Die digitale Planung von Produkten und Produktionssystemen die sogenannte Digitale Fabrik umfasst ein Netzwerk von digitalen Modellen und Methoden

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Die digitale Planung von Produkten und Produktionssystemen – die sogenannte Digitale Fabrik – umfasst ein Netzwerk von digitalen Modellen und Methoden zur Simulation und Visualisierung. Ziel ist die ganzheitliche Planung, Realisierung, Steuerung und laufende Verbesserung aller wesentlichen Fabrikprozesse und ressourcen in Verbindung mit dem Produkt (VDI-Richtlinie 3633, Blatt 8, 2005). Die Aussagekraft digitaler Fabrikmodelle wird natürlich durch die Zeitstruktur und Zeitdaten der modellierten Arbeitsprozesse wesentlich beeinflusst. Für eine realitätsnahe Repräsentation von Montagetätigkeiten sollten beispielsweise die sequentiell sowie simultan durchgeführten manuellen Verrichtungen hinsichtlich des Zeitbedarfs möglichst genau analysiert werden, z.B. mit Hilfe des Verfahrens „Methods Time Measurement“ (MTM, siehe Lehreinheit 5). Zusätzlich können für eine umfassende Modellierung der Arbeitsprozesse die menschliche Leistungsvariabilität und potentielle menschliche Fehler mit in Betracht gezogen werden. Dies kann beispielsweise durch Zufallsvariablen im Arbeitsprozessmodell erfolgen.

In Abhängigkeit vom betrieblichen Funktionsbereich lassen sich verschiedene betriebliche Verwendungszwecke von Zeitdaten unterscheiden. Grundsätzlich können im industriellen Kontext mit dem produkt-, produktions-, mitarbeiterbezogenem und führungsrelevanten Verwendungsbereich vier wesentliche Bereiche von Zeitdaten unterscheiden werden. Dabei muss es Ziel der betrieblichen Planung sein, Zeitdaten nach Möglichkeit mehrfach unterschiedlichen Verwendungszwecken zuzuführen, um ein günstiges Verhältnis von Kosten der Datenermittlung zu dem Nutzen der Zeitdaten zu schaffen. Im Hinblick auf den produktbezogenen Verwendungsbereich werden Zeitdaten als Planungs- und Entscheidungsgrundlage in der Kalkulation und Angebotserstellung von Neuprodukten, in der Entwicklung und Konstruktion dieser Produkte sowie in der Fertigungs- und Qualitätsplanung verwendet. So bilden valide Soll-Zeitdaten für Arbeitspersonen und Betriebsmittel eine wesentliche Basis für eine wirklichkeitsgerechte Kalkulation der Herstellkosten eines geplanten Neuproduktes. In Bezug auf Produkte, die zum bestehenden Leistungsspektrum eines Betriebs zählen, unterstützen Zeitdaten den kompletten Prozess der Auftragsabwicklung (produktionsbezogener Anwendungsbereich), indem sie Eingang in die Produktionsplanung und -steuerung finden (Luczak und Eversheim 1999). Neben den planungsbezogenen SollZeitdaten sind über den gesamten Prozess der Auftragsabwicklung Ist-Zeitdaten erforderlich, um im Rahmen der Auftragsüberwachung Soll-Ist-Abweichungen zu erkennen und entsprechende kurzfristige Umplanungen vornehmen zu können. Der mitarbeiterbezogene Anwendungsbereich von Zeitdaten bezieht sich auf die Gestaltung von Anreizsystemen. Vorgabezeiten werden in diesen Systemen zur Festlegung einer Bezugsleistung verwendet. Diese kann motivierend und leistungsfördernd wirken, wenn der Beschäftigte eine regelmäßige Rückmeldung zu seinem Leistungsstand erhält und die Vorgabezeiten ein faires und realistisches Arbeitspensum abbilden. Durch Rückmeldungen erkennt eine Person Abweichungen auf dem Weg zum angestrebten Soll-Zustand und kann ihr Verhalten kontinuierlich am Ziel, dem Erreichen der Bezugsleistung, ausrichten. Darüber hinaus bilden Zeitdaten einen wesentlichen Input von Managementinformationssystemen und können daher als führungsrelevante Daten angesehen werden. So sind Zeitdaten erforderlich, um den Bedarf an Personal, Arbeitsmitteln und Material zu ermitteln oder eine Produktionsplanung und -steuerung (PPS) vorzunehmen.

Gliederungen nach Ablaufarten können für Arbeitspersonen, Arbeitsmittel sowie Arbeitsobjekte vorgenommen werden. Mit Hilfe dieser Systematiken können z.B. nicht wertschöpfende Bestandteile von Abläufen identifiziert und störungsbedingte Unterbrechungen im Hinblick auf ihre zeitlichen Auswirkungen im Produktionsprozess quantifiziert werden. Die Gliederung der Ablaufarten von Arbeitsperson und Arbeitsmittel entsprechen einander strukturell (siehe Folien 4-8 und 4-9). Die Begriffe Arbeitsmittel und Betriebsmittel werden im Folgenden synonym verwendet. Der Begriff des Arbeitsmittels ist in indirekten Bereichen gebräuchlicher, der des Betriebsmittel wird hingegen eher in der Fertigung benutzt. Arbeits- bzw. Betriebsmittel sind Anlagen, Einrichtungen, Maschinen, Werkzeuge und Organisationsmittel, wie z.B. Telefone, Bohrmaschinen, Handwerkzeuge, DVAnlagen etc.

Die Start- und Endzeitpunkte bei der Ausführung von Arbeitsaufträgen können statistischen Einflüssen unterliegen, beispielsweise personenbezogenen Einflussfaktoren (Anstrengung, Übung o.ä.) oder auch Umweltbedingungen (Temperatur, Beleuchtung, Lärm etc.). Ferner können Störungen im Betriebsablauf auftreten. Die daraus resultierende Streuung von Ausführungszeiten kann durch entsprechende Konfidenzintervalle abgebildet werden, die eine vordefinierte Menge der „Wahrscheinlichkeitsmaße“ (typischerweise 95% bzw. 99%) umfassen.

Die Gliederung der Ablaufarten für das Arbeitsobjekt umfasst alle Ereignisse, die bei einem bestimmten Arbietsauftrag auftreten können, während einer oder mehrerer Schichten, während einer Periode des betrieblichen Rechnungswesens (Monat, Quartal, Jahr) von der Ankunft (Wareneingang) bis zum Verlassen (Versand) des Betriebes. Ebenso wie bei den Ablaufarten für Menschen und Arbeitsmittel berücksichtigt die Ablaufgliederung für das Arbeitsobjekt nicht nur Ereignisse, die beim Zusammenwirken von Mensch, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand vorkommen, sondern auch das Liegen und Lagern. Den Ablauf der Arbeitsgegenstände von der Ankunft bis zum Verlassen des Betriebes bezeichnet man auch mit Durchlauf oder Materialfluss (REFA 1997). - Einwirken (AE) besteht in einer Form- oder Zustandsveränderung von Arbeitsobjekten, z.B. Urformen, Umformen, Fügen, Trennen, Oberflächen beschichten, Stoffeigenschaften ändern. - Fördern ist das Verändern von Arbeitsobjekten nach Lage (Handhaben) und Ort (Transport). - Zusätzliches Verändern besteht im Einwirken und Fördern, deren Vorkommen oder Verlauf nicht vorausbestimmt werden kann. - Prüfen bzw. Messen im Materialfluss.

ist

das

Kontrollieren

von

Arbeitsobjekten

- Ablaufbedingtes Liegen entsteht, wenn das Verändern und Prüfen der Arbeitsobjekte ablaufbedingt unterbrochen wird. - Zusätzliches Liegen entsteht, wenn das Verändern Arbeitsobjekte störungsbedingt unterbrochen wird.

- Lagern ist das Liegen von Arbeitsobjekten in Lagerbereichen.

und

Prüfen

der

Die Ablaufgliederung beim Arbeitsmittel umfasst Ereignisse, die beim Zusammenwirken der Systemelemente in Erfüllung einer Arbeitsaufgabe vorkommen sowie auch Ereignisse und deren Ursachen, die außerhalb dieses Zusammenwirkens liegen, wie z.B. Schäden am Arbeitsmittel (REFA 1997). - Hauptnutzung ist eine planmäßige, unmittelbare Nutzung des Arbeitsmittels im Sinne seiner Zweckbestimmung (z.B. Bohren mit Bohrmaschine). - Nebennutzung ist eine planmäßige, mittelbare Nutzung des Arbeitsmittels als Vorbereitung auf die Hauptnutzung (z.B. Bohrer austauschen). - Zusätzliche Nutzung ist Haupt- und Nebennutzung des Arbeitsmittels, deren Vorkommen oder Ablauf nicht vorausbestimmt werden kann. - Während des ablaufbedingten Unterbrechens wartet das Arbeitsmittel planmäßig auf eine Tätigkeit des Menschen, Veränderungen von Arbeitsobjekten oder auf das Ende bestimmter Ablaufabschnitte an anderen Arbeitsmitteln. - Störungsbedingtes Unterbrechen ist ein zusätzliches Warten des Arbeitsmittels infolge von technischen und organisatorischen Störungen. - Während des erholungsbedingten Unterbrechens wird die Arbeitsmittelnutzung durch Erholen des Menschen unterbrochen. - Während des persönlich bedingten Unterbrechens wird die Arbeitsmittelnutzung durch persönlich bedingte Umstände des Menschen unterbrochen.

Wird der Gesamtablauf für den Menschen, das Arbeitsmittel oder das Arbeitsobjekt wie dargestellt in Ablaufabschnitte unterteilt, dass jedem Ablaufabschnitt ein Zweck eindeutig zugeordnet werden kann, so werden die Ablaufabschnitte als Ablaufarten bezeichnet. Die Gliederung der Ablaufarten für den Menschen umfasst alle Ereignisse, die auftreten können, solange der Mensch im Rahmen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses und des Arbeitszeitgesetzes dem Betrieb zur Verfügung steht, inklusive der gesetzlichen und vertraglich geregelten Pausen.

Nach dem Kriterium der Vorausbestimmbarkeit kann zwischen planmäßig und nicht planmäßig auftretenden Ablaufarten unterschieden werden. Zu den planmäßig vorkommenden Ablaufarten des Menschen zählen „Haupttätigkeit“, „Nebentätigkeit“ und „ablaufbedingtes Unterbrechen“. Unter Haupttätigkeit wird eine unmittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit verstanden. Eine Nebentätigkeit ist eine mittelbar der Erfüllung der Arbeitsaufgabe dienende Tätigkeit. Eine zusätzliche Tätigkeit liegt vor, wenn deren Vorkommen oder Ablauf nicht im Voraus bestimmt werden kann. Im Wesentlichen gibt es vier Ursachen für eine zusätzliche Tätigkeit: 1. Organisatorische und technische Störungen im Arbeitsablauf (zusätzliche Tätigkeit = Beseitigen der Störung) 2. Freiwillige oder angeordnete Mithilfe bei anderen Personen (z.B. Beschaffung einer fehlenden Zeichnung)

3. Mangel an Information 4. Tätigkeiten ohne besonderen Auftrag (z.B. Reinigungsarbeit, dienstliche Besprechung).

Beim ablaufbedingten Unterbrechen wartet die Arbeitsperson auf das Ende eines Ablaufabschnitts, welcher beim Arbeits- bzw. Betriebsmittel oder Arbeitsobjekt selbstständig abläuft. Zu den nicht planmäßig auftretenden Ablaufarten gehören „zusätzliche Tätigkeiten“, „störungsbedingtes Unterbrechen der Tätigkeit“ und „persönlich bedingtes Unterbrechen der Tätigkeit“. Beim störungsbedingten Unterbrechen einer Tätigkeit wartet die Arbeitsperson infolge von technischen und organisatorischen Störungen sowie Mangel an Informationen. Beim persönlich bedingten Unterbrechen der Tätigkeit unterbricht die Arbeitsperson ihre Tätigkeit aus persönlichen Gründen. Erholen liegt vor, wenn die Arbeitsperson ihre Tätigkeit unterbricht, um ihre tätigkeitsbedingt aufgetretene Arbeitsermüdung abzubauen. Dies kann bspw. bei Hitzearbeit auftreten oder schwerer körperlicher Arbeit.

Die Folie zeigt ein Beispiel für eine Ablaufgliederung zur Arbeitsaufgabe “Bohren eines Loches in ein Werkstück”.

Durch Anwendung von Methoden der Zeitdatenermittlung können den einzelnen, mittels einer Arbeitsablaufanalyse identifizieren Ablaufarten Zeiten zugeordnet werden. Diese werden Zeitarten (z.B. Haupttätigkeitszeit) genannt. Zu den Zeitarten können sowohl Ist-Zeiten als auch Soll-Zeiten ermittelt werden. Ist-Zeiten sind die tatsächlich von Menschen und Arbeits- bzw. Betriebsmitteln für die Ausführung bestimmter Ablaufabschnitte benötigten Zeiten. Soll-Zeiten sind Zeiten, die Menschen und Arbeitsmittel planmäßig für die Ausführung bestimmter Ablaufabschnitte benötigen. Soll-Zeiten basieren in Abhängigkeit von der Methode der Datenermittlung direkt (z.B. REFA-Zeitaufnahme) oder indirekt (z.B. Systeme vorbestimmter Zeiten) auf Ist-Zeiten. Die Summe der Soll-Zeiten zu den Ablaufarten Haupttätigkeit und Nebentätigkeit wird als Tätigkeitszeit bezeichnet. Soll-Zeiten beziehen sich auf eine festgelegte Bezugsleistung der Arbeitsperson, die als Normalleistung oder Normleistung bezeichnet wird.

Die Summe aus der Tätigkeitszeit und der Soll-Zeit für das ablaufbedingte Unterbrechen (Wartezeit) wird Grundzeit genannt. In die Grundzeiten gehen demnach die Soll-Zeiten für die planmäßige Ausführung von Abläufen ein (REFA 1997). Die sachlichen Verteilzeiten ergeben sich aus der Summe der Soll-Zeiten für störungsbedingtes Unterbrechen der Tätigkeit und zusätzliche Tätigkeiten. SollZeiten für persönlich bedingtes Unterbrechen werden als persönliche Verteilzeit bezeichnet. Die Summe von sachlicher und persönlicher Verteilzeit wird Verteilzeit genannt. Verteilzeiten folgen einer statistischen Verteilungsfunktion und treten während des Ablaufs ungeplant mit unterschiedlicher Dauer und Häufigkeit auf. Soll-Zeiten für erholungsbedingtes Unterbrechen heißen Erholungszeit. Vorgabezeiten nach REFA (1997) sind Soll-Zeiten für von Menschen und Betriebsmitteln ausgeführte Arbeitsabläufe, die für den Menschen Grundzeiten tg, Erholungszeiten ter und Verteilzeiten tv sowie für das Betriebsmittel Grundzeiten und Verteilzeiten enthalten. Die Vorgabezeit für die Arbeitsperson heißt Auftragszeit und die Vorgabezeit für das Arbeits- bzw. Betriebsmittel Belegungszeit. Die Zeitgliederung für die Auftragszeit T ist in der Folie dargestellt. Bei dieser Zeitgliederung wird davon ausgegangen, dass zur Bearbeitung eines Auftrags ein Rüsten und Ausführen erforderlich ist und dass das Ausführen aus m Wiederholungen des gleichen Vorgangs besteht. Dieser Vorgang bezieht sich auf die Erstellung einer Einheit. Die Zeit je Einheit wird mit te abgekürzt. Für die Auftragszeit T gilt T = tr + m  te. Des Weiteren werden zwei Arten von Vorgabezeiten unterschieden: 1. Auftragsabhängige Vorgabezeiten: Sie beziehen sich auf einen konkreten Auftrag mit einer zu fertigenden Stückzahl. 2. Auftragsunabhängige Vorgabezeiten: Sie beziehen sich auf eine bestimmte Mengeneinheit (z.B. 1, 100 oder 1000 Stück).

Zur Ermittlung von Zeitdaten wurde eine Reihe von Methoden entwickelt, die sich nach unterschiedlichen Kriterien systematisieren lassen. Wird von einigen Sonderformen der Zeitdatenermittlung (z.B. Befragen, Vergleichen oder Schätzen) abgesehen, so lassen sich Zeitdaten zu Arbeitsprozessen durch kontinuierliche Beobachtungen, Stichproben-verfahren und rechnerisch-analytische Verfahren ermitteln. Zu den Verfahren der kontinuierlichen Beobachtung zählen die manuelle Zeitaufnahme und die selbsttätige Zeitmessung über Geräte. Stichprobenartige Beobachtungen werden mit dem Multimomentverfahren vorgenommen. Zu den rechnerisch-analytischen Verfahren zählen die Systeme vorbestimmter Zeiten. Die Zeitdatenermittlung über eine Regressionsanalyse stellt eine Kombination zwischen der Zeitaufnahme mittels kontinuierlicher Beobachtung und einem rechnerisch-analytischen Verfahren dar. Zeitdatenermittlungen über Systeme vorbestimmter Zeiten oder Regressionsanalysen sind sehr wirtschaftlich, wenn Planzeiten ermittelt werden sollen. Denn Veränderungen an einzelnen Zeiteinflussgrößen – bspw. aufgrund von Weiterentwicklungen am Produkt oder Arbeitsplatz – können mit geringen Anpassungen an den Daten vorgenommen werden. Nach der Art der Daten, die mit einer Methode ermittelt werden können, kann zwischen Methoden der Ist-Zeitdatenermittlung und der Soll-Zeitdatenermittlung unterschieden werden. Ist-Zeitdaten lassen sich mit dem Verfahren der Zeitmessung und dem Multimomentverfahren erheben. Werden die über Zeitmessungen ermittelten Ist-Zeitdaten über eine Leistungsgradbeurteilung normiert, entstehen Soll-Zeiten. Systeme vorbestimmter Zeiten liefern Soll-Zeiten für planmäßige, vorwiegend manuelle Tätigkeiten, ohne im Anwendungsfall zunächst Ist-Zeitdaten erheben zu müssen.

Die Zeitaufnahme ist ein statistisches Verfahren der Soll-Zeitdatenermittlung, welches auf einer Messung und Auswertung von Ist-Zeiten für einzelne Ablaufabschnitte basiert. Der Zeitmessung geht eine Beschreibung des Arbeitssystems, insbesondere der Arbeitsmethode und der Arbeitsbedingungen, voraus. Die Ermittlung der Ist-Zeiten erfolgt über ein Zeitmessgerät in Fremdaufschreibung. Zu diesen Ist-Zeiten wird der jeweilige Leistungsgrad beurteilt. Soll-Zeiten werden über eine Multiplikation der Ist-Zeiten mit dem Leistungsfaktor gebildet. Im englischsprachigen Raum wird die Methode als „stopwatch time study“ oder einfach als „time study“ bezeichnet. Die Bedeutung der Methode liegt vor allem darin begründet, dass sie flexibel einsetzbar, verhältnismäßig einfach zu erlernen ist und die intensive Beobachtung bestehender Arbeitsabläufe das Erkennen von Verbesserungspotenzialen erleichtert. Das REFA-Standardprogramm „Zeitaufnahme“ gliedert sich in acht Schritte (REFA 1997). Der erste Schritt umfasst die Festlegung des Verwendungszwecks der Zeitdaten. Ferner ist im Rahmen dieses Schritts zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Zeitaufnahme gegeben sind. So sollte der zu untersuchende Arbeitsablauf möglichst so gestaltet sein, dass die diesem zugrunde liegende Arbeitsmethode auch zukünftig unter gleichen Arbeitsbedingungen zur Anwendung kommen kann. Der zweite Schritt beinhaltet die Vorbereitung der Zeitaufnahme. Dazu zählt insbesondere, die von der Zeitstudie betroffenen Beschäftigten zu informieren. Die Schritte 3 bis 6 haben ebenfalls vorbereitenden Charakter. Im Rahmen des dritten Schrittes ist zwischen Fortschritts- und Einzelzeitmessung zu wählen. Bei der Einzelzeitmessung wird jeder Ablaufabschnitt gesondert gemessen und notiert, während bei Fortschrittszeiten jeweils die aggregierten Zeitwerte aufgeführt werden. Letztgenanntes Verfahren hat den Vorteil der Fehlerkompensation. Der vierte Schritt beinhaltet die Auswahl des zu verwendenden Zeitmessgeräts. Während früher hauptsächlich Stoppuhren zum Einsatz kamen, werden heute überwiegend mobile, elektronische Zeitdatenerfassungssysteme in Kombination mit Softwareprodukten für eine Datenauswertung am PC verwendet. Der fünfte Schritt sieht die Auswahl des Zeitaufnahmebogens vor. Diese richtet sich nach der Folge und Zahl der zu messenden Ablaufabschnitte.

Der sechste Schritt hat die Beschreibung der Arbeitsbedingungen zum Gegenstand. Dazu sind vor allem Informationen zur Arbeitsaufgabe, Auftragsnummer, Auftragsmenge, Arbeitsmethode, zum Arbeitsobjekt, Mensch, Betriebsmittel und zu den Umgebungseinflüssen in den Zeitaufnahmebogen einzutragen. Der Arbeitsablauf ist in Ablaufabschnitte zu gliedern und zu beschreiben. Beginn und Ende eines Ablaufabschnitts werden durch einen Zeitmesspunkt festgelegt. Ferner werden Bezugsmengen und Einflussgrößen erfasst. Während der Durchführung der Zeitaufnahme in Schritt 7 wird für jeden Ablaufabschnitt die Ist-Zeit gemessen. Der dieser Ist-Zeit zugrunde liegende Leistungsgrad wird auf Basis der beobachteten Intensität und Wirksamkeit der Arbeit beurteilt und dokumentiert, um individuelle Leistungsausprägungen bei der Übertragung auf „Kollektive“ zu normalisieren. Die Dauer eines Ablaufabschnitts sollte mindestens 25 Hundertstelminuten (HM) betragen, um Intensität und Wirksamkeit sicher beurteilen und notieren zu können (REFA 1997). Sind die Ablaufabschnitte kleiner als 25 HM, so kann der Leistungsgrad einmalig für einen Ablaufabschnitt oder für einen Zyklus gebildet werden. Schritt 8 beinhaltet die Auswertung der ermittelten Daten. Für diesen letzten Schritt der Zeitaufnahme existiert ein eigenes REFA-Standardprogramm „Auswertung von Zeitaufnahmen“, das sich in sechs Schritte untergliedert. Im Rahmen der Datenauswertung werden die Ergebnisse auf Richtigkeit und Vollständigkeit kontrolliert (Teilschritt 1), die IstEinzelzeiten berechnet (Teilschritt 2), eine statistische Auswertung vorgenommen (Teilchritt 3), Soll-Zeiten über den Leistungsgrad berechnet (Teilschritt 4) und zur Grundzeit tg zusammengefasst (Teilschritt 5), um abschließend die Zeit je Einheit te zu bestimmen (Teilschritt 6). Eine statistische Auswertung der Zeitdaten in Teilschritt 3 ist erforderlich, da die Zeitdaten als Stichprobeninformation aufzufassen sind. Diese Information ist auf ihre Übereinstimmung mit der Grundgesamtheit zu untersuchen. Die Güte der Übereinstimmung hängt von der Anzahl und Streuung der Einzelzeiten ab. Für die statistische Auswertung bietet REFA (1997) mit dem Streuzahlverfahren und dem Variationszahlverfahren zwei Standardprogramme an. Im Ergebnis beider Verfahren wird, ausgehend von einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%, die absolute oder relative Genauigkeit des Mittelwerts einer Einzel- bzw. Zykluszeit errechnet.

Bei der Einzelzeitmessung wird jeder Ablaufabschnitt gesondert gemessen. Die gemessene Einzelzeit ti ist dann die Dauer eines Ablaufabschnittes. Vorteile: keine Errechnung der Einzelzeiten nötig, Streuung von Messwerten sofort erkennbar. Bei der Fortschrittszeitmessung wird das Zeitmessgerät zu Beginn der Zeitaufnahme in Gang gesetzt und läuft während der gesamten Aufnahme durch. Zu den entsprechenden Messpunkten wird die Fortschrittszeit abgelesen und anschließend die Einzelzeiten ti errechnet. Vorteile: lückenlose Zeitmessung, Ablesefehler werden in der folgenden Zeitmessung ausgeglichen.

Leistungsgrad:

Die Leistungshergabe und damit auch der Zeitbedarf für den Arbeitsvollzug unterliegen, selbst bei konstanten Arbeitsbedingungen, zeitlichen Schwankungen. Gemessene Ist-Zeiten müssen daher auf Soll-Zeiten umgerechnet werden. Dies geschieht mit Hilfe des Leistungsgrades, der parallel zur Zeitmessung beurteilt wird. Die beobachtete Ist-Leistung wird dabei in Relation zu einer vorgestellten Bezugsleistung gesetzt.

Das Multimomentverfahren ist ein statistisches Verfahren der Ist-Zeitdatenermittlung, das auf Basis von Stichproben „Aussagen über die prozentuale Häufigkeit bzw. über die Dauer von vorwiegend unregelmäßig auftretenden Vorgängen und Größen beliebiger Art für eine frei wählbare Genauigkeit bei einer statistischen Sicherheit von 95% gibt“ (Haller-Wedel 1969). L.H.C. Tippett, Statistiker des Shirley-Institute of the British Cotton Industry Research Association in Didsbury, wird allgemein als der geistige Vater des MM-Verfahrens bezeichnet. Seit 1927 beschäftigte er sich mit seiner erst 1934 veröffentlichten „Snapreading-method of making time studies“ und legte damit das spätere MM-Verfahren in seinen Grundzügen fest. Seit den 1960er Jahren wird im deutschsprachigen Raum zwischen dem MultimomentHäufigkeits-Zählverfahren (MMH-Verfahren) und dem Multimoment-Zeit-Messverfahren (MMZ-Verfahren) unterschieden (Haller-Wedel 1969). Bei dem MMH-Verfahren wird durch ein Zählen von Ablaufarten an zufällig bestimmten Zeitpunkten unter Angabe einer gesicherten statistischen Genauigkeit Auskunft über die absolute oder prozentuale Häufigkeit von Vorgängen gegeben. Bei dem MMZ-Verfahren werden durch ein zufallsbestimmtes Festlegen von Zeitmesspunkten entsprechende Zeitwerte in Minuten oder Stunden ermittelt. Ihre Genauigkeit ist ebenfalls statistisch gesichert. Die Ergebnisse können durch Erhöhung der Anzahl der Notierungen (Stichprobenumfang) auf jede gewünschte Genauigkeit abgestimmt werden. In der Praxis wird überwiegend das MMH angewandt. MMH: Der Beobachter führt in einem bestimmten Turnus einen Rundgang an den Arbeitsplätzen durch und notiert dabei in einer Strichliste, welche Tätigkeit von dem Arbeiter im Augenblick seiner Beobachtung ausgeführt wird. MMZ: Zu unregelmäßigen Zeitpunkten werden vom Beobachter Notierungen vorgenommen, wobei die Art der ausgeführten Arbeit und der genaue Zeitpunkt der Beobachtung festgehalten werden müssen. Anhand dieser Notierungen lassen sich z.B. die letzte Notierung vor dem Arbeitsablauf B, die erste und letzte Notierung innerhalb des Arbeitsablaufs B und die erste Notierung nach dem Arbeitsablauf B an den Gesamtnotierungen pro Arbeitsablauf erkennen. Mit Hilfe dieser Zeitpunkte kann man für den Arbeitsablauf B eine Mindestdauer und eine Höchstdauer errechnen.

Eine Multimoment-Studie ist eine homogene, mehrfache, unregelmäßig durchgeführte, große Stichprobe gleichen Umfanges bei einer freien Auswahl „ohne Zurücklegen“. Stichprobe: Die während eines Rundganges beobachteten und notierten Merkmale als Ereignisse bilden eine Stichprobe. Aufgabe der Statistik ist es, von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit zu schließen. Homogen: Die Stichprobe muss aus einer einheitlich strukturierten Gesamtheit stammen. Mehrfach: Notieren des augenblicklichen Geschehens bei jedem Rundgang. Unregelmäßig: Die Zufälligkeit der Beobachtung gibt jedem möglichen Ereignis eine äquivalente Chance, bei einem Rundgang erfasst zu werden. Größe: Ausreichender Umfang von Beobachtungen in der Stichprobe. Gleicher Umfang: Gleiche Anzahl von Arbeitsplätzen bei jedem Rundgang. Freie Auswahl: Aus einer festgelegten Reihe von „möglichen Fällen“ (z.B. festgelegte Gliederung des Ablaufes) ist es dem Zufall überlassen, welches Ereignis notiert wird. „Ohne Zurücklegen“: Jedes Ereignis ist im Augenblick der Beobachtung lebendige Gegenwart, nach der Notierung ist es bereits unwiderrufliche Vergangenheit geworden. Das allgemeingültige Prinzip einer Multimoment-Studie wird durch die Gegenüberstellung einer üblichen Zeitmessung mit einer MMH-Aufnahme und -Auswertung anhand eines Zeitbandmodells erläutert. An fünf Arbeitsplätzen (A bis E) werden während eines achtstündigen Arbeitstages – dargestellt durch je ein waagerechtes Zeitband – vergleichbare, aber völlig unregelmäßig anfallende Tätigkeiten (z.B. Reparaturarbeiten) mit den entsprechenden Zeitarten t1 (z.B. Hauptzeiten), t2 (z.B. Nebenzeiten) und t3 (z.B. Verteilzeiten) durchgeführt. Bei der üblichen Methode des Messens der Zeitlängen durch kontinuierliche Zeitaufnahmen, z.B. mit Hilfe einer Stoppuhr, werden rechts die prozentualen Anteile der drei Zeitarten an der Schichtzeit T für jeden einzelnen Arbeitsplatz und der Durchschnitt für die gesamte Abteilung ausgewiesen. Es wird dabei deutlich, dass die Methode des Multimoment-Häufigkeitsverfahrens wesentlich effizienter ist als die Erfassung der Zeitanteile per Stoppuhr.

Das Zusammenwirken von Mensch, Betriebsmittel und Werkstoff am Arbeitsplatz ist ein lebendiger Ablauf von eng miteinander verknüpften, zwangsläufigen Vorgängen und zufälligen Störungen. Da die statistischen Grundlagen des Multimoment-Verfahrens nur die Erfassung von voneinander unabhängigen Einzelvorgängen zulassen, ist die Frage berechtigt, was bei Grenzfällen zu beachten ist, die in der täglichen Praxis auftreten können. (...) 1. Die objektive Abhängigkeit von Ereignissen: Vom Beobachtungsgegenstand aus gesehen, kann es vorkommen, dass ein zufälliges Ereignis eine Kette von gesetzmäßigen Abläufen auslöst, d.h., dass eine Ursache latent mehrere Wirkungen zulässt. (...) Es besteht (...) die Gefahr, dass nicht das zufällige Ereignis als Ursache, sondern die Vielzahl der Wirkungen beobachtet und notiert wird; dies führt zu einer Verfälschung des AufnahmeTatbestandes und damit zu einer unkorrekten Auswertung der Ergebnisse. 2. Die subjektive Abhängigkeit von Ereignissen: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter, zufälliger Vorgang sofort nach dem Moment einer Beobachtung wieder in gleicher Weise erfasst wird, ist sehr unterschiedlich. (...) Es ist bspw. unwahrscheinlich, dass ein Vorgesetzter eine erteilte Anweisung sofort nach der entsprechenden Beobachtung wiederholt (Bemerkung: Mit wachsendem zeitlichem Abstand von diesem Ereignis steigt indes die Wahrscheinlichkeit für eine Wiederholung). (...) Die subjektive Abhängigkeit wird durch extrem kurze Rundgangsintervalle begünstigt. Sie sind daher zu vermeiden. 3. Die Abhängigkeit von Ereignissen durch regelmäßige Rundgangsintervalle: Werden Rundgänge in regelmäßigen Zeitabständen durchgeführt (...), dann wird die statistische Grundregel einer freien Stichprobe verletzt: Die einzelnen Zeitpunkte des beobachteten Geschehens besitzen nicht mehr die gleiche Chance, bei solcherart gesteuerten Rundgängen notiert zu werden. Modellversuche konnten diese Abhängigkeit von Ereignissen, insbesondere bei kleinen Rundgangsintervallen, mit Bestimmtheit nachweisen. Systematische Fehler treten dann auf, wenn bestimmte Vielfache der Intervalle zwischen den Rundgängen mit organisatorischen Festlegungen (z.B. Pausenregelung), Arbeitsperioden oder Fertigungszeiten zusammenfallen.

Die zu beobachtenden Ereignisse oder Vorgänge müssen stets Teil einer umfassenden, möglichst stabilen, statistischen Grundgesamtheit sein. Bspw. sollen die Verteilzeiten der Arbeitspersonen einer mechanischen Werkstätte während eines Aufnahme-Monats eine Stichprobe aus jener Grundgesamtheit von Verteilzeiten der Arbeitspersonen derselben Werkstätte sein, seitdem und solange die räumlichen Gegebenheiten und die bestimmende Fertigungstechnik bestehen. Damit die an den beobachteten Einzelvorgängen festgestellten Merkmale als annähernd normalverteilt aufgefasst werden können, müssen sie sowohl in ausreichender Häufung auftreten als auch voneinander unabhängig beobachtet werden (z.B. die Merkmale für sachliche und persönliche Verteilzeiten). Die Bindung des Stichprobenverfahrens an die Aussagekraft der Normalverteilung gibt dem MultimomentVerfahren erst die Überlegenheit gegenüber anderen Verfahren und Methoden des Arbeitsstudiums und begründet den Ruf der Zuverlässigkeit seiner Feststellungen. Es gibt gelegentlich auftretende Fälle der Praxis, für die an Stelle der geforderten Normalverteilung eine andere Verteilung herangezogen werden muss. In diesen Fällen ist die Aussage über die Genauigkeit der Ergebnisse einer MM-Aufnahme einer Prüfung und ggf. einer Korrektur zu unterziehen. Hierbei können u.U. folgende Hinweise nützlich sein: Eine geringe Anzahl von Beobachtungen über Vorgabezeiten und Leistungsgrade wird binomisch, eine größere Anzahl normalverteilt sein. Ist-Arbeitszeiten und Zeitgrade sind oft lognormal verteilt, während Brachund Wartezeiten exponentialverteilt sein werden. Nach übereinstimmendem, fachmännischem Urteil ist für alle Untersuchungen technischer und wirtschaftlicher Art eine statistische Sicherheit von 95% einerseits ausreichend und andererseits notwendig, d.h., die theoretisch gegebene Möglichkeit eines Fehlschlusses bei zwanzig Ergebnissen wird als tragbar angesehen. (Haller-Wedel, E.: Das MultimomentVerfahren in Theorie und Praxis. München 1969) Zur Herleitung der Multimoment-Hauptformel wird angenommen, dass in Anlehnung an das vorherige Zeitbandbeispiel lediglich Ablaufart 1 (weiße Bandfarbe) von Interesse ist. Die beiden anderen Tätigkeiten (schwarze und graue Bandfarben) werden zu sonstigen Tätigkeiten zusammengefasst. Die Auftretenswahrscheinlichkeit von Tätigkeit 1 soll θ1 = 0,7 betragen. Somit ist die Auftretenswahrscheinlichkeit sonstiger Tätigkeiten θ2 = 1 - θ1 = 0,3. Die Wahrscheinlichkeit P(.), genau n1 mal Tätigkeit 1 bei den insgesamt n Notierungen zu beobachten ergibt sich nach der in der Folie dargestellten Binomialverteilung.

Die Normalverteilung zeichnet sich dadurch aus, dass Verteilungsunterschiede auf lediglich zwei Parameter, den Erwartungswert  (Mittelwert) und die Standardabweichung  zurückzuführen sind (2 bezeichnet man auch als Varianz). Die Normalverteilung besitzt einen glockenförmigen Verlauf und ist durch Symmetrie bzgl. des Erwartungswerts  gekennzeichnet. Zudem fallen bei einer Normalverteilung der Erwartungswert , Modalwert und Median zusammen. Die Varianz ² ist ein Maß für die Streuung der oben eingeführten relativen Häufigkeiten von Beobachtungen um die wahre Auftretenswahrscheinlichkeit θi. Für n gegen unendlich gelten nach dem Moivre-Laplace-Theorem die oben rechts dargestellten mathematischen Zusammenhänge für den Erwartungswert und die Standardabweichung.

Ausgehend vom Erwartungswert  der Normalverteilung sind im Intervall [ -  ;  + ] ca. 68% der Fälle zu erwarten. Durch die schnell auslaufende Verteilung liegen im doppelten Intervall [ - 2 ;  + 2] („zwei Sigma“) bereits etwa 95,5% der Beobachtungen. Die (Irrtums-) Wahrscheinlichkeit , dass Beobachtungen außerhalb dieses Zwei-Sigma-Intervalls liegen, beträgt lediglich 4,5%. Die Wahrscheinlichkeit (1 - ), die auch als statistische Sicherheit bezeichnet wird, beträgt im Intervall [ - 1,96 ;  + 1,96] genau 95% (Fläche A unter der Glockenkurve im Sigma-Intervall). Übliche Maße für die statistische Sicherheit (1 ) liegen bei 90% (z/2 = 1,645), 95% (z/2 = 1,96), 98% (z/2 = 2,326) und 99% (z/2 = 2,576). Im deutschsprachigen Raum wird bei Anwendung des Multimomentverfahrens in der Regel eine statistische Sicherheit von 95% gewählt (Haller-Wedel 1969; REFA 1997), so dass der mit z/2 abgekürzte Faktor von  den Wert 1,96 annimmt.

Im Bild dargestellt ist der Fall, dass aufgrund des großen Stichprobenumfangs die geforderte Genauigkeit fi bereits überschritten wurde. Dies kann man daran erkennen, dass das Genauigkeitsintervall [ – fi ;  + fi] das Sigma-Intervall [ - z/2;  + z/2]einschließt.

Unter Verwendung von Gleichung

2 

 

ˆ 1  ˆ n

gilt für das Streumaß fi der Ablaufart i bei einer statistischen Sicherheit von 1-α=0,95 der Zusammenhang

f i  z / 2 

ˆi  (1  ˆi ) n

(nach den ersten Rundgängen). n

Gesamtzahl der aufgenommenen Notierungen

i

aufgrund der relativen Häufigkeit geschätzter Wert der Ablaufart i

fi

berechnete absolute Genauigkeit von i

Als Maß für die Genauigkeit wird das Konfidenzintervall [i - fi ; i + fi] verwendet. Das Sigma-Intervall [i - z/2  ; i + z/2 ] sagt aus, dass mit einer bestimmten statistischen Sicherheit (1 ) der wahre, aber unbekannte Wahrscheinlichkeitswert i einer Ablaufart i innerhalb der geforderten Intervallgrenzen liegt.

Aus einer Umformung der Gleichung

f i  z / 2 

 i  (1   i ) n

resultiert die

sog. MMH-Hauptformel, die vor Beginn des ersten Rundgangs bzw. nach den ersten Rundgängen (zwecks einer Zwischenauswertung) verwendet wird:

n 

z2 / 2  ˆi  (1  ˆi) f i 2

(vor dem ersten Rundgang)

z2 / 2  ˆi  (1  ˆi ) n f i 2 (nach den ersten Rundgängen) n‘ Gesamtzahl der erforderlichen Notierungen (vor dem ersten Rundgang) N Gesamtzahl der erforderlichen Notierungen (nach den ersten Rundgängen) 𝜃‘i vor dem ersten Rundgang geschätzte relative Häufigkeit der Ablaufart i 𝜃 i aufgrund der relativen Häufigkeit geschätzter Wert der Ablaufart i f‘i geforderte absolute Genauigkeit von i bzw. ‘i Aus der Gleichung für n‘ geht hervor, dass die Anzahl der erforderlichen Notierungen n‘ mit zunehmender Genauigkeit f‘ überproportional ansteigt. Ferner nimmt der Wert 𝜃 ‘i Einfluss auf die Anzahl der notwendigen Notierungen. Um vor Beginn der Durchführung einer MMH-Studie die voraussichtliche Anzahl an Beobachtungen n‘ mittels der MMH-Hauptformel ermitteln zu können, sind Schätzungen 𝜃‘i der Anteile

der relevanten Ablaufarten i vorzunehmen bzw. Werte aus vorhergehenden zeitwirtschaftlichen Untersuchungen zu verwenden. Darüber hinaus ist die gewünschte absolute Genauigkeit f‘ festzulegen. Die Gleichung für n wird verwendet, wenn bereits Ergebnisse aus Multimomentaufnahmen vorliegen, d.h. die relevanten Häufigkeiten 𝜃i empirisch ermittelt wurden.

Unter der Voraussetzung einer bekannten (wahren) Auftretenswahrscheinlichkeit θ (in der Abbildung ist θ=0,7) lassen sich der positive und negative Flügel eines trichterförmigen Vertrauensbereichs, die obere und untere Vertrauensgrenze, berechnen. Der dargestellte Kurvenverlauf zeigt, dass die auf Basis der Beobachtungen berechneten relativen Anteile 𝜃 𝑛 der Ablaufart mit fortschreitender Anzahl an Notierungen n sich immer mehr der Auftretenswahrscheinlichkeit θ nähern und gleichzeitig die Genauigkeit f zunimmt.

Bei der Festlegung von Zielsetzung und Untersuchungsbereich sollte berücksichtigt werden, dass mit einer MMH-Studie auch mehrere Zielsetzungen verfolgt werden können, so dass durch einen Verzicht separater Studien erhebliche Synergien erzielt werden können (REFA 1997). Maßgeblich für eine Auswahl des Zeitraums der Studie sind Art, Anzahl und Periodizität der Schwankungen des Arbeitsanfalls in einem Arbeitssystem. Ausgehend von der Zielsetzung einer Studie ist in einem zweiten Schritt zu entscheiden, ob eine Informativ-, Standard- oder Spezialuntersuchung durchgeführt werden soll. Ferner ist zwischen einem einfachen, mehrfach gestuften, geschichteten und inhomogenen Untersuchungsdesign auszuwählen. Darüber hinaus ist festzulegen, ob die Datenerhebung über eine Selbst- oder Fremdaufschreibung vorgenommen werden soll. In einem dritten Schritt sind unter Beachtung der Zielsetzungen der Studie die Ablaufarten zu identifizieren, begrifflich zu bestimmen und eindeutig voneinander abzugrenzen. Um Ablaufarten zweifelsfrei durch Kurzzeitbeobachtungen erkennen zu können, sollten zusätzlich zu einer Beschreibung der Ablaufarten Erkennungsmerkmale dokumentiert werden (REFA 1997). In einem vierten Schritt ist ein Rundgangsplan zu erstellen. Unter diesem wird die skizzenmäßige Darstellung der Beobachtungsstandpunkte und folgen verstanden (REFA 1997). Zur Wahrung des Zufallsprinzips sind mehrere mögliche Beobachtungsfolgen festzulegen. Vor jedem Rundgang ist eine dieser Varianten zufallsmäßig auszuwählen. Ein Rundgangsplan soll gewährleisten, dass alle Arbeitspersonen bzw. Untersuchungsobjekte bei einem Rundgang erfasst werden (Haller-Wedel 1969). Ausgehend von dem in Schritt 2 gewählten Untersuchungsdesign und den in Schritt 3 festgelegten Ablaufarten sind die Hilfsmittel für die Multimomentaufnahme in einem fünften Schritt auszuwählen bzw. zu gestalten. Dabei ist zwischen elektronischen (z.B. Personal Digital Assistants) und konventionellen Hilfsmitteln (z.B. Klemmbrett, Stift und MMHBeobachtungsbogen) zu unterscheiden. Um sicherzustellen, dass der Ablaufartenkatalog vollständig ist, alle Ablaufarten zweifelsfrei erkannt werden können, der Rundgangsplan zweckmäßig ist und die gewählten Hilfsmittel den Anforderungen entsprechen, sind in einem sechsten Schritt Proberundgänge durchzuführen.

Zur Ermittlung der ungefähren Anzahl der erforderlichen Notierungen bzw. der Rundgangshäufigkeiten sind die relativen Häufigkeiten für diejenigen Ablaufarten, die in der Studie von Relevanz sind, abzuschätzen. Darüber hinaus sind für eine Ermittlung des voraussichtlichen Stichprobenumfangs die Konfidenzintervalle festzulegen (siehe Folie 527). Ausgehend von der Anzahl der täglich auszuführenden Rundgänge wird der Beginn jedes einzelnen Rundgangs unter Verwendung einer Zufallszahlentafel für Stunden und Minuten determiniert, sofern kein elektronischer Signalgeber verwendet wird. Bilden Arbeitspersonen den Untersuchungsgegenstand der Multimomentstudie, sind den von der Studie betroffenen Mitarbeiter die Zielsetzung und Untersuchungsmethode zu erläutern, um Widerstände und Konflikte zu vermeiden. Ebenso ist nach dem Betriebsverfassungsgesetz eine Information des Betriebsrates erforderlich. Die Validität der Ergebnisse einer Multimomentstudie hängt in hohem Maße davon ab, ob die Beobachter in der Lage sind, jede Beobachtung der richtigen Ablaufart zuzuordnen. Im Mittelpunkt der Beobachterschulung sollte daher der Ablaufartenkatalog stehen. Eine VorOrt-Schulung im Untersuchungsbereich ist hilfreich. Darüber hinaus sollten die Beobachter am Ende der Schulung mit den Rundgangsplänen, Hilfsmitteln und dem Zeitplan vertraut sein sowie Untersuchungszweck und methode kennen. Die Durchführung und Aufzeichnung der Beobachtungen erfolgt entsprechend den Rundgangs- und Zeitplänen unter Verwendung der ausgewählten bzw. gestalteten Hilfsmittel. Um dem Zufallsprinzip Rechnung zu tragen, ist es wichtig, dass der erste Moment der Beobachtung maßgeblich für die Bestimmung der Ablaufart ist. Während der Durchführungsphase ist im Regelfall eine Zwischenauswertung vorzunehmen, um zu überprüfen, ob die ermittelte Anzahl von erforderlichen Beobachtungen zutreffend war oder ein Schätzfehler unterlaufen ist. Außerdem kann festgestellt werden, ob die gewünschte absolute Genauigkeit bereits erreicht wurde. Zur Auswertung der MM-Aufnahmen sind analog zur Zwischenauswertung zunächst die Anzahl der Notierungen je Ablaufart zu zählen. Anschließend sind die relativen Häufigkeiten zu berechnen, indem jeweils der Quotient aus der Anzahl der Notierungen einer Ablaufart und der Gesamtzahl der Notierungen gebildet wird. Anschließend wird die absolute Genauigkeit für jede Ablaufart berechnet und grafisch aufbereitet.

Mit der Anwendung des MM-Verfahrens sind eine Reihe von Vor- und Nachteilen verbunden. Wesentliche Vorteile sind nachfolgend aufgeführt: • Bei einem Rundgang können (von einem Beobachter) eine größere Anzahl von Arbeitsplätzen berücksichtigt werden, so dass mit – im Vergleich zu StoppuhrStudien – geringem Aufwand repräsentative Aussagen zum betrieblichen IstZustand möglich sind. • Die gewünschte Genauigkeit der Untersuchungsergebnisse kann (bei einer im deutschsprachigen Raum verwendeten statistischen Sicherheit von 95%) frei gewählt werden. • Die Multimomentaufnahmen können von angelernten Aushilfskräften durchgeführt werden; für die Vorbereitung und Auswertung der Studie sind jedoch zeitwirtschaftliche Grundkenntnisse zwingend erforderlich. • Multimomentstudien können unterbrochen und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden, sofern der Zeitraum der Untersuchung dann noch als repräsentativ angesehen werden kann. Den Vorteilen der Methode stehen folgende Nachteile gegenüber: • Eine MMH-Studie dokumentiert lediglich einen Ist-Zustand. Zu den Ursachen des Ist-Zustands und zu den Zeiteinflussgrößen einzelner Tätigkeiten können nach Abschluss einer Multimomentstudie allenfalls eingeschränkte Aussagen gemacht werden. • Das MMH-Verfahren (über eine Fremdbeobachtung) kann nur angewendet werden, wenn die relevanten Ablaufarten während der kurzen Beobachtung eindeutig erkannt werden können. • Jede Notierung ist ein einmaliger, nicht wiederkehrender Vorgang, der sich einer nachträglichen Überprüfung entzieht.