BIHK-Wahlthemen 2013 & zur Landtagswahl Bayern 2013 Bundestagswahl 2013 Europawahl 2014

BIHK-Wahlthemen 2013 & 2014 zur Landtagswahl Bayern 2013 Bundestagswahl 2013 Europawahl 2014 Mit Anmerkungen und Änderungen verabschiedet durch die V...
Author: Jacob Engel
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BIHK-Wahlthemen 2013 & 2014 zur Landtagswahl Bayern 2013 Bundestagswahl 2013 Europawahl 2014

Mit Anmerkungen und Änderungen verabschiedet durch die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Würzburg-Schweinfurt am 13. Dezember 2012

Inhaltsverzeichnis 1. Energie und Rohstoffe / Industrie .................................................................................................... 2 1.1 Rahmenbedingungen für sichere und bezahlbare Energieversorgung schaffen ......................................................................2 1.2 Rohstoffversorgung sichern, Materialeffizienz stärken .............................................................................................................5 1.3 Industrielle Wertschöpfungsketten / Cluster ............................................................................................................................6

2. Fachkräfte ........................................................................................................................................... 8 2.1 Fachkräftesicherung durch Erschließen zusätzlicher Fachkräftepotenziale .............................................................................8 2.2 Fachkräftesicherung durch Aus- und Weiterbildung .............................................................................................................. 11 2.3 Arbeitsmarkt leistungsfähig und flexible gestalten ................................................................................................................. 13

3. Bildung .............................................................................................................................................. 15 3.1 Ganztagesschulen ................................................................................................................................................................ 15 3.2 Berufsvorbereitende Maßnahmen ......................................................................................................................................... 17 3.3 Qualifizierung der Lehrkräfte ................................................................................................................................................. 18 3.4 Durchlässigkeit zwischen beruflicher Weiterbildung und Hochschulen verbessern ................................................................ 20 3.5 Berufsbegleitendes Lernen unterstützen: Bildungschecksystem zielgruppenorientiert aufbauen ........................................... 22

4. Standortpolitik .................................................................................................................................. 23 4.1 Landesentwicklungsprogramm .............................................................................................................................................. 23 4.2 Landesentwicklungsprogramm - Fachziele Handel................................................................................................................ 26 4.3 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Straße & Schiene ........................................................................................ 29 4.4 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Luft.............................................................................................................. 32 4.5 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Wasser ....................................................................................................... 34 4.6 Funktion des Liefer- und Wirtschaftsverkehrs in Städten ....................................................................................................... 36 4.7 Steigerung der Effizienz der Tourismusstrukturen in Bayern ................................................................................................. 38 4.8 IT- und Medienstandort Bayern neue Dynamik verleihen ...................................................................................................... 40

5. Recht und Steuern ........................................................................................................................... 42 5.1 Altersvorsorge Selbständiger ................................................................................................................................................ 42 5.2 Wirtschafts- und Unternehmensförderung ............................................................................................................................. 44 5.3 Bürokratieabbau im Steuerbereich ........................................................................................................................................ 46 5.4 Substanzbesteuerung ........................................................................................................................................................... 47 5.5 Modernisierung des Datenschutzes in Europa ...................................................................................................................... 48 5.6 Rechte des geistigen Eigentums im Internet ......................................................................................................................... 50 5.7. Liberalisierung im Vertragsrecht – AGB-Reform ................................................................................................................... 51

6. Forschung und Entwicklung ........................................................................................................... 52 6.1 Steuerliche FUE-Förderung einführen ................................................................................................................................... 52 6.2 Verfügbarkeit von Wagniskapital ausbauen und hierzu steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen verbessern............ 53 6.3 FuE des öffentlichen Sektors ausbauen ................................................................................................................................ 54

7. International ...................................................................................................................................... 56 7.1 Europafokus stärken! ............................................................................................................................................................ 56 7.2 Internationalisierung vorantreiben und Initiativen effizient vernetzen ..................................................................................... 59 7.3 Rahmenbedingungen für das internationale Geschäft verbessern ......................................................................................... 61

8. E-Government konsequent voranbringen ..................................................................................... 63

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1. Energie und Rohstoffe / Industrie 1.1 Rahmenbedingungen für sichere und bezahlbare Energieversorgung schaffen Wie ist es – Problemstellung Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und weiteren umfassenden energiepolitischen Festlegungen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen, zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien hat die Bundesregierung einen weitreichenden Umbau der Energieversorgung in Deutschland beschlossen. Wichtige Elemente der Energiewende liegen allerdings nicht auf Kurs: o Eine Stabilisierung der EEG-Umlage bei netto 3,5 ct/kWh, wie von der Bundesregierung geplant, gelingt nicht. Dies wird die Strompreise, die im europäischen Vergleich bereits jetzt in der Spitzengruppe liegen, weiter nach oben treiben. o Der Aufbau von Kraftwerkskapazitäten als Ersatz für die abgeschalteten Kernkraftwerke und als „Backup“ für die stark volatilen erneuerbaren Energien stockt. o Der Netzausbau auf allen Leitungsebenen bleibt weit hinter den Erfordernissen, die sich aus der Abschaltung der Kernkraftwerke und dem rasanten Ausbau der erneuerbaren Energien ergeben, zurück. o Die gesetzten Energieeinsparziele, insbesondere beim Strom (-10% bis 2020 bezogen auf 2008) werden voraussichtlich deutlich verfehlt. Zentrale Anliegen der Unternehmen bei der Energiewende sind: o Sicherstellung der Versorgungssicherheit (Laut aktuellem DIHKUnternehmensbarometer fürchten 58Prozent der Unternehmen Stromausfälle.). o Stabile Energiepreise (Lt. BIHK-Konjunkturumfrage vom Frühjahr 2012 werden Energie- u. Rohstoffpreise mit 55% Nennungen von den Unternehmen derzeit als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung der eigenen Firma gewichtet). Hier wird ausschließlich die Stromversorgung diskutiert. Ca. 80 % des Energieeinsatzes beruhen auf fossilen Energieträgern, die hauptsächlich im Bereich Mobilität/Verkehr und Wärmebereitstellung gebraucht werden. Der Energieträger Erdöl ist hierfür zu kostbar und es sind im Zuge des Klimaschutzes alle Maßnahmen (Elektromobilität, Dämmung, rationelle Energienutzung, wie z. B. Kraft-WärmeKopplung) zu treffen, um die Ziele der Bundesregierung (setzen sich richtigerweise neben der elektrischen Energie mit dem gesamten Spektrum des Energieeinsatzes auseinander!) und des Klimaschutzes zu erreichen. 2

Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die bayerische Wirtschaft unterstützt weiter grundsätzlich den Umbau der Energieversorgung mit den Zielen Steigerung der Energieeffizienz, stärkere Nutzung erneuerbarer Energien, schrittweiser Ausstieg aus der Kernenergie und Senkung klimarelevanter Emissionen. Die weitere Umsetzung der Energiewende muss sich allerdings klar an den Kriterien Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung orientieren. Eine Rückbesinnung auf Wettbewerbsprinzipien auch bei den erneuerbaren Energien ist erforderlich. Was getan werden muss In Bayern o Barrieren für den Aus- und Neubau von Netzen und Kraftwerken beseitigen o Für Akzeptanz in der Bevölkerung und bei den lokalen Verwaltungen sorgen o Verwaltungsspielräume konsequent zugunsten energiewirtschaftlicher Projekte nutzen, z.B. bei Genehmigungsverfahren für neue Wasserkraftwerke o Forschung und Innovationsförderung im Energiebereich weiter ausbauen o Deutschen Energiemarkt stärken und Energiepolitik an Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit orientieren statt am Ziel regionaler Energieautarkie. o Über die Instrumente der Regional- und Bauleitplanung ist der Ausbau der regenerativen Erzeugung synchron mit dem Ausbau der notwendigen Infrastruktur (Netze) zu koordinieren und volkswirtschaftlich zu optimieren. In Deutschland o Neuen Rahmen für den Ausbau erneuerbarer Energien setzen: o Ausbau mit Aus- und Aufbau von Netzen, Speichern und Ersatzkraftwerken synchronisieren; vom System verkraftbaren Mengen an erneuerbaren Energien als zentrale Steuerungsgröße. o Von strengem Einspeisevorrang erneuerbarer Energien abgehen. o Wettbewerb zwischen den verschiedenen Formen der erneuerbaren Energien möglich machen, so dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu volkswirtschaftlich möglichst günstigen Kosten erfolgt. o Für den Umbau der Energieversorgung (Strom, Mobilität, Wärme) muss ein kurzbzw. mittel- und langfristiger Plan erstellt und im politischen Konsens verabschiedet werden, um die notwendigen Investitionen zu steuern und die unausweichlichen finanziellen Belastungen so niedrig wie möglich zu halten. o Bundesländerübergreifenden Ausbau der Hoch- und Höchstspannungsnetze durch eine Bündelung von Planungs- und Genehmigungskompetenzen bei der

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Bundesnetzagentur beschleunigen. Koordiniertes Vorgehen zwischen Bund, Ländern (eventuell Europa). Bereitstellung zusätzlicher Gaskraftwerke durch Einführung eines wettbewerbsnahen Kapazitätsmechanismus sicherstellen. Staatliche Energie- und Strompreisbestandteile insgesamt auf den Prüfstand stellen (EEG, Energie- und Stromsteuern etc.). Solange die staatlichen Energieund Strombestandteile in der derzeitigen Höhe bestehen, sind weiter Entlastungen für energieintensive Unternehmen erforderlich. Energieeffizienzziele realistisch abstecken. Anreize und freiwillige Maßnahmen sind staatlichen Vorgaben vorzuziehen.

In Europa o Europäischen Energiemarkt stärken, länderübergreifenden Netzausbau forcieren o Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien europaweit harmonisieren

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1.2 Rohstoffversorgung sichern, Materialeffizienz stärken Wie ist es – Problemstellung Steigende Rohstoffpreise sind für 76 Prozent der Unternehmen und insbesondere die Industrieunternehmen (93 Prozent) ein Problem. Die weltweit gestiegene Nachfrage, das begrenzt ausweitbare Angebot sowie Handelsbeschränkungen führen zu steigenden und volatilen Rohstoffpreisen, sowie bei einigen Rohstoffen zu Versorgungsengpässen. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die deutsche Industrie ist auf eine sichere Rohstoffversorgung angewiesen: Der faire Zugang zu Rohstoffen im Ausland muss gesichert werden, um die Versorgung der Industrie und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Deutschland und Bayern zu gewährleisten. Sekundärrohstoffe, heimische Rohstoffe und eine höhere Materialeffizienz können zur Versorgungssicherheit beitragen. Was getan werden muss In Bayern o Der Abbau von heimischen Rohstoffen muss erleichtert werden: o Rohstoffinteressen müssen bei der Umweltgesetzgebung und der Raumplanung stärker berücksichtigt werden. o Genehmigungsverfahren sind zu beschleunigen. o Die Ausbildung im Bereich Rohstoffe muss ausgebaut werden. In Deutschland o Die Rohstoffpolitik der Bundesregierung muss die bilaterale Rohstoffdiplomatie weiter ausbauen. Diplomatische Beziehungen zu rohstoffreichen Staaten müssen intensiviert, bilaterale Rohstoffpartnerschaften gefördert werden. o Die Forschung im Bereich Recycling, Substitution und Materialeffizienz muss verstärkt werden. Der illegale Abfluss von Sekundärrohstoffen ins Ausland ist stärker zu kontrollieren. In Europa Wettbewerbs- und Handelsbeschränkungen wie Exportrestriktionen sind nicht akzeptabel. In den entsprechenden Organisationen wie WTO, G20 und OECD muss die EU darauf hinwirken, dass die internationalen Regeln insbesondere von China, bei Seltenen Erden, eingehalten bzw. entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Eine aktive EU-Rohstoffpolitik ist weiter auszubauen.

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1.3 Industrielle Wertschöpfungsketten / Cluster Wie ist es – Problemstellung Deutschland ist nach wie vor eine der bedeutendsten Industrienationen der Welt. Im Jahr 2011 trug die Branche 22 Prozent (Bayern 25 Prozent) zur gesamten Bruttowertschöpfung bei. Allerdings haben die wirtschaftlichen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen speziell in den letzten Jahren stark an Tempo zugelegt. Aus dieser Dynamik ergeben sich zwei Grundprobleme: Erstens stehen die seit längerem etablierten Wertschöpfungsketten in Frage: Gänzlich neue Technologien, Kunden- und Markanforderungen erfordern eine schnelle und flexible Umstrukturierung der bisherigen Liefer- und Produktionsketten. Zweitens stehen in diesem Prozess vor allem kleine und mittlere Betriebe vor einem beachtlichen Ressourcen- und Personalproblem, so dass sie sich trotz ihrer teilweise höheren Flexibilität schwer tun, global wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK o Der BIHK setzt hinsichtlich dieser Problematik auf die Bewahrung bestehender sowie die Unterstützung sich neu bildender innovativer Wertschöpfungsketten. o Diese Unterstützung kann zum einen durch industriefreundliche Rahmenbedingungen erfolgen, andererseits auch durch Innovationsförderprogramme und mehrdimensionale Vernetzung von Unternehmen, wie dies in Clustern forciert wird. Unternehmen tun sich aufgrund vernetzter Kooperationsstrukturen leichter, ressourcensparend innovativ tätig zu sein. o Auch steht die Industrie häufig im Zentrum der immer wichtiger werdenden hybriden Wertschöpfungsketten – also der intelligenten Verknüpfung von Industrie- und Dienstleistungsprodukten – und muss sich hier entsprechend aufstellen. Was getan werden muss In Bayern o Auf den drei größten Branchen in Bayern – Maschinenbau, Kraftwagen/-teile, Herstellung elektrischer Ausrüstungen – muss ein besonderer Fokus der Bemühungen liegen, da gerade diese Branchen eine Drehscheibenfunktion haben und im Zentrum breiterer Wertschöpfungsketten stehen. o Bestehende Förderprogramme für Innovation und Forschung sowie Clusterstrukturen müssen den Anforderungen der Industrie gemäß weiterentwickelt werden.

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In Deutschland o Die Industrie muss weiter im Fokus der politische Bemühungen stehen. Allerdings muss die Industriepolitik auf Wettbewerb setzen. o Die Gestaltung von industriefreundlichen Rahmenbedingungen ist in großen Teilen Sache der Bundesregierung. So müssen beispielsweise das Steuerrecht reformiert, die Rahmenbedingungen für die Fachkräftegewinnung, Ausbildung und Anwerbung, verbessert und auch für die Energie- und Rohstoffversorgung verbessert werden. Um die Folgen des demographischen Wandel abzufedern ist die Zuwanderung von Fachkräften zu forcieren. In Europa o Auch auf europäischer Ebene muss die Industrie weiter im Fokus der politischen Bemühungen stehen. Hierbei kann auch ein koordiniertes Vorgehen zur Stärkung von Schlüssel-know-how-Feldern (z.B. Halbleitertechnologie, Energie) sinnvoll sein. o Gerade große, internationale Unternehmen, benötigen möglichst einheitliche globale Rahmenbedingungen, da ihre Wertschöpfungsketten über die ganze Welt verteilt sind. Europa muss wettbewerbsverzerrenden Rahmenbedingungen, wie Schutzzöllen, entgegenwirken.

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2. Fachkräfte 2.1 Fachkräftesicherung durch Erschließen zusätzlicher Fachkräftepotenziale Wie ist es – Problemstellung In den nächsten fünf Jahren berechnet der IHK-Fachkräftemonitor Bayern eine durchschnittliche jährliche Fachkräftelücke von 180.000 Personen. Das entspricht vier Prozent der gesamten Fachkräftenachfrage in Bayern. In den Jahren 2016 bis 2025 wird die jährliche Fachkräftelücke durchschnittlich 240.000 Fachkräfte betragen, was rund sechs Prozent der Nachfrage seitens der Unternehmen entspricht. Die Fachkräftesituation entwickelt sich nicht in allen Regionen Bayerns gleich. Vor allem ländliche Regionen, die bereits jetzt Bevölkerungsverluste hinnehmen müssen, werden auch künftig verstärkt mit dem Thema Fachkräftesicherung konfrontiert sein. Die Dienstleistungsbranche ist vom Fachkräftemangel besonders stark betroffen. Bayern muss sich zusätzliches Fachkräftepotenzial erschließen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK o Die Erwerbsquote von Frauen kann insbesondere durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhöht werden. o Die Erfahrungen Älterer müssen besser genutzt werden. o Die Zuwanderung von Fachkräften muss weiter erleichtert werden. o Die Standortattraktivität ländlicher Räume muss gesteigert werden, um Abwanderungstendenzen von Fachkräften entgegenzuwirken. Was getan werden muss In Bayern o Um Eltern am Erwerbsleben zu beteiligen ist eine flächendeckende und hochwertige Kinderbetreuungsinfrastruktur notwendig. Dazu muss der Ausbau der Kinderbetreuung zügig voran gebracht werden. Die durchgehende Betreuung von Kindern bis 12 Jahren muss garantiert werden. Die Kita-Öffnungszeiten müssen sich auch an Wochenenden und in den Ferien stärker an den Arbeitszeiten der Eltern orientieren. o Der Ausbau von Ganztagsschulen und Angebote in den Schulferien muss ebenfalls bedarfsgerecht ausgebaut werden. o Der Anteil von Mitarbeiter/-innen, die Angehörige pflegen steigt. Eine bedarfsgerechte und flächendeckende Pflegeinfrastruktur ist Voraussetzung für eine 8

Vereinbarkeit von Beruf und Pflege von Angehörigen. o Politisch wie gesellschaftlich muss klar ausgedrückt werden, dass ausländische Fachkräfte in Bayern willkommen sind z. B. durch die Förderung von Menschen mit Migrationshintergrund (Potenzial wird nicht genutzt). Die „ijf“ (Initiative Junge Forscherinnen und Forscher e. V.) startet bereits eine Initiative. o Im Ausland muss stärker für den Arbeits- und Studienort Bayern geworben werden. Dazu gehört auch, die Zuwanderungsregelungen verständlicher für potenzielle Migranten darzustellen. o Die Bayerische Staatsregierung ist gefordert, die Integration der Zuwanderer mit geeigneten Maßnahmen zu fördern. Internationale Schulen sind in Ballungsräumen stärker zu etablieren. o Die Standortattraktivität ländlicher Räume muss gesteigert werden, z. B. durch den Ausbau der gesamten Infrastruktur, die Optimierung weicher Standortfaktoren und die Förderung von Netzwerken. o Es wäre zudem wünschenswert als Ziel die Kostenfreiheit der Kinderbetreuung im Kindergarten anzustreben. In Deutschland o Übergänge in die Rente müssen flexibler werden, z. B. mit der Teilrente, vorausgesetzt Beitrags- und Steuerzahler werden nicht zusätzlich belastet. Hinzuverdienstgrenzen sind hingegen überflüssig. o Das Auslaufen der direkten Förderung der Altersteilzeit ist richtig, aber auch die indirekte Förderung über die Steuer- und Beitragsfreiheit sollte auslaufen. o Die Umsetzung der Blue-Card-Richtlinie ist ein richtiger Schritt, allerdings sollte die dabei abgeschaffte sofortige Niederlassungserlaubnis erhalten bleiben – und zwar mit deutlich abgesenkter Bruttojahresgehaltsgrenze. Auch die Zuwanderung von Fachkräften mit beruflichem Bildungsabschluss muss vereinfacht werden. Die Vorrangprüfung sollte entfallen, zumindest bei weiteren Mangelberufen. Ausländischen Absolventen deutscher Hochschulen muss der Arbeitsmarktzugang weiter erleichtert werden. o Politisch wie gesellschaftlich muss klar ausgedrückt werden, dass ausländische Fachkräfte in Deutschland willkommen sind. o Im Ausland muss stärker für den Arbeits- und Studienort Deutschland geworben werden. Dazu gehört auch, die Zuwanderungsregelungen verständlicher für potenzielle Migranten darzustellen. o Die Bundesregierung ist gefordert, die Integration der Zuwanderer mit geeigneten Maßnahmen zu fördern.

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o Die Steuerung von Zuwanderung aus Nicht-EU-Ländern sollte mittelfristig über ein „Punktesystem“ erfolgen, das Kriterien wie Qualifikation, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse erfasst. Ein solches Instrument bietet Transparenz und lässt sich an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes ausrichten.

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2.2 Fachkräftesicherung durch Aus- und Weiterbildung Wie ist es – Problemstellung Bildungspolitik ist Standortpolitik. Versäumnisse der Bildung beeinträchtigen nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Bayern. Die demografische Situation macht es erforderlich, alle Bildungspotentiale bestmöglich auszuschöpfen und insbesondere MINT-Kompetenzen zu fördern. In den Unternehmen werden vor allem Hochqualifizierte (Akademiker, Meister, Fachwirte und Fachkaufleute) fehlen. Aber auch Fachkräfte mit einer dualen Ausbildung werden knapp. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK o Die Bildungspotenziale müssen bestmöglich ausgeschöpft werden - von der frühkindlichen- bis zur Hochschulbildung. o Betriebliche Ausbildung bleibt zentraler Pfeiler für die Sicherung praxisnah qualifizierter Fachkräfte. o Die berufliche Weiterbildung muss weiter verstärkt werden. o Menschen mit Migrationshintergrund müssen besser gefördert werden. Was getan werden muss In Bayern o Frühkindliche Bildung erhöht die Chancen auf den Lernerfolg in der Schule und damit auf eine gute Ausbildungsreife. Daher sollte ein verpflichtendes Vorschuljahr für alle Kinder eingeführt, die Sprachförderung verbessert werden und hoch-qualifiziertes und wissenschaftlich ausgebildetes Personal zum Einsatz kommen. o Bayern braucht mehr hochqualifizierte MINT-Fachkräfte. Daher muss das naturwissenschaftliche Interesse stärker gefördert werden, z. B. durch ein Fach Naturphänomene in der Grundschule und mehr Experimente im Unterricht. Bis zum Abitur sollten mindestens zwei Naturwissenschaften verpflichtend sein. Jugendliche sollten stärker für ein MINT-Studium motiviert werden. o Die Quote der Schulabbrecher sollte bis 2015 auf vier Prozent halbiert werden. Die Schule sollte daher jeden Schüler frühzeitig und individuell fördern. o Die Schulbildung von Kindern mit Migrationshintergrund ist zu verbessern. Damit wird der Übergang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nachhaltig unterstützt. o Die Qualität von Ausbildung und Studium muss sichergestellt werden. Ziel muss bleiben, dass sieben Prozent des BIP in unser Bildungssystem investiert wird.

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o Der Anteil nicht ausbildungsreifer Schulabgänger muss deutlich gesenkt werden. o Für schwächere Jugendliche muss der Übergang in Ausbildung leichter werden. Alle Maßnahmen des Übergangssystems müssen auf den Prüfstand. o Vollzeitschulische Ausbildungsgänge sollten nur genehmigt werden, wenn Bedarf am Arbeitsmarkt nachweisbar ist. o Leistungsfähige junge Menschen müssen verstärkt für eine duale Ausbildung gewonnen werden. o Die parallele Doppelqualifikation aus Berufsabschluss und FH/Uni-Abschluss (Duales Studium) fördert die Gewinnung und Bindung von Nachwuchskräften und muss spürbar gefördert werden durch den Ausbau von praxisnahen Studiengängen und der Einführung geeigneter Modelle (zeitlich und didaktisch). Um Redundanzen in Bildungskarrieren zu vermeiden, muss die Anrechung von beruflichen Vorqualifikationen und Fähigkeiten auf ein Studium erleichtert werden. Die Hochschulen sollten ihre Informations- und Beratungsangebote ausbauen. o Ein berufsbegleitendes Lernen muss durch die Einführung eines Bildungsschecksystems gefördert werden. o Die Weiterbildung im Arbeitsprozess muss transparent gemacht werden. Nur so sind bestehende Kompetenzen sichtbar und international vergleichbar. Daher sind entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, welche die Anerkennung nicht formal erworbener Kompetenzen regeln. o Die Beratung für derzeit bildungs- und erwerbsferne Menschen muss ausgebaut werden. o Der Anteil von jungen Migranten mit einem Berufsabschluss muss steigen. Jugendliche und Eltern müssen frühzeitig und wesentlich systematischer über die Bedeutung einer Berufsausbildung informiert werden. Die Bundesagentur für Arbeit ist gefordert, Menschen mit Migrationshintergrund verstärkt durch Maßnahmen der Berufsorientierung zu erreichen. In Deutschland In Europa -

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2.3 Arbeitsmarkt leistungsfähig und flexible gestalten Wie ist es – Problemstellung Die gute Arbeitsmarktsituation darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass weiterhin Handlungsbedarf im Bereich des Arbeitsmarktes besteht. Gerade angesichts der außerordentlich hohen Unsicherheit über die konjunkturelle Entwicklung ist es für Unternehmen wichtig, flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können. Der nach wie vor restriktive Kündigungsschutz sowie die Beschränkung von sachgrundloser Befristung reduzieren die Einstellungsbereitschaft von Unternehmen während einer konjunkturell günstigen Phase. Vor allem gering Qualifizierten gelingt der Einstieg in die Erwerbstätigkeit nur unzureichend. Neben einer zu niedrigen Qualifikation und einer zu großen Arbeitsmarktferne, ist dies auch auf inflexible Beschäftigungsverhältnisse und hohe Arbeitskosten zurückzuführen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK o Lockerungen im Kündigungsschutz, um die Einstellungsmöglichkeiten zu verbessern. o Zeitarbeit als ein wichtiges Flexibilisierungsinstrument für Unternehmen und Einstiegsmöglichkeit für Arbeitslose in den Arbeitsmarkt nicht weiter reglementieren. o Zur Entlastung des Faktors Arbeit sollten die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung vom Arbeitseinkommen abgekoppelt werden. o Mindestlöhne gefährden tendenziell die Beschäftigungschancen insbesondere von gering Qualifizierten. Ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn sollte daher nicht eingeführt werden. o Bei staatlichen Transfers zur Sicherung des Lebensunterhalts müssen die Anreize zu einem Eigenbeitrag und zur Aufnahme einer Vollzeittätigkeit verstärkt werden. o Die Aktivierung Arbeitsloser für den ersten Arbeitsmarkt muss klar Vorrang vor Programmen öffentlicher Beschäftigung haben. Was getan werden muss In Bayern o Zeitarbeit darf nicht als „schlechte“ Beschäftigungsform verunglimpft werden. o Die Aktivierung Arbeitsloser für den ersten Arbeitsmarkt muss klar Vorrang vor Programmen öffentlicher Beschäftigung haben. Diese dürfen nicht in Konkurrenz zur gewerblichen Wirtschaft stehen und sollten nicht gegen den Widerspruch der lokalen Arbeitsmarktakteure – auch IHKs – zum Einsatz kommen. 13

In Deutschland o Sachgrundlos befristete Beschäftigung ist eine wichtige Einstiegsmöglichkeit in den Arbeitsmarkt und sollte generell für vier Jahre möglich sein. o Der Kündigungsschutz sollte erst in Betrieben mit über 20 Beschäftigten gelten. Bei Abschluss des Arbeitsvertrags muss alternativ zum Kündigungsschutz eine angemessene, rechtssichere Abfindungszahlung vereinbart werden können. o Zeitarbeit darf nicht als „schlechte“ Beschäftigungsform verunglimpft werden, unnötige Regulierungen sind zu vermeiden und tarifliche Abweichungen vom Equal-Pay-Grundsatz müssen möglich bleiben. Eine Einführung der Überlassungshöchstdauer durch die Hintertür ist zu unterlassen. o Der Faktor Arbeit sollte entlastet werden, in dem Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung vom Arbeitseinkommen abgekoppelt werden. o Wenn aus politischen Erwägungen ein Mindestlohn angestrebt wird, sollten Lohnuntergrenzen von den Tarifvertragspartnern festgelegt und branchen- sowie regionalspezifischen Unterschieden Rechnung getragen werden. Ein allgemeiner Mindestlohn – insbesondere, wenn die Politik die Lohnhöhe beeinflusst oder festlegt – wird als schlechteste Möglichkeit angesehen. o Sind staatliche Transfers zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendig, müssen diese Anreize zu einem Eigenbeitrag und möglichst zur Aufnahme einer Vollzeittätigkeit setzen: Beim ALG II sollte dazu die Freibetragsregelung angepasst werden – auch um insbesondere die Anreize für Alleinerziehende zu erhöhen, eine Tätigkeit aufzunehmen. Das Arbeitslosengeld sollte für alle maximal zwölf Monate gewährt werden, auch um Anreize für eine höhere Erwerbsbeteiligung Älterer zu setzen. o Die Aktivierung Arbeitsloser für den ersten Arbeitsmarkt muss klar Vorrang vor Programmen öffentlicher Beschäftigung haben. Diese dürfen nicht in Konkurrenz zur gewerblichen Wirtschaft stehen und sollten nicht gegen den Widerspruch der lokalen Arbeitsmarktakteure – auch IHKs – zum Einsatz kommen. In Europa -

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3. Bildung 3.1 Ganztagesschulen Wie ist es – Problemstellung Aktuell schafft es das bayerische Schulsystem nicht, Kinder mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Familien individuell und optimal zu fördern. Die Integration dieser Kinder ins Schulsystem gelingt nur bedingt. Sechsmal geringer ist die Wahrscheinlichkeit dieser Kinder ein Gymnasium zu besuchen, gegenüber Kindern aus einer sozial höheren Gruppe. Bundesweit liegt dieser Wahrscheinlichkeitsfaktor nur bei 4,5. Nicht nur aus Gründen der Bildungsteilhabe und Bildungsgerechtigkeit, sondern auch angesichts der demografischen Entwicklung und des künftigen Fachkräftebedarfs kann es sich Bayern nicht leisten, auch auf nur ein einziges Talent zu verzichten. Eine Antwort auf diese Herausforderung ist die Ganztagesschule. Hochwertige Ganztagesschulangebote, insbesondere in der gebundenen Form, können soziale Disparitäten und unterschiedliche Startchancen von Kindern ausgleichen und alle Potenziale und Talente individuell fördern. Bayern ist aber sowohl beim Ausbau von Ganztageschulangeboten als auch beim Anteil von Ganztagesschülern nationales Schlusslicht. Der flächendeckende, schulartübergreifende Ausbau von gebundenen Ganztagesangeboten ist seit dem Schuljahr 2008/2009 mit einer Steigerung von 407 Ganztagesangeboten auf 904 im Schuljahr 2011/2012 zu gering ausgefallen, um hier entscheidende Fortschritte zu erzielen. Mit einem Anteil von zehn Prozent von Ganztagesschülern liegt Bayern 63 Prozentpunkte hinter dem Spitzenreiter Sachsen (Quelle Bertelsmann Studie). Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Das Schulsystem muss so weiterentwickelt werden, dass Lebenschancen von den Talenten der Kinder abhängen und nicht von ihrer Herkunft. Kleine Lerngruppen, individuelle Betreuung, Förderunterricht, Ganztagsklassen und Schulsozialarbeit sind zentrale Voraussetzungen, um dieses Ziel zu erreichen. Flächendeckend muss an jeder Schulart, sofern die entsprechende Nachfrage besteht, ein qualitativ hochwertiges Ganztagesschulangebot bereit gestellt werden. Vorrang beim Ausbau muss dabei die Form der gebundenen, rhythmisierten Ganztagesschule haben (i.d.R. ist der Besuch bis 16:00 Uhr Pflicht). Professionelle Teams aus Lehrkräften, Lerntherapeuten und Schulsozialarbeiter stellen ein qualitativ hochwertiges Angebot sicher. Ganztagesschulen erfüllen die räumlichen Voraussetzungen, einer modernen Bildungs15

und Erziehungsarbeit. Was getan werden muss In Bayern o Investitionen in den Ausbau der Ganztagesschulangebote müssen auch angesichts ehrgeiziger politischer Haushaltsziele absoluten Vorrang haben und verbindlich festgelegt werden. o Ganztagesangebote sind für alle Schularten hochwertig, konsequent, bedarfsgerecht und nachfrageorientiert auszubauen. o Professionalisierung der Organisations- und Personalentwicklung an Ganztageschulen. o Die Kommunen sind als Sachaufwandsträger finanziell so auszustatten, dass die Ausbauziele in angemessener Zeit erreicht werden können. In Deutschland In Europa -

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3.2 Berufsvorbereitende Maßnahmen Wie ist es – Problemstellung Berufsvorbereitende Maßnahmen: 4,3 Milliarden Euro geben wir jährlich bundesweit für 350.000 Jugendliche abseits von Schule, Beruf und Ausbildung für ein vermeintlich berufsvorbereitendes System aus. Die Ergebnisse und Erfolge der unterschiedlichsten Maßnahmen sind allerdings überschaubar. Wir haben in diesem Bereich kein Übergangssystem sondern mittlerweile einen Übergangsdschungel. Für viele Jugendliche ist dieser Weg der Anfang einer langen Maßnahmekarriere im Übergangssystem ohne Aussichten auf einen Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz. Probleme: Es gibt keine Transparenz, mäßige Koordination, fast keine Evaluation, wenig Erfolgskontrolle, eine Überprüfung der Wirksamkeit findet kaum statt und die Durchgangsgeschwindigkeit ist mangelhaft. Mangelnde Ausbildungsreife, fehlende Schulabschlüsse, mäßige Berufsorientierung belasten nicht nur die Sozialen Systeme sondern gehen auch zu Lasten des Ausbildungsmarktes. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Weniger ist mehr! Dies muss der Leitsatz für die Reform des Übergangssystems sein. Ziel muss es sein, dass Schülerinnen und Schüler die Schulen mit einem Schulabschluss, ausbildungsreif und beruflich orientiert verlassen. Für Jugendliche, die nach der Schule noch besondere Unterstützung benötigen, muss es überschaubare, strukturierte und zielorientierte Wege des Übergangs geben. Was getan werden muss In Bayern o Konzentration auf die Maßnahmen, die bereits in der Vergangenheit erfolgreich waren, z.B. IHK-Einstiegsqualifizierung, IHK Sommercamps. o Es dürfen keine neuen Sondermaßnahmen mehr genehmigt werden. o Finanzmittel und personelle Ressourcen müssen im Bereich der Reparatur reduziert und zugunsten der Prävention eingesetzt werden. o Maßnahmen des Übergangssystems brauchen eine zentrale Koordination und Steuerung sowie eine Erfolgskontrolle. Erforderlich dafür sind eindeutige und klare Zuständigkeiten. Arbeitsagenturen, StMAS und StMUK müssen sich dazu verstärkt abstimmen. In Deutschland In Europa -

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3.3 Qualifizierung der Lehrkräfte Wie ist es – Problemstellung Die Qualifizierung der Lehrkräfte an den allgemeinbildenden Schulen hinkt den Herausforderungen und Anforderungen einer sich ständig wandelnden Wirtschafts- und Arbeitswelt hinter her. Es sind viel zu wenige Lehrkräfte bereit, sich in Betriebspraktika kundig zu machen und sich kontinuierlich und systematisch weiterzubilden. Ein durchschnittliches Weiterbildungsbudget von rund 2.000 Euro pro Jahr für ein Kollegium von 40 Personen ist viel zu klein, um hier substanziell etwas zu bewegen.

Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Lehrkräfte an unseren Schulen nehmen eine Schlüsselrolle für die notwendige Qualitätsverbesserung der schulischen Arbeit ein. Deshalb ist es erforderlich, dass sie sich verpflichtend und kontinuierlich fortbilden. Damit die Lehrkräfte die Schüler optimal auf die Anforderungen des Ausbildungs- und Arbeitsmarktes vorbereiten können, sind regelmäßige Praktika in Betrieben selbstverständlich und als Fortbildungen verpflichtend. Die Schulleitung konzipiert und verantwortet individuelle, aber auch für das gesamte Kollegium zielführende Personalentwicklungsmaßnahmen. Was getan werden muss o Die Eigenverantwortung an Schulen muss bei gleichzeitiger Öffnung und Rechenschaftspflicht gestärkt und ausgebaut werden. o Die Schulleitungen brauchen ein neues Selbstverständnis für ihre Aufgaben und Rolle. o Schulleitung ist künftig gleichzusetzen mit Schulmanagement. Schulmanager leiten eine oder mehrere Schulen. Sie haben eine vergleichbare Funktion und Verantwortung wie Geschäftsführer in Unternehmen. Sie sind verantwortlich für die Qualität und den Erfolg der Schule. Ihnen obliegt die Personalführung und entwicklung, die strategische Planung, sowie die finanzielle Leitung der Schule. o Damit die Schulleitungen diese neue Rolle und Funktion erfolgsorientiert wahrnehmen können, müssen sie vom Schulalltag entlastet/freigestellt werden. o Der Lehrberuf muss für technisch Interessierte attraktiver werden, um Multiplikatoren zu schaffen und junge Leute für MINT-Fächer zu motivieren. o Die Studienquote in Bayern muss auf Bundesniveau angehoben werden. o Überarbeitung der Lehrpläne in Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Industrie (siehe Bsp. „ijf“ (Initiative Junge Forscherinnen und Forscher e. V.; unterstützt

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Defizite in den Lehrpläne zu kompensieren). In Deutschland In Europa -

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3.4 Durchlässigkeit zwischen beruflicher Weiterbildung und Hochschulen verbessern Wie ist es – Problemstellung Für beruflich qualifizierte Fachkräfte ohne Abitur ist seit 2009 die Aufnahme eines Studiums möglich. Die Anrechnung bereits erworbener Kompetenzen wird von den Hochschulen unterschiedlich gehandhabt. Nur wer ein Bachelor-Studium absolviert hat, darf zu einem Master-Studiengang zugelassen werden. Dies ist bei einer Einstufung von Abschlüssen aus der beruflichen Weiterbildung auf den Ebenen 6 und 7 des DQR (Fachwirt / Meister / geprüfter Betriebswirt) nicht haltbar. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Für beruflich qualifizierte Fachkräfte ohne Abitur muss die Aufnahme eines Studiums ermöglicht und bereits erworbene Kompetenzen fair angerechnet werden. Zusätzliche Kurse, die z.B. wissenschaftliches Arbeiten vermitteln oder mathematische Kenntnisse auffrischen, unterstützen die beruflich Qualifizierten bei der Absolvierung eines Studiums. Die Bundesländer sollten die Master-Studiengänge für Absolventen der 2. und 3. Ebene der Aufstiegsfortbildung öffnen. Was getan werden muss In Bayern Änderung des bayerischen Hochschulrechts. In Deutschland Änderungsbedarf nur in den Bundesländern, die wie Bayern noch keine Öffnung der Master-Studiengänge vorsehen. Der KMK Beschluss vom 04. Februar 2010 sieht die Möglichkeit der Zulassung bereits vor und einige Bundesländer haben dies entsprechend umgesetzt. In Europa Die Regelungen zur Zulassung von beruflich qualifizierten Fachkräften ohne Abitur zu einem Studium, fallen in den Aufgabenbereich der Hochschule. Die dazu nötige Änderung des Bayerischen Hochschulrechts sollte dementsprechend primär von der Hochschulpolitik geleistet und nicht als direkte Aufgabe der IHKn gesehen werden und somit nicht als eigenständiger Wahlthemenvorschlag seitens der IHK auftauchen. Da natürlich die Ausgangsproblemstellung – der Mangel an gut qualifizierten und studierten Arbeitskräften – in den Kernbereich der IHKn fällt, sollten wir dort aktiv werden. Als 20

geeignete Instrumente sehe ich dabei aber eher das Gespräch und die Zusammenarbeit mit den Hochschulen. Dementsprechend wir vorgeschlagen, den Punkt 3.4 aus den BIHK-Wahlthemen zu streichen.

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3.5 Berufsbegleitendes Lernen unterstützen: Bildungsschecksystem zielgruppenorientiert aufbauen Wie ist es – Problemstellung Förderung von Weiterbildung ist in Bayern derzeit hauptsächlich die Unterstützung von Bildungsträgern. Gefördert wird mit Landesmitteln der Bau und die Erhaltung von überbetrieblichen Bildungsstätten. Dies ist sinnvoll. Außerdem gibt es verschiedene Projektförderungen. Diese Art der Förderung entfaltet kaum Steuerungswirkung und begünstigt Mitnahmeeffekte.

Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Wir benötigen ein Bildungsschecksystem, das dem Weiterbildungsinteressenten und KMUs direkt zugute kommt. Damit erhält man ein Steuerungssystem, das Lenkungswirkung bezüglich der Fachkräftesicherung entfalten kann.

Was getan werden muss In Bayern Einführung eines Bildungsschecksystems, das über Beratungsstellen zielgruppenorientiert ausgegeben wird und so dem Weiterbildungsinteressenten und/oder den KMUs zugute kommt und die Weiterbildungsbeteiligung in gewünschten Segmenten erhöht. Es werden Bildungsschecks an Unternehmen (Betrieblicher Zugang) oder einzelne Beschäftigte (Individueller Zugang) ausgegeben, deren Standort bzw. Arbeitsstätte in Bayern liegt. In Deutschland In Europa -

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4. Standortpolitik 4.1 Landesentwicklungsprogramm Wie ist es – Problemstellung Für den Wirtschaftsstandort Bayern stellen sich neben dem verschärfenden internationalen Wettbewerb mit dem demographischen Wandel, der Energiewende und der Sanierung der öffentlichen Haushalte neue Herausforderungen. Die Aufgabe der Landesplanung ist es dabei, deren räumliche Auswirkung und Zusammenhänge zu bewerten und durch raumordnerische Vorgaben im LEP auf diese Herausforderungen zu reagieren. Dadurch kann das LEP einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Bayern leisten. Zunehmend hat die Wirtschaft mit Nutzungskonflikten gegenüber Wohn- und Freizeitnutzungen zu kämpfen. Um der Einschränkung und der Verdrängung von gewerblichen Nutzungen zu begegnen, ist die Landesentwicklung gefragt, dafür eine aktive Standortsicherung und –entwicklung zu betreiben. Diesen Anforderungen wird der Entwurf des LEP vom 22. Mai 2012 jedoch nicht gerecht. Es scheint, als wären Entbürokratisierung, Deregulierung und Kommunalisierung die einzigen Prüfmaßstäbe der Fortschreibung gewesen. Im Vergleich zum LEP 2006 wurden drei Viertel der Ziele und zwei Drittel der Grundsätze gestrichen. Das LEP ist derart inhaltlich reduziert worden, dass es der umfassenden Aufgabe eines Raumordnungsplans als räumlich-koordinierende Gesamtplanung im Verhältnis zu den Fachplanungen nicht mehr gerecht wird. Die Novelle des BayLPlG mit der inhaltlichen Neuausrichtung von BayLPlG und LEP hat dazu entscheidend beigetragen. Zu den wesentlichen Themen der Standortentwicklung trifft das LEP keine oder inhaltlich stark reduzierte Aussagen. Schlüsselthemen für den Wirtschaftsstandort Bayern wie die Energiewende, Bildung und Wissenschaft oder der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur werden nur unzureichend behandelt. Auch die Belange des Tourismus bleiben landesplanerisch gänzlich unberücksichtigt. Darüber hinaus entsprechen das im LEP dargelegte Zentrale-Orte-Konzept und die raumordnerischen Kategorien „Verdichtungsraum“ und „ländlicher Raum“ nicht den

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tatsächlichen räumlich-funktionalen Verflechtungen im Landesgebiet. Das landesplanerische Instrumentarium wurde seit 1972 nicht mehr nennenswert weiterentwickelt und ist damit nur sehr begrenzt dafür geeignet, die räumliche Entwicklung Bayerns zu steuern. Wie es die bayerischen IHKs seit langem fordern, sollte das landesplanerische Instrumentarium (die Zentralen-Orte, die Raumkategorien, die Regionsabgrenzungen und die Entwicklungsachsen) grundlegend reformiert werden. Die Umsetzung der entwickelten Vision von Bayern sagt aus, dass diese Vision nach „Haushaltslage“ umgesetzt wird, und weiter, dass die weniger werdenden öffentlichen Mittel nach höchstmöglichen Effizienzkriterien eingesetzt werden sollen. Dies bedeutet nichts weiter, als dass gerade unserer Region Unterfranken, die unter dem demographischen Wandel mit am stärksten zu leiden hat, weniger öffentliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Verschärft wird dies durch die Feststellung, dass der öffentliche Verkehr überwiegend durch den Schülertransport getragen wird. Durch den demographischen Wandel werden zukünftig weniger Schüler zu befördern sein. Deshalb ist, nach Aussage der LEP, der öffentliche Verkehr an Schülerzahlen anzupassen. Mit anderen Worten – der ÖPNV ist zu reduzieren. Dies führt zu einer weiteren Bevölkerungsabwanderung im ländlichen Raum und damit zur Abwanderung notwendiger Arbeitskräfte für unsere Betriebe und der Reduzierung der Kaufkraft. Darunter leiden wiederum die Handelsgeschäfte vor Ort und in den „zentralen Orten“ in unserer Region. Mögliche Verlagerungen von Betrieben in andere Regionen oder Insolvenzen sind wegen fehlenden Kaufkraft- und Arbeitskraftperspektiven nicht auszuschließen. Kommunen in unserer Region werden ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen – und alleine Würzburg-Schweinfurt wird es nicht retten können. Deshalb ist für unsere Region die Konzentration auf die „Bayerische Entwicklungsachse“, ausgeführt in: „Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK“ (München, Ingolstadt, Nürnberg), wie vom Sachverständigenrat empfohlen, tödlich und kann durch die IHK Würzburg-Schweinfurt, nach meiner Meinung, keine Zustimmung erfahren. Wir haben in Main-Spessart, Würzburg, Schweinfurt und auch in den Hassbergen Firmen die mit an der Weltspitze stehen. Deshalb ist die Passage „Bayerische Entwicklungsachse“ komplett aus dem Entwurf zu nehmen und zugleich die erarbeitete Vision für Bayern vollumfänglich anzustreben. Die „Umsetzung der Vision“ ist anzupassen, damit die Vision Wirklichkeit werden kann und nicht sogleich wieder in Frage gestellt wird.

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Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Landesplanung sollte darauf hinwirken räumliche Nutzungskonflikte zu minimieren und der gewerblichen Wirtschaft ausreichende Planungs- und Standortsicherheit zu bieten. Einen wesentlicher Beitrag der Landesplanung ist hierbei die Sicherung der Rohstoffversorgung. Heimische Rohstoffvorkommen müssen als Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete landesweit gesichert werden. Darüber hinaus müssen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den bedarfsgerechten Ausbau der Infrastruktur (Verkehr, Breitband, Bildung) geschaffen werden. Insbesondere sollte der Verordnungsgeber zur Sicherung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur auch weiterhin im LEP eine Priorisierung von Verkehrsinfrastrukturprojekten vornehmen. Angesichts der großen Bedeutung des Tourismus für die bayerische Wirtschaft, sollten auch die raumbedeutsamen Belange des Tourismus in das Landesentwicklungsprogramm aufgenommen und raumordnerisch gesichert werden. Zudem stellen Entwicklungsachsen auch in Zukunft ein wichtiges strategisches und strukturierendes landesplanerisches Element dar und sollten daher im LEP beibehalten werden. Das mit der Novelle des BayLplG eingeführte Doppelsicherungsverbot, wonach nur solche Belange in das LEP aufzunehmen sind, die fachrechtlich nicht hinreichend gesichert sind, führt in der Konsequenz zu einer inhaltlich Aushöhlung des LEP. Es kann seinen gesamträumlichen Auftrag nicht erfüllen, wenn raumbedeutsame Festlegungen einzelner Fachplanungen nicht mehr Gegenstand des LEP werden dürfen. Was getan werden muss In Bayern Das landesplanerische Instrumentarium und die inhaltliche Regelungsdichte des LEP sind grundlegend zu überarbeiten. Nur wenn im LEP auch die für die gesamträumliche Entwicklung notwendigen Festlegungen zu den einzelnen Fachplanungen getroffen werden können, unabhängig davon, ob diese bereits Gegenstand fachgesetzlicher Regegelungen sind, kann die Landesplanung ihrem Auftrag gerecht werden und zur Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts Bayern beitragen. In Deutschland Klare Vorgaben zur Energiewende und Erhöhung der Infrastrukturinvestitionen.

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4.2 Landesentwicklungsprogramm - Fachziele Handel Wie ist es – Problemstellung Die Sicherung und Entwicklung funktionsfähiger zentraler Orte und damit funktionsfähiger Versorgungsstrukturen ist ein wesentliches Anliegen der Landesplanung. Deren Aufgabe ist es, im Sinne von gleichwertigen Lebensbedingungen in allen Landesteilen, auch eine ausreichende Versorgung mit Waren und Dienstleistungen zu sichern. Im Mittelpunkt steht dabei die Sicherung und Entwicklung einer verbrauchernahen Versorgung, insbesondere die Nahversorgung mit Gütern des kurzfristigen, täglichen Bedarfs. o Zentralitäts-/Konzentrationsgebot: Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte sollen in der Regel nur in Unterzentren und zentralen Orten höherer Stufen sowie in Siedlungsschwerpunkten ausgewiesen werden. Bei kleineren Orten, den sogenannten Kleinzentren und den Orten ohne zentrale örtliche Einstufung ist seit Dezember 2010 die Ansiedlung von Lebensmittel-Vollsortimentern bis zu 1.200 m² Verkaufsfläche landes-planerisch zulässig. Lebensmitteldiscounter sind lediglich bis 800 m² Verkaufsfläche zulässig. o Kongruenzgebot: Einzelhandelsgroßprojekte müssen in Bezug auf ihre Größe, Art und Umsatz in einem angemessenen Verhältnis zur Größe und Versorgungsfunktion der Standortgemeinde stehen. o Integrationsgebot: Einzelhandelsgroßprojekte mit innenstadtrelevanten Sortimenten bzw. mit Waren des kurzfristigen, täglichen Bedarfs sollen in städtebaulich integrierter Lage mit einer den örtlichen Gegebenheiten entsprechenden Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr erfolgen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Aussagen zur Nahversorgung, zur Erreichbarkeit – vor allem mit dem ÖPNV – und bezüglich des Erhalts der Funktionsfähigkeit der Ortszentren und Innenstädte müssen nach neuem LEP (Fortschreibung 2012) formuliert werden. Dies gilt auch dann, wenn das LEP auf wesentliche, wichtige Regelungsinhalte reduziert wird. Lage im Raum. Flächen für Einzelhandelsgroßprojekte dürfen nur in zentralen Orten ausgewiesen werden. Es ist zu begrüßen, dass die Soll-Formulierung durch eine Konkretisierung nun ersetzt wird. Beim Nahversorgungsbedarf wird die Ungleichbehandlung zwischen den Vollsortimentern und den Discountern bei Lebensmitteln aufgehoben, da dies rechtlich kaum haltbar sein dürfte.

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o Lage in der Gemeinde: Im neuen Entwurf fehlt in der Zielformulierung der ausdrückliche Hinweis auf die ÖPNV-Anbindung. Nach der Fassung LEP 2012 sind jetzt auch Nahversorgungsbetriebe in städtebaulichen Randlagen möglich. Es genügt allein der Nachweis, dass topografische Verhältnisse keinen integrierten Standort zulassen. Gerade für den Nahversorgungsbedarf ist auch aufgrund des demografischen Wandels eine städtebauliche Integration erforderlich. o Zulässige Verkaufsfläche: Für Waren des kurzfristigen, täglichen Bedarfs wird die maximale Abschöpfungsquote um fünf Prozent auf 30 Prozent des Verflechtungsbereichs erhöht. Als Bezugsrahmen für zentrenrelevante Sortimente wird künftig der einzelhandelsspezifische Verflechtungsbereich eines zentralen Ortes mit dem Kriterium seiner Erreichbarkeit mit dem motorisierten Individualverkehr kombiniert. Dadurch ist davon auszugehen, dass größere Verkaufsflächen möglich sind. o Größere Verkaufsflächen bei abnehmender Bevölkerung führen unweigerlich zu einer wesentlich schlechteren Nahversorgung im ländlichen Raum und zu einer noch nie dagewesenen Vernichtung von Klein- und Mittelbetrieben, die im ländlichen Raum ein wesentliches Rückgrat der Nahversorgung bilden. Mit keinem Wort wird im neuen LEP Bezug auf diese Klein- und Mittelbetriebe genommen, obwohl die Bayerische Verfassung gerade diese Betriebe schützt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich das LEP und der BIHK um die Discounter sorgen, aber die wesentlichen Elemente bayerischer Kultur außen vor lassen. Den Klein- und Mittelbetrieben ist nach der Bayerischen Verfassung Schutz und Vorrang zu gewähren und somit auch in die Zielsetzung des BIHK aufzunehmen (Artikel 153 der Bayerischen Verfassung). Was getan werden muss Aussagen zur Nahversorgung, zur Erreichbarkeit und den Erhalt der Funktionsfähigkeit der Ortszentren und Innenstädte sollten – und werden auch – im neuen LEP 2012 formuliert. Nachdem die Ansiedlung von Lebensmittelvollsortimentern bzw. Discountern bis zu einer Verkaufsfläche von 1.200 m² nach der neuen Fassung des LEP überall möglich ist, stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, die Zahl der zentralen Orte annähernd zu verdoppeln.

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Nach der neuen Fassung sind jetzt auch Nahversorgungsbetriebe in städte-baulichen Randlagen möglich. Es genügt allein der Nachweis, dass topografische Verhältnisse keinen integrierten Standort zulassen. Laut Begründung zur o. g. Fassung sind in diesem Fall objektive Kriterien heranzuziehen. Welche Kriterien sind damit gemeint? Hier müssen wir darauf bestehen, dass eine restriktive Handhabung – auch aufgrund des demografischen Wandels – erfolgt, damit die städtebauliche Integration für Güter des täglichen Bedarfs erhalten bleibt. Das Gleiche gilt für den Innenstadtbedarf, nachdem hier die sogenannte "doppelte" Ministererlaubnis wegfällt.

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4.3 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Straße & Schiene Wie ist es – Problemstellung Deutschland benötigt als hoch entwickelte und vernetzte Volkswirtschaft leistungsfähige Verkehrswege. Die Globalisierung und die fortschreitende europäische Integration werden diese Entwicklung weiter verstärken. Der Verkehrswegebau hat in der Vergangenheit mit dem Verkehrswachstum nicht Schritt gehalten. Dabei hängt die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Bayern und Deutschland in erheblichem Maß von der Substanzerhaltung und dem Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur ab. Dabei stößt die traditionelle Finanzierung (Haushaltsfinanzierung) an ihre Grenzen. Obwohl erhebliche Finanzmittel durch alle Abgaben der Verkehrsteilnehmer vorhanden wären, fließen nur Teile davon in den Ausbau der Infrastruktur. Konsequenz davon ist ein dauerhaft zu niedriges Finanzierungsniveau sowie eine fehlende BudgetPlanungssicherheit. Die im Jahr 2011 auf in Deutschland auf der Straße beförderte Gütermenge betrug 3.360 Millionen Tonnen. Diese können mit dem bestehenden Straßennetz bereits heute nicht problemlos abgewickelt werden. Die prognostizierten Verkehrszuwächse werden so nicht mehr zu bewältigen sein. Auch die Schieneninfrastruktur in Bayern hat nicht mit den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte mithalten können. Die künftigen Verkehrszuwächse im Güterverkehr sollen nach den Vorstellungen der Politik überproportional auf der Schiene erfolgen. Der tatsächliche Ausbau der Schienennetze in Bayern hinkt den Ausbauplänen aber stark hinterher. Wegen fehlender Investitionen in die bayerische Schieneninfrastruktur kommt es vor allem in den großen Ballungsräumen und Schienenknoten des Freistaates zu erheblichen Qualitätsproblemen. Verspätungen, Überlastung von Hauptschienenstrecken und Zugausfälle sind die Folge. Schließlich ist auch bei Neu- und Ausbauvorhaben im Verkehrsbereich eine wachsende Skepsis bis hin zur Ablehnung von Großprojekten in der Bevölkerung zu erkennen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Bayern braucht als Flächenstaat in der Mitte Europas eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, um dem regionalen, nationalen und internationalen Verkehrsaufkommen der Zukunft begegnen zu können. Für die Sicherung und 29

Entwicklung unserer Volkswirtschaft ist deshalb die intelligente Vernetzung aller vier Verkehrsträger Straße, Schiene, Wasser und Luft von essentieller Bedeutung. Um dies zu erreichen, müssen neue Wege begangen werden, wie die bereits eingeleiteten Schritte zur Nutzerfinanzierung (sogenannte Finanzierungskreisläufe) sowie zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten wie PPP-Modelle oder die Kreditfähigkeit der VIFG. Wichtige Ausbau- und bereits begonnene Neubauprojekte im Fernstraßennetz müssen schnellstmöglich finanziert und umgesetzt werden. Im Rahmen eines Gesamtkonzeptes müssen verkehrlich wichtige Fernstraßenprojekte in den Bundesverkehrswegeplan prioritär aufgenommen werden. Das Schienennetz muss bedarfs- und zukunftsorientiert ausgebaut werden, damit mittel- und langfristig im Sinne eines ökologisch und ökonomisch sinnvollen Gesamtverkehrskonzeptes ein deutlicher höherer Anteil des Verkehrsaufkommens auf die Schiene verlagert wird. Was getan werden muss In Bayern o Mehr Finanzmittel sind zum Erhalt und zum Ausbau des Straßen- und Schienennetzes in Bayern bereitzustellen. o Angesichts der Mittelknappheit für den Erhalt und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur müssen neue Finanzierungskonzepte geprüft werden; zugleich muss der tatsächliche Bedarf an Verkehrsinfrastrukturvorhaben in Bayern anhand von einheitlichen und nachvollziehbaren Faktoren überprüft werden. Alternative Finanzierungsformen für den Verkehrswegebau im Bereich Straße, aber auch für die Schiene sind zu prüfen und aktiv mit der Wirtschaft zu diskutieren. o PPP-Modelle sind zu prüfen und anzuwenden. o Planungsverfahren müssen modernisiert werden. o Durch eine zeitnahe Bürgerbeteiligung muss für mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für Verkehrsinfrastrukturvorhaben geworben werden. Ein Abwägungsprozess zwischen notwendiger Bürgerbeteiligung und Verhinderung von volkswirtschaftlich notwendiger verkehrlicher Entwicklung muss erfolgen. o Aufgrund des schleppenden Ausbaus der Schieneninfrastruktur haben die bayerischen IHKs ein Gutachten vergeben, das im Herbst 2012 publiziert werden soll. Gefordert werden von der Politik entsprechende Lösungskonzepte, auch hinsichtlich alternativer Finanzierungsmodelle. In Deutschland o Mehr Finanzmittel sind zum Erhalt und zum Ausbau des Straßennetzes in 30

Deutschland bereitzustellen. Die Wirtschaft darf dabei jedoch nicht über Gebühr zusätzlich belastet werden. o Alternative Finanzierungsformen für den Verkehrswegebau sind zu prüfen und aktiv mit der Wirtschaft zu diskutieren. o Der Wechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung ist einzuleiten, Stichwort: „Verkehr finanziert Verkehr“. o Auf Bundesebene müssen deshalb neue Finanzierungskonzepte geprüft werden, z.B. private Finanzierungsmodelle (PPP-Modell). Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundes beschäftigt sich bereits mit dieser Thematik. o Gegebenenfalls muss die Frage nach einer grundsätzlichen Neuordnung der Finanzierung von Schieneninfrastruktur gestellt werden. o Planungsverfahren müssen modernisiert werden. o In der Bevölkerung muss für mehr Akzeptanz für Verkehrsinfrastrukturprojekte geworben werden. Frühestmögliche Transparenz bei Großprojekten ist zum besseren Verständnis und höheren Akzeptanz zu realisieren. Die betroffene Öffentlichkeit ist frühestmöglich mit in die Planungsprozesse einzubeziehen. o Sinnvolle Einwände der Betroffenen sind in den Abwägungsprozessen stärker zu berücksichtigen. In Europa o Harmonisierung von Mautsystemen anstreben. o Diskussion über Wegekostenrichtlinie führen.

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4.4 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Luft Wie ist es – Problemstellung Der Flughafen München ist mit rund 37 Millionen Passagieren im Jahr 2011 das zweitgrößte Drehkreuz in Deutschland. Für die bayerische Wirtschaft ist der Flughafen die Direktanbindung an die Zentren der Welt. Eine Weiterentwicklung des Drehkreuzes ist aufgrund des an der Kapazitätsgrenze operierenden Flughafens nicht mehr möglich. Daher muss die Bodeninfrastruktur ausgebaut werden. Durch den Bürgerentscheid am 17. Juni 2012 gegen den Bau der 3. Start- und Landebahn wurde jedoch dieses wichtige Verkehrsinfrastrukturvorhaben für einen nicht absehbaren Zeitraum auf Eis gelegt. Wirtschaftliche Konsequenzen wie Stagnation, drohender Verlust der guten internationalen Anbindung sowie Rückfall im internationalen Standortwettbewerb sind die Folge. Der Bedarf für den Ausbau ist durch das Münchener Votum nicht geringer geworden und nimmt weiter zu. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Nach Abwägung der Vor- und Nachteile bringt der Bau einer dritten Start- und Landebahn insgesamt erhebliche positive Auswirkungen auf die ökonomisch-strukturell geprägten Belange der Raumstruktur, die Belange des Verkehrs, insbesondere des Luftverkehrs, der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere der Exportwirtschaft, sowie die des Arbeitsmarktes. Um die negativen Folgen für den Standort Bayern so gering wie möglich zu halten, ist ein besonnenes Verhalten der Politik notwendig. Das Ausbauvorhaben muss weitergeführt und die politische Diskussion zum richtigen Zeitpunkt wieder aufgenommen werden. Was getan werden muss In Bayern o Die politisch Verantwortlichen in Bayern müssen das Projekt Flughafenausbau München trotz des Bürgervotums weiter betreiben. o Bitte Aussage zu Regionalflughäfen/Landeplätzen ergänzen. (Der Ausbau der regionalen Verkehrslandeplätze ist den Vorgaben des LEP und der Regionalpläne entsprechend voranzutreiben.) o Der politische Dialog gemeinsam mit der betroffenen Öffentlichkeit muss weiter geführt werden. o Mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für das Projekt muss durch mehr Transparenz erreicht werden (Bürgerdialog). o Nachdem der Bürgerentscheid die 3. Start- und Landebahn in München vorläufig

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verhindert hat, wäre es sinnvoll den Nürnberger Flughafen zu stärken und besser einzubinden. Nach dem neuen LEP sollen für diesen Flughafen nur marginale Verbesserungen vorgesehen werden. Dies ist nochmal grundlegend zu Überdenken und nachzubessern. In Deutschland o Planungsverfahren müssen modernisiert werden. o Frühestmögliche Transparenz bei Großprojekten ist zum besseren Verständnis und höheren Akzeptanz zu realisieren. o Die betroffene Öffentlichkeit ist frühestmöglich mit in die Planungsprozesse einzubeziehen. o Bürgerentscheide müssen (wenn notwendig) zu einem sinnvollen Zeitpunkt im Planungsprozess (zu Beginn) durchgeführt werden. o Sinnvolle Einwände der Betroffenen sind in den Abwägungsprozessen stärker zu berücksichtigen. In Europa -

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4.5 Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vorantreiben: Wasser Wie ist es – Problemstellung Weil entlang der 70 km langen Strecke zwischen Straubing und Vilshofen häufig Niedrigwasser herrscht, können voll beladene Schiffe nur an durchschnittlich 164 Tagen im Jahr diesen Abschnitt passieren. Die Folge sind teure und langwierige Entladungen auf Straße oder Schiene in den Binnenhäfen Regensburg und Passau. Dadurch leidet die Attraktivität des Verkehrsträgers Binnenschiff. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Donau als europäische Wasserstraße muss durchgängig befahrbar sein. Daher ist ein bedarfsgerechter Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen unerlässlich. Angesichts der sich im Osten Europas entwickelnden Volkswirtschaften, Deutschlands und insbesondere Bayerns zentraler Lage und der damit verbundenen stark ansteigenden Transitverkehre mit zunehmenden ökologischen Problemen muss die Donau ihre Funktion als internationaler, ganzjährig befahrbarer Verkehrsweg wahrnehmen. Eine bedarfsgerechte Vertiefung würde eine Passage an bis zu 290 Tagen im Jahr ermöglichen und damit maßgeblich zu der verkehrspolitisch gewünschten und umweltpolitisch notwendigen Stärkung der Binnenschifffahrt beitragen können. Im Herbst 2012 werden die Ergebnisse einer Studie mit finanzieller Beteiligung der EU zur technischen Machbarkeit und den ökologischen Auswirkungen möglicher Ausbauvarianten vorliegen. Was getan werden muss In Bayern o Die Donau muss endlich so effektiv ausgebaut werden, dass sie ihrer Funktion als ganzjährig funktionierende Wasserstraße zur Entlastung der Straße gerecht werden kann, damit das Binnenschiff in der Logistikkette als umweltfreundlicher und kostengünstiger Verkehrsträger auch in Bayern eine wichtige Rolle spielen kann. o In absehbarer Zeit werden tragfähige Grundlagen für nachhaltige Entscheidungen zur Verfügung stehen. Es wird erwartet, dass wichtige Weichenstellungen zeitnah getroffen werden und ein abschließendes Planfeststellungsverfahren für die sich als sinnvoll erweisende Ausbauvariante beschlossen wird. Im weiteren Prozess sind die gesetzlich vorgegebenen Beteiligungsrechte von Bürgern und Trägern öffentlicher Belange erneut gewährleistet.

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In Deutschland Nachdem Wasserstraßen der Hoheit des Bundes unterstehen, muss auch die Bundesregierung ihren Teil zum raschen Ausbau beitragen. In Europa Da der Donauausbau Bestandteil der Liste der prioritären Projekte ist (Korridor VII der TEN), muss auch die Europäische Kommission ein hohes Anliegen an den Ausbauplänen haben; denn die Donau trägt dazu bei, i.S. der Stärkung des gesamten europäischen Binnenschifffahrtsnetzes die neuen EU-Mitgliedsländer umweltfreundlich zu erschließen. Angesichts erheblicher Entwicklungspotenziale in Süd- und Osteuropa zählen die dortigen Länder bereits heute zu den Schlüsselmärkten unserer Volkswirtschaft. Für Relationen nach Asien und dem Nahen Osten stellen die kürzeren Entfernungen über die Schwarzmeerhäfen bereits heute eine wichtige Alternative zu Nordsee- und Atlantikrouten dar.

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4.6 Funktion des Liefer- und Wirtschaftsverkehrs in Städten Wie ist es – Problemstellung Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Städte auch zukünftig funktionsfähige und attraktive Standorte für Handel, Dienstleistung und Industrie sein können. Die für die nächsten Jahre prognostizierten Bevölkerungszuwächse in den Ballungsräumen bei gleichzeitig steigenden Umweltanforderungen stellen alle Beteiligten vor gewaltige Herausforderungen, wenn es darum geht, zukünftig Prosperität und Umweltschutz unserer Städte noch besser in Einklang zu bringen. Der Erreichbarkeit unserer Städte für den Wirtschaftsverkehr kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Es wurde erkannt, dass mit den Bevölkerungszuwächsen in den Ballungsräumen gewaltige Herausforderungen zu meistern sind. Die Schlussfolgerungen in „Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK“… möchten dieses Szenario beherrschbar gestalten. Dies wird nicht gelingen. Deshalb ist es viel sinnvoller politisch dafür zu sorgen, dass sich die Bürger in den angrenzenden Regionen ansiedeln. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK o Die innerstädtische Verkehrsinfrastruktur muss bedarfsgerecht weiter ausgebaut werden. o Die bereits bestehende innerstädtische Verkehrsinfrastruktur muss durch intelligente Leitsysteme und Parkraummanagement noch leistungsfähiger gestaltet werden. o Betriebliche Abläufe in den Städten dürfen nicht so behindert werden, dass einerseits die Gefahr von Standortverlagerungen besteht und andererseits diese Verlagerungen nicht solche Standorte betrifft, die nur noch für den Autoverkehr erreichbar sind und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr wirtschaftlich bedient werden können. o Die Erreichbarkeit unserer Städte für den Wirtschaftsverkehr setzt einen gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr samt leistungsfähiger Umsteigepunkte voraus, damit diejenigen Verkehre verlagert werden können, die nicht auf das eigene Auto angewiesen sind. o Neue städtische Logistikkonzepte sowie der Einsatz besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge im Wirtschaftsverkehr können einen wichtigen Beitrag leisten, trotz zunehmend strenger werdender Anforderungen an den Umweltschutz (Luft, Lärm) die Erreichbarkeit der Städte dauerhaft zu sichern.

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Was getan werden muss In Bayern o Bayern braucht einen bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. o Forschung und Markteinführung besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge im städtischen Wirtschaftsverkehr sollten noch stärker forciert werden. o Unternehmen mit Vorbildfunktion beim Einsatz besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge im Wirtschaftsverkehr sollten noch mehr politische und öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. o Bayern braucht einen bedarfsgerechten und lenkenden Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und des ÖPNV vor allem bei der Anbindung der ländlichen Regionen an alle „zentralen Orte“. In Deutschland o Steuerliche Förderung besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge im Wirtschaftsverkehr. o Die Berechnungsmethoden des zulässigen Gesamtgewichts sollten die spezifischen Gewichtsnachteile bei Elektrofahrzeugen im Wirtschaftsverkehr berücksichtigen. o Die Ausnahmeregelungen für den Wirtschaftsverkehr beim Befahren von Umweltzonen sollten vereinheitlicht und eine erteilte Ausnahmegenehmigung gegenseitig anerkannt werden. In Europa o Ergebnisoffene Diskussion um Grenzwerte (Feinstaub, Stickoxide), da derzeitige Grenzwerte erkennbar nicht einzuhalten sind. Grenzwerte und Umsetzungszeiten dürfen durchaus ambitioniert, müssen aber trotzdem realistisch sein.

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4.7 Steigerung der Effizienz der Tourismusstrukturen in Bayern Wie ist es – Problemstellung Es besteht noch immer die Tendenz, dass jeder Ort sein touristisches Angebot selbst vermarkten möchte. Tourismus ist immer noch zu stark von der – lokalen – Politik abhängig. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Starke Tourismusregionen bilden sich und treten wie ein Unternehmen am Markt auf. Einbeziehung sämtlicher Leistungsträger des Tourismus, u. a. auch Handel und sonstige Dienstleistungsbetriebe. Was getan werden muss In Bayern o Kompetenz und Erfahrungen privater touristischer Leistungsträger müssen stärker in lokale/regionale Tourismusgremien eingebunden werden. - Reduzierung der Abhängigkeit des Tourismus von Politik. - Modernes Tourismusmarketing muss auf die Erzielung von Gewinnen und auf die Erhöhung von Marktanteilen ausgerichtet sein. o Bei der touristischen Vermarktung muss die Destination, wie sie der Gast wahrnimmt, im Mittelpunkt stehen. - Überwindung des Kirchturmdenkens. - Kein eigener Ortsprospekt für jeden einzelnen Ort mehr. - Etablierung von Tourismusdestinationen, die sich nicht mehr an politischen Grenzen zu orientieren brauchen. - Neuausrichtung der Landkreistouristik auf ein Destinationsmanagement (Beispiel: Alpenregion Schliersee-Tegernsee, Naturpark Altmühltal). o Bündelung der Marketingbudgets an die übergeordneten Destinationen bzw. größere Vermarktungseinheit. - Große Synergieeffekte durch Vermeidung von Marketingaktionen einzelner Orte, deren Budgets meistens nicht ausreichend für eine nachhaltige Anzeigenkampagne sind. - Kopplung der staatlichen Fördermittel als Anreiz für Budgetbündelung einzelner touristischer Vermarktungseinheiten. - Überlegungen zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (Zweckbindung und Bündelung).

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o Struktur der Qualitätssicherung weiterentwickeln. - Qualität wird zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Tourismus, daher Förderung der Initiative des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern e. V. "Servicequalität in Bayern". - Gastro-Management-Pass des BHG-DEHOGA Bayern (in Kooperation BIHK) als permanenten Qualitätssicherungsprozess etablieren und als Qualitätssiegel bekannt machen. In Deutschland -

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4.8 IT- und Medienstandort Bayern neue Dynamik verleihen Wie ist es – Problemstellung o Die IuK- und Medienbranche zählt zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen in ganz Bayern. Allein für den Großraum München umfasst die Branche nach der IuK- und Medienstudie 2010 mehr als 29.000 Unternehmen mit 71,3 Milliarden Euro Umsatz bei 371.000 MitarbeiterInnen. Dabei wird ein Investitionsvolumen von 6,6 Milliarden Euro generiert. o Die IT- und Medienbranche lebt in einem sehr wettbewerbsintensiven und sich schnell wandelndem Umfeld. Dabei befinden sich die Mitbewerber innerhalb Bayerns, Deutschlands, Europas und global. o IT- und Medienlösungen sind mittlerweile wesentliche Werkzeuge in nahezu allen Branchen (Automotive, Energie...). o Die IT-Branche verfügt in Bayern über Marktführer (z.B. Datev) und über leistungsfähige mittelständische Unternehmen in lokalem Besitz (z. B. Witron, SpaceNet, Genua). Diverse Unternehmen sind mittlerweile auch Töchter ausländischer Unternehmen (Softlab/Cirquent/NTT Data Group, Suse/Attachmate oder SoftM/Comarch). Daneben sind auch zahlreiche Niederlassungen von internationalen Marktführern (Microsoft, Google, Amazon, Oracle, ...) in Bayern präsent. o Die Gamesbranche in Bayern erstarkt. Ihr haftet jedoch oft noch das Image einer Nischenbranche an und wird als Wirtschaftsfaktor mit seinem Potenzial unterschätzt. Dabei profitieren vermehrt viele andere Branchen (Produktion, HR, Health usw.) von den Entwicklungen. o Für die Branche Film/Filmtechnik ist die Konkurrenz im In- und Ausland sehr groß: stärkere Förderprogramme lassen Produktionen abwandern statt die Fähigkeiten der Unternehmen in Bayern zu nutzen (z.B. Postproduktion 3 Musketiere in Kanada). o Ein sich zuspitzendes Problem ist der Fachkräftemangel, der gerade für den Großraum München ergänzt wird durch die regionale Problemstellung mit seinen hohen Lebenshaltungskosten. o Startups werden teilweise mit hohen Preisen für Büroflächen konfrontiert. Viele Kreative wandern nach der Ausbildung in Bayern in andere Städte ab, die eine leichtere Existenzgründung und ein stärker kreatives Umfeld versprechen. o Im Internet tätige Unternehmen sehen sich häufig vor zahlreichen rechtlichen Unsicherheiten und internationalen Unterschieden. o Der Bedarf an breitbandigem Internet – ob mobil oder in den Unternehmen – 40

steigt weiterhin stark. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Vernetzung der Branchen, wie z.B. der IT-Branche mit Anwendungsbranchen und mit Inhalteanbietern, soll weiter gestärkt werden. Darüber hinaus sollen Anreize geschaffen werden für den Standort Bayern – für potenzielle Mitarbeiter wie für neu anzusiedelnde Unternehmen. Kreative Startups sollen motiviert werden, Bayern als Standort zu wählen. Starke Branchensegmente am Standort sollen erhalten und weiter ausgebaut werden. Was getan werden muss In Bayern o Kreatives Umfeld für neue IT- und Medien-Segmente unterstützen (u.a. Zentrum für Games-Branche, Filmstandort Bayern stärken, IT- und MedienGründerzentren). o Vernetzung zwischen den Branchensegmenten und Anwendungsbranchen stärken u.a. durch Veranstaltungen, Initiativen, Programme. o Infrastruktur weiter verbessern, damit innovative Ideen und Handlungsmöglichkeiten auch außerhalb der Ballungszentren entstehen: Geplante Breitband-Maßnahmen (Breitbandkompetenzzentrum, Nutzung von

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Synergiepotenzial, Förderprogramm) umsetzen. LTE-Ausbau eröffnet neue Möglichkeiten des Überall-Internets. Stärken der bayerischen Unternehmen identifizieren und auch auf dem internationalen Markt weiter ausbauen, wie z.B. im Bereich IT-Sicherheit oder in der Filmtechnik. Dabei können auch neue Finanzierungsmöglichkeiten und Infrastrukturmaßnahmen Unternehmen vor Ort halten und stärken. Bayerische IT-/Medien-Vorzeigeunternehmen präsentieren Gemeinsame Anstrengungen zur Bildung und Bindung von Fachkräften Bildung mit Forschung und Entwicklung sollen als zentrale Triebfeder gerade für die IT weiterentwickelt werden.

In Deutschland Zuverlässiger und durchgesetzter Rechtsrahmen (z. B. Datenschutz) mit gleichen Spielregeln für alle in Deutschland tätigen Unternehmen. In Europa Zuverlässiger und durchgesetzter Rechtsrahmen (z. B. europäischer Binnenmarkt für digitale Dienste) mit gleichen Spielregeln für alle in Europa tätigen Unternehmen.

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5. Recht und Steuern 5.1 Altersvorsorge Selbständiger Wie ist es – Problemstellung Bislang besteht für den überwiegenden Teil der Selbstständigen keine gesetzliche Pflicht zur Altersvorsorge und zur Absicherung gegen Erwerbsminderung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat jetzt die Einführung einer obligatorischen Altersvorsorge und Erwerbsminderungsabsicherung angekündigt. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Keine gesetzliche Pflicht zur Altersvorsorge Selbstständiger und zur Absicherung gegen Erwerbsminderung: Da es keine fundierten Belege dafür gibt, dass Selbstständige mehr als sozialversicherungspflichtige abhängig Beschäftigte von Altersarmut bedroht sind, besteht derzeit kein Bedürfnis für eine gesetzliche Pflicht zur Altersvorsorge Selbstständiger und zur Absicherung gegen Erwerbsminderung. Insbesondere bei der Gruppe der Solo-Selbstständigen ist ungeklärt, wie viele lediglich nebenberuflich tätig sind oder nicht ohnehin der Rentenversicherungspflicht unterliegen. Im Übrigen hat jeder Unternehmer ein ureigenes Interesse daran im Alter über die Grundsicherung hinaus gut abgesichert zu sein. Sollte eine gesetzliche Pflicht zur Altersvorsorge oder zur Erwerbsminderungsabsicherung dennoch eingeführt werden, muss die finanzielle und bürokratische Belastung der Selbstständigen so gering wie möglich gehalten und der individuellen Erwerbsgestaltung und Altersabsicherung Rechnung getragen werden. Zudem ist größtmögliche Flexibilität sicherzustellen. Es sollte eine gesetzliche Pflicht zur Altersvorsorge und zur Absicherung gegen Erwerbsminderung geben. Begründung: Gerade viele Inhaber von Einzelfirmen können im Falle einer Insolvenz die eigene private Altersvorsorge nicht aus der Konkursmasse nehmen. Zudem haben viele, selbst wenn alles in guten Bahnen verläuft, nicht die finanzielle Kraft eine vernünftige Altersvorsorge aufzubauen. Eine gesetzliche Verpflichtung, Insolvenz gesichert, würde hier ein gewaltiges Umdenken einfordern, welches sowohl der Gesellschaft als auch dem betreffenden Selbständigen zum Vorteil gereichen würde. Dieses Thema hat besondere Brisanz bei der Gruppe Einzelfirmen und ICH- AGs. Deshalb sollte es nicht durch die Brille des GmbH, AG oder Genossenschafts42

Geschäftsführers/Vorstands gesehen werden. Diese sind sicher gut abgesichert und verfügen in der Regel über ein Einkommen welches zusätzlich Rücklagen möglich macht. Was getan werden muss In Bayern Einbringung des vorgenannten Standpunktes im Bundesrat. Statt gesetzlicher Regelung verstärkte Information der Unternehmer. In Deutschland Kein Gesetz zur verpflichtenden Altersvorsorge Selbstständiger und zur Absicherung gegen Erwerbsminderung. In Europa Derzeit sind keine Aktivitäten auf EU-Ebene bekannt.

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5.2 Wirtschafts- und Unternehmensförderung Wie ist es – Problemstellung Banken als wesentlicher Finanzier der mittelständischen Unternehmen unterliegen ab 2013 den strengen Regulierungen nach Basel III, unabhängig von Größe und Geschäftsmodell Aktuell ziehen sich Geschäftsbanken aus Geschäftsfeldern, die mittelständische Unternehmen betreffen, sukzessive zurück (aktuell: Commerzbank zieht sich aus gewerbl. Immobilien- und Schiffsfinanzierungen zurück). Größere mittelständische Unternehmen und insbesondere auch die neuen, schnell wachsenden innovativen Mittelständler werden die Möglichkeiten der Anleiheemission sowie der Eigenkapitalaufnahme an der Börse oder im vorbörslichen Private EquityMarkt zukünftig stärker nützen (müssen). Die Mehrzahl der KMU entspricht jedoch z.B. in Hinblick auf ihre Renditeerwartungen nicht den Anforderungen dieser Finanzierungsalternativen für den Mittelstand und bleibt nach wie vor in erster Linie auf die Banken angewiesen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Für mittelständische Unternehmen ohne Zugang zum Kapitalmarkt oder Private Equity gilt es klassische Finanzierungsalternativen wie z.B. Leasing oder Factoring sowie die Möglichkeiten der staatlichen Kreditförderung auf eine Eignung für das eigene Unternehmen zu prüfen, um etwaige Verschlechterungen der Finanzierungsbedingungen als Folge von Basel III abzumildern oder auszugleichen. Die Unternehmensfinanzierung durch Kredite ist durch die maßvolle Umsetzung der bevorstehenden Regulierungen durch Basel III (ggf. Anpassungen an die wirtschaftlichen Konjunktursituation) zu sichern. Eine Kreditklemme bei mittelständischen Unternehmen ist zu vermeiden. Angesichts der traditionell schwachen Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen ist ein Ausbau von Wagnis- und Beteiligungsfinanzierungen von Bedeutung. Die Rahmenbedingungen für diese Finanzierungsformen müssen deshalb nachgebessert werden. Dazu gehört die Schaffung von Rechtssicherheit, beispielsweise durch die gesetzliche Steuertransparenz für Wagniskapitalfonds. 44

Was getan werden muss In Bayern Unterstützung des Bankensystems durch flankierende Maßnahmen über die LfA Förderbank wie z.B. Bürgschaften und Haftungsfreistellungen sowie der Einräumung von Erleichterungen für kleine mittelständische Unternehmen beim Zugang zu Eigenkapital (z.B: über die BayBG oder LfA) und Betriebsmittelkrediten In Deutschland Unterstützung des deutschen „3 Säulen“ Bankensystems durch flankierende Maßnahmen über die KfW Förderbank, z.B. Auflage von Eigenkapitalprogrammen für „nicht innovative“ Unternehmen, Darlehensprogrammen für Betriebsmittelfinanzierungen, Bürgschaftsprogrammen und Haftungsfreistellungen. Für innovative Gründungen und Nachfolgen muss der Markt für privates Beteiligungskapital belebt werden, z. B. durch bessere steuerliche Verlustverrechnungsmöglichkeiten. Förderkredite sind für Banken ein risikoarmes Kreditgeschäft und unterstützen Existenzgründungen, Innovationen und Investitionen. Sie sollten daher nicht durch die zukünftigen Basel III-Regelungen über Gebühr eingeschränkt werden. In Europa Unterstützung des Bankensystems durch ein „mittelstandsfreundlicheres“ Angebot der Europäischen Investitionsbank : Ausweitung Kreditangebot, Erhöhung des Mitfinanzierungsanteils der EIB (aktuell 50 Prozent), direkter Zugang für mittelständische Unternehmen)

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5.3 Bürokratieabbau im Steuerbereich Wie ist es – Problemstellung Bürokratie ist wie Sand im Getriebe der Wirtschaft. Der Normenkontrollrat beziffert die Bürokratiekosten der Wirtschaft in Deutschland jährlich auf über 40 Mrd. Euro. Insbesondere die langen steuerlichen Aufbewahrungsfristen lösen erhebliche Bürokratie bei den Unternehmen aus. Der Steuerpflichtige muss beispielsweise ungeachtet des technischen Fortschritts die ursprünglichen und während der Aufbewahrungsfrist von bis zu 10 Jahren oftmals unwirtschaftlichen und ungenügend funktionstüchtigen EDVAnlagen und Programme nebst sachkundigem Bedienungspersonal vorhalten. Die E-Bilanz, die durch ein Steuerbürokratieabbaugesetz festgeschrieben wurde und ab 2013 flächendeckend eingreifen wird, führt nach derzeitiger Ausgestaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit entgegen der Intention zu einem weiteren Bürokratieaufbau bei den Unternehmen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Folgende Maßnahmen müssen durchgeführt werden: o Die Aufbewahrungsfristen sind von zehn auf fünf Jahre zu halbieren und o die Betriebsprüfung spätestens fünf Jahre nach Veranlagungsjahr abzuschließen. o Die E-Bilanz muss im Sinne des Gesetzgebers zu einem Bürokratieabbau für die Unternehmen führen. Dies wird z.B. erreicht, wenn die elektronische Übermittlung sich an den bisherigen Vorgaben des Handelsrechtes orientiert. Was getan werden muss In Bayern Die bayerische Politik sollte den Bürokratieabbau insbesondere durch Initiativen und Eingaben über den Bundesrat vorantreiben. In Deutschland Es sind vor allem gesetzliche Änderungen bei den Aufbewahrungsfristen und der Regelungen zur Betriebsprüfung notwendig. Die Ausgestaltung der E-Bilanz durch das BMF muss dem Ziel des Bürokratieabbaues gerecht werden. In Europa Auf europäischer Ebene ist der Bürokratieabbau weiter voranzutreiben, insbesondere sollten die Ergebnisse der Expertengruppe zum Bürokratieabbau der EU-Kommission berücksichtigt werden.

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5.4 Substanzbesteuerung Wie ist es – Problemstellung Die Ausweitung der Substanzbesteuerung der Unternehmen wird derzeit wieder intensiv diskutiert. Die Vorschläge reichen dabei von einer einmaligen Vermögensabgabe bzw. einer dauerhaften, jährlichen Vermögensteuer bis hin zu einer Ausweitung der Erbschaftsteuer und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit von Unternehmen ist der Königsweg, der konsequent weiterverfolgt werden sollte. Wir wenden uns daher insbesondere gegen eine Vermögensabgabe sowie eine Wiedereinführung der Vermögensteuer, gegen die derzeit bestehenden Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer und gegen eine Verschärfung der Erbschaftsteuer. Die konsequente Lösung bei der Erbschaftsteuer ist nach wie vor die Abschaffung. Was getan werden muss In Bayern Die bayerische Politik sollte den Abbau der Substanzbesteuerung insbesondere durch Initiativen und Eingaben über den Bundesrat vorantreiben. In Deutschland Es dürfen keine Gesetze erlassen werden, die Substanzsteuern auslösen: o Keine Einführung der Vermögensteuer und Vermögensabgaben o Keine Einführung und Verschärfung substanzbesteuernder Regelungen Zudem ist insbesondere gesetzlich der Abbau der derzeit bestehenden Substanzsteuerelemente sowie leistungsfremder Steuerregelungen, wie die o Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer, o die Zinsschranke, o die Mantelkaufregelung, o die Beschränkungen bei der Verlustverrechnung voranzutreiben. In Europa Es sind Initiativen zu starten, die europaweit die Besteuerung der Unternehmen nach der Leistungsfähigkeit zum Ziel haben, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und damit ein dauerhaft stabiles Steueraufkommen der EUMitgliedsstaaten zu gewährleisten.

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5.5 Modernisierung des Datenschutzes in Europa Wie ist es – Problemstellung Das Datenschutzrecht ist veraltet. Eine dringend benötigte Modernisierung hat den Bedürfnissen einer global agierenden und entsprechend vernetzten Wirtschaft Rechnung zu tragen. Um Wettbewerbsnachteile für Unternehmen in Europa zu vermeiden, sind flankierend zu einem einheitlichen europäischen Rechtsrahmen internationale Standards zum Datenschutz zu schaffen. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die von der EU eingeleitete Modernisierung des Datenschutzrechts in Europa ist zu unterstützen. Allerdings sind wesentliche Teile des von der EU vorgelegten Entwurfs einer Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) neu zu konzipieren. Zu fordern sind insbesondere 1. einheitliche datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen in Europa, 2. praxiskonforme Regelung für neue Techniken und Kommunikationsmedien, 3. eine Verbesserung des Datentransfers in Drittländer, 4. die Einwilligung als Grundlage der Datenverarbeitung umfassend zu erhalten, 5. angemessene Regelungen zum Datenaustausch in Konzernen in und außerhalb von Europa.

Was getan werden muss In Bayern o Bayern muss die Landesdatenschutzgesetze überprüfen und an die Vorgaben einer EU-Verordnung zum Datenschutz rechtzeitig anpassen. o Die Datenschutzaufsichtsbehörden sind entsprechend auszustatten, so dass diese ihre erweiterten Aufgaben wahrnehmen können. o Bezogen auf das one-stop-shop-Prinzip hinsichtlich der Zuständigkeit einer Datenschutzaufsichtsbehörde sind Abstimmungen zwischen den Datenschutzaufsichtsbehörden der Bundesländer sowie mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit erforderlich. In Deutschland o Deutschland muss bundesgesetzliche Regelungen zum Datenschutz überprüfen und an die Vorgaben einer EU-Verordnung zum Datenschutz rechtzeitig anpassen.

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o Außerhalb der Regelungskompetenz der EU müssen Bereiche wie das Strafrecht entsprechend angepasst werden. Eine EU-rechtlich zulässige Datenerhebung/verarbeitung darf nationales Strafrecht darf nicht verbieten sein. In Europa Die EU sollte den vorgelegten Verordnungsentwurf überarbeiten. Grundsätzlich ist hier zu fordern: o Ein modernes europäisches Datenschutzrecht muss verständlich sein. o Der Entwurf enthält unklare Tatbestände und Definitionen. Bereits die für die Anwendung der Verordnung entscheidenden Frage, ob Daten personenbeziehbar sind, ist unklar. Aus Gründen der Rechtssicherheit und angesichts der gravierenden Strafandrohungen sind unbestimmte Rechtsbegriffe zu präzisieren. o Der Entwurf enthält undifferenziert Pflichten für alle Unternehmen, obwohl diese zum Teil nur für bestimmte Branchen sinnvoll und erforderlich sind. Dies ist unverhältnismäßig. o Der Entwurf orientiert sich vielfach an Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG), die er durchgängig und einseitig zu Lasten der Wirtschaft verschärft. Damit schadet er der Wirtschaft und bringt dem Einzelnen keine Vorteile.

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5.6 Rechte des geistigen Eigentums im Internet Wie ist es – Problemstellung Der Diebstahl geistigen Eigentums im Internet (illegaler Download, Verkauf von Piraterieware) gefährdet die wirtschaftliche Basis in Deutschland, denn die Wirtschaft lebt von innovativen Erfindungen. Allerdings fehlt es an der praktischen Akzeptanz der Rechte des geistigen Eigentums (Urheberrecht, aber auch Marken- und Patentrecht), wenn technische Möglichkeiten das kostenlose Kopieren und Verbreiten so einfach machen. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Rechte des geistigen Eigentums haben weiter ihre Berechtigung, auch und gerade im Internet und in der digitalen Welt. Gerade das Urheberrecht muss erhalten und an diese Herausforderungen angepasst, die Maßnahmen zu seinem Schutz müssen justiert werden. Notwendig ist die Schaffung eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen allen Beteiligten (Kreative, Verwerter und Nutzer). Dazu müssen verständlichere und einfacher anwendbare Nutzungsregelungen aufgestellt werden, es müssen attraktive legale Internetdienste etabliert werden, um Rechtsverletzungen zu verhindern, und die Anonymität für (illegale) Warenanbieter muss aufgehoben werden. Was getan werden muss In Bayern Ein gesamtgesellschaftliches und gesamtpolitisches Umdenken ist erforderlich, das aber nur mit hinreichender Aufklärung (vor allem der Nutzer und Verbraucher) und einer sachlichen Diskussion mit allen Beteiligten erreicht werden kann. In Deutschland Die oben beschriebenen Maßnahmen (verständlichere Nutzungsregelungen und legale Internetdienste) müssen im Rahmen der anstehenden Novelle des Urheberrechts umgesetzt werden. In Europa Anzustreben ist eine weitere Harmonisierung der Regelungen der Rechte des geistigen Eigentums, da die digitale Welt nicht an Deutschlands Grenzen endet.

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5.7. Liberalisierung im Vertragsrecht – AGB-Reform Wie ist es – Problemstellung Viele Unternehmen beklagen, dass bei Verträgen zwischen Unternehmen das deutsche Recht der Allgemeinen Geschäftbedingungen (AGB) unpraktikabel ist. Es kann vieles nicht wirksam vereinbart werden, was die Unternehmen vereinbaren möchten, da das Gesetz oder die Rechtsprechung es untersagt oder Regelungen aufstellt, wie die Vereinbarung lauten muss. So ist es z.B. schwierig, Haftungsbeschränkungen und Vertragsstrafen so zu formulieren, dass sie rechtswirksam sind. Die wirksame Erstellung und Prüfung von Verträgen einschließlich AGB setzt deshalb Expertenwissen voraus. Das geht an den Bedürfnissen der Praxis vorbei. Es entsteht ein hoher Rechtsberatungsaufwand mit hohen Kosten. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK o Mehr Gestaltungsspielräume und Privatautonomie bei vertraglichen Vereinbarungen zwischen Unternehmen. o Stärkere Berücksichtigung der kaufmännischen Bedürfnisse im Geschäftsverkehr. o Der bisherige Schutz von Verbrauchern und –zumindest teilweise- auch von KMU muss bestehen bleiben. Was getan werden muss In Bayern Einbringung des Themas im Bundesrat. In Deutschland Überprüfung des AGB-Rechts und eventuell Gesetzesentwurf. In Europa Bei der Ausgestaltung des „Europäischen Vertragsrechts“ sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass die Vertragsfreiheit zwischen Unternehmen angemessen gewährleistet wird.

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6. Forschung und Entwicklung 6.1 Steuerliche FUE-Förderung einführen Wie ist es – Problemstellung Derzeit werden in Deutschland im Gegensatz zu vielen anderen OECD- und EUStaaten FuE-Ausgaben nicht steuerlich begünstigt. Dies bedeutet einen Standortnachteil im Wettbewerb um FuE-Arbeitsplätze gerade auch multinationaler Konzerne. Bayern steht dabei in einer besonderen Konkurrenzsituation zu Österreich, das über eine steuerliche FuE-Förderung verfügt. Eine steuerliche FuE-Förderung ist auch ein geeignetes Instrument, um gerade bei KMUs mehr FuE-Aktivitäten zu stimulieren, da es sich um ein unbürokratisches und für das Unternehmen planbares Instrument handelt. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Einführung einer themenneutralen, steuerlichen FuE-Förderung in Ergänzung zur Projektförderung soll o unbürokratisch zusätzliche Anreize für Forschung und Entwicklung schaffen o und gleichzeitig bestehende Standortnachteile zu anderen FuE-Standorten, die über eine steuerliche FuE-Förderung verfügen, ausgleichen. Was getan werden muss In Bayern Bayern profitiert als starker Forschungs- und Entwicklungsstandort überproportional von der Einführung einer steuerlichen FuE-Förderung. Die Staatsregierung sollte sich deshalb auf Bundesebene für eine steuerliche FuE-Förderung einsetzen. In Deutschland Im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit des FuE-Standortes Deutschland sollte eine steuerliche FuE-Förderung möglichst schnell eingeführt werden. In Europa Auf EU-Ebene sollte eine Harmonisierung der steuerlichen Förderung von FuEAusgaben angestrebt werden, um einen Wettlauf um die besten steuerlichen Rahmenbedingungen zu vermeiden.

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6.2 Verfügbarkeit von Wagniskapital ausbauen und hierzu steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen verbessern Wie ist es – Problemstellung Die Verfügbarkeit von Wagniskapital stellt eine entscheidende Grundlage für die erfolgreiche Entwicklung von jungen Technologieunternehmen dar. Gerade diese Unternehmen stehen häufig hinter Durchbruchsinnovationen, erschließen neue Technologiefelder und bilden deshalb ein wichtiges Element für einen erfolgreichen Technologiestandort. In Deutschland wurden im Jahr 2010 lediglich Wagniskapitalinvestitionen mit einem Volumen von 708 Millionen Euro getätigt; in den USA lag die Investitionssumme im gleichen Zeitraum bei 13,3 Milliarden US Dollar. Auch im europäischen Vergleich liegt Deutschland nur im Mittelfeld. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Verfügbarkeit von Wagniskapital für deutsche Technologie-Startups sollte durch eine Verbesserung der steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen deutlich ausgebaut werden. Was getan werden muss In Bayern Die Flankierung von privaten und öffentlichen Wagniskapitalinvestitionen durch Bayern Kapital, die staatliche bayerische Wagniskapitalgesellschaft, sollte gerade in der Frühphase der Unternehmen auf hohem Niveau weitergeführt werden. In Deutschland o Private Einlagen in Wagniskapitalfonds sollten durch steuerliche Anreize stimuliert werden. o Wagniskapitalgesellschaften sollten als vermögensverwaltend eingestuft werden. o Die restriktive Behandlung von Verlustvorträgen ist besonders für Wagniskapitalgeber nachteilig und sollte zur Stärkung von Wagniskapitalinvestitionen in deutsche Technologie-Startups aufgehoben werden. In Europa -

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6.3 FuE des öffentlichen Sektors ausbauen Wie ist es – Problemstellung Die Wirtschaftskraft des Standorts Bayern hängt in hohem Maße von der Innovationsfähigkeit der Unternehmen ab. Die Wirtschaft kann die Herausforderungen im FuE-Bereich jedoch nicht alleine bewältigen, sondern ist auf die Kooperation mit Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen angewiesen. In Bayern erfolgt die öffentliche Forschung zwar auf qualitativ hohem Niveau, die FuEAufwendungen hierfür liegen jedoch im Bundesdurchschnitt. Zudem erhält Bayern bei der Verteilung der Bundesmittel für FuE-Finanzierung (für öffentliche FuE und FuE in Unternehmen) auf die Länder mit 14,2 Prozent einen deutlich geringeren Anteil, als dem Anteil des Freistaates an der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung (BIP) von 17,6 Prozent entsprechen würde. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK o Die FuE-Aufwendungen im Hochschulsektor und für staatliche Forschungseinrichtungen sollten von 0,81% bezogen auf das BIP mindestens auf den Bundesdurchschnitt von 0,9% oder besser noch auf den Wert des strukturell vergleichbaren Bundeslandes Baden Württemberg von 0,98% angehoben werden (Quelle: Stifterverband 2009). o Die FuE-Schwerpunkte in der öffentlichen Forschung sollten an den Bedürfnissen der Industrie ausgerichtet und so die Kernkompetenzen der bayerischen Wirtschaft gesichert werden. o Insbesondere die Ansiedlung und der Ausbau außeruniversitärer Forschungseinrichtungen sollte weiter forciert werden. Was getan werden muss In Bayern o Das derzeitige öffentliche Forschungsangebot in Bayern sollte entsprechend der Präsenz forschender Industriezweige (Automobil, Elektrotechnik, Chemie, Maschinenbau) weiter ausgebaut werden. Hierzu ist ein weiter erhöhtes Engagement des Freistaates notwendig. o Wettbewerbliche Ansätze und wiederholte Evaluierungen sollten umfassend für die Entwicklung der öffentlichen Forschung und auch der Forschungsförderung in Bayern genutzt werden.

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In Deutschland o Der Bund sollte sein finanzielles Engagement für die öffentliche Forschung und Entwicklung in Bayern insgesamt deutlich erhöhen, so dass dieses Engagement der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Freistaates entspricht und sich dem BIP-Anteil des Freistaats am deutschen BIP annähert. o Außeruniversitäre Forschungsinstitute werden in hohem Maße durch den Bund finanziert. Durch ein Ausbau dieser Strukturen kann deshalb der Finanzierungsbeitrag des Bundes an der öffentlichen Forschung und Entwicklung in Bayern erhöht werden. In Europa Die „Wissens- und Innovationsgemeinschaften“ des Europäischen Innovations- und Technologieinstituts (EIT) sollen ihr Wissen noch in stärkerem Maße den Unternehmen zur Verfügung stellen.

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7. International 7.1 Europafokus stärken! Wie ist es – Problemstellung Die Stärke der europäischen Märkte ist nach wie vor eine wichtige Basis für den Erfolg der bayerischen Exportwirtschaft in der Welt. Gleichwohl bewegt sich die Europapolitik immer noch weit weg von der unternehmerischen Realität – damit wächst die Gefahr, dass die Akzeptanz der EU in der bayerischen Wirtschaft abnimmt. Neue Herausforderungen für die Praxistauglichkeit der EU-Politik stellen sich u.a. mit der neuen EU-Förderkulisse ab 2014. Bislang konnten vor allem KMUs viele gute Projektansätze bei den EU-Förderangeboten, aufgrund eines überbordenden bürokratischen Aufwands nicht nutzen. Auch die Erfahrungen der IHKs aus der Arbeit innerhalb des Unterstützungsnetzwerkes „Enterprise Europe Networks (EEN)“ lassen eine hinreichend flexible und pragmatische Ausrichtung des Netzwerks auf die KMU-Bedürfnisse vermissen. Verbesserungen sind v. a. mit Blick auf die Neuausschreibung des EEN ab 2015 nötig. Brüssel neigt nach wie vor dazu, auf die Schaffung von Doppel-Strukturen zu setzen und behindert dabei die Zusammenarbeit in der bewährten nationalen Förderkulisse, insbesondere mit Blick auf die Einbindung der Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs). Die Freiheit des Waren- und Dienstleistungsverkehrs im EU-Binnenmarkt ist noch lange nicht erreicht; vielschichtige Barrieren des unterschiedlich umgesetzten EU-Rechts behindern besonders für KMU die Geschäfte in den Nachbarländern. Ein freier Welthandel und offene Märkte sind gerade für die bayerische Exportwirtschaft von Bedeutung; jedoch Handels- und Investitionshemmnisse nehmen seit Beginn der Finanzkrise weltweit immer weiter zu – allen handelspolitischen Bemühungen der EU zum Trotz. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Europa und die Interessen der KMU müssen wieder stärker in den Fokus der bayerischen Politik rücken: Wir brauchen eine Handels- und Investitionspolitik, die sich an den praktischen Bedürfnissen der bayerischen Wirtschaft ausrichtet und dem Abbau von Marktzugangsbarrieren, vor allem solche auf nicht-tarifären Gebieten, gewidmet ist. Dies gilt auch für die Reduzierung von bürokratische Belastungen für KMUs im 56

Binnenmarkt. Die neue Förderrahmen der EU von 2014 bis 2020 muss sich in seinen Programmen stärker auf KMU fokussieren. Die KMU-Förderstrukturen der EU über das Enterprise Europe Network (EEN) muss daher neu ausgerichtet und effizienter – ohne Schaffung von Doppelstrukturen - gestaltet werden. In Anbetracht der Krisen, die die EU derzeit durchlebt, müssten wir sicherstellen, dass die bayerische Wirtschaft ihr Interesse an der EU-Politik nicht verliert und stärker an ihr praktisch teilhaben kann, um ihre Interessen einbringen zu können. Was getan werden muss In Europa Zur Stärkung der Handels- und Investitionspolitik der EU kommt es auf folgende Punkte an: o In erster Linie sind die Verhandlungen der Doha-Runde auf WTO-Ebene wiederzubeleben mit dem Ziel, diese auf den Gebieten, bei denen ein weitgehender Konsens herrscht, doch noch in Kürze abschließen zu können. Wenn das nicht möglich ist, sollten Freihandelsabkommen mit den strategisch wichtigen Handelspartnerländern der EU nach dem Muster des KoreaAbkommens („WTO plus“) getroffen werden. o Weitreichende Investitionsschutzverträge sind mit allen wichtigen Partnerländern der EU abzuschließen, und zwar von ihrem Schutzbereich her wenigstens auf der Grundlage der Abkommen, die Deutschland mit diesen Ländern geschlossen hatte. o Der Ausbau der Außenvertretungen der EU in Drittstaaten sollte mit dem vorrangigen Ziel erfolgen, dass die handels- und investitionspolitischen Interessen der EU in diesen Ländern aktiv vertreten werden können. o Alle mit der Rechtsetzung der EU befassten Institutionen müssen bei ihrer Arbeit die Folgen einer neuen Regelung für die Unternehmen im Auge behalten – mit dem Ziel, deren Bürokratiebelastung so gering wie möglich zu halten. Zum neuen Förderrahmen der EU und insbesondere zur Ausgestaltung des EEN stehen folgende Punkte im Mittelpunkt des Interesses: o Eine größtmögliche Kohärenz zwischen den neuen Programmen COSME und Horizon 2020 muss sichergestellt werden. Dabei sind insbesondere die Themenfelder Internationalisierung, Innovationsfähigkeit und Existenzsicherung von KMUs zu berücksichtigen.

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o Alle Überlegungen für eigene KMU-Förderstrukturen der EU (insbesondere beim neuen EEN) müssen auf den vorhandenen erprobten Institutionen und Instrumenten in den Mitgliedstaaten aufbauen und dabei auch eine Einbeziehung externer Partnern, wie z. B. die Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs), sicherstellen. Entscheidend ist der direkte Zugang zu den Firmen in den Regionen. In Bayern Von bayerischer Seite aus müssen sich die Landesregierung, die bayerischen MdLs und die MdEPs sowie die Vertretung des Freistaats Bayern bei der EU stärker für die Interessen der bayerischen Wirtschaft in Brüssel einsetzen und diese in die relevanten Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozesse in Brüssel einbringen. Der BIHK bietet der Politik hierzu seine Unterstützung an. Wichtig ist es aber auch, dass die Landespolitik den BIHK frühzeitig über alle relevanten EU-Gesetzgebungsvorhaben informiert, damit sich die bayerische Wirtschaft rechtzeitig in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringen kann. In Deutschland Entsprechendes gilt für die Bundesregierung auf der EU-Ratsebene und den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), mit dem der BIHK in allen wirtschaftsrelevanten Themen eine enge Abstimmung sucht.

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7.2 Internationalisierung nachhaltig vorantreiben und Initiativen effizient vernetzen Wie ist es – Problemstellung Bayerns Wirtschaft profitiert zunehmend vom internationalen Engagement ihrer Unternehmen. Die Exportquote des Verarbeitenden Gewerbes erreichte im Jahr 2011 die Rekordmarke von knapp 51 Prozent. Durch die bayerische Außenwirtschaftsförderung gilt es, gerade den kleinen und mittleren Unternehmen den Einstieg in das Auslandsgeschäft zu ebenen. Die bayerischen Exporterfolge basieren auf der Wettbewerbsfähigkeit der Firmen im Freistaat und auf institutioneller Unterstützung, vor allem durch die IHKs, das bayerische Wirtschaftsministerium und durch andere außenwirtschaftsfördernde Akteure. Diese Basis der Außenwirtschaftsförderung wird in den letzten Jahren durch Initiativen verschiedener Bundes- und Landesministerien ergänzt. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Instrumente der bayerischen Außenwirtschaftsförderung haben sich bewährt und sollten zukünftig gesichert sowie weiterentwickelt werden. Sowohl für die Zielgruppe der Exporteinsteiger als auch für exporterfahrene bayerische Unternehmen sind die Außenwirtschaftsförderinstrumente Bayerns von enormer Bedeutung. Hierzu gehören insbesondere o das Bayerische Messebeteiligungsprogramm o Bayern fit for Partnership (BfP) o Delegations- und Unternehmerreisen des Wirtschaftsministeriums o das Außenwirtschaftszentrum Bayern mit ihren erfolgreichen Informations- und Markterschließungsprojekten, dem Förderprojekt „Go International“ sowie dem Außenwirtschaftsportal Bayern. Seit einigen Jahren wird diese Basis der Außenwirtschaftsförderung durch Initiativen verschiedener Landesministerien ergänzt, die jedoch nicht immer aufeinander abgestimmt sind. Somit wird nicht die volle Hebelwirkung dieser Initiativen genutzt. In diesem Kontext gilt es, neue Projektstrukturen interministeriell aufeinander abzustimmen und den Mehrwert erkennbar zu machen. Ferner sollten die Institutionen auf die bewährten Strukturen der IHKs und deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) zurückgreifen.

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Was getan werden muss Die Finanzmittel der bayerischen Außenwirtschaftsförderung sind auch zukünftig sicherzustellen. Hierunter fallen insbesondere: o Der Jahresetat für das Bayerische Messebeteiligungsprogramm wurde auf 3,5 Mio. Euro erhöht. Hierdurch konnten weltweit über 40 Messebeteiligungen angeboten werden. Dieser Etat sollte mindestens beibehalten werden. o Für die Fortführung der erfolgreichen Informations- und Markterschließungsprojekte des Außenwirtschaftszentrums Bayerns, und hier insbesondere das bayerische Förderprojekt „Go International“, wurden ab 2001 Mittel in Höhe von 900.000 Euro vom Freistaat zur Verfügung gestellt. Da diese Mittel 2014 auslaufen, ist eine Finanzierung von mindestens gleicher Hohe ab 2015 durch den Freistaat Bayern oder durch die EU sicherzustellen. o Die Mittel des Förderprogramms „Bayern fit für Partnership“ sollten sichergestellt und die Länderkulissen weiterentwickelt werden. o Die Delegations- und Unternehmerreisen haben sich bewährt und sollten weitergeführt werden. Zusätzliche außenwirtschaftliche Initiativen des Bay. Landwirtschaftsministerim sollten mit dem Bayerischen Wirtschaftsministerium abgestimmt werden und auf die bewährten Strukturen der IHKs und AHKs zurückgreifen.

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7.3 Rahmenbedingungen für das internationale Geschäft verbessern Wie ist es – Problemstellung Neben der Binnenkraft des bayerischen Marktes sind es insbesondere die Ausfuhren des Freistaates in alle Welt, die die Wirtschaft Bayerns antreiben und zuletzt die Krise im Jahr 2009 überwinden ließen. Das internationale Geschäft ist gerade für kleine und mittlere Unternehmen im exportstarken Bayern ein maßgeblicher Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg. Dennoch Bedarf es weiterer Anstrengungen, speziell im Auslandsgeschäft, um die wirtschaftliche Situation der bayerischen Firmen, zu sichern und weiter zu verbessern. Durch die Krise haben viele Nationen ihre Märkte abgeschottet. Durch neue Hindernisse im Auslandsgeschäft wird bayerischen Unternehmen der Marktzugang erschwert. Nicht nur im internationalen Geschäft stoßen bayerische Unternehmen auf Schranken und Barrieren. Auch die geltenden Exportvorschriften in Deutschland und der EU erschweren den Unternehmen das Auslandsgeschäft. Wie es sein sollte – Zielsetzung des BIHK Die Rahmenbedingungen für das erfolgreiche internationale Geschäft gilt es, sowohl hinsichtlich deutscher und europäischer Vorschriften, als auch auf internationaler Ebene im Sinne der bayerischen Exportwirtschaft stetig zu verbessern. Was getan werden muss Folgende Rahmenbedingungen gilt es vorrangig auf nationaler/ EU-Ebene zu verbessern: o Die Nachweisanforderungen im Umsatzsteuerbereich bei innergemeinschaftlichen Lieferungen müssen für Exporteure praktikabel und rechtssicher gestaltet sein (Abschaffung der Gelangensbestätigung und Rückkehr zu bisherigen Regelung). o Die einfachen und transparenten Regeln des geltenden Ursprungsrechts müssen beibehalten werden. Die von der EU-Kommission geplante Neufassung des Ursprungsrechts würde den Verwaltungsaufwand für bayerische Unternehmen erheblich erhöhen und könnte den Aufbau neuer handelpolitischer Barrieren für Exporte in Drittstaaten auslösen. o Um gleiche Chancen bei der Auftragsakquisition wie etwa die Wettbewerber aus der EU zu haben, sollte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle (BAFA) anweisen, die Bearbeitung von Exportkontrollvorgängen innerhalb einer

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Regelzeit von sechs Wochen abzuschließen. Hier wäre die Einführung von Genehmigungshöchstfristen mit Fiktionswirkung wünschenswert. Ein Antrag sollte demnach als genehmigt gelten, wenn er nicht innerhalb einer gesetzten Frist von sechs Wochen, bei sensiblen Ländern spätestens nach drei Monaten, bearbeitet wurde. Die Zahl der BAFA-Prüfexperten sollte aufgestockt und diese mit mehr Autonomie im Hinblick auf die Mitwirkung des Auswärtigen Amtes und des BND bei Exporten in sensible Länder ausgestattet werden. o Die Bayerische Staatsregierung sollte sich für ein vereinfachtes, schnelles und serviceorientiertes Visaverfahren bei den zuständigen Ressorts (Auswärtiges Amt, Bundesministerium des Innern) einsetzen. Generell sollte ein „fast-Track“Verfahren für Geschäftsvisa eingeführt werden. o Unter dem Dach der Deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) sollten alle außenwirtschaftsbezogenen Förderaktivitäten für bayerische Unternehmen vor Ort gebündelt werden. In Deutschland sollten alle außenwirtschaftlichen Einzelinitiativen verschiedenster Bundesressorts deutlicher als bisher unter Federführung des BMWi gebündelt werden. Als Anlaufstelle und Koordinationsgremium im Ausland bieten sich die AHKs an. o Die äußerst erfolgreiche Zwei-Quadratmeterstand-Lösung im bayerischen Messebeteiligungsprogramm sollte künftig auch zwingend für das Auslandsmessebeteiligungsprogramm des Bundes gelten. o Ist eine Absicherung der bayerischen Exporte nicht möglich, wird das Ausfuhrgeschäft selbst bei vorliegenden Aufträgen zu einem kaum kalkulierbaren Risiko. Bei Rückzug privater Anbieter von Exportkreditversicherungen muss künftig ein zeitnahes Einspringen staatlicher Anbieter möglich sein. Die Landesund Bundesregierung sollte bei Neugestaltung der Mitteilung für kurzfristige Exportkreditversicherungen der EU hierauf drängen. o Trotz überwiegend vergleichbarer Anforderungen müssen für den Status des „Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten“ (AEO) des Zolls oder des „Bekannten Versenders“ des Luftfahrtbundesamtes unterschiedliche Beantragungs- und Zertifizierungsverfahren durchlaufen werden. Eine Verzahnung der Verfahren ist erforderlich, damit es nicht zu doppelten Prüfungen und Kosten in den Betrieben kommt.

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8. E-Government konsequent voranbringen Wie ist es – Problemstellung Unternehmen treten in unterschiedlicher Weise mit der öffentlichen Verwaltung in Kontakt: o Als Datenlieferant: Nach einer Schätzung des E-Government 2.0-Programmes der Bundesregierung bestehen allein aus Bundesgesetzen und -verordnungen knapp 10.000 Meldepflichten für Unternehmen. Dadurch entstehen geschätzte Kosten in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Wirtschaft. o Als Nutzer von Serviceangeboten: Die Verwaltung bietet eine Vielzahl von Informationen und Services, die die Unternehmen in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit unterstützen können. o Als Auftragnehmer: Die öffentliche Hand ist ein bedeutender Auftraggeber für eine Vielzahl von Branchen und Unternehmen. Die notwendigen Vergabeverfahren für einen Auftrag bedeuten für Unternehmen allerdings einen erheblich Aufwand, der sich oftmals nicht rechnet. Damit reduziert sich auch die Angebotsauswahl für die öffentliche Hand. Viele Verfahren, Meldepflichten und Angebote für die Wirtschaft können nach wie vor nicht elektronisch und medienbruchfrei durchgeführt bzw. genutzt werden. Eine elementare Bremse stellt dabei das Schriftformerfordernis dar. Auch bereits bestehenden E-Government-Lösungen mangelt es oftmals an fachbereichs- bzw. institutionenübergreifenden Standards und wirtschaftsorientierten Lösungen. E-Government-Projekte wie das ELENA-Verfahren wurden eingeführt und in Ermangelung einer vollständig durchdachen Konzeption nach zwei Jahren Doppelarbeit durch Unternehmen wieder abgeschafft. Andere Verfahren wie die E-Bilanz konterkarieren die eigentliche Zielrichtung von E-Government, nämlich Bürokratieabbau. