Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. I. Probleme der Haftung

WOLFGANG KOEBLE Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Gerade der Jubilar hat sich in den vergan...
Author: Sophie Peters
13 downloads 1 Views 46KB Size
WOLFGANG KOEBLE Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Gerade der Jubilar hat sich in den vergangenen Jahren besonders um eine Reform des Werkvertragsrechts verdient gemacht.1 Es liegt deshalb nahe, zu einem Thema im Zusammenhang mit dem SMG Stellung zu nehmen. Der Platz ist allerdings für eine allgemeine Übersicht über „das neue Werkvertragsrecht des BGB 2002” nicht ausreichend.2 Ebenso wenig können alle Einzelfragen behandelt werden, sondern lediglich solche herausgegriffen werden, die für die Praxis besonders wichtig sind und bei denen es unterschiedliche Antworten geben könnte. Bei weitem überwiegen dabei die Probleme der Haftung (dazu unten I.) gegenüber den Honorarfragen (dazu unten II.).

I. Probleme der Haftung 1. Der Mangel Zunächst ist zu überlegen, ob sich im Hinblick auf das „Werk” des Architekten und der Ingenieure durch die Neufassung des § 633 Abs. 2 BGB Änderungen ergeben werden. Die Leistungspflichten und ihr Umfang ergeben sich aus dem abgeschlossenen Vertrag. Dieser ist unter Berücksichtigung des Leistungsziels auszulegen.3 Diese Grundsätze bleiben nach wie vor erhalten. Der Begriff des Mangels wurde inhaltlich verändert. Das Wort Fehler ist im Text des § 633 BGB weggefallen. Ebenso wenig wird als Fallgruppe für die Mangelhaftigkeit die zugesicherte Eigenschaft erwähnt. Die Einhaltung der Anerkannten Regeln der Technik sind nach wie vor nicht als Mangeltatbestand aufgeführt. Im neuen Mängelbegriff finden sich sowohl subjektive als auch objektive Elemente. Erstaunlicherweise wird nicht der Mangel definiert, sondern

1 2

3

Neben den in der Bibliographie aufgeführten Titeln vgl. zuletzt Kraus, BauR 2002, 524. Vgl. dazu u.a Grziwotz, BauR 2001, 1839; Harms, BRAK-Mitt. 2001, 278; Lenkeit, BauR 2002, 196; Peters, NZBau 2002, 113; ders., ZfBR 2002, 108; Preussner, BauR 2002, 232; Raiser NZBau 2001, 598; Roth, JZ 2001, 543; Schudnagies, NJW 2002, 396; Sienz, BauR 2002,181; Teichmann, ZfBR 2002,13; Thode, NZBau 2002, 297, 360; Voit, BauR 2002,145; Vorwerk, BauR 2002,165; H.P. Westermann, NJW 2002, 241. BGH, Urt. v. 24.10.1996 - VII ZR 283/95 = BauR 1997,154 = NJW 1997, 586 = ZfBR 1997,74 = LM Heft 4/1997 HOAI Nr. 32 m. Anm. Koeble; BGH, Urt. v. 22.10.1998 -VII ZR 91/97 = BauR 1999,187 = ZfBR 1999, 92.

389

Wolfgang Koeble es wird geregelt, wann das Werk frei von Sachmängeln ist. Inhaltlich hat dies jedoch wohl keine Auswirkungen. Auf die Darlegungs- und Beweislast vor und nach der Abnahme sowie auf die Symptomrechtsprechung hat die Neuformulierung keinen Einfluss. Damit genügt es für die Geltendmachung von Mängelansprüchen gegenüber dem Architekten nach wie vor, dass das „äußere Erscheinungsbild” des Mangels gerügt wird und eine Zuordnung in Planungs-, Vergabe- und Überwachungsfehler des Auftragnehmers ist nicht erforderlich. 4 Soweit allerdings mit Gegenansprüchen die Aufrechnung oder Verrechnung erklärt wird, müssen diese auch der Höhe nach substantiiert werden. Unabhängig von der neuen Formulierung des Mangels wird die Streitfrage bleiben, ob neben den eigentlichen Planungs-, Vergabe- und Überwachungsfehlern auch sonstige „Pflichtverletzungen” als Werkmangel anzusehen sind. Konsequenzen hätte die Entscheidung im Hinblick auf die zur Verfügung ste- henden Ansprüche und das Vorgehen des Auftraggebers einerseits und im Hinblick auf die Verjährungsfrist andererseits (zu letzterem vgl. unten 3.). Die Tendenz in Literatur und Rechtsprechung ging schon vor der Neuregelung dahin, auch Pflichten im wirtschaftlichen, steuerlichen (z. B. Bauabzugssteuer) oder gesundheitlichen (z. B. Baustellenverordnung) Bereich zum Werk zu rechnen. Mit der Schuldrechtsreform ist dies nicht nur vom Mangelbegriff her deutlicher geworden, weil dieser die Beschaffenheit in allen zusätzlichen Bereichen abdeckt, sondern auch deshalb, weil die Grundlage für Schadensersatzansprüche §§ 280 ff. BGB sind, unabhängig davon, ob Mängel oder sonstige Pflichtverletzungen vorliegen.5 Anderes gilt für Fehler, die zu Folgen an anderen Rechtsgütern führen. Zwar sind hier ebenfalls die Ansprüche auf der Grundlage der §§ 633 ff. BGB gegeben, jedoch greift hier nicht die Verjährungsfrist des § 634a BGB (vgl. dazu unten 3.). Dem Sachmangel ist gleichgestellt der Rechtsmangel, was für Architektenund Ingenieurrechtsfälle erhebliche Bedeutung haben kann. Die Leistung des Auftragnehmers kann mangelhaft sein, wenn er zwar ein urheberrechtsfähiges Werk abliefert, selbst aber nicht der alleinige oder eigentliche Urheber ist.6 Nach der Formulierung des § 633 Abs. 2 BGB gibt es drei Mangeltatbestände: die Beschaffenheitsvereinbarung (§ 633 Abs. 2 S. 1 BGB), die vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit (§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB) sowie die für die gewöhnliche Verwendung geeignete und übliche Beschaffenheit (§ 633 Abs. 2 S. 2 Nr.2 BGB). Die damit von der Formulierung des Gesetzes her festgelegte Rangfolge der drei Mangeltatbestände7 führt in verschiedenen Fällen zu Problemen. Das gilt 4

