorität, und die Erhöhung der Mitarbeiterzahl hat die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft, die seit 2002 funktionsfähig ist, gestärkt. Für das ‚Kapitel 24’ ist das Management der Grenzen eine Priorität Rumäniens, wenn man die Position als zukünftige EU-Außengrenze ab 2007 bedenkt. Die Regierung hat 100 Millionen Euro aus dem Haushalt 2004 zugeteilt, um die Ost-Grenze und Schwarzmeergrenze zu sichern. Eine Bedingung für den Abschluss der Verhandlungen im Jahr 2004 ist, den ‚Status einer funktionierenden Marktwirtschaft’ im Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zu erhalten. Insolvenz-, Wettbewerb- und Staatsbeihilfe-Gesetze, die von dem Parlament verabschiedet wurden, die Privatisierung von PETROM und die laufende Privatisierung des Energie-Bereichs, das Wirtschaftswachstum (mit 6,1% für das erste Viertel des Jahres 2004), stimmen uns optimistisch den Status erhalten zu können. Rumänien muss hart arbeiten, um auf den Status des EU-Mitglieds gut vorbereitet zu sein und hat dafür drei weitere Jahre Zeit, um jede notwendige Anstrengung zu unternehmen, diese Zielsetzung zu erreichen. Es ist in Rumäniens eigenem Interesse, 2007 sehr gut vorbereitet zu sein, um beginnend mit dem ersten Tag der EU-Mitgliedschaft von dieser zu profitieren.

Antoinette Primatarova --------------------------------Bulgarien – Ein Beitrittskandidat mit sicherer zeitlicher Perspektive? Zeitlich fast parallel zu diesem Vortrag schlieβt Bulgarien die Beitrittsverhandlungen mit der EU ab. Für diejenigen, die den Verhandlungsprozess verfolgen, kommt die Nachricht als keine Überraschung, die breite europäische Öffentlichkeit ist aber über diesen Fortschritt kaum informiert. Der Abschluss der Beitrittsverhandlungen bedeutet keinesfalls Abschluss der Beitrittsvorbereitungen. Die Erfahrungen der zehn Länder, die die Verhandlungen im Dezember 2002 abgeschlossen haben und am 1. Mai 2004 der EU beigetreten sind, beweisen, dass die Zeit zwischen den beiden Ereignissen von harter Arbeit geprägt wird. Die zeitliche Beitrittsperspektive

sollte aber bei dem Abschluss der Verhandlungen auβer Frage stehen. Deshalb möchte ich in diesem Beitrag nicht darauf eingehen, ob Bulgarien eine sichere zeitliche Beitrittsperspektive hat (was das rhetorische Fragezeichen im Titel wohl suggerieren soll), sondern eher versuchen, zu erklären, warum trotz der erzielten Fortschritte das Fragezeichen immer noch auftaucht in der breiten EUÖffentlichkeit (Dass 2007 auch in Bulgarien immer noch in Frage gestellt wird, ist ein anderes, eher sozialpsychologisches Thema.) 