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Essen und Trinken Kultur geht durch den Magen

Religiöse Bedeutung von Essen und Trinken Verena Grüter

„Unser tägliches Brot gib uns heute“, diese Bitte des Vaterunser steht auf dem holzgeschnitzten Brotteller meiner Großmutter – eine tägliche Erinnerung daran, dass wir uns nicht einfach selbst verschaffen können, was wir zum Leben brauchen, sondern von Zusammenhängen abhängig sind, die wir nur zum Teil beeinflussen können. In den vergangenen Monaten hat diese Bitte eine ganz neue Aktualität bekommen, denn seit dem Frühjahr 2008 erreichen uns Nachrichten über eine Nahrungsmittelkrise. Die Preise für Mais, Weizen und Reis sind weltweit explodiert, und von der globalen Krise sind die ärmsten Länder am meisten betroffen. Hungerrevolten in einigen Ländern sind die Folge.

Die Bitte um das tägliche Brot steht in der Mitte des Vaterunser. Auch in den Evangelien spielt es eine wesentliche Rolle als Bild für das Reich Gottes. Die Geschichte von der wunderbaren Brotvermehrung erzählt, wie Menschen Gottes Zuwendung ganz konkret erfahren. Fünf Brote und zwei Fische stillen den Hunger von mehr als fünftausend Menschen. Wie? Das wird nicht direkt gesagt. Was hier geschieht, scheint nur das Alltägliche zu sein: Wie jeder jüdische Familienvater nimmt Jesus die Gaben, spricht das Dankgebet und teilt sie danach aus. Es reicht nicht nur für alle, es bleibt eine symboli

sche Zahl von zwölf Körben voller Brot und Fisch übrig – als Zeichen dafür, dass im Reich Gottes Leben im Überfluss herrscht. So sagt es das alte Wort: „Nicht nach dem Maß berechnet Gott seine Gaben“.

Überfluss als Gabe Gottes, die allen zuteil wird, widerspricht dem Überfluss, den einzelne auf Kosten anderer als Gewinn erwirtschaften. Im Ersten Testament findet sich die Erzählung vom Manna, von dem die Israeliten in der Wüste leben (Ex 16). Ihr Hunger hatte sie hoffnungslos gemacht und das Ziel eines besseren Lebens in Freiheit vergessen lassen. Hunger treibt Menschen in die Gottesferne. Die Israeliten lernen, das tägliche Nahrungsangebot der Wüste – Manna und Wachteln - zu nutzen. Zugleich enthält die Erzählung eine scharfe Warnung dagegen, die Lebensmittel zu horten: Alles, was gesammelt wurde über den täglichen Bedarf einer Familie hinaus, wurde schlecht. Hier wird eine Ökonomie des Genug entwickelt als Gegenmodell zu einer Wirtschaftsform, die auf der Anhäufung von Besitz beruht und damit die Menschen in Besitzende und Notleidende unterteilt.

Dem entspricht, dass nach dem Gesetz in Israel keine Armut herrschen dürfte (Dtn 15,4). Die eigentliche Ursache für Armut und Hunger in Israel ist ein Glaubensnotstand. So kehrt sich die Perspektive in der Erzählung von der wunderbaren Brotvermehrung um: Nicht das ist unmöglich, dass von fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Familien satt werden, sondern eigentlich ist es unmöglich, dass in Israel überhaupt Hunger herrscht. Eine Gemeinschaft, die auf der Grundlage des göttlichen Wortes lebt, sollte mit den wesentlichen Lebensmitteln anders umgehen können. So wird das Wort Gottes direkt mit dem täglichen Brot zusammen gedacht (Dtn 8,3). Indem Jesus die Tora messianisch auslegt und die Menschen erfahren, dass Gottes Zuwendung ihnen Leben in Fülle gibt, geschieht Gottes Reich – auf der Grundlage dessen, was vorhanden ist. „Unser tägliches Brot gib uns heute“ – und wir könnten ergänzen: „wie auch wir unser Brot mit anderen teilen.“

Miteinander das Mahl zu teilen, wurde zum Problem der ersten christlichen Gemeinden. Wo sie im Kontext des jüdischen Glaubens entstanden, befolgten sie weiterhin die Reinheitsvorschriften der Tora für den Umgang mit der Nahrung. Zu Spannungen kam

es, wo Gemeinden in anderen religiösen Kontexten entstanden, die die jüdischen Speisevorschriften nicht teilten. In seinem Brief an die Gemeinden im kleinasiatischen Galatien stellt Paulus diesen Grundkonflikt als Konflikt zwischen ihm selbst und Petrus dar (Gal 2, 11 – 14): Die jüdischen Reinheitsvorschriften machen eine Mahlgemeinschaft mit Nichtjuden unmöglich. Gemeinsam glauben – getrennt essen? Paulus setzt sich vehement dafür ein, die Speisevorschriften mitsamt allen rituellen Regeln der Tora für Christen außer Kraft zu setzen. Die christliche Gemeinschaft soll nicht durch derartige Vorschriften unmöglich gemacht werden. Für die Christen aus jüdischem Hintergrund ist das eine Herausforderung, ihre gewohnten Lebensregeln preiszugeben und sich denen anzupassen, die nicht nach diesen Regeln leben und sie in eine gleichberechtigte Gemeinschaft aufzunehmen. Die versöhnte Gemeinschaft aus Menschen aller Völker mit Christus als einzigem Mittelpunkt ist für Paulus das höchste Gut.

Doch Riten und religiöse Vorschriften haben ihre eigene Dynamik. Sie prägen Gemeinschaften und definieren, wer dazu gehört und wer nicht. Eineinhalb Jahrtausende nach Paulus provozieren Christinnen und Christen in Zürich ihre Mitchristen, indem sie in der Fastenzeit öffentlich Fleisch und Wurst essen. Ihr Reformator, Ulrich Zwingli, schreibt die Streitschrift „Von Freiheit der Speisen“. Am Essen entschied sich, ob Menschen in die Gemeinschaft der katholischen Kirche gehörten oder zu denen, die reformatorisch gesinnt waren. Es geht um das Grundthema der Reformation: Freiheit von den knechtenden Vorschriften der katholischen Kirche, mit denen sie die Gewissen der Menschen bindet und - durch den Verkauf von Ablässen für die Sünden - ihre eigenen Kassen füllt. Zwingli hebelt diese Macht geschickt aus: Er stellt das Liebesgebot in den Mittelpunkt christlichen Lebens und folgert, dass die Freiheit von den Fastengeboten die Nächstenliebe nicht einschränkt. Folglich sind die Fastengebote widerchristlich – so wie alle diejenigen, die sie erlassen haben. Als unausweichliche Konsequenz fordert Zwingli eine grundlegende Reform der Kirche.

Die protestantische Freiheit, sich ohne Rücksicht auf religiöse Regeln zu ernähren, ist im Westen schleichend in eine säkulare Haltung übergegangen. In der postmodernen, hoch beschleunigten Gesellschaft wird alles zu jeder Zeit überall konsumiert – „food and drink to go“. Zugleich sind längst Gegenbewegungen entstanden, die sich der Esskultur

und auch wieder ihren religiösen Aspekten widmen. So gibt es Christinnen und Christen, die aus Überzeugung vegetarisch leben. Sie verstehen das Reich Gottes als einen Lebensraum nicht nur für Menschen, sondern auch für die gesamte nichtmenschliche Schöpfung. Da die Fleischproduktion aus Massentierhaltung nur unter massiver Tierquälerei möglich ist, bezeugen sie durch ihr Essverhalten, dass sie Tiere als Mitgeschöpfe mit eigener Würde ansehen. So betonen sie auch, dass Essen uns in Beziehung setzt zur Schöpfung insgesamt – ein spiritueller Grundzug, der eher franziskanische oder benediktinische Züge trägt. Klöster dieser Traditionen haben in den vergangenen Jahrzehnten bewusst eine ökologische Landwirtschaft gepflegt, mit der sie höchst qualitätvolle Produkte erzielen und zugleich Menschen für einen christlich verantworteten Umgang mit der Schöpfung zu gewinnen suchen, der übrigens keineswegs immer eine konsequent vegetarische Ernährung beinhaltet. Dass hier Zentren anspruchsvoller Gastlichkeit entstehen, liegt durchaus im Konzept und ist ein bewusster spiritueller Gegenakzent zur Fastfood-Gesellschaft.