5

6 7

BGH, BauR 1997, 1065 = NJW 1998, 135 = ZfBR 1998, 25; Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rdn. 91 und § 15 Rdn. 8; auch an der Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis wird sich durch das neue Recht nichts ändern, vgl. BGH, BauR 2002, 1423. Z.B. Peters, NZBau 2002,113 (117 f.); Preussner, BauR 2002, 231 (233f.); Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., § 15 Rdn. 28 und Ein1. Rdn. 278. Vgl. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Ein1. Rdn. 278 u. 195 ff. Vgl. Kniffka, On1ine-Kommentar-ibr, § 633 Rdn.3, 7; Palandt/Sprau, Ergänzungsband zur 61. Aufl., § 633 Rdn. 5; Thode NZBau 2002, 297 (303 f.); H.P. Westermann NJW 2002, 241 (243).

390

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts zunächst dann, wenn die anerkannten Regeln der Technik mit der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit nicht erreicht werden. Auch dann, wenn ein konkreter, abschließender Leistungsumfang vereinbart ist, jedoch zusätzliche Leistungen erforderlich sind, um die „übliche Beschaffenheit“ zu erreichen, stellt sich das Problem der Rangfolge. Schließlich sind problematisch alle diejenigen Fälle, die der BGH unter dem sog. funktionalen Mangelbegriff eingeordnet hatte (z. B.: dichtes Dach, auch wenn dies mit der vertraglichen Leistungsbeschreibung nicht zu erreichen ist). In allen drei Fällen wäre die Beschaffenheitsvereinbarung vorrangig, was jedoch zu unerträglichen Ergebnissen führen würde. Es besteht deshalb Einvernehmen, dass in den genannten drei Fällen die anerkannten Regeln der Technik, der absolut notwendige und übliche Leistungsumfang sowie die Funktionalität des Werkes trotz abweichender Beschaffenheitsvereinbarung beachtlich sind. Zur Lösung des Problems gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze: • Von einem Teil der Literatur wird die Bestimmung des § 633 Abs. 2 BGB im Lichte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ausgelegt. Nach dem 8. Erwägungsgrund sollten die Mängeltatbestände für das Kaufrecht nicht in einer Rangfolge stehen, sondern kumulativ gelten. Weil das Werkvertragsrecht dem angepasst worden sei, müsse eine richtlinienkonforme Auslegung auch des § 633 Abs. 2 BGB erfolgen.8 Dagegen ist zu sagen, daß die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Auswirkungen nur hinsichtlich ihres Geltungsbereichs haben kann und dies ist nicht das Werkvertragsrecht, sondern das Kaufrecht. Regelungen im Kaufrecht können durchaus dem überstaatlichen Recht anzupassen sein, solche des Werkvertragsrechts dagegen nicht. • Ein anderer Teil der Literatur projiziert den von der Rechtsprechung vertretenen funktionalen Mangelbegriff auch auf die neue gesetzliche Regelung und verlangt auch im Rahmen der vereinbarten Beschaffenheit, dass ein funktionsgerechtes Werk erstellt werden müsse9 . Diese Auffassung überbrückt jedoch nicht die Schwierigkeiten, die sich durch den eindeutigen Wortlaut (“soweit nicht”, “sonst”) ergeben. • Denkbar wäre es, in diesen Fällen die Mangelhaftigkeit zu verneinen und den Vorrang der Beschaffenheitsvereinbarung zu betonen, jedoch die berechtigten Interessen des Bestellers über Ansprüche wegen Verletzung einer Aufklärungs-, Beratungs- oder Hinweispflicht zu lösen. Einer solchen Lösung stünde aber entgegen, dass damit wegen ein und desselben Mangels (vom tatsächlichen Erscheinungsbild her) unterschiedliche Ansprüche gegeben wären, weil die Pflichtverletzung Schadenersatzansprüche nach §§ 241 Abs. 2, 311, 282 BGB auslösen würde. Abgesehen davon, 8

9

Kniffka, a.a.0 § 633 Rdn. 5; Thode, NZBau 2002, 297 (304) mit Vorschlag einer richtlinienkonformen Fassung des § 633 Abs. 2 BGB. Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 10. Aufl., Rdn. 1457; Merl, FSJagenburg, 2002, S. 600 ff. mit dem Hinweis, die Vorschrift enthalte nur eine Reihenfolge der Prüfschritte und keine absolute Rangfolge; Siegburg, FS Jagenburg, 2002, S. 839 (845 ff.).

391

Wolfgang Koeble dass hier kein Selbstvornahmerecht (§ 637 BGB) zur Verfügung stehen würde, gäbe es für Mängel und Pflichtverletzungen auch unterschiedliche Verjährungsfristen (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB würde nicht eingreifen). • Richtig ist deshalb m. E. die Beschaffenheitsvereinbarung der Parteien genauer zu analysieren. Hier wird sich nämlich ergeben, dass der Besteller erkennbar von der Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, von der Erbringung der notwendigen Architektenleistungen und von der Funktionalität des Werkes ausgeht. Dies ist dem Auftragnehmer auch erkennbar und deshalb stellen diese drei Merkmale im Rahmen der Beschaffenheitsvereinbarung einen Minimalkonsens dar. Soll von diesen Minimalanforderungen abgewichen werden, dann bedarf es einer für den Auftraggeber absolut transparenten Vereinbarung. Gerade für Architekten- und Ingenieurverträge ist es problematisch, dass eine nur „unerhebliche” Beeinträchtigung ausreicht und es auf die Gebrauchsbeeinträchtigung für die Bejahung eines Mangels nicht mehr ankommt.1 0 Dennoch wird man auch hier im optischen und künstlerischen Bereich enge Grenzen setzen müssen und die Mangelhaftigkeit allein wegen solcher Gesichtspunkte regelmäßig verneinen müssen, wenn es nur um nicht erfüllte, subjektive Vorstellungen geht. Eine weitere Grenze ist da zu ziehen, wo die Beschaffenheitsvereinbarung mehrere Möglichkeiten offen lässt, die qualitativ gleichwertig sind. Der neue Mangelbegriff hat keine Auswirkungen auf die Streitfrage, wann Honorarabzüge bei Weglassen von Teilleistungen vorgenommen werden können.

2. Mängelansprüche Nach wie vor unterscheidet das Werkvertragsrecht in Primäransprüche, wozu die Erfüllung und Nacherfüllung zu rechnen sind, und Sekundäransprüche. a) Nacherfüllung Hinsichtlich dieses Rechts (§ 635 BGB) ergeben sich keine wesentlichen Besonderheiten, auch nicht insoweit, als ein Wahlrecht des Unternehmers zwischen Mangelbeseitigung und Herstellung eines neuen Werkes aufgenommen wurde.11 Der Architekt und der Ingenieur können also selbst entscheiden, ob sie z. B. bei nicht genehmigungsfähiger Planung ein vollständig neues Baugesuch mit neuer Entwurfsplanung einreichen oder einen Nachtrag mit Deckblatt vorlegen. Beides muss der Bauherr akzeptieren. Die Nacherfüllung ist selbstverständlich weiterhin auch ein Recht des Unternehmers. Während es früher im Regelfall erst nach Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung und Ablauf der Frist erlosch, entfällt das Nacherfüllungsrecht 10 11

So zutreffend Kraus, BauR 2002, 524 (528). Vgl. zum Ganzen Preussner BauR 2002, 231(234).

392

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts jetzt bereits nach erfolglosem Ablauf der angemessenen Frist zur Nacherfüllung.12 Der Anspruch auf Nacherfüllung scheidet wegen Unmöglichkeit aus, wenn die mangelhafte Planung oder die fehlerhaften Vergabeleistungen bereits umgesetzt wurden. Ist der Mangel im Bauwerk vorhanden oder sind auf der Grundlage fehlerhafter Vergabeleistungen die Verträge mit am Bau Beteiligten bereits abgeschlossen, kommt Nacherfüllung allenfalls in eingeschränktem Umfang in Frage. Dem Architekten oder Ingenieur muss hier zwar Gelegenheit gegeben werden, die Mängel seiner eigenen Leistung zu beseitigen oder mindestens zu minimieren. In aller Regel bleibt aber sonst nur der Schadensersatzanspruch statt der Erfüllung (vgl. unten). b) Ablauf einer angemessenen Frist als Voraussetzung für Sekundäransprüche Während früher mindestens der „Verzug” für die Geltendmachung des Selbstbeseitigungsrechts mit Aufwendungsersatz und Vorschuß (§ 633 Abs. 3 BGB a. F.) oder die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 634 Abs. 1 BGB a. F.) notwendig war, kommt es heute auf den Ablauf einer angemessenen Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung an (§§ 281 Abs. 1 S. 1, 637 Abs. 1 BGB). Die Signalwirkung der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist also weggefallen mit der Begründung, dass der einfache Verbraucher Schwierigkeiten mit dieser früheren gesetzlichen Regelung hatte. Das schafft für den Unternehmer sicherlich zusätzliche Probleme.13 Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung ist also für keines der Sekundärrechte Voraussetzung. Bemerkenswert und wichtig ist auch, dass die bloße Mahnung - ohne Setzung einer angemessenen Frist - nicht ausreicht, sondern die Setzung und der Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung erforderlich ist. Insoweit ist eine gewisse Signalwirkung durch die Fristsetzung noch erhalten geblieben. Einer Mahnung bedarf es jedoch nicht, weil Verzug im Unterschied zu früher (§ 633 Abs. 3 BGB) nicht erforderlich ist. Es genügt also bei Auftreten eines Mangels die einmalige Aufforderung verbunden mit der Setzung einer angemessenen Frist und deren Ablauf. Hinsichtlich der Frist ist zu beachten, dass diese „zur Nacherfüllung” angemessen ist. Das bedeutet, dass - ebenso wie bei § 281 Abs. 1 S. 1 BGB für den Leistungsverzug – der bisherige Ablauf unbeachtlich ist und für die konkrete Mangelbeseitigung angemessene Zeit zur Verfügung stehen muss.14 Eine zu kurze Frist wird auch nach neuem Recht nicht unbeachtlich und die Fristsetzung nicht wirkungslos. Sie setzt vielmehr eine angemessene Frist in Lauf. Der Unter12 13 14

Vgl. Koeble, FS für Jagenburg, 2002, S. 371. Vgl. Kraus, BauR 2002, 524 (526 f.). Ebenso Peters, NZBau 2002, 113 (116 Fn. 22); zum alten Recht schon BGH, NJW 1995,323 und BGH, NJW 1995, 857.

393

Wolfgang Koeble nehmer wird heute eher als früher gehalten sein, schriftlich zu reagieren, wenn die Frist nicht auskömmlich ist.

c) Anspruch auf Selbstvornahme Im Hinblick auf die Selbstvornahme gilt entsprechendes wie bei der Nacherfüllung. Sie ist im Architekten- und Ingenieurrecht die Ausnahme und kommt im Regelfall nur bei Planungs- und Vergabefehlern zum Tragen, die noch korrigierbar sind. Der Anspruch ist für den Architekten und Ingenieur auch besonders bitter, wenn er überhaupt realisiert werden kann. Für derartige Ansprüche hat der Auftragnehmer keine Deckung bei seiner Haftpflichtversicherung.

d) Rücktritt Ob der Rücktritt oder die Drohung mit dem Rücktritt zur scharfen Waffe werden wird, bleibt abzuwarten.15 Vom Grundsatz her kann Rücktritt vom ganzen Vertrag nach Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung erklärt werden. Ausgeschlossen ist dies, wenn „die Pflichtverletzung unerheblich ist” (§§ 634 Nr. 3, 323 Abs. 5 S. 1, 2 BGB). Entgegen dem Wortlaut wird hier nicht auf die Pflichtverletzung, sondern bei Mängeln am Bauwerk auf den Grad der Mangelhaftigkeit abzustellen sein.16 Das bedeutet, dass der Grad der „Schlamperei” kein Maßstab ist, sondern lediglich die Auswirkungen beachtlich sind. Vergisst der Architekt z. B. die Planung der im Bad notwendigen Handtuchhalter oder anderer Sanitärgegenstände, die problemlos nachgerüstet werden können, dann kann dies grobe Schlamperei sein. Dies ist jedoch angesichts der Dimension des Mangels und seiner Folgen selbst für den Rücktritt nicht ausreichend. Gerade für Architekten- und Ingenieurverträge wird der Rücktritt meist daran scheitern, dass er bei Teilleistungen nur dann möglich ist, wenn der Auftraggeber an der Teilleistung „kein Interesse hat”. Dieses Merkmal wird angesichts der Rechtsprechung zur Kooperationspflicht streng auszulegen sein. Nur in Ausnahmefällen - wenn der Bauherr begründetermaßen vom Bauvorhaben Abstand nimmt oder wenn eine vollständige Umgestaltung notwendig wäre – wird das Recht zum Rücktritt zur Verfügung stehen. Unabhängig davon muss der Auftraggeber sehr wohl bedenken, ob er bei Weiterbau den Rücktritt erklären will. Immerhin stehen ihm nämlich nach erfolgtem Rücktritt keine vertraglichen Gewährleistungsansprüche gegen den Architekten und/oder Ingenieur mehr zu.17 Der Teilrücktritt scheitert beim Planervertrag daran, dass für erbrachte Teilleistungen die Erfüllungswirkung („bewirkt”) ohne Vereinbarung nicht eintreten kann.

15 16 17

Dazu Kraus,BauR2002, 524. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rdn. 282. Vgl. Locher/Koeble/Frik, a.a.O.; zur Kündigung vgl. unten 5.

394

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts e) Minderung Eine Minderung des Honorars kommt nicht nur bei wesentlichen Fehlern in Frage. Die Berechnung der Minderung orientiert sich daran, in welchem Verhältnis „der Wert des Werks in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde” (§ 638 Abs. 3 S. 1 BGB). Für den Architekten- und Ingenieurvertrag bedeutet dies, dass nicht die Kosten für die tatsächliche Man-gelbeseitigung, sondern der entsprechende Honoraranteil für die ordnungsgemäße Leistung im Verhältnis zur nicht ordnungsgemäßen Leistung ermittelt werden muss.18 Dabei müssen nicht nur Teilleistungen, sondern auch Teile von Teilleistungen (Anteil der Überwachungsleistung für bestimmte Gewerke, wie z. B. die Abdichtung gegen Feuchtigkeit) bewertet werden (zum Schadensersatz neben der Minderung vgl. f.). Die Tatsache, dass die Berechnung der Minderung „zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses” erfolgen muss (§ 638 Abs. 3 BGB) ist für das Bauvertragsrecht in verschiedener Hinsicht problematisch. Das gilt jedoch nicht für das Architekten- und Ingenieurrecht, weil hier Grundlage die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültige Fassung der HOAI ist. f) Schadensersatz Das hauptsächliche Mängelrecht im Architekten- und Ingenieurrecht wird der Schadensersatzanspruch sein (§§ 280 ff. BGB). Den Schadensersatz neben der Leistung hatte die Rechtsprechung bereits entwickelt. Voraussetzung ist lediglich eine schuldhafte Pflichtverletzung bzw. ein schuldhaft verursachter Mangel (§§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB). Für den Schadensersatz statt der Leistung bedarf es der Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung (§§ 281, 283 BGB). Die in der Literatur vertretene Auffassung, dass von § 280 Abs. 1 BGB nicht der „Schaden am Bauwerk” (Mangelbeseitigungskosten) erfasst sei, ist für Architekten- und Ingenieurverträge unzutreffend.19 Hier sind nämlich die Bauwerkschäden als Folgeschäden anzusehen und ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung erstattungsfähig. Anderes gilt im Hinblick auf die Architektenleistungen selbst: Soweit z. B. eine Sanierungsplanung nötig ist, muss hierfür eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden und etwaiger Schadensersatz statt der Leistung kann nur nach fruchtlosem Ablauf der Frist bzw. ersetzenden Voraussetzung verlangt werden. Einer Abgrenzung von einzelnen Schäden bedarf es im Hinblick auf den Anspruchsgrund nicht mehr (vgl. oben 1.). Die Einordnung der Bauwerksschäden als Folgeschäden i. S. § 280 Abs. 1 BGB hat eine weitere, gravierende Auswirkung. Nach altem Recht konnte Minderung und Schadensersatz nicht nebeneinander verlangt werden (§ 635 BGB a. F. „statt”). Nach neuem Recht ist die Minderung zwar als Gestaltungsrecht ausgestaltet, so dass hinsicht18 19

Locher/Koeble/Frik, Einl. Rdn. 283. So allgemein Palandt/Heinrichs, Ergänzungsband zur 61. Aufl., § 280 Rdn. 18; wie hier: Kniffka, Online-Kommentar, § 636 Rdn. 29 und Palandt/Sprau 5 634 Rdn. 8.

395

Wolfgang Koeble lich des konkreten Mangels Erfüllung, Nacherfüllung, Selbstvornahme, Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung ausgeschlossen sind. Neben der Minderung ist allerdings ein Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung weiterhin gegeben.20 Das führt dazu, dass nach neuem Recht sowohl das Honorar wegen eines Mangels (Fehler der Ausführungsplanung führt zu Bauwerksschäden) gemindert werden kann als auch die Schäden am Bauwerk geltend gemacht werden können. 3. Verjährung Insoweit ergeben sich Fragen sowohl hinsichtlich der Verjährungsfrist (dazu unten a)) als auch im Hinblick auf deren Beginn (dazu unten b)). a) Im Hinblick auf die Verjährungsfrist stehen bei Architekten- und Ingenieurverträgen verschiedene Rechtsgrundlagen zur Verfügung: Die 5-jährige Frist „bei einem Bauwerk und einem Werk, dessen Erfolg in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht” (§ 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Die 2-jährige Verjährungsfrist für Leistungen „bei einem Werk, dessen Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht“ (§ 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB), wenn die beiden zuvor genannten Sachverhalte nicht zutreffen (§ 634 a Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) bei arglistigem Verschweigen eines Mangels, die allerdings nicht vor Ablauf der Gewährleistungsfrist von fünf Jahren ab Abnahme endet (§ 634 a Abs. 3 BGB). Planungs- und Überwachungsleistungen für ein Bauwerk liegen nicht nur dann vor, wenn ein Neubau errichtet werden soll. Auch die Altbausanierung, im Rahmen derer Leistungen für Umbauten, Instandsetzungen, Instandhaltungen und Modernisierung erbracht werden können, gehört dazu. Nach der zum Bauträgerrecht entwickelten Rechtsprechung des 7. Zivilsenats gilt dies stets, wenn Leistungen erbracht werden, „die nach Umfang und Bedeutung mit der Neuherstellung vergleichbar“ sind. Zur Abgrenzung kann die bisherige, umfangreiche Rechtsprechung nach wie vor herangezogen werden. In aller Regel werden nur sog. Schönheitsreparaturen kleineren Umfangs nicht als Arbeiten bei Bauwerken anzusehen sein und der 2-jährigen Verjährungsfrist (§ 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB) unterfallen, während Instandhaltungsarbeiten der 5-jährigen Verjährungsfrist unterliegen.21 20 21

Vgl. Palandt/Sprau, Ergänzungsband, § 634 Rdn. 5. A.A. Schudnagies, NJW 2002, 396 (399); vgl. zur Abgrenzung die Rechtsprechungsnachweise bei Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9.Aufl., Rdn. 2377; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 8. Teil, Rdn. 14. BGHZ 100, 391 (396 f.) = BauR 1987, 439 = NJW-RR 1987,1046 = NJW 1988, 490 = ZfBR 1987,197; BGH, BauR 1988, 464 = NJW 1988,1972.

396

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts Für „nicht körperliche Arbeitsergebnisse” soll die Regelverjährungsfrist gelten (§ 634 a Abs. 1 Nr. 3 BGB).22 Das wird z. B. für Beratungen und Begutachtungen angenommen.23 Das trifft jedoch den Sachverhalt nicht. Soweit es sich um Gutachten handelt, die im Rahmen der Errichtung eines Neubaus oder für die Sanierung eines Altbaus verwendet werden sollen, ist der Bezug zum „Bauwerk” unmittelbar gegeben. Das gilt z. B. für das Bodengutachten aber auch für Standortuntersuchungen, Umweltverträglichkeitsstudien und baubezogene Wertermittlungen ebenso wie für bauphysikalische oder brandschutztechnische Stellungnahmen. Auf den Umfang der Architekten- und Ingenieurleistung kommt es nicht an. Auch der Auftrag für die Grundlagenermittlung betreffend ein konkretes Bauobjekt unterfällt der 5-jährigen Verjährungsfrist. Der Bezug zum Bauwerk ist auch hier maßgebend. Die Vorschrift des § 634 a Abs. 2 Nr. 2 BGB differenziert nicht danach, welche Planungs- oder Überwachungsleistungen in Auftrag gegeben wurden. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil in §§ 648 und 648 a BGB die Architekten- und Ingenieurleistung erst sicherbar ist, wenn die Planungsleistungen sich im Grundstück realisieren. Denn immerhin ist dort vom „Unternehmer eines Bauwerks” die Rede, weshalb die Differenzierung gerechtfertigt ist. Die nicht gebaute, z. B. nicht genehmigungsfähige Planung fällt unter § 634 a Abs. 2 Nr. 2 BGB.24 Allgemein wird formuliert, dass von der 5-jährigen Verjährungsfrist alle Arten von Ansprüchen erfasst seien und deshalb eine Differenzierung nach Mangelschäden, Mangelfolgeschäden und entfernteren Mangelfolgeschäden nicht mehr erforderlich sei.25 Ansprüche wegen sog. entfernterer Mangelfolgeschäden, die an anderen Rechtsgütern bzw. an Rechtsgütern anderer Beteilig-ter eintreten, sind wegen des Bauwerksbezugs von der Vorschrift nach hier vertretener Auffassung nicht erfasst. Für sie gilt die Regelverjährung von drei Jahren, beginnend ab Ende des Jahres der Entstehung und Kenntnis von den Umständen des Anspruchs (§§ 195,199 BGB). Nicht erfasst sind insbesondere auch Ansprüche wegen sog. Organisationsverschuldens.2 6 Diese Ansprüche verjähren jedoch nicht in der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB. Wegen des von der Rechtsprechung in den Vordergrund gestellten quasi-deliktischen Charakters ist hier die Regelung über das arglistige Verschweigen entsprechend anwendbar (§ 634 a Abs. 3 BGB). Das bedeutet, dass zwar die 3-Jahres-Frist ab Entstehung und Kenntnis läuft, jedoch keine kurze Frist als für sonstige Mängelansprüche am Bauwerk, also mindestens fünf Jahre ab der Abnahme. 22 23 24

25

26

BT-Drucks. 14/7052, S. 205. So Schudnagies, NJW 2002,396 (399); ähnlich wohl Preussner, BauR 2002, 231 (239). Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rdn. 228; Palandt/Sprau, § 634 a Rdn. 10; a. A. Lenkeit, BauR 2002, 196 (208). So z. B. Peters, NZBau 2002, 113 (119); a.A. Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rdn. 287; Raiser, NZBau 2001, 598 (601). So wohl auch Kraus, BauR 2002, 324 (325); Preußner BauR 2002, 231 (238); Acker/Bechthold NZBau2002, 529.

397

Wolfgang Koeble Kein Problem bereitet dagegen, dass auch der Erfüllungsanspruch der Regelverjährung von drei Jahren unterliegt (§ 195 BGB).27 Die Erbringung von Planungs- und/oder Überwachungsleistungen stellt ebenso wie die Erbringung von Bauleistungen ein Anerkenntnis dar (§ 212 BGB), so dass in allen diesen Fällen von einem Neubeginn der Verjährung auszugehen ist. b) Die Verjährungsfrist beginnt mit der Abnahme zu laufen. Die Abnahme von Architekten- und Ingenieurleistungen ist ein Kapitel für sich.28 Der Abnahme ist es gleichzustellen, wenn die Abnahme unberechtigt verweigert wird. Für den Fall der Kündigung sowie der einvernehmlichen Vertragsbeendigung hat die Rechtsprechung ebenfalls entschieden, dass die Gewährleistungsfrist zu laufen beginnt.2 9 Problematisch ist der Fall, in dem weder eine Abnahme erfolgt, noch eine Beendigung des Vertragsverhältnisses vorliegt, Der am Ende „hängengebliebene” Architekten- und Ingenieurvertrag führt zur 30-jährigen Verjährung der Ansprüche nach altem Recht.30 Diese 30-jährige Verjährungsfrist gibt es nicht mehr. Nachdem eine Abnahme nicht stattfindet, könnte man argumentieren, dass die Regelverjährung eingreift. Das würde zur 3-jährigen Verjährungsfrist ab Entstehung und Kenntnis und damit vielfach zu einer Verkürzung der Frist führen. Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend. Es bleibt bei der 5-jährigen Verjährungsfrist nach § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB, die Jedoch mangels Abnahme oder eines der Surrogate nicht zu laufen beginnt. Für Architekten und Ingenieure bringt dies erhebliche Gefahren mit sich. Es bleibt für sie nichts anderes übrig, als die Abnahme nach § 640 Abs.1 S. 2 BGB ausdrücklich zu verlangen. Geschieht bis zum Fristablauf nichts, dann greift die Fiktion ein. Weigert sich der Auftraggeber, dann kommt es auf die Berechtigung der Abnahmeverweigerung an und nur bei berechtigter Verweigerung beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. Ohne Einfluss ist die Neuregelung auf die sog. Sekundärverjährung. Hier bleibt es dabei, dass wegen des Schadensersatzanspruchs des Auftraggebers die eigentliche Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnt bzw. erst dann anfängt, wenn der Auftraggeber selbst sachkundig ist.31 Problematisch ist auch die Verjährung des Anspruchs auf Gesamtschuldausgleich (§ 426 BGB). Die Verjährungsfrist beträgt hier nicht mehr 30 Jahre, sondern der Anspruch unterliegt der Regelverjährung von drei Jahren (§ 195 BGB), wobei dies auch für sog. Altfälle gilt, die Frist aber erst seit 1. 1. 2002 laufen kann (Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB). Interessant ist jedoch, wann diese Frist zu laufen beginnt. Für die 30-Jährige Verjährungsfrist wurde entschieden, dass diese mit der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses zu laufen be27 28

29

30

31

So aber Kraus, BauR 2002, 524 (525). Vl. als erste Hinweise dazu die Anm. bei Locher/Koeble/Frik, HOAI, 8. Aufl., Einl. Rdn. 69 ff. m. w. N. BGH, BauR 2000, 128 = NZBau 2000, 22 = ZfBR 2000, 97; zur früheren Rechtsprechung vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium, 9. Teil, Rdn. 173. BGH, BauR 2000, 128 = NZBau 2000, 22 = ZfBR 2000, 97; zur früheren Rechtsprechung vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium, 9. Teil, Rdn. 173. Vgl. zum Ganzen: Kniffka/Koeble, Kompendium, 9. Teil, Rdn. 176; BGH, BauR 2002, 1718.

398

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts ginne. Übersetzt auf die 3-jährige Frist würde dies bedeuten, dass bereits mit der Entstehung des Mangels der Anspruch zu verjähren beginnen würde. Das hätte zur Folge, dass bereits vor Ablauf der Gewährleistungsfrist im Verhältnis zum Besteller Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung eingeleitet werden müssten. Entscheidend ist deshalb, wann von einer Kenntnis der den Ausgleichsanspruch begründenden Umstände (§ 199 BGB) auszugehen ist. Diesen Sachverhalt wird man erst bejahen können, wenn zum einen Ansprüche des Bauherrn gegen einen Gesamtschuldner geltend gemacht werden und zum anderen aus der Beteiligung des anderen Gesamtschuldners offenkundig Ausgleichsansprüche möglich sind. Damit dürften die Interessen des Gesamtschuldners gewahrt sein.

4. Leistungsverzug Architekten und Ingenieure schulden ein Gesamtwerk und keine Einzelleistungen. Daran hat sich nichts geändert. Ansprüche wegen Verzugs setzen deshalb entweder die Fälligkeit der gesamten Restleistung voraus oder die Vereinbarung bestimmter Fristen für Einzelleistungen (z. B.: Genehmigungsplanung bis zu einem bestimmten Datum). Letzteres ist jedoch kaum praktikabel. In allen anderen Fällen hat eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zur Voraussetzung, dass eine angemessene Frist für die Erbringung der gesamten Restleistung gesetzt wird.32 Angesichts der von Handwerkern, Bauunternehmern, Architekten und Ingenieuren zu erbringenden Vor- und Zwischenleistungen scheidet dies in aller Regel aus. Der Auftraggeber wird es nach wie vor sehr schwer haben, wegen Verzugs Ansprüche gegen Architekten und Ingenieure geltend zu machen.

5. Kündigung Die Vorschrift des § 649 BGB über das freie Kündigungsrecht ist glücklicherweise geblieben. Das Werkvertragsrecht enthält jedoch nach wie vor keine Regelung über die Kündigung aus wichtigem Grund. Das Kündigungsrecht für Dauerschuldverhältnisse (§ 314 BGB) greift nicht ein, weil weder Bauverträge noch Architekten- und Ingenieurverträge als Dauerschuldverhältnisse einzustufen sind.33 Zu prüfen ist, ob durch die Einführung des Kündigungsrechts für Dauerschuldverhältnisse nicht im Umkehrschluss argumentiert werden muss, dass jetzt das Kündigungsrecht, aus wichtigem Grund beim Werkvertragsrecht e contrario ausgeschlossen ist.34 Das ist jedoch zu verneinen. Die Rechtsprechung zur Kündigung aus wichtigem Grund wurde mit der Neuregelung nicht beseitigt und 32 33

34

Peters, NZBau 2002, 113 (116 Fn. 22). Peters, NZBau 2002, 113 (117); Locher/Koeble/Frik, HOAI, Einl. Rdn. 274 auch für den Projektsteuerungsvertrag. So Kraus, BauR2002, 524 (527); dazu grundlegend Voit, BauR2002, 1776.

399

Wolfgang Koeble zwar auch unter den Aspekten nicht, dass die Sanktionen für positive Forderungsverletzung im Gesetz festgelegt wurden. Die Kündigung wegen tief greifender Vertrauensstörung ist trotz der gesetzlichen Neuregelung im Allgemeinen Teil des Schuldrechts unberührt geblieben. Auch früher waren schon über die entsprechende Anwendung der Unmöglichkeitsregeln für die positive Forderungsverletzung Sanktionen im Allgemeinen Schuldrecht aufgeführt und trotzdem hatte die Rechtsprechung das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund für den Bau-, Architekten- und Ingenieurvertrag bejaht. Die Frage ist ferner, ob sich an den Voraussetzungen für die Kündigung aus wichtigem Grund etwas geändert hat. Wird die Kündigung z. B. auf grobe Mängel gestützt, dann stellt sich die Frage, ob hier als Voraussetzung nach wie vor eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung notwendig ist. Dem könnte entgegengehalten werden, dass die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im Gewährleistungsrecht entfallen ist und an deren Stelle die bloße Setzung einer angemessenen Frist und deren Ablauf getreten ist. Richtig ist es, diese bloße Fristsetzung für die Kündigung nicht ausreichen zu lassen, weil der entscheidende Maßstab die Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit und die nachhaltige Vertrauensstörung ist. Derartiges kann alleine auf der Grundlage der Setzung einer angemessenen Frist und deren Ablauf noch nicht bejaht werden. Vielmehr bedarf es - im Mängelbereich - des Vorliegens von Mängeln in erheblichem Umfang, die auch mindestens den Rücktritt rechtfertigen würden (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Darüber hinaus muss aus Gründen der Kooperationspflicht verlangt werden, dass der Auftraggeber eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vornimmt. Nur so - mit dieser Signalwirkung - lässt sich bei nachbesserungsfähigen Mängeln die Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen.35 Einer solchen „Abmahnung” bedarf es freilich bei tiefgreifender Vertrauensstörung nicht.

II. Auswirkungen auf das Honorarrecht 1. Der Honoraranspruch auf der Grundlage des Mindestsatzes nach HOAI oder auf der Basis einer wirksamen Honorarvereinbarung ist vom neuen Recht inhaltlich nicht betroffen. Das gilt sowohl für die Höhe des Honorars als auch für die Anforderungen an Honorarvereinbarungen und schließlich auch für die Fälligkeit des Honoraranspruchs (zum Transparenzgebot vgl. unten 3.). Diese richten sich nach wie vor nach den Bestimmungen der HOAI. Einzige Ausnahmen sind die Zinsen auf prüfbare Abschlagszahlungs- und Schlusszahlungsforderungen. Im bisherigen Geltungsbereich findet hier § 284 Abs. 3 BGB a. F. Anwendung. Die Neuregelung in § 286 Abs. 3 BGB stellt klar, dass Verzug spätestens 30 Tage nach Zugang der Rechnung eintritt. Die Prüfungsfrist für den Auftraggeber ist damit klar und eindeutig festgelegt. Die Höhe der Zinsen bemisst sich nach §§ 288, 247 BGB. 35

Ebenso Locher/Koeble/Frik, HOAI, Einl. Rdn. 282 auch zur Frage, wann Rücktritt oder Kündigung aus Sicht des Auftraggebers richtig sind.

400

Einzelfragen des Architekten- und Ingenieurrechts 2. Im Hinblick auf die Verjährung des Honoraranspruchs gibt es keine spezifisch architekten- oder ingenieurrechtlichen Besonderheiten. Der Fristbeginn ist wie bisher davon abhängig, dass nicht nur die Leistungen „vertragsgemäß erbracht“ werden, sondern dass auch eine prüfbare Schlussrechnung übergeben wird (§ 8 Abs. 1 HOAI). Allerdings gilt statt der bisherigen Frist von zwei Jahren (im Ausnahmefall vier Jahre, wenn § 196 Abs. 2 BGB a. F. vorlag) die Regelverjährungsfrist von generell drei Jahren für die Honorarforderung. Sie beginnt am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist und „durchsetzbar“ wird und der Auftragnehmer von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat. Es bleibt für den Verjährungsbeginn also dabei, dass im entscheidenden Jahr beide Umstände (vertragsgemäße Erbringung der Leistungen und Übergabe der prüfbaren Schlussrechnung) zusammentreffen müssen. Auch hinsichtlich der Übergangsvorschriften gibt es für den Architekten- und Ingenieurvertrag gegenüber den Bauverträgen keine Besonderheiten, zumal weder Architekten- noch Ingenieurverträge als Dauerschuldverhältnisse anzusehen sind (vgl. Art. 229 EGBGB § 5). 3. Mit der Neuregelung des AGB-Rechts wurde das Transparenzgebot in das BGB eingeführt (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB betreffend vom dispositiven Recht abweichende rechtliche Regelungen und § 307 Abs. 3 BGB betreffend preisbestimmende und leistungsbestimmende Klauseln). Grundlage dafür waren Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 S. 1 der sog. Klauselrichtlinie der EU i. V. 5.4.1993. Bedeutung hat dies zunächst im Hinblick auf die Beschreibung des Leistungserfolgs in Architekten- und Ingenieurverträgen. Soweit es möglich ist, wird von den vertraglichen Regelungen in Zukunft eine genaue Beschreibung des Bauwerks sowie anderer Ergebnisse und insbesondere der Leistungen notwendig sein36 . Zu klären wird sein, inwieweit das Transparenzgebot die üblichen Honorarvereinbarungen bestimmen kann. Die Bedeutung der preisrechtlichen Regelungen und der Abrechnungsvorschriften der HOAI wird hier zu klären sein. Z. T. wird die Auffassung vertreten, eine Honorarvereinbarung sei intransparent, wenn der Auftraggeber - anders aus der Sicht des Auftragnehmers - zur Ermittlung des Honorars auf die HOAI angewiesen sei und er mit dem System der HOAI nicht vertraut sei.37 Die gegenteilige Meinung hält die zwar teilweise schwer zugänglichen Honorarvorschriften nicht für intransparent, weil sie immerhin einen fairen Preisvergleich ermöglichen.38 Für die zuletzt genannte Auffassung spricht, dass § 307 BGB keine Transparenzkontrolle von Verordnungen ermöglichen dürfte. Hinzu kommt ferner, dass gerade bei Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) die Honorarvereinbarung unwirksam wäre und der Mindestsatz gelten würde (§ 4 Abs. 4 HOAI). 36

37 38

Die Möglichkeiten einer genauen Leistungsbeschreibung sind äußerst beschränkt; vgl. die positiven Ansätze bei Eich, BauR 2002, 1021 und Rauch, Verträge am Bau, S. 133. So eingehend Thode, NZBau 2002, 360 (366). Kniffka, Online-Kommentar, § 633 Rdn. 30

401

Wolfgang Koeble Im Hinblick auf sonstige Honorarvereinbarungen, die von den nach HOAI zu berechnenden Mindestsätzen abweichen, kommt das Transparenzgebot dagegen zur Geltung. Allerdings dürfte es nicht zu beanstanden sein, wenn die Parteien den „Bissatz“ oder den „Mittelsatz“ vereinbaren, weil diese Begriffe in der Verordnung bzw. in der Rechtspraxis nachvollzogen werden können.

402

Suggest Documents