Hon. Prof. Dr. Veronika Bennholdt-Thomsen SoSe 2009

Vorlesung: Subsistenzkultur Mo. 4.5.09 1.) Vorstellen des Veranstaltungsplans 2.) Einleitungsvorlesung:

Die Wirtschaft, das sind wir alle

Veranstaltungsplan 1. Woche Montag

4. 5.

Dienstag

5. 5.

Mittwoch

6. 5.

Donnerstag

7. 5.

Freitag

8. 5.

2. Woche Montag

11. 5.

Dienstag

12. 5.

Mittwoch

13. 5.

Donnerstag

14. 5.

Freitag

15. 5.

Einführung: Die Wirtschaft, das sind wir! (Hans Christoph Binswanger) Die Subsistenzperspektive (Maria Mies et al.) Gegenseitigkeit statt sozialer Gerechtigkeit (Ernst Bloch; André Gorz) "Wirtschaftswachstum": Geschichte einer Ideologie (Albert O. Hirschman, Adam Smith) Subsistenzkultur und die Ökonomie des Gebens (Genevieve Vaughan: Gift Economy) Die Ökonomie ist geschlechtlich/ Das Geschlecht ist ökonomisch definiert (Genevieve Vaughan) Die Subsistenzkultur sprechen (Genevieve Vaughan) Subsistenzkultur in der Stadt (Daniel Dahm/ Gerhard Scherhorn) Bäuerliches Wirtschaften als Vorbild für die Gesamtwirtschaft (Möschberggespräche 2009) Entkommerzialisierung, bedingungsloses Grundeinkommen, oder was? Gruppenarbeit/ Prüfungsleistung

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Die Wirtschaft, das sind wir alle z Ziel: { Entmystifizieren von Ökonomie, gegen Verhaltensweise „davon verstehe ich sowieso nichts“ { Gegen: sich ohnmächtig fühlen sich ohnmächtig erklären sich ohne Verantwortung an dem, wie Wirtschaft läuft, zu betrachten { Gegen: Wirtschaft sind die da oben, die BankerInnen, PolitikerInnen, KonzernherrInnen { Wiederaneignung des Abgespaltenen

z Methode: { Dekonstruktion von populären Glaubenssätzen und Wissenschaftsaussagen

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Die Wirtschaft, das sind wir alle

z Herrschender Wirtschaftsbegriff: { „Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut“ { Arbeit und Produktion für das Lebensnotwendige wird unsichtbar: die Versorgungswirtschaft von Müttern, Frauen insg., Bäuerinnen und Bauern

z Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Klimakrise, Ernährungskrise … Zivilisationskrise z Zivilisation df.: { 1.) gesellschaftliches Naturverhältnis { 2.) Generationenverhältnis; 3.) Geschlechterverhältnis { 4.) das politische oder zivile Verhältnis; 5.) Transzendenzverhältnis

(Renate Genth, Zivilisationskrise und Zivilisationspolitik, in: C. von

Werlhof, Hg., Aufbruch aus dem Patriarchat – Wege in eine neue Zivilisation?, Beiträge zur Dissidenz, Nr. 23, Ffm: Peter Lang, 2009, Ms. S. 7) 4

Die Wirtschaft, das sind wir alle

JEAN ZIEGLER, DAS IMPERIUM DER SCHANDE, MÜNCHEN: BERTELSMANN 2005 „Die letzten Dämme der Zivilisation drohen zu brechen. …Die kosmokratische Barbarei kommt mit Riesenschritten voran. … Das Gefühl der Schande ist eines der konstitutiven Elemente der Moral“… Aber es wird im Dienste des Wirtschaftswachstums zum Schweigen gebracht. „Die Herrscher des Imperiums der Schande organisieren ganz bewusst den Mangel. … Logik der Profitmaximierung . … Mehr als 10 Millionen Kinder unter 5 Jahren sterben pro Jahr an Unterernährung, Seuchen und Wasserverschmutzung. … Diese Kinder werden nicht von einem objektiven Mangel an Gütern vernichtet, sondern von der ungleichen Verteilung dieser Güter. Also von einem künstlichen Mangel. … Vor vierzig Jahren litten 400 Millionen Personen an permanenter und chronischer Unterernährung. Heute sind es 842 Millionen.“ (S. 30-32) 5

Die Frage der Mittäterschaft

Was ist Wirtschaft? - besser - Was ist wirtschaften? „Ohne Menschen keine Wirtschaft!“ (Andrea Baier, V.B-Th, Brigitte Holzer: Ohne Menschen keine Wirtschaft. Oder: Wie gesellschaftlicher Reichtum entsteht. Berichte aus einer ländlichen Region in Ostwestfalen, oekom, München 2005)

Wirtschaften

= = =

= ≠

gesellschaftl. Vorgang, an dem wir alle beteiligt sind wirtschaftliches Handeln das Leben aufrecht erhalten durch Arbeit und Produktion

die Weise, wie ich mich/ wir uns in der Welt verwirklichen Eigengesetzlichkeit jenseits von uns, jenseits der menschlichen Gesellschaft 6

Die Frage der Mittäterschaft

Vandana Shiva, bei IPPNW- Kongress, Berlin, Mai 2003 z „Globalization“ (Globalisierung der Märkte) ist nicht nur • „blood for oil“, sondern auch • „blood for water“ • „blood for soil“ • „take over of life“ z „The death of national economy is the birth of national fundamentalism“ z „Cultural nationalism and globalization are partners z „The globalized economy is an economy of death

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Die Frage der Mittäterschaft Zweifel angesichts der „Krise“: Arbeitslosigkeit; Betroffene sind Opfer Aber Cimarrones: Wo ist unser „Urwald“? Wildnis in uns! Freiheit in uns! Zu Herrschenden gehören die Beherrschten: Macht wird ausgeübt (von oben) u. zugesprochen (von unten)

Subsistenzkultur: Die Kultur dessen, was wir notwendig brauchen zum Leben: Essen, Trinken, ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Geselligkeit. Kultur der Subsistenz ist die dem entsprechende Weltanschauung (blicken auf die Subsistenz/ von der Subsistenz her) und sind die dem entsprechenden Werte, die unsere Entscheidungen prägen: Gutes Leben oder Konsumismus

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Die Frage der Mittäterschaft

Zwischen Zwangsstruktur und Mittäterschaft: Das Geld Was ist Geld? Wie gehen wir mit Geld um? Was projizieren wir auf Geld? Ist Geld für uns = Existenz? Hans Christoph Binswanger, Geld und Magie. Deutung und Kritik der modernen Wirtschaft, Stuttgart/ Wien: Edition Weitbrecht, 1985 z Alchemistisch Blei (Symbol des Vergänglichen) zu Gold (Symbol des Unvergänglichen) zu verwandeln = künstliches Gold { Der Mensch will die „Natur ändern „ { „…diesseits der Zeit aus der Zeit, diesseits des Todes aus der Vergänglichkeit auszubrechen“ { Wiederholung der Kosmogonie: die Stoffe sterben und auferstehen, um … in Gold verwandelt zu werden“ (12-13). { „eine wertlose Substanz in eine wertvolle verwandelt“ (22)

z = es entsteht ein neues, typisch patriarchales Naturverhältnis z Ende der alten, Beginn der neuen Alchemie: Papier in Geld verwandelt

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Die Frage der Mittäterschaft

Der papierene Geldschein ist ein Wert – warum und wie? { { {

Durch den Glauben an die Macht des Herrschers Kollektive Magie Zwangsstruktur: Die Macht/ der Herrscher in uns

„Was gewinnen wir, wenn wir wissen, dass die Alchemie nicht der Vergangenheit angehört, sondern fortwirkt und wir mitten in einem alchemistischen Prozess drinnen stehen?“ (56) 1. 2. 3. 4.

Alchemie = „Fortsetzung des Schöpfungsprozesses durch den Menschen“. Alchemie steht in radikalem Gegensatz zu „nichts wird aus nichts, nichts wird zu nichts“ (1. Hauptsatz der Thermodynamik) = die Schöpfung als gegeben vorausgesetzt Gewinn und Zins, wenn alle Erträge/ Einnahmen größer als Aufwendungen/ Ausgaben. „Dies ist aber nur möglich, wenn ständig Geld in die Wirtschaft einfließt“ (48). Einsatz von Geldkapital mittels Geldschöpfung ist – wofern nicht durch menschl. Leistung entstanden* - Schöpfung aus dem „Nichts“, nämlich Eigentumsergreifung der vorgeblich wertlosen Natur. (48-49)

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„Die Aneignung der Naturkräfte ist die entscheidende Voraussetzung für eine Wertschöpfung ohne Arbeit“ (35)

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Die Frage der Mittäterschaft

Nationalökonomie, die Philosophie des Als ob: als ob das Sozialprodukt Ergebnis menschlicher Leistung sei. „Um so ungehinderter kann sich hinter dieser Leistungsillusion der alchemistische Prozess der Verwandlung der Natur in Rohstoffe und der Verwandlung der Rohstoffe in Geld vollziehen“ (49) „In diesem Sinne ist die ganze Welt ein >GoldbergwerkvergoldetemGold< so weit vermehren läßt, als das >Bergwerk< der Welt überhaupt an Verwertbarem hergibt“ (50). 11

Das Geld und die Funktion des Geldes

z „Durch die Reduktion der Welt auf die Quintessenz des Geldes wird die Welt vermehrbar. Sie wächst mit dem wirtschaftlichen Wachstum“ (60). z „Die Wirtschaft als Schöpfungsakt“ z „Durch die Reduktion aller Dinge auf diesen einheitlichen Nenner [den Geldwert], … wird eine neue, höhere Seinsstufe erreicht.“ Alchemistische (alte) Philosophie: „unum et esse converguntur, >das Eine – der gemeinsame Grund aller Dinge – ist die eigentliche Existenz“. .. „Aber – und darin liegt die Gefahr – durch diese Objektivierung [Abstrahierung] entstofflicht sich die Welt.“ (81) z Modernes Transzendenzverhältnis: „Geld ist … eine Anweisung auf die Zukunft. …Die Zukunft wird in dem Maße bedroht, als das Bergwerk der Welt leergebaggert wird“ (133). z Geld gehört zum „Reich der imaginären Bedürfnisse, die die Voraussetzung des wirtschaftlichen Wachstums sind“ (167)

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Subsistenzkultur

Geld kann man nicht essen!

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