Die unterschiedlichen neuen Esskulturen sind also zum Teil ein Indikator dafür, dass die Religion in unser gesellschaftliches Leben zurückgekehrt ist. So sind auch die alten rituellen Fragen wieder wach geworden, wie sich etwa in der Diskussion um das Schächten als den Muslimen vorgeschriebene Schlachtweise zeigt. Wer hier sehr schnell argumentiert, dass das Tierquälerei sei, sei auf die Umstände verwiesen, unter denen etwa Hühnchen als Massenkonsumware gezüchtet werden. Dass die alten rituellen und uns oft schwer verständlichen Regeln die nichtmenschliche Schöpfung, insbesondere die Tiere schützen, ist im Rausch der Säkularisierung und Industrialisierung unserer Esskultur in Vergessenheit geraten.

Wie sehr es beim Essen um Gemeinschaft geht, wird schließlich konzentriert erfahrbar in der Feier des Abendmahles. Ursprünglich war es das letzte Passahmahl, das Jesus mit all den Frauen und Männern feierte, die ihm nachfolgten. Sie taten es in der Erinnerung an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei und in der Hoffnung, selbst die Freiheit von der römischen Unterdrückung im Reich des Messias zu erfahren. Nach der Katastrophe der Kreuzigung und dem unfassbaren Ereignis der Auferweckung wurde das „Brotbrechen“ zur Mitte der ersten christlichen Gemeinden, in der sie die Ge

genwart des lebendigen Christus vernahmen. Das eindrücklichste Zeugnis dafür ist die Geschichte der Jünger von Emmaus (Lk 24). An diese Tradition des Abendmahles als Gemeinschaft, in der Freiheit und Leben als Gottes Gaben bezeugt und gefeiert werden, knüpfen heute neue Bestrebungen an, die die Sühnopfertradition kritisch infrage stellen. Denn zweifellos hat die Tradition, Jesu Tod als Sühnopfer zu verstehen und entsprechend das Abendmahl als Sühnopfermahl zu feiern, den Gedanken einer „heiligen Gewalt“ legitimiert: Vergebung und Versöhnung sind nur möglich, indem ein blutiges Opfer gebracht wird. So haben die christlichen Kirchen entgegen der Verkündigung Jesu, die Gottes Zuwendung bedingungslos zuspricht, Leiden und Tod als heilsnotwendig in unseren Köpfen verankert. Die christliche Gemeinschaft wird auf den Opfergedanken gegründet und so wird indirekt eine Lebenshaltung begründet, die die vielfältigen Opfer, die heute gefordert und gebracht werden, als notwendig erachtet.

Demgegenüber müssten christliche Gemeinden zu einer Praxis finden, die der Verkündigung Jesu entspricht und Gottes bedingungslose Zuwendung zu den Menschen feiert – gerade auch in der Mahlgemeinschaft. Sie könnte sich neu am Vaterunser orientieren. Denn im gemeinsamen Essen gestalten wir unsere Beziehung zu Gott, Menschen und der gesamten Schöpfung. Nur wenn dies dem Leben und dem Frieden dient, geschieht es im Geiste Jesu.

Dr. Verena Grüter ist Grundsatzreferentin im EMW

Gastfreundschaft Gastfreundlich sein: Eine Ehre. Gäste haben: Ein Fest. Essen für alle: Eine Hoffnung. Eine Hoffnung? Einmal waren es Zwei Fische und Fünf rote. Alle wurden satt. Weil einer teilte. Teilen: Eine Ehre, ein Fest, eine Hoffung freddy dutz 1999

Holzplastik von He Qi

Du bist was du isst. Ute Ackermann Auch wenn es folgerichtig erscheinen mag: in der Suppenschüssel des Bauhauses lag kein Brüh-Würfel. Über die bestechende Gestaltung heute noch gebräuchlicher Teller und Tassen hinaus ist das Bauhaus ein lohnenswertes Untersuchungsobjekt zum Thema Essen und Trinken.

Der vielbeklagte „Verlust der Mitte“ als Begleiterscheinung der säkularisierten Gesellschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts ging mit dem Verlust der Taille der Zeitgenossen einher. Mag man dies im Falle der Befreiung der Frauenkörper aus den Zwängen der Korsage durchaus begrüßen, hatten die neuen Ernährungsgewohnheiten der industrialisierten Welt ernsthafte Konsequenzen. Ärzte sahen sich zum ersten Mal mit dem massenhaften Auftreten von Gicht und Karies konfrontiert.

Als Gegenentwurf zum materialistisch-technophilen Menschenbild der Industriegesellschaft entwickelte sich an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Vegetarismus zur klassenübergreifenden Reformbewegung. Die Art der Nahrung wurde vielfach als Haltung und Bekenntnis zelebrierte und als quasireligiöser Heilsweg zur Selbsterlösung proklamiert.

Andererseits linderte die Unterwerfung des Leibes unter den eigenen Gestaltungswillen das Erlebnis der Entfremdung und Machtlosigkeit. In der kulturellen Gemengelage des Jahres1919, zwischen Weltkriegs-Erfahrung, Revolution und erster deutscher Verfassung wurde das Bauhaus von Walter Gropius in Weimar gegründet. Ganz im Sinne der revolutionären Utopien und Reformideen war für ihn der in Habitus und Wesen harmonisierte Mensch eine notwendige Voraussetzung für die harmonische Gestaltung der Welt. Das Bauhaus sollte sich als eine Keimzelle der neuen Gesellschaft entwickeln und Gropius wünschte sich heitere Zeremoniells für die Bauhausgemeinschaft.

Was konnte für die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Lebens ein besserer Ort sein, als der gedeckte Tisch. Lockte das Programm des Bauhauses, weil es eine Vision hatte

und die Utopie einer besseren Gesellschaft formulierte, so war die Gründung der Kantine die Erfüllung eines ersten Versprechens: Im Mittelpunkt des Bauhauses stand tatsächlich der Mensch mit all seinen ursprünglichen Bedürfnissen.

Die Kantine entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zum Herzstück der Schule. Feste fanden statt und die Werkstatt für Wandmalerei tobte sich im Farbenrausch bei der Gestaltung des Raumes aus. Ab 1920/21 gelang es dem Bauhaus, seine Küche mit Gemüse aus dem eigenen Garten zu versorgen. Ein 7000 qm umfassendes Gelände, von der Stadt gepachtet, gewährleistete eine größere Unabhängigkeit vom Lebensmittelmarkt. Bauhausschüler und kümmerten sich gemeinsam mit einer professionellen Gärtnerin um das Gedeihen der bauhauseigenen Gemüse. Die Arbeit in der Kantine wurde ebenfalls weitgehend von Studierenden übernommen. In gemeinschaftlichen Spendenaufrufen und Kunstauktionen sicherten Lehrer und Schüler den Erhalt der Einrichtung.

Hatte Gropius 1919 noch die Versorgung der Schüler mit gutbürgerlicher Kost anstrebt, wandelte sich die Speisekarte in den nächsten zwei Jahren radikal. Im September 1920 bestellte das Bauhaus beim Leipziger Mazdaznan-Verlag gleich mehrere Exemplare der Mazdaznan-Ernährungslehre. Die Bauhausmeister Georg Muche und Johannes Itten versuchten die Bauhäusler auf eine stringente religiöse Lehre einzuschwören. Die Gesamtheit des Lebens rückte in den Fokus einer psychobiolgisch-spirituellen Reform: Mazdaznan. Es wurde Mazdaznan-Diät gehalten, Mazdaznan-Lieder gesungen und mit einem Mazdaznan-Pfiff gaben sich die Bauhäusler untereinander zu erkennen. Mazdaznanernährung unterschied das primitive vom verfeinerten Bauhauswesen und war die Eintrittskarte in die besseren Kreise der Bauhausgemeinde. Praktisch zeichnete sich die Mazdazankost durch einen massiven Missbrauch von Knoblauch aus, was ihren Anhängern den Scherznamen „die Durchlauchten“ einbrachte und die Gemeinschaft zweifellos sowohl zusammenschweißte als auch von der Allgemeinheit abgrenzte. Die vegetarische Küche kam der Organisation der Kantine durchaus entgegen, konnte doch so im wesentlichen auf die selbst angebauten Gartenfrüchte zurückgegriffen werden. Das heitere Zeremoniell der gemeinsamen Mahlzeit wich einem strengen erzieherischen Ritual, dem alsbald auch die Kantinengestaltung mit einem „freudlosen Graugrün der Kontemplation als Hintergrund für einen fernöstlichen Sinnspruch, der [...] beim Essen erziehen sollte“, angeglichen wurde.

Das militant vegetarische Intermezzo der Bauhauskantine fand mit Ittens Weggang 1922 ein Ende. Die Kantine existierte weiter und bleib auch in der Dessauer Zeit des Bauhau-

ses fester Bestandteil der Schule, wurde jedoch nun als professioneller Kantinenbetrieb geführt. Die gemeinsamen Mahlzeiten, die eben mehr waren als bloße Nahrungsaufnahme, verlegte man nun ins Private, auf die Balkone und in die Gemeinschaftsküchen des Wohnheims. Mit der zunehmenden Profilierung des Bauhauses als Hochschule für Gestaltung, hatte die „Speisenanstalt“ als Gemeinschaftsort ihre ursprüngliche Bedeutung verloren. Anmerkung: Mazdaznan ist eine Mischreligion mit zarathustrischen, christlichen und einigen hinduistischen/tantrischen Elementen, die im 19. Jahrhundert entwickelt wurde. Die Anhänger sind Vegetarier, befolgen eine eigene Ernährungslehre, praktizieren tägliche Atem- und Meditationsübungen.

Die Kunsthistorikerin und Bauhausspezialistin Ute Ackermann ist Autorin des 72-seitigen illustrierten Buches: Das Bauhaus isst, E. A. Seemann Verlag, 72 Seiten €14,90 (D), €15,90 (A), sFr27,90 (CH) ISBN 978-3-86502-179-3

Das Märchen vom Weisen Mann Märchen aus Liberia Es war einmal ein Fremder, der eines Nachmittags in ein Dorf angekommen war. Er stellte sein Bündel ab, setzte sich daneben und ruhte sich aus. Nach einer Weile zündete der Mann ein Kochfeuer an, holte einen Topf aus seinem Gepäck, ging zum Brunnen und schöpfte Wasser. Nachdem er das Gefäß auf das Feuer gestellt und seinen Habseligkeiten einige Steine entnommen hatte, legte er diese sehr umständlich, – er hatte nämlich bemerkt, dass die Menschen aus dem Dorf ihn interessiert beobachteten – und mit sichtbarem Aufwand in den Topf. Dann rührte er das Wasser und die Steine mit einem großen Löffel um.

„Was machst du denn da?“, fragte ein Dörfler. „Ich koche eine wunderbare Suppe“, bekam er als Antwort. „Aber in deinem Topf sind ja nur Wasser und ein paar Steine!“ Doch der Mann bestand darauf, dass es eine sehr wohlschmeckende Suppe werden würde. Nun dachten die Menschen, dieser Mann müsse ein mächtiger Zauberer sein und baten, von der Suppe etwas zu bekommen. Der Fremde antwortete: „Da müsst ihr noch ein wenig warten. Die Suppe fängt gerade erst an zu kochen und vielleicht fehlen noch ein paar Dinge, bis sie fertig ist.“ Da sagte ein Mann: „Wenn ich von der Suppe etwas abbekomme, dann laufe ich schnell nach Hause und hole etwas Reis.“ Eine andere Person bot an, Gemüsepaprika für die Suppe zu spendieren, vorausgesetzt er bekäme etwas ab. Eine Frau, die von der Zaubersuppe auch etwas essen wollte, wollte Grünzeug aus ihrem Garten holen und ihre Nachbarin, bot Salz an, um die Speise zu würzen. Als Gegengabe für ein bisschen Suppe wollte ein Verwandter von seinem Trockenfisch abgeben. Dann liefen sie in ihre Häuser, holten die Nahrungsmittel, überreichten sie dem Fremden, der sie in den Topf tat. Einige Zeit war vergangen, als der Mann verkündete: „Die Suppe ist fertig.“ Zuerst füllte er seine Schüssel, und dann bekamen alle Menschen im Dorf ihren Teil. Sie probierten und alle stimmten darin überein, dass es eine wirklich wunderbare Suppe sei. Der Fremde war gar kein Zauberer, sondern ein sehr weiser Mann.