2007 taucht als Beitrittsdatum seitens Bulgariens zuerst bei der Aufnahme von Verhandlungen Anfang 2000 auf. Da für den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen die Bereitschaft beider Seiten vorhanden sein muss (es gehören schon zwei hinzu – genauso wie beim Tango), möchte ich auch nachzeichnen, wie Bulgarien und die EU von beiden Seiten auf das Beitrittsdatum hinzugetanzt sind. Der Beitritt zur EU wurde in Bulgarien fast unmittelbar nach der bulgarischen Wende als höchste Priorität formuliert, von einem Beitrittsdatum konnte damals natürlich nicht die Rede sein. Bulgarien gehörte nie zu den Ländern, denen auf höchster politischer Ebene das Jahr 2000 als mögliches Beitrittsdatum in Aussicht gestellt wurde. Seitens der EU wurde die Bereitschaft zur Osterweiterung erst 1993 in den Schlussfolgerungen von Kopenhagen formuliert. Damit wurde die Ob-Frage ausgeräumt, die Wann-Frage blieb aber weiterhin offen. (Bulgarien stellte den Antrag auf Mitgliedschaft im Dezember 1995.) Luxemburg 1997 sollte der erste Versuch sein, wenigstens für einige Länder mit der Aufnahme von Verhandlungen auch die zeitliche Beitrittsperspektive etwa annähernd zu formulieren. Bulgarien hat sich bis zum Frühjahr 1997 im Zeitlupentempo entwickelt und einen richtigen Reformstau aufgebaut. Anfang 1997 stand das Land fast vor dem Bürgerkrieg mit einem totalen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch des Staatswesens. Für Bulgarien sah es 1997 so aus, als ob die Ob-Frage in bezug auf die EU-Mitgliedschaft nicht ganz ausgeräumt sei. Zwar wurde das Land in den Erweiterungsprozess miteinbezogen, von einer konkreten Beitrittsperspektive konnte jedoch keine Rede sein. Anfang 1997 setzte aber eine Entwicklung im Zeitraffertempo ein, die es mitunter möglich machte, dass im Dezember 1999 der Europäische Rat in Helsinki Bulgarien in den Verhandlungsprozess mit einbezog. Aufgrund der verlorenen Zeit, Anfang und Mitte der neunziger Jahre und der dadurch schlechten Startposition 1997, galt Bulgarien weiterhin als ein Beitrittsland mit ungewisser zeitlicher Perspektive. Das von der bulgarischen Regierung formulierte Ziel, die Mitgliedschaft in 2007 zu erzielen, wurde, wenn nicht öffentlich hinterfragt, so doch eher als unrealistisch betrachtet. Nach Helsinki 1999 bahnte sich ein Prozess der Umgruppierung der Beitrittskandidaten an. Während Luxemburg 1997 und die Agenda 2000 erstmals den Beitritt von bis zu 6 Ländern vorsah, wurden in Helsinki Voraussetzungen geschaffen, diese Gruppe zu erweitern. Zwar wurden namentlich keine Länder genannt, in Kombination mit den Fortschrittsberichten war aber aus der damaligen Formulierung (“Es zeigt sich, daβ einige beitrittswillige Länder nicht in der Lage sein werden, allen Kopenhagener Kriterien auf mittlere Sicht gerecht zu werden.”) eher zu schlieβen, dass Bulgarien (und Rumänien) nicht zu den Ländern gehörten, für die der Aufholmechanismus galt. Namentlich wurden die 10 Beitrittsländer zwar erst im Dezember 2001 in Laeken genannt, aber die Entwicklung zur Erweiterungsformel 10 + 2 (oder auch 12 – 2, d.h. alle beitrittswilligen Länder auβer Bulgarien und Rumänien), bahnte sich schon im Laufe der Verhandlungen im Jahre 2000 und in der ersten Hälfte von 2001 an.

Diese kurze Zusammenfassung der Ereignisse zeigt schon, dass Bulgarien (und Rumänien) nicht mit einer zeitlichen Beitrittsperspektive bedacht wurden, als die groβen Entscheidungen in bezug auf die fünfte Erweiterung der EU getroffen wurden – nicht im Jahre 1997, nicht im Jahre 1999 und nicht im Jahre 2001. Dadurch fielen sie aus dem Licht der Scheinwerfer heraus. Bulgarien hat sich in dieser Lage nur mit der Binsenwahrheit trösten können, dass keine Nachrichten eher gute Nachrichten sind. Die wichtigen Entscheidungen in bezug auf Bulgariens und Rumäniens Beitrittsperspektive wurden getroffen, als der Beitritt der Zehn zum 1. Mai 2004 schon beschlossen war. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im Dezember 2002 in Kopenhagen, im Juni 2003 in Porto Carras und in Brüssel im Dezember 2004 machten das Ziel Bulgariens (und Rumäniens), die Mitgliedschaft in 2007 zu erreichen und vorher im Jahre 2004 die Beitrittsverhandlungen abzuschließen, schrittweise zum gemeinsamen Ziel der beiden Länder und ihrer EU-Partner. Nach dem Juni-Rat 2004 steht auch fest, dass der Beitrittsvertrag möglichst früh im Jahre 2005 unterzeichnet werden soll. Diese Festlegungen sind aber nie zu Schlagzeilen geworden. Ein weiterer Grund, weshalb 2007 immer noch in Zweifel gezogen wird, sind die Unterschiede beim Verhandlungsstand und bei der allgemeinen Vorbereitung Bulgariens und Rumäniens. Bulgarien wurde von der Europäischen Kommission schon im Fortschrittsbericht 2002 als funktionierende Marktwirtschaft anerkannt, während bei Rumänien die Hoffnungen sind, dass diese Anerkennung im Jahresbericht 2004 kommen kann. Bulgarien hat die Beitrittsverhandlungen schon erfolgreich abgeschlossen, während bei Rumänien 7 Kapitel noch verhandlungsbedürftig sind. (Es wird ein Abschluss bis zum Jahresende angestrebt). Da die Erweiterung am 1. Mai 2004 trotz Lippenbekenntnissen zum Prinzip der „eigenen Leistungen“ letztendlich als eine Gruppenerweiterung gestaltet wurde, gibt es viele Beobachter, die nicht nur Bulgarien und Rumänien als Gruppe behandeln, sondern diese Minigruppe am liebsten auch um Kroatien erweitern würden. Kroatien hat eine klare Beitrittsperspektive, das steht auβer Zweifel, und Kroatiens Beitritt wird von Bulgarien tatkräftig unterstützt, aber es muss auch sofort gesagt werden, dass ein Beitritt Kroatiens im Jahre 2007 nicht möglich ist – eine Gruppierung Bulgariens, Rumäniens und Kroatiens würde automatisch den Beitritt zumindest bis auf 2009 verschieben. Die Schlussfolgerungen des letzten Europäischen Rates weisen entscheidend darauf hin, dass eine solche Gruppierung nicht beabsichtigt wird. Zum Zeitpunkt der Aufnahme von Verhandlungen mit Kroatien werden die Verhandlungen auch mit Rumänien abgeschlossen sein und somit kann von einem Aufholen durch Kroatien nicht mehr die Rede sein. Es bleibt also die Frage offen, inwieweit die Unterschiede in der Vorbereitung Bulgariens und Rumäniens zu einer Verschiebung des Beitrittsdatums beider Länder führen könnten. Ein gemeinsamer Beitritt beider Länder im Jahre 2007 liegt sowohl in ihrem, als auch im Interesse der EU und der jetzigen Mitgliedstaaten. Unter einigen der zehn neuen Mitgliedstaaten gibt es gravierendere Unterschiede im Grad ihrer Vorbereitung und trotzdem wurden sie gemeinsam als Gruppe aufgenommen. Eine Verzögerung des Beitritts Rumäniens würde eher Probleme schaffen als Probleme lösen. Deshalb möchte ich meine Hoffnung ausdrücken, dass beide Länder gemeinsam im Frühjahr 2005 den Beitrittsvertrag unterzeichnen werden und zum 1. Januar 2007 der EU werden beitreten können. Der frühere Abschluss der Verhandlungen mit Bulgarien soll nicht zu einer ‘Loskoppelung’ von Rumänien führen, sondern zu einem Ansporn für unser nördliches Nachbarland werden. Der 2007-Beitritt der beiden Länder wird ein wesentlicher Beitrag zur Vereinigung Europas sein – in Weiterführung der big-bang-Erweiterung am 1. Mai 2004 und als Vorbereitung der Erweiterung mit den Westbalkanländern.