DIE STÄRKEN DER FRAUEN NUTZEN

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DIE STÄRKEN DER FRAUEN NUTZEN

Frauenleben in Oberösterreich

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DIE STÄRKEN DER FRAUEN NUTZEN: ZUSAMMENFASSUNG

"Gut gebildet … aufgeschlossen für Neues … mobil … initiativ …sehr engagiert …mit viel Durchsetzungskraft" So charakterisierten die Expertinnen, mit denen wir gesprochen haben, die Oberösterreicherinnen, so haben auch wir sie erlebt und kennengelernt, das sind typischerweise auch die Stärken, auf die die Oberösterreicherinnen selbst "stolz" sind.

Gut gebildet … aber mann "rechnet es ihnen nicht an" Die sichtbarste Veränderung in den Leben der Frauen in Oberösterreich im Verlauf der letzten Jahrzehnte betrifft die formale Ausbildung. Während Anfang der 80er Jahre jedes zweite Mädchen nach der Pflichtschu le arbeiten oder in die Lehre ging, bleiben heute drei Viertel aller jungen Frauen über die Pflichtschule hinaus im Schulsystem - und absolvieren dort immer höhe re Ausbildungen. Insgesamt ist die Bildungsbeteiligung zwar noch immer etwas geringer als im Österreichdurchschnitt, die Oberösterreicherinnen holen derzeit aber rasch auf. Auch die Stadt-Land-Unterschiede in der Bildungsbeteiligung sind in Oberösterreich noch immer sehr groß, besonders auffallend ist jedoch die starke Dynamik, die in den letzten Jahren im Hinblick auf die Ausbildungsbeteiligung bei den jungen Frauen "vom Land" zu erkennen ist. Höhere Schulen und anschließendes Studium sind für ein Drittel der jungen Frauen aus Vöcklabruck, aber auch für viele junge Frauen aus dem Bezirk Rohrbach, die wir befragt haben, heute "selbstverständlich". Die jungen Frauen sind sich dabei ihrer neuartigen Möglichkeiten im Ausbildungsbereich und ihrer guten Qualifikationen (auch im Vergleich zu ihren Müttern) durchaus bewusst. Jede fünfte der jungen Frauen im Alter 19 bis 26 Jahre, die wir befragt haben, sagt, dass sie primär einmal "auf ihre Ausbildung" stolz sei. Insgesamt besuchen heute auch in Oberösterreich mehr Mädchen als Buben höhere Schulen und machen Matura. Der Anteil der Mädchen, die im neunten Schuljahr eine Allgemeinbildende Höhere Schule besuchen, stagniert derzeit bei 21%, einem Wert, der (noch immer) etwas unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Dennoch ist diese Schulform enorm wichtig für die Qualifizierung der jungen Frauen in Oberösterreich. Die Matura einer AHS bedeutet im Allgemeinen heute auch bei den "Mädchen vom Land", dass sie anschließend

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X studieren (dürfen). Die Studienwahl selbst ist von einer zunehmenden Vielfalt geprägt und wird massiv vom Studienangebot "vor Ort" beeinflusst. Obwohl nur ein Drittel der oberösterreichischen Studentinnen in Linz studiert, ist der Anteil der Oberösterreicherinnen, die ein wirtschafts- oder rechtswissenschaftliches Studium wählen, überproportional hoch. Auch das Angebot an Fachhochschulstudiengängen wird von den Oberösterreicherinnen zunehmend genutzt, zumindest dann, wenn es keine rein technischen Ausbildungen sind. Solange "high tech" mit "high touch" (sprich mit sozialen Kompetenzen) verbunden ist, sind auch die oberösterreichischen Frauen bereit, sich im technologischen Bereich zu qualifizieren. Im Studiengang Medientechnik und -design in Hagenberg sind die Hälfte der Studierenden, im Studiengang Pro duktions- und Managementtechnik in Steyr ein Drittel der Studienanfänger weiblich. Jede dritte Oberösterreicherin besucht heute eine Berufsbildende Höhere Schule. Während die Schülerinnenzahlen in den Höheren Kaufmännischen Schulen (HAK) stagnieren, steigen sie in den Wirtschaftsberuflichen Höheren Schulen an - und zwar stärker als im Österreichdurchschnitt. Die Zahl an Mädchen, die eine technische oder gewerbliche höhere Schule besuchen, steigt zwar kontinuierlich, die Anteile sind insgesamt jedoch noch immer extrem gering und liegen unter dem österreichweiten Durchschnitt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es den Oberösterreicherinnen kaum bzw. in deutlich geringerem Ausmaß als den Österreicherinnen insgesamt gelingt, die über den berufsbildenden höheren Schulsektor erworbenen Qualifikationen auch in Karrieren und/oder Einkommen umzusetzen. Die Löhne der Maturantinnen liegen in Oberösterreich deutlich unter jenen für Gesamtösterreich, die Einkommensdifferenz zu den männlichen Maturanten, sprich im mittleren und höheren Angestelltenbereich, ist besonders groß. Etwa 40% der von uns befragten Linzerinnen sagen, dass sie in ihrem derzeitigen Arbeitsbereich unter ihren Qualifikationen eingesetzt sind. In einigen Institutionen wurden in den letzten Jahren Gleichbehandlungsgesetze und Frauenförderpläne erlassen. Vor dem Hintergrund, dass es die gut gebildeten jungen Frauen in Oberösterreich, insbesondere auch in Linz, derzeit augenscheinlich noch immer besonders schwer haben, ihre Qualifikationen in Karrieren und Einkommen umzusetzen, scheinen diese Maßnahmen und ihr Ausbau dringend notwendig.

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X Die jungen Oberösterreicherinnen, die länger im Schulsystem bleiben, wählen zunehmend auch nicht traditionelle Ausbildungen. Deutlich weniger Dynamik - weg von traditionellen Ausbildungswegen - ist insgesamt im Bereich der Lehrausbildung zu erkennen. Die Konzentration der Berufswahl der Mädchen auf einige wenige Lehrberufe hat sich in den letzten Jahrzehnten nur sehr wenig verringert und ist in Oberösterreich derzeit auch ausgeprägter als im Österreichdurchschnitt. Vor diesem Hintergrund sind die vielfältigen Aktivitäten (etwa der Berufsinformationszentren des Arbeitsmarktservice oder der Frauen- und Mädchenberatungsstellen) sehr zu begrüßen, mit denen in den letzten Jahren begonnen wurde, speziell den Mädchen (und deren Eltern!) eine größere Vielfalt an Optionen für die Berufswahl aufzuzeigen. Spezifische Unterstützung in der gemeinsamen Berufswahl mit den Eltern benötigen auch die Töchter aus Migrantenfamilien. Lange Zeit stellte die Qualifizierung der Frauen einen wesentlichen Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik in Oberösterreich dar. Die berufliche Erst- oder Neuqualifizierung nach Betriebsschließungen (etwa über Arbeitsstiftungen) und "Aufschulungsmaßnahmen" für Wiedereinsteigerinnen, sprich das Vermitteln und Auffrischen von Wissen über Entwicklungen, die während einer Erwerbsunterbrechung zur Kinderbetreuung stattgefunden haben, sind für spezifische Frauengruppen auch weiterhin extrem wichtig. So beziehen sich immer hin 6% aller Qualifizierungswünsche der Frauen, die wir in Rohrbach befragt haben, auf einen (ersten) Schulbzw. Berufsabschluss. Und über alle drei Befragungsbezirke hinweg äußerte etwa jede fünfte Frau den Wunsch nach zusätzlichen Qualifikationen im EDVBereich. Insgesamt setzt sich im Bereich der Arbeitsmarktpolitik in Oberösterreich aber immer stärker die Erkenntnis durch, dass den Frauen zunehmend weniger die Qualifikationen und zunehmend mehr die adäquaten Arbeitsplätze fehlen. Oder, wie es eine Arbeitsmarktexpertin aus dem ländlichen Raum formuliert hat: "Die Ausbildungen, die die Frauen brauchen, die haben sie meistens eh. Weil so hochdotierte Arbeitsplätze gibt es bei uns nicht für Frauen." (Expertin Arbeitsmarkt)

Aufgeschlossen für Neues … stärker als die Männer? In Oberösterreich ist das Spannungsfeld zwischen dem traditionellen Bild von Frauen, die "zu Hause sein sollen, weil sie halt putzen können und wegen den Kindern" (Expertin Sozialpolitik) und dem Bild von moder nen Frauen, die gut gebildet, selbständig, unabhängig

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49 Zusammenfassung und fest im Beruf verankert ein selbstbestimmtes Leben führen, sehr stark zu spüren. Die von uns befragten Oberösterreicherinnen sind in diesem Sinne insgesamt sehr gespalten zwischen Stolz auf "die Familie … die Kinder … den Partner" einerseits und Stolz auf "die eigene Unabhängigkeit … die Selbständigkeit … die Verwirklichung der eigenen Interessen … die Karriere … die Firma" andererseits. Das, was sie beruflich erreicht haben, ist vor allem den jüngeren Frauen und den Frauen aus Linz wichtig, die eigene Unabhängigkeit insbesondere den Frauen aus Vöcklabruck.

Wo und in welchen Bereichen drängen die Oberösterreicherinnen nun aber tatsächlich auf die Neugestaltung ihrer Lebenszusammenhänge? In der Art und den Formen des Zusammenlebens sind die "Neuerungen", auf die sich die Oberösterreicherinnen einlassen, zumindest auf den ersten Blick relativ gering: Wohnen bei den Eltern bis zur Familiengründung, Heirat und ein Leben mit Partner und Kindern bilden noch immer das dominante Lebensmuster. Eine größere Vielfalt an Lebensformen findet sich nur in den städtischen Regionen Oberösterreichs: In diesen konzentrieren sich die allein lebenden, die allein erziehenden, die unverheiratet zusammenlebenden, die kinderlosen Frauen, die Frauen, die in Wohngemeinschaften leben, die Frauen, die mit Frauen leben. Und dennoch ändert sich vieles: Jede dritte der jüngeren Frauen in Oberösterreich kann sich ein Leben ohne Partner gut vorstellen. Das trifft mittlerweile auch für die jüngeren Frauen "auf dem Land" zu. Zunehmend haben auch die Oberösterreicherinnen Lebensabschnittspartner und nicht mehr unbedingt "den einen" Partner für das Leben. Die jungen Paare leben zunehmend unverheiratet zusammen, zumindest solange keine Kinder da sind. Viele Frauen leben zumindest während ausgewählter Lebensphasen "in der Stadt" alleine, mit Freundinnen, unverheiratet mit Partner, in einer Wohngemeinschaft. Stärkere Veränderungen wollen die Oberösterreicherinnen im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Derzeit steigt etwa jede dritte Frau in Oberösterreich mit der Geburt von Kindern längerfristig (zumindest einige Jahre) aus dem Erwerbsleben aus, gewünscht wird dies nur noch von etwa jeder zehnten Frau. Die Mehrzahl der von uns befragten Frauen in den Bezirken Linz, Rohrbach und Vöcklabruck würde Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung am liebsten langfristig über eine Teilzeitbeschäftigung kombinieren. Auf alle Fälle fehlen, vor allem im ländlichen Raum, Arbeits -

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49 Zusammenfassung plätze, die eine derartige Teilzeitbeschäftigung ermög lichen. Da bis jetzt maximal im Bürobereich Teilzeitarbeit angeboten wird, die mit einer Kinderbetreuung vereinbar scheint, drängen die jungen Mütter massiv in diesen Bereich, der nach Meinung der Expertinnen mitt lerweile völlig überlaufen ist. Im Zuge dieser zunehmenden Orientierung hin auf eine Erwerbstätigkeit stellen die Oberösterreicherinnen auch neue Ansprüche an ihre Partner: Sie erwarten vom Partner, dass er sich auch um die Kinder kümmert und sie erwarten eine stärkere Beteiligung an der Haushaltsarbeit. Während die oberösterreichischen Männer tatsächlich zunehmend bei der Kinderbetreuung "mithelfen", halten sie sich bei der Haushaltsarbeit noch immer sehr stark zurück: Ganze 2% der von uns befrag ten Frauen, die mit Partner leben, gaben an, dass primär der Partner für das "Boden aufwischen" in der Wohnung zuständig ist, etwa jeder zehnte Mann macht es manchmal (abwechselnd mit der Frau), in drei Viertel der Haushalte ist die Frau alleine für diese Putzarbeit zuständig - auch dann, wenn sie selbst erwerbstä tig ist. Auch die Frauen im ländlichen Raum beginnen zuneh mend, aus den Rollen und Verhaltensweisen auszubre chen, die ihnen traditionell zugeschrieben werden. Interessanterweise übernimmt derzeit das Arbeitsmarktservice die Funktion eines Katalysators zur Veränderung der Geschlechterbeziehungen im ländlichen Raum. Interessant ist dies deshalb, weil es im Verlauf der 80er Jahre massiv zur Stabilisierung eines traditionellen Familienmodells beigetragen hatte. Müttern von Kleinkindern, die sich arbeitslos meldeten, wurde einige Zeit Arbeitslosengeld, Sondernotstandshilfe und/oder Notstandshilfe ausgezahlt, ohne sich intensiv um eine Vermittlung der "aufgrund von Kinderbetreu ungspflichten behinderten" Frauen zu bemühen. Mittlerweile hat das Arbeitsmarktservice seine Politik geän dert: Frauen müssen sich nun entscheiden, ob sie tat sächlich an einer Arbeitsaufnahme interessiert sind, und wenn ja, zumindest Schulungen besuchen. Der massivste Protest gegen die neue Politik kommt von den Ehemännern, die, verbunden mit den zunehmen den außerhäuslichen Tätigkeiten der Frauen auch ihren eigenen Alltag umstellen müssen. Auf Seite der Frauen stellen die Expertinnen eine relativ große Aufbruchsstimmung fest und insgesamt eine große Offenheit zu Weiterbildung, auch bei den Älteren. Langsam dringen die Frauen in Oberösterreich im Erwerbsbereich auch in ehemals männliche Bastionen ein. Die Zahl der Juristinnen, Architektinnen, Frauen -

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ärztinnen, Technikerinnen, Wissenschafterinnen, Mechanikerinnen ist zwar noch immer sehr klein, aber immerhin im Ansteigen. Auf lokaler Ebene ist der Verwaltungsbereich noch recht fest in Männerhand, in der Verwaltung des Landes dominieren mittlerweile die Frauen. Insgesamt sind die oberösterreichischen Frauen derzeit bereits genauso viel bzw. genauso wenig in berufliche Männerdomänen eingebrochen wie die Frauen österreichweit. Die oberösterreichischen Männer sind viel weniger bereit, Frauenberufe zu ergreifen. Sie schotten sich auf ihren Erwerbsarbeitsplätzen deutlich stärker von den Frauen ab als die Frauen selbst es tun, aber auch stärker als die Männer in Österreich insgesamt. Insgesamt ist die Zahl der Selbständigen außerhalb der Landwirtschaft in Oberösterreich sehr klein, nur ein knappes Drittel der Selbständigen außerhalb der Landwirtschaft sind Frauen. Dennoch sind die Oberösterreicherinnen grundsätzlich auch am "Abenteuer Selbständigkeit" interessiert. Knapp jede Dritte der von uns befragten Frauen hat schon einmal daran gedacht, sich selbständig zu machen. Besonders intensiv denken die jungen Vöcklabruckerinnen und Linzerinnen darüber nach, sich mit den verschiedensten Geschäftsideen von Massagezentren, Lebensberatungen, der Organisation von Raveparties, Jobvermittlung, Marketing u.v.m. ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Palette der Ideen ist auf alle Fälle sehr bunt, für die Umsetzung scheinen vielen die Hürden dann doch zu groß. Frauen bestimmen zunehmend die politische Landschaft. Sie wählen heute in vieler Hinsicht "anders" als noch vor 20 Jahren - weniger konservativ, weniger die großen Parteien, zunehmend die anderen, die kleinen, die neuen Parteien, in denen sie auch verstärkt selbst aktiv sind. Und: Die Frauen emanzipieren sich auch vom Wahlverhalten ihrer Partner. Etwa ein Drittel der von uns befragten Frauen gibt an, anders als ihr Part ner zu wählen.

Sehr mobil … und trotzdem auf vielfältige Weise gehemmt "Frauen auf dem Land haben einen Radius von 50 km im Kopf, geistig weitaus mobiler als andere Frauen. Sie wissen, dass sie zur Welt gehen müssen und dass die Welt nicht zu ihnen kommt." (Expertin Regionalpolitik) Die Mobilität und das Mobilitätsverhalten von Frauen und Männern in Oberösterreich unterscheiden sich überraschend wenig voneinander: 94% der von uns befragten Frauen im Alter zwischen 19 und 50 Jahren

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X besitzen einen Führerschein. Die Autos, die es in den Haushalten der von uns befragten Frauen gibt, sind in gleichem Ausmaß auf die Frauen und ihre Partner zugelassen. Der Großteil der Frauen hat kein Problem, im Bedarfsfall ein Auto aufzutreiben. Etwas mehr als die Hälfte der Oberösterreicherinnen fahren täglich mit dem Auto. In Paarhaushalten, in denen beide erwerbstätig sind, nutzen die Oberösterreicherinnen das Auto genauso häufig wie ihre Partner für den Weg zur Arbeit. In vielem unterscheidet sich das Mobilitätsverhalten der Frauen aber auch in Oberösterreich von jenem der Männer: Zwei Drittel der weiblichen Wege sind Versor gungswege, Frauen sind im Allgemeinen "in Begleitung" unterwegs, sie kombinieren vielfach ihre Arbeitsund Versorgungswege, Frauen sind nachts wenig unter wegs. Insgesamt nutzen die Oberösterreicherinnen das Auto intensiver als die Frauen im Österreichschnitt (ohne Wien). Insbesondere die Frauen im Alter zwischen 27 und 37 Jahren sind fast nur mit dem Auto unterwegs, in Ausnahmefällen auch alternativ zu Fuß. Die hohe Intensität der Autonutzung der Oberösterreicherinnen hat auch damit zu tun, dass die vielfältigen Versorgungsfahrten, welche die Frauen gerade in diesem Alter zu erledigen haben, zu Orten, die immer weiter auseinander liegen, kaum mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Fahrrad zu bewältigen sind - schon gar nicht in Begleitung von Kindern. Überraschend gering sind auch die Unterschiede in den wohnortbezogenen Wanderungen von Frauen und Männern in Oberösterreich. Das generelle Niveau der Wanderungsintensität ist ähnlich hoch, die Grundrichtung der Mehrzahl der Wanderungsströme ist die gleiche. Zur Ausbildung und für den ersten Arbeitsplatz ziehen die jungen Frauen und Männer nach Linz, später kehren sie eventuell "aufs Land" zurück oder übersiedeln zumindest ins städtische Umland. Insgesamt zieht es aber auch die oberösterreichischen Frauen etwas stär ker und längerfristiger "in die Stadt" als die Männer. Insgesamt ist es zwar noch immer "typischer", dass die Frauen im Zuge einer Partnerschaftsgründung an den Wohnort des Mannes ziehen, immer häufiger zieht jedoch auch der Partner "zur Frau" - oder beide gemeinsam an einen neuen Wohnort. Frauen sind auch beruflich sehr mobil. Zwei Drittel der von uns befragten Frauen haben bereits zwei oder mehr Jobwechsel hinter sich, ein Drittel war zumindest einmal arbeitslos, jede zweite Frau hat im Verlauf ihres bisherigen Erwerbslebens bereits das berufliche Tätigkeitsfeld gewechselt. Ein Großteil dieser Berufswechsel

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49 Zusammenfassung führt in Gesundheits-, Sozial-, Reinigungs- und Büroberufe. Im Allgemeinen sind die beruflichen Tätigkeits wechsel der Frauen nicht mit beruflichem Aufstieg verbunden. Nur ein kleiner Teil der Frauen konnte explizit "Karriere" machen. Die Tätigkeitswechsel der Frauen erfolgen vor dem Hintergrund, dass sie Jobs suchen, die es erlauben, Familie (Kinder) und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden. "Frauen brauchen Arbeitsplätze, die ihren Bedürfnissen und ihrem Selbstbild entsprechen, nicht Qualifikationen. Sie brauchen Arbeitsplätze, die ihren Rahmenbedingungen entgegenkommen. […] Es geht um einen Arbeitsplatz, der in der Nähe ist, der irgendwie öffentlich erreichbar ist oder in derselben Gemeinde liegt. Es geht um einen Arbeitsplatz und Arbeitszeiten, die mit den Kinderbetreuungspflichten vereinbar sind und es geht um einen Arbeitsrahmen, in dem sich die Frauen wohl fühlen." (Expertin Arbeitsmarkt)

Initiativ, engagiert, mit viel Durchsetzungskraft Auf unsere Frage "Kennen Sie eine Initiative von oder für Frauen in Ihrem Umfeld oder in Ihrer Gemeinde?" haben wir von den von uns befragten 976 Frauen in den Bezirken Linz, Rohrbach und Vöcklabruck insgesamt 643 Antworten erhalten. Genannt wurden Fraueninitiati ven im Rahmen von konfessionellen, politischen oder institutionellen Zusammenhängen, Frauenselbsthilfegruppen, Frauen- und Mädchenberatungsstellen, Frauenzentren, Frauentreffs, Frauengruppen mit mehr oder weniger autonomer Ausrichtung. Auf alle Fälle eine beeindruckende Liste dessen, was auf den verschiedensten Ebenen und in den verschiedensten Zusammensetzungen von den Frauen in Oberösterreich so alles initiiert, getragen, verwaltet, genutzt wird. Mittlerweile gibt es auch eine Reihe an Netzwerken, innerhalb und außerhalb institutioneller Kontexte, die die Initiativen der Frauen auf verschiedenen Ebenen miteinander verknüpfen. So wie wir es kennengelernt haben, werden Vernetzung, Kennenlernen, Informationsaustausch, wechselseitige Vermittlungsaktivitäten und Unterstützung von den Frauen in Oberösterreich zunehmend genutzt, um den Interessen der Frauen mehr Durchschlagkraft zu verleihen.

Regionale Unterschiede in den weiblichen Lebenszusammenhängen Neben vielen (mehr oder weniger) klassischen StadtLand-Unterschieden, die im Bericht im Detail dokumentiert sind, kristallisieren sich die Spezifika der verschie-

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denen Orte bzw. Bezirke, in denen wir unsere Befra gung durchgeführt haben, kurz zusammengefasst auf folgende Punkte.

Linz … ist die Stadt der kulturellen Vielfalt; die Stadt, in der neue Formen des Zusammenlebens ausprobiert werden; eine Stadt für junge Frauen; die Region in Oberösterreich, in der Frauen noch am ehesten beruflich Karriere machen können; die Stadt der ersten autono men Fraueninitiativen, aber auch die Stadt der institu tionalisierten Frauenpolitik.

Rohrbach … ist die Region, in der im Moment am meisten umbricht: traditionelle Frauenarbeitsplätze gehen verloren, bei der Neuschaffung von Arbeitsplätzen ist viel Eigeninitiative gefragt; die jungen Frauen in Rohrbach erhalten eine zunehmend höhere Ausbildung und beginnen, die im ländlichen Raum für Frauen vorgesehenen Lebensmuster abzulehnen.

Vöcklabruck … ist die Region der größten realen beruflichen Vielfalt, der vielfältigsten Ideen, eines sehr vielfältigen Angebo tes an Kinderbetreuungseinrichtungen; die Region, in der die Frauen gerade den stärksten Bruch in Richtung "Modernität", sprich in Richtung weiblicher "Eigenstän digkeit, Selbständigkeit, Unabhängigkeit" mitmachen.

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