Drei Zinnen vier Jahreszeiten

Titelstory Hochpustertal Die berühmten Dolomitentürme im letzten Abendlicht. Drei Zinnen – vier Jahreszeiten Vielleicht handelt es sich um ethnische ...
Author: Annika Boer
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Titelstory Hochpustertal Die berühmten Dolomitentürme im letzten Abendlicht.

Drei Zinnen – vier Jahreszeiten Vielleicht handelt es sich um ethnische Gruppen: Die einen schwören auf die Drei Zinnen im Sommer. Die anderen treiben dort am liebsten Wintersport. Und beide Gruppierungen haben ja so recht … 14

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Text und Fotos: Norbert Eisele-Hein

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Titelstory Hochpustertal Skitour durch das Altensteiner Tal auf den Sextener Stein.

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Gipfelrast am Paternkofel neben dem Sepp Innerkofler gewidmeten Gipfelkreuz. Langläufer im Frühjahr auf der Alpe Nemes, im Hintergrund die Sextener Sonnenuhr.

Roland fest im Sattel – unterhalb des Paternsattels.

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adua rockt. Ein Tamburin, zwei Gitarren und an die 25 italienische Pfadfinder sorgen für heiße Rhythmen vor der Drei-Zinnen-Hütte. Die Temperaturen sind spät am Abend immer noch mild und der Sternschnuppenhagel steigert die Ekstase. Die Musikanten verstehen ihr Handwerk. Die meisten Bergsteiger wippen mit den Füßen, während sie den magischen Ausblick auf das fantastische Dreigestirn genießen. Hugo Reider, der Hüttenwirt, der mit seinem Zwirbelbart mehr wie ein Zirkusdirektor wirkt, aber eigentlich Rechtsanwalt von Beruf ist, sieht die geringfügige Überschreitung der Hüttenruhe gelassen. Platsch! Punkt 22.10 Uhr leert sich ein Eimer Wasser aus dem dritten Stock über das Partyvolk. „Ja seid ihr denn noch ganz bei Trost?“, wettert ein müder Bergsteiger ranzig. „Hier schlafen doch auch Kinder!“ Dabei wäre die Vorstellung sowieso gleich verebbt, denn Hugo Reider hat die Schänke pünktlich geschlossen, die Kehlen trockengelegt. Auf spitzen Sohlen schleichen wir hoch ins Lager. Ein kurzer Blick mit der Stirnlampe, und tatsächlich: Die Spaßbremse liegt im Stockbett nebenan und schnarcht, dass sich die Balken biegen. Um sieben Uhr stehen wir auf. Wir wundern uns nicht schlecht, als einer der Köche schon mit etlichen Tabletts vorgegarter Spaghetti jongliert. „An so einem Tag kommen Hunderte Gäste – da müssen wir vorbereitet sein!“, erklärt er uns und stopft abermals etliche Kilo Nudeln in die riesigen Töpfe. Unser Ziel ist 2744 Meter hoch – der Paternkofel, einer

der Klettersteig-Klassiker im Hochpustertal. Wir laufen gleich mit Helm und Stirnlampe los. Was für ein Segen, denn die Nacht ne-

Pfadfinder aus Padua heizen in der Drei-Zinnen-Hütte ein.

ben dem Grizzlybären war kurz. Mein System fährt nur zögerlich hoch – scheint im stand-by-Betrieb hängen zu bleiben. Nach wenigen Minuten erreichen wir die Salsiccia – eine kecke, filigrane Felsnadel. In Nordamerika hieße diese formvollendete 25 Meter hohe Felsformation mindestens Totempfahl oder Finger Gottes und hätte garantiert eine mythologische Bedeutung angedichtet bekommen. Hier in Südtirol heißt sie lapidar Frankfurter Würstel oder eben Salsiccia. Gleich danach führt der Steig durch ein Tunnelsystem des Ersten Weltkriegs. Dort ist es dunkel, niedrig und muffig. Mein Helm schrammt nicht selten an Felsvorsprünge.

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Der Paternkofelsteig lockt die Ferratisten zuhauf – im Hintergrund glänzen die Bödenseen wie Smaragde.

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Titelstory Hochpustertal Dafür bieten die Seitenstollen häufig spektakuläre Ausblicke auf die Drei Zinnen. Was für ein Wahnsinn, die Dolomiten wie Würmer einen Apfel zu durchbohren. Nicht auszudenken, was die Soldaten in diesen Stollen physisch und psychisch erleiden mussten. Miserable Ausrüstung – Goretex und flauschige Kunstfaserschlafsäcke gab es damals noch nicht – und kaum streckten sie die Nase raus, wurden sie vom Feind aufs Korn genommen. Nach einer halben Stunde verlassen wir die Röhre. Meine Wirbelkörper melden sich nach einer schönen Streckung wieder lautstark an Ort und Stelle. Der erste Blick mit offenen Pupillen in die Freiheit ist eine einzige Lichtexplosion, der zweite Blick eine paradiesische Offenbarung. Unter uns schimmern die Bödenseen wie alpine Smaragde. Luftige Drahtseile und Stahlklammern führen kühn, aber ohne

größere Schwierigkeiten bergan. Über die schmale Gamsscharte wechseln wir auf die Südseite und treffen auf Bergsteiger, die von der Büllelejochhütte kommen. Eine kleine Bizeps-strapazierende Drahtseilkombination führt noch mal fast senkrecht bergan und erfordert gewissenhaftes Einklinken der Klettersteigkarabiner. Der restliche Aufstieg über breite Bänder und Schrofen gestaltet sich einfach. Endlich oben, baut sich rundherum das komplette Who is who prominenter Hochpustertaler Dolomitengipfel auf. Der Zwölferkogel, der Einser, die Schusterplatte … Aber fest steht: Die Wunderkinder, die Alphatierchen, der Höhepunkt der geo­ logischen Schöpfung sind die Drei Zinnen. Aus der Nordwand der Großen Zinne hallen die Kommandos mehrerer wackerer Seilschaften zu uns rüber. Kaum zu glauben, dass die glatte, weit

überhängende Wand von dem verrückten oder genialen Alexander Huber schon free solo durchstiegen wurde. Das Gipfelkreuz des Paternkofel wurde dem Sextener Bergführer Sepp Innerkofler gewidmet, der schon 1890 mit der Durchsteigung der Nordwand der Kleinen Zinne alpinistischen Ruhm erlangte. Nachdem die Italiener den Gipfel des Paternkofel bereits am 30. Juni 1915 eingenommen und mit dem Stellungsbau begonnen hatten, wusste er nur zu gut, dass die Erstürmung am 4. Juli einem Himmelfahrtskommando gleichkam. Doch Hauptmann von Wellean, der österreichische Befehlshaber, packte ihn an der Ehre. Um nicht als Feigling dazustehen, willigte Innerkofler ein. Bis heute ist unklar, ob er von den Alpini oder vom eigenen Maschinengewehr, das den Gipfelaufbau vom gegenüberliegenden Sext-

ner Stein unter Beschuss nahm, getötet wurde. Peter Kübler und Hugo Reider haben zu diesem traurigen Kapitel ein lesenswertes Buch „Kampf um die Drei Zinnen“ verfasst. Wir vollenden die Überschreitung und steigen zum Paternsattel ab. Der Wanderweg von der Auronzohütte, wo im Hochsommer unzählige Reisebusse, Camper und Pkws parken, rüber zur Lavaredohütte und weiter zur Drei-Zinnen-Hütte gleicht einer Ameisenstraße. Azyklisch unterwegs sein heißt die Zauberformel. Spätestens um 19 Uhr sind die Busse weg und das allabendliche Sonnenuntergangsspektakel um die Drei Zinnen lässt sich mit einer Handvoll Gleichgesinnter erleben. Aber es geht sogar noch besser. Szenenwechsel. Kaiserwetter. Schwer ächzt der Nadelwald unter der Last des Neuschnees. Nur langsam kriecht die Sonne über die Berge, löst kleine Schneebomben von den überfrachteten Ästen. Unsere Atemwölkchen leuchten im Gegenlicht. Die fleißig wippenden Schneeschuhe katapultieren feinen Pulverschnee in die Luft, der im Flackerlicht der Morgensonne zerstiebt. Breitbeinig wie John Wayne schlorksen wir durch die tief verschneite Prärie bzw. vom Lago Antorno hoch zur völlig verwaisten Auronzohütte. Auch die Fensterläden der Lavaredohütte sind zugenagelt. Stapfen rauf zu eben jenem Paternsattel und rutschen runter zu den weißen Kuppen der Langen Alm. Die meistfotografierte Fels-Trilogie der Alpen gehört uns heute ganz allein. Ein Schneeschuh-Sahnestück! An sich logisch. Für Skitouristen ist das Terrain uninteressant, die Abfahrt zu fad. Normale Winter-

Trail an der Zinnen-Südseite.

Blick auf die Cadini-Gruppe im Süden.

Links: Mit Schneeschuhen zum Strudelkopf, im Hintergrund die Hohe Gaisl. Rechts: Ehedem Gefechtsstollen, heute Teil eines Klettersteigs.

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wanderer haben hier keine Chance. Zumal die Zinnen-Umrundung zum Schluss beim steilen Aufschwung zum Col de Mezzo auch für Schneeschuhgeher Erfahrung im Einsatz der Frontzacken erfordert. Wir tauschen die Schneeschuhe mit den Tourenski. Klirrende Kälte im tief eingekerbten Fischleinboden. Die bald vier Meter hohen Holzpfosten der großen Anzeigentafel bei der geschlossenen Talschlusshütte spitzen gerade noch aus dem Schnee. Durch das Altensteintal spuren wir hoch zum Sextner Stein. Frischer Powder, stahlblauer Himmel – dennoch sind wir ganz allein unterwegs.

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Höhenluft schnuppern auf dem Stoneman-Trail zum Gipfel des Markinkele.

Oben am 2539 Meter hohen Gipfel sind wir wieder auf Augenhöhe mit den Drei Zinnen und können der Drei-Zinnen-Hütte fast schon aufs Dach spucken. Johlend ziehen wir die ersten Spuren in den hübsch steilen, unberührten Gipfelhang. Für den Großen Jaufen brauchen wir zwei Autos. Wir stationieren ein Fahrzeug am Pragser Wildsee. Das massive Forsthaus wirkt im Morgendunst wie die Kulisse eines Thrillers. Dann fahren wir über Schmieden zurück und biegen links ab zum Gasthof Brückele. Heute bleibt uns das Spuren anscheinend erspart. Tief hinten am Parkplatz im Pragser Tal stehen tatsächlich schon zwei Autos. Kurz vor der Rossalm erhaschen uns die ersten Sonnenstrahlen. Wir legen eine Schicht ab. Auf den Holzstadeln türmen sich gewaltige Schneemassen zu windverfrachteten Elvis-Presley-Tollen. Das langgezogene Gipfelplateau bietet bestes Bergkino. Natürlich sehen wir auch die Drei Zinnen wieder. Die spielen hier aber in Sachen Panorama bestenfalls die zweite Geige. Das Pragser Tal

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am anfang erfand edelrid das kernmantelseil.

ist das Reich der mächtigen Hohen Gaisl. Wir verzichten schweren Herzens auf den nordwestlichen Gipfelhang – er wirkt gefährlich überladen. Aber auch die südliche Variante zaubert uns ein breites Powdergrinsen auf die Gesichter. Mit der letzten Schussfahrt erreichen wir die Uferschanze und landen beinhart auf dem stocksteif gefrorenen Pragser Wildsee. Die Sonnenstrahlen haben sich längst wieder verabschiedet. Mit kräftigen Doppelstock-Schüben und geöffnetem Fersenhub queren wir das zerschrammte Eis. Wir bleiben im Pragser Tal. Peilen den Dürrenstein an.

Powdertraum – Abfahrt vom Großen Jaufen.

Tuckern zunächst am Stollbach entlang und später mit Schneeketten hoch zur Plätzwiese. Die Serpentinen werden von meterhohem Schnee flankiert. So müssen sich Bobfahrer im Eiskanal fühlen. Die Plätzwiese ist sicher eine der schönsten Hochalmen der Al-

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