Christian Rosenkreutz und die islamische Welt

Christian Rosenkreutz und die islamische Welt 400 Jahre Fama Fraternitatis von Jostein Sæther 1. Auflage tredition 2015 Verlag C.H. Beck im Internet:...
Author: Philipp Bruhn
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Christian Rosenkreutz und die islamische Welt 400 Jahre Fama Fraternitatis von Jostein Sæther 1. Auflage

tredition 2015 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 7323 0800 2

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Jostein Sæther Christian Rosenkreutz und die islamische Welt

400 Jahre Fama Fam Fraternitatis

J

ostein Sæther, geboren 1954 in Sunndal, Norwegen, stud studierte Anthroposophie, Waldorfpädagogik, bildende Kunst und Kunsttheor heorie in Schweden. Er lebte dort 21 Jahre und arbeitete als Maler, Ausstellun llungsdesigner und Kunstlehrer bis zu seiner Umsiedlung nach Deutschland 1998. Seitdem Seit arbeitet er u.a. als Autor, Blogger, Coach und Seminarleiter. Er hat vier Bücher her über Anthroposophie, Reinkarnation und Karma, Meditation, soziale Fragen und spirituelle Forschung geschrieben:

Wandeln unter unsichtbaren Menschen. Eine karmische Autobiogr iografie. Verlag Urachhaus 1999.

Einstimmen aufs Karma. Ein Wegbegleiter durch dynamische Medit editation zu karmischem Hellsehen. Verlag Ch. Möllmann 2008. Ganz Auge und Ohr. Wortgefechte in der Ermittlung nach Anthrop roposophie. Verlag Ch. Möllmann 2011.

roposophie. treditiWeisheit wahrnehmen. Individuation und Kulmination der Anthropo on 2014.

Jostein Sæther

Christian Rosenkre senkreutz und die islamische he Welt W 400 Jahre Fama Fraternitatis itatis Mit 30 schwarz-weißen und 10 farbigen Abbi bbildungen

© 2015 Jostein Sæther Einbandgestaltung: Jostein Sæther Lektorat: Inka Goddon Korrektorat: Christian Moos, Susanne Pinnow Verlag: tredition GmbH, Hamburg ISBN 978-3-7323-0800-2 (Paperback) 978-3-7323-0801-9 (Hardcover) 978-3-7323-0802-6 (e-Book) Printed in Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt Anfangsworte ............................................................................................................................ 9 1. Von Deutschland nach Zypern ................................................................................. 15 Die Rosenkreuzer-Manifeste .................................................................................. 17 Klöster am Rhein ......................................................................................................... 21 Stein am Rhein und das Kloster St. Georgen ................................................... 26 Der Heilige Georg und Cyrill von Gortyna ........................................................ 28 Burg Hohenklingen .................................................................................................... 31 Die Seerepubliken Venedig und Genua ............................................................. 35 Die Adelsfamilie von Lusignan in Zypern .......................................................... 38 Zypern und das europäische Festland im 14. Jahrhundert ........................ 40 Die Kleidung um 1400 .............................................................................................. 46

2. Palästina, Arabien und Ägypten .................................................................................. 49 Eine mühsame Seereise ............................................................................................ 51 Zeitgenössische Berichte von Pilgerfahrten ins Heilige Land ................... 52 Petra contra Damaskus? ........................................................................................... 56 Die Weisen von Saba ................................................................................................. 61 Die Frau im Islam ........................................................................................................ 65 Ägypten der Mamluken ........................................................................................... 68 Ibn Chaldun ................................................................................................................... 70

3. Marokko und Spanien ................................................................................................ 75 Fès in Marokko – ein Zentrum für Kunst und Wissenschaft ...................... 76 Islamische Philosophie und Poesie ...................................................................... 81 Die Reise durch Spanien .......................................................................................... 85 Die spanischen Juden im Mittelalter ................................................................... 89 Der Hundertjährige Krieg ........................................................................................ 91 5

Gründung des geheimen Ordens der Rosenkreuzer.................................... 96 Rose und Kreuz ......................................................................................................... 100

4. Die Buchkunst um 1400........................................................................................... 103 Die Brüder Limburg ................................................................................................. 104 Die islamische Buchkunst ...................................................................................... 108

5. Zum 400. Jubiläum der Fama Fraternitatis ..................................................... 111 Das Voynich-Manuskript ....................................................................................... 113 Christian Rosenkreutz‘ höchstpersönliches Notizbuch? ........................... 115 Die Schwalbenschwanzzinne ............................................................................... 117 Die Inquisition ............................................................................................................ 120

Schlussworte ....................................................................................................................... 125 Anhang................................................................................................................................. 129 Farbige Abbildungen ....................................................................................................... 129

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laubst du, deinen Schöpfer zu lieben? Liebe zuerst deinen Mitmenschen.

Mohammed

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Mohammed ist der Religionsstifter des Islam, geboren zwischen 570 und 573 – gestorben 632; sein voller Name in Arabisch: ‫ھ‬ ‫ا‬ ‫ﷲ‬ ‫أ ا‬ ‫ف ا‬ ; DMG [Umschrift des arabischen Alphabets]: Abū l-Qāsim Muḥammad b. ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Muṭṭalib b. Hāšim b. ʿAbd Manāf al-Qurašī.

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1. Das Siegel der Rosenkreuzer nach Michael Maiers Themis Aurea rea.

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Michael Maier (1569 - 1622) war ein paracelsischer Arzt und Alc Alchemist, der sich ab 1616 für die Echtheit und Ziele der Rosenkreuzerschriften ton tonangebend einsetzte. Online-Quelle der Abbildung, die nach der englischen Ausgabe Aus von 1656 wiedergegeben ist: http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Maier_%28 %28Alchemist%29

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Anfangsworte

I

m Dezember 2010 fingen die andauernden Freiheitsbemühungen, Proteste und Aufstände in mehreren Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten mit der Revolution in Tunesien an. Mancherorts sind sie in Bürgerkriege und erneuten Terrorismus umgeschlagen, die noch grausamer als vorher die Menschen ihrer Freiheit berauben, ihr Leben zerstören und Kulturverwüstung verursachen. Mir fiel dabei auf, dass einige der Orte, an denen dieser «arabische Frühling» am stärksten zum Ausdruck kam, in Ländern liegen, wo einst wichtige spirituelle Impulse und kulturelle Bestrebungen lebten. Von hier aus strahlten sie teils un3 4 5 ter Eroberungszwang muslimischer Emire , Kalifen und Sultane aber auch durch friedliche Maßnahmen islamischer Gebildeter besonders nach Nordafrika, Spanien und ins westliche Zentralasien aus. Es ist erwähnenswert, dass wir nach dem islamischen Kalender uns heute in jenem Jahrhundert befinden, in dem Europa nach der christlichen Zeitrechnung (Julianischer und Gregorianischer Kalender) die Renaissance und die Reformation durchmachte. Nach dem Kalender, der in einigen islamischen Ländern angewendet wird, entspricht 2014 numerisch – möglicherweise auch geistig – betrachtet einem Zeitraum zwischen den Jahren 6 1435-1436 n. Chr. Der islamische Kalender beginnt mit dem 1. Muharram . 3

Emir (arabisch: " ‫أ‬, DMG: amīr) bedeutet «Befehl», «Fürst», «Prinz», «Gouverneur» oder «Befehlshaber» und ist ein adeliger, historischer Titel in islamischen Ländern im Nahen Osten und Nordafrika. Ursprünglich wurde er als Ehrentitel den Nachkommen Mohammeds durch seine Tochter Fatima (606 – 632) gegeben. 4 Kalif (arabisch: #$" %, DMG: Halifa) war ursprünglich der Titel des obersten religiösen und politischen Führer der Muslime nach dem Tod des Propheten Mohammed. 5 Sultan (arabisch: ‫ن‬ , DMG: Sulṭān; «Herrschaft», «Herrscher») ist ein islamischer Herrschertitel. 6 1. Muharram (arabisch: ‫ ; م‬DMG: Muḥarram) ist der erste Monat des islamischen Kalenders.

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Dieses Datum entspricht dem 16. Juli 622 n. Chr., mit dem die islamische Tradition die Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina verbindet. Nach dem iranischen Kalender – auch als persischer Kalender oder Dschalāli-Kalender bekannt – der im Iran und in Afghanistan verbreitet ist, befinden wir uns jetzt im Jahr 1391. Womöglich bezeugen wir derzeit also den Beginn einer «Reformation» und «Renaissance» in islamischen Gesellschaften. Also könnte es wertvoll sein, auf einige Phänomene zurück zu blicken, die mit der sogenannten General-Reformation der Rosenkreuzer zu tun haben. Obgleich sie zu einem gewissen Grad das derzeitige Denken in Europa beeinflusste, setzte sie sich nicht im großen Stil durch, so wie die Rosenkreuzer es wünschten. Dies beruhte teils auf der «Langsamkeit des Herzens» der vielen führenden Kulturpersönlichkeiten, aber auch auf den späteren Kämpfen und Unruhen im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648), der in eine Reihe militärischer Konflikte mündete, die zwischen den europäischen Staaten – insbesondere auf den damaligen deutschsprachigen Kleinstaatböden – ausgefochten wurden. In einem Vortrag über die Rosenkreuzer im Herbst 2010 – innerhalb einer 2-jährigen Akademie-Reihe über «Persönliche Meisterschaft und soziale Kunst» an der ich teilnahm – beschrieb der niederländische Philo7 soph und Manichäismus-Forscher Roland van Vliet die mehrjährige «Stu8 dienreise», welche die legendäre Figur des Christian Rosenkreutz als junger Mann in mehrere islamische Länder um die Jahrhundertwende 1400 unternommen haben soll. Dabei stellte ich mir zum ersten Mal die folgende Frage: Welche Auswirkungen könnten seine Begegnungen mit der ara-

bischen Kultur und mit der islamischen und jüdischen Philosophie, Mystik, Dichtung und Buchkunst gehabt haben auf die Weltanschauung, die er später ausbildete? Er konzipierte sie ja als eine umfassende Erneuerung nicht nur des europäischen Christentums, sondern aller Wissenschaft und Kunst im Übergang vom späten Mittelalter in die frühe Neuzeit. 7

Über Roland van Vliet und «Manisola» – sein philosophisches Institut für Persönliche Meisterschaft: http://manisola.de oder http://manichaeismus-heute.de 8 Christian Rosenkreutz (auch Christian Rosenkreuz, Christian Rosencreutz oder Christianus Rosencreutz) ist laut der akademischen Wissenschaft eine legendäre Figur der christlichen Esoterik, auf den sich die Rosenkreuzer berufen. Für Rudolf Steiner und andere Forscher stellt er eine historische Persönlichkeit dar.

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eit den 1970er Jahren ist mir vertraut, wie Rudolf Steiner (1861 – 1925) das Thema Rosenkreuzer abfasste. Durch die Art, wie er seine geistige Forschung anhand vieler Inkarnationen darlegte, begriff ich, welche Stellung er jener Individualität beimaß, die sich hinter dem Namen Christian Rosenkreutz verbirgt. Anfang der 1980er Jahre studierte ich das anthroposophische Arbeitsmaterial, das der Ingenieur und Astrologe Paul 9 Regenstreif (1889 – 1981) zusammengestellt hatte. Ich las sowohl die dänische wie auch die schwedische Übersetzung der Chymischen Hochzeit des Christian Rosenkreutz Anno 1459.10 Durch ein meditatives und initiatorisches Geist-Erleben im Jahre 1996 traten dann die Inhalte der Chymischen Hochzeit für mich in eine neue Dimension ein, indem ich vergleichbare innere Vorgänge erlebte, die mein Weltbild auch bezüglich des sinnlichen Wahrnehmens erweiterten, sodass ich ein neues Verständnis des 11 Zusammenhangs zwischen Geist und Materie entwickelte. Es waren jedoch zuerst die authentischen Berichte von Roland van Vliet von seinen eigenen Studienreisen nach Palästina und zur antiken Stadt Petra, die mich inspirierten, die Fama Fraternitatis letztendlich zu lesen, um mir eigene Gedanken zu bilden, wie die einzigartige Orientreise von Chris12 tian Rosenkreutz gewesen sein könnte. Meine Literaturrecherchen zeigten jedoch bald, dass bis heute anscheinend kaum jemand sich damit beschäftigt hat, die geschichtlichen Umstände – geschweige denn die Auswirkung seiner Berührung mit den islamischen und jüdischen Kulturen – während seiner Reisejahre ausgiebig zu erforschen. Auch Rudolf Steiner, der geschichtlich sehr geschult war und in seinen Schriften und Vorträgen 9

Zur Biografie von Paul Regenstreif siehe: http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=1214

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Christian Rosenkreutz und seine Mission. Als Studienmaterial auf der Grundlage von Hinweisen Rudolf Steiners zusammengestellt und bearbeitet von Paul Regestreif. Verlag Die Kommenden, Freiburg i. Br. 1980. Johan Valentin Andreæ: Kristian Rosenkors alkemiske bröllop 1459. Livskraft,

Stockholm 1983. 11 Vergleich Jostein Sæther: Wandeln unter unsichtbaren Menschen. Eine karmische Autobiografie. Stuttgart 1999. Seite 259ff. 12 In der Fama werden nur die Initialen C. R. bzw. ein paar Male auch C. R. C benutzt. Im Text benutze ich gelegentlich auch seinen Vornamen oder die Verkürzung C. R.

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ausführliche historische Zusammenhänge darstellte, kam nur ansatzweise auf einen denkbaren Einfluss des Islamischen und Jüdischen auf Christian Rosenkreutz‘ Weltanschauung. 2010 übernahm Peter Selg in einer Publikation, die sich mit dem Rosenkreuzerthema in Steiners Werk befasst, eine Übertragung der Fama Fraternitatis durch Johannes Wilhelm Gädeke – ohne jedoch auf ihren 13 Inhalt einzugehen. Ein Jahr zuvor kam ein Buch der Kunstwissenschaftlerin Hella Krause-Zimmer (1919 – 2002) posthum heraus, in welchem sie auf die orientalische Reise der Fama Fraternitatis zwar in Zusammenhang mit den drei Rosenkreuzerschriften eingeht, aber diese nicht zusätzlich in 14 einen historischen Rahmen hineinstellt. Krause-Zimmer geht in sachlicher und profunder Weise den vielen Inkarnationen des Christian Rosenkreutz nach, die Rudolf Steiner angegeben hat. Ich führe dieses Thema hier nicht weiter aus, sondern erwähne ein paar der von Steiner angegebenen anderen R.-C.-Inkarnationen nur vorbeigehend im betreffenden Zusammenhang und konzentriere mich auf seinen ersten Lebensabschnitt im 14.-15. Jahrhundert. Leser, die dieses Karma-Thema vertiefen wollen, verweise ich auf Steiners Gesamtausgabe und auf die Werke von Regenstreif, Krause-Zimmer und Selg. Mit dieser Studie versuche ich lediglich, die angedeutete historische «Lücke» in sowohl der anthroposophischen als auch der akademischen Christian-Rosenkreutz-Forschung ein wenig zu füllen. Die Inhalte der ersten drei Kapitel veröffentlichte ich bereits 2011 auf meinem norwegischen Blog als Essays, die in Norwegisch geschrieben waren. Dieser Blog ist inzwischen eingestellt, da ich jetzt einen mehrspra15 chigen Blog betreibe. Im Dezember 2012 übersetzte ich die Texte ins Englische und Deutsche und publizierte sie dort. Die Rückmeldungen der Leser waren derart positiv, dass ich mich entschied, meine Ausarbeitungen 13

Peter Selg: Rudolf Steiner und Christian Rosenkreutz. Mit einer Übertragung der «Fama Fraternitatis» durch Johannes Wilhelm Gädeke. Verlag des Ita Wegman

Instituts, Arlesheim 2010. Weitere Übersetzungen der Fama Fraternitatis sind im Internet zu finden: http://www.anthroweb.info/erweiterungen/quellen/fama-fraternitatis.html http://www.rosenkreuzer.de/fileadmin/amorc/pdfs/Fama_Fraternitatis.pdf 14 Hella Krause-Zimmer: Christian Rosenkreutz. Die Inkarnationen. Verlag am Goetheanum, Dornach 2009. 15 http://gamamila.blogspot.de/

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auch jenen Lesern anzubieten, die ein Buch bevorzugen bzw. das Thema weiter vertiefen möchten. Ich habe den neu erarbeiteten Text mit 30 16 schwarz-weißen und 10 farbigen Abbildungen thematisch ergänzt. Darüber hinaus belegen die Fußnoten deren Quellen und geben Auskunft zu Personen und Orten.

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ie folgenden Fragen standen vor meinem inneren Auge in der Hypothesen-Bildung, in den Überlegungen und Erforschungen als Ausgangspunkt und treibende Kraft: 1. Aus welcher adeligen Familie stammte der C. R. der Fama Fraternitatis? 2. Lag das Kloster, wohin er als fünfjähriger Knabe kam, womöglich am Rhein? 3. Wie können wir uns die genaueren Umstände der geplanten Pilgerfahrt nach Jerusalem im Jahr 1393/94 vorstellen? 4. Welche Begegnungen mit anderen Pilgern und Reisenden mag der Jüngling Christian gehabt haben, die ihm die Weiterreise von Famagusta auf Zypern nach Palästina ermöglichten? 5. Welchen konkreten Inhalten der christlichen, jüdischen und islamischen Kulturen mag er durch Hörensagen, Handschriften, Erfindungen, Landkarten und Reiseberichte begegnet sein? 6. Welche historischen Ereignisse geschahen und ggf. begleiteten ihn während der Jahre seiner orientalischen Reise? 7. Welche Aspekte der jüdischen und islamischen Poesie, Philosophie und Denkweise mögen in seine rosenkreuzerische Weltanschauung in umgewandelter Art hineingeflossen sein? 8. Welchen direkten Einfluss könnte Christian Rosenkreutz auf seine Zeitgenossen und die Kunst und Kultur seiner Zeit durch Anweisungen und Unterstützungen gehabt haben? 9. Wenn C. R. es, wie die Fama berichtet, dermaßen gut schaffte, mit jüdischen und islamischen Gelehrten zu kommunizieren und als christlicher Lehrling aufgenommen und gänzlich integriert zu werden, welche rosenkreuzerisch inspirierte Haltung könnte heute angemessen sein, damit der «arabische Frühling» in der adäquaten und gewaltlosen Fortsetzung unterstützt werden und ein «jüdischer Frühling» sein Befürworten finden könnte? Nicht alle diese Fragen konnte ich genügend beantworten. Einige entzogen sich zunächst jedem quellenkritischen Gedankengang und lassen sich womöglich nur in der meditativen Betrachtung des intuitiven Denkens 16

Die verwendeten Abbildungen sind gemeinfrei.

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weiter verfolgen. Die meisten Wissenschaftler heute beurteilen das übersinnliche Forschen, das auf Rudolf Steiners anthroposophische Geisteswissenschaft baut, als bedeutungslos. Da diese Studie sich an alle wendet, gebe ich vorwiegend acht auf die historischen Begebenheiten in Zusammenhang mit Christian Rosenkreutz, die für jeden auffindbar sind. Die Fülle der geographischen und historischen Informationen, die ich aufgespürt habe und hier weitergebe, könnte manchem Leser die Puste nehmen. Diese umfassende, zugleich aber geraffte Studie ist freilich als eine Zusammenstellung gedacht, aus der weitere Studien und Ausarbeitungen über das Leben und das Wirken von Christian Rosenkreutz im 14. und 15. Jahrhundert entstehen könnten. Mein unvollendetes Universitätsstudium der allgemeinen Geschichte Mitte der 1990er Jahre in Växsjö, Schweden, machte mich nicht zu einem gelernten Historiker. Nichtsdestotrotz hat die Begeisterung für die Geschichte der ganzen Menschheit mich bei allem, was ich hier abgefasst habe, angetrieben. Diese Betrachtung lässt nur ansatzweise erahnen, wie die Umstände seiner Reise tatsächlich gewesen sein mögen. Jeder ist somit frei, darüber hinaus anhand der äußeren Gegebenheiten mit seiner einfallsreichen Fantasie eigene Reisebilder zu erzeugen. Ein Reisebericht, der Christian Rosenkreutz sozusagen auf Schritt und Tritt begleitet, könnte sich auch literarisch als Poesie, Prosa und Bühnendichtung oder als Film gestalten. 17 Ebenso könnte seine Reise im übersinnlichen Archiv des Akasha ausfindig gemacht werden, um sie dort meditativ nachzuvollziehen. Solche Werke – ob künstlerisch oder geisteswissenschaftlich – werden hoffentlich zukünftig ein Mal geschaffen. Dezember 2014

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Jostein Sæther

In meinem Buch Einstimmen aufs Karma beschreibe ich eine meditativ Methode, die auf den rosenkreuzerischen Idealen baut, wie einen Zugang gefunden werden kann zu dieser geistigen Weltchronik, in der alle menschliche Taten, Empfindungen und Gedanken der gesamten Vergangenheit als Einprägungen im Weltenäther aufgezeichnet sind.

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1. Von Deutschland nach Zyp Zypern

2. Stein am Rhein mit der Burg Hohenklingen auf einem Stich h von vo Matthäus Me18 rian, 1642.

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Matthäus Merian der Ältere (1593 – 1650) war ein schweizerisch risch-deutscher Kupferstecher und Verleger. Online-Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Hohenklingen

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ama Fraternitatis war Teil eines Titels einer Schrift hrift ohne Angabe 19

des Autors, die 1614 in Kassel veröffentlicht wurde urde. Der lateinische Begriff fama wird in der Regel als Bericht übersetzt. über Es kann aber auch Bekenntnis oder Gerücht bedeuten. Es stammtt aus dem Lateinischen famosus = berühmt, allbekannt; (französisch: fameux eux). Auf Deutsch haben wir auch das Adjektiv famos = ausgezeichnet, fabelh belhaft, großartig, hervorragend, meisterhaft, vortrefflich und vorzüglich. h. D Das lateinische Substantiv fraternitatis wird gewöhnlich als Bruderschaft übersetzt. Der lateinische Begriff frater bedeutet normalerweise Bruder uder, Cousin oder Cousine, mit denen man folglich verwandt ist, aber er kann nn auch a Bruder in einem Kloster, Verein oder einer Gesellschaft bedeuten.

3. Johann Valentin Andreae 19

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um 1628, Kupferstich von Johann Pfann. Pfan

Die Fama Fraternitatis war in eine anonyme Schrift eingebettet, et, d deren Titel lautete: Allgemeine und General Reformation, der gantzen weiten We Welt. Beneben der Fama Fraternitatis, deß Löblichen Ordens des Rosencreutzes, an n al alle Gelehrte und Häupter Europae geschrieben. Anonymes Werk, Kassel 1614. 20 Johann Valentin Andreae (1586 – 1654) war ein deutscher Theol heologe, Schriftsteller und Mathematiker mit großem Einfluss auf den württembergisc rgischen Protestantismus. Er gilt als einer der Urheber der «Rosenkreuzer-Legende» de». Online-Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Valentin_Andreae

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Die Rosenkreuzer-Manifeste

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ie Fama Fraternitatis als das erste der drei Rosenkreuzer-Manifeste ist ein kurz gefasster Überblick über die Lebensgeschichte des legendären Fr. C. R. Laut Fama versuchte er in West- und Mitteleuropa, das Wissen, das er im Nahen Osten und in Nordafrika gesammelt hatte, weiter zu verbreiten. Dies missglückte zum großen Teil wegen der Vorurteile der europäischen Gelehrten. Es wird angenommen, dass die Abkürzung Fr. für frater = Bruder steht, und dass C. R. sich auf Christian Rosenkreutz bezieht, der mit vollständigen Namen erst in der dritten Rosenkreuzerschrift Der chymischen Hochzeit erwähnt wird. Fr. C. R. ist ein armer, junger deutscher Adliger und Mönch, der im späten 14. Jahrhundert nach «Damcar» in Arabien reist, wo er in die Weisheit, die der übrigen Gesellschaft verborgen ist, initiiert wird. Er studiert anscheinend auch in Damaskus (Syrien) in Fès (Marokko) und an verschiedenen Orten in Spanien, ehe er nach Deutschland zurückkehrt, wo er zuerst mit drei nahen Freunden eine geheime Bruderschaft gründet – den sogenannten Orden der Rosenkreuzer. Später wird die langsam wachsende Bruderschaft um weitere Teilnehmer erweitert. Sie verzweigt sich in verschiedenen europäischen Ländern und besteht für mehr als hundert Jahre nach seinem Tod fort. In der zweiten Rosenkreuzer-Kundgebung, Confessio Fraternitatis, wurden weitere Informationen über die Bruderschaft bekanntgemacht. Die Confessio erschien 1615 zuerst in Latein und kurz darauf auch in Deutsch. Hier nimmt die Rosenkreuzer-Gesellschaft erneut (nach der Fama Fraternitatis) das Wort auf. Sie wiederholt den vorherigen Appell an die europäischen Gelehrten. Die Confessio ist vom protestantischen Geist stark beeinflusst, denn neben einer Kritik am Papst wird dem Bibellesen als einem wichtiger Zugang für die Rosenkreuzer eine hohe Bedeutung beigemessen. Hier wird zum ersten Mal das Geburtsdatum (1378) und das Todesjahr (1484) des Begründers C. R. erwähnt. Christian Rosenkreutz erreicht damit laut der Confessio das für seine Zeit seltene Alter von 106 Jahren. In seiner Inkarnation im 14. und 15. Jahrhundert soll Christian Rosenkreutz also diesen Namen ebenfalls in der äußeren Gesellschaft getragen haben. Die Confessio kann auch satirisch interpretiert werden, weil drei Viertel von ihr Anspielungen auf das Geheimwissen der Gesellschaft enthält. Zum Ende wird vor den Büchern falscher Alchemisten gewarnt, die «mit fantas17

tischen, seltsamen Zeichen und mit dunklen, verborgenen Reden» den Menschen betrügen, um Geld zu verdienen. Solche Bücher sollten gemieden werden, heißt es. Stattdessen werden die Leser ermutigt, die Rosenkreuzer aufzusuchen, die keinen geldlichen Lohn entgegen nehmen, sondern «ihre großen Ressourcen bereitwillig anbieten». Sowohl die Fama als auch die Confessio lösten in Europa ein starkes Echo aus. Zwischen 1614 und 1625 wurden mehr als 400 kommentierende Schriften gedruckt. Die Autoren gaben entweder Zustimmung oder äußerten Zweifel an der Existenz dieser Bruderschaft bzw. sahen die Schriften als einen Scherz an. Die Manifeste zeigen interessante ethische Grundsätze der Ordensbrüder auf. Sie versichern einander, unter anderem die Kranken ohne Bezahlung zu heilen; sich zu kleiden nach den Gewohnheiten der Bevölkerung der bereisten oder bewohnten Gegenden; einen würdigen Nachfolger zu suchen und die Bruderschaft nach dem Tod des Gründers für hundert Jahre geheim zu halten. Den Berichten zufolge kannten sie u.a. die Geheimnisse, um Gesundheit zu erreichen, die Prinzipien, um Metalle umzuwandeln und die Hilfen der Naturwesen. Nach seinem Tod wurde Christian Rosenkreutz in ein geheimes Grab gelegt, das durch spätere Ordensbrüder im Jahr 1604 wiederentdeckt wurde – also 120 Jahre nach seinem Tod. Die Grabkammer wurde als siebeneckig und mit mystischen Symbolen dekoriert beschrieben. Sie besaß einen runden Altar und hatte künstliche Beleuchtung sowie künstliche Musik und magische Spiegel. In seinen einbalsamierten Händen hielt der Tote das geheimnisvolle Buch T, dessen Initial zumeist als ein Hinweis auf Christian Rosenkreutz‘ Testament gewertet wird. Zudem wird es teilweise als göttliche Kraft (deutsch: Tau, chinesisch: Tao oder Dao, hebräisch: Taw) bzw. als Göttlich (griechisch: Theos) gedeutet, jedoch könnte es möglicherweise auch auf den Prozess der Transmutation hinweisen, durch die Mensch und Natur sich vervollkommnen werden. Am Ende dieses Buchs wird Christian Rosenkreutz als ein «dem Herzen Jesu eingepflanztes Samenkorn» bezeichnet. Christian Rosenkreutz‘ Chymische Hochzeit wurde in Straßburg im Jahre 1616 veröffentlicht. Hier wird detailliert in einer bildreichen, allegorischen, humoristischen und oft bizarren Sprache von einem Hochzeitsfest erzählt, zu dem Christian Rosenkreutz – sein Name wird zum ersten Mal voll ausgeschrieben – als Gast eingeladen ist. Er wird in die Burgkeller hinunter geführt, und bekommt die unverschleierte Göttin Venus zu 18

schauen. Später stellt sich heraus, dass dieses Schauen ihn zum Torwächter des Mysterienschlosses qualifiziert. Diese bildhafte Beschreibung führte zu der Auslegung, dass der Weg zum Geheimnis der Weisheit an Christian Rosenkreutz vorbeiführt. Die siebentägige Handlung zeigt verschiedene Stufen eines inneren Prozesses, bei dem die menschliche Seele die mystische Vereinigung mit dem Göttlichen sucht – im Mittelalter die mystische Hochzeit genannt. Die chymische Hochzeit des C. R. bedeutet eine weitere Initiationsstufe, indem das Geistige auf den ganzen Menschen zurückwirkt, sodass bis in den physischen Leib eine Verwandlung anfängt. Diese drei Rosenkreuzer-Manifeste zogen viel Aufmerksamkeit auf sich und wurden lebhaft unter den europäischen Wissenschaftlern diskutiert. Die Schriften offenbaren eine kritische Haltung der geheimen Bruderschaft gegenüber der katholischen Kirche, dem Papsttum und den Jesuiten. Die Rosenkreuzer präsentieren sich als ein verborgenes Kollegium von Gelehrten aus verschiedenen Ländern. In der Philosophie des Rosenkreuz-Ordens sind auch gewisse Ähnlichkeiten mit der umfangreichen Arbeit des deutsch-schweizerischen Arztes, Alchemisten und Astrologen Paracelsus 21 zu finden. In der Fama Fraternitatis lesen wir über ihn: «Obwohl er nicht

eingetreten ist in unserer Bruderschaft, hat er doch das «Librum mundi», das Buch der Natur, fleißig gelesen und seinen scharfen Geist daran entzündet.»22 Viele berühmte Philosophen und Wissenschaftler versuchten damals, mit den Rosenkreuzern in Kontakt zu kommen, einschließlich durch die Veröffentlichung von Verteidigungsschriften. Dazu gehörten der deutsche Alchemist und Paracelsus-inspirierte Arzt Michael Maier (1569-1622), der französische Philosoph und Mathematiker René Descartes (1596-1650), der niederländische Philosoph Baruch de Spinoza (1632-1677) und der deutsche Philosoph, Naturwissenschaftler, Mathematiker, Sinologe, Diplomat und Anwalt Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716). Michael Maier setzte sich nach dem Erscheinen der Rosenkreuzer-Manifeste für deren Echtheit und Ziele ein. Nicht ihre reformatorischen und sozialen Gesichts21

Paracelsus – mit vollem Namen: Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim; Arzt, Alchemist, Astrologe und Philosoph; vermutlich 1493 – 1541. 22 Zitiert nach Johannes Wilhelm Gädeke, in: Peter Selg: Rudolf Steiner und Christian Rosenkreutz. Verlag des Ita Wegman Instituts, Arlesheim 2010. Seite 134.

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punkte, sondern der naturwissenschaftliche Aspekt eines ines Alchemisten stand für ihn im Mittelpunkt des Interesses – im Gegensa ensatz zu Johann Valentin Andreä und seinem Kreis, die mehr den mystische schen Aspekt hervorhoben.

4. Michael Maier, 48 Jahre alt. Einziges Porträt. 1617.

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Aus: Atalanta Fugiens. Oppenheim 1618. Kupferstich von Matthäu tthäus Merian. Online-Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Maier_%28Alch Alchemist%29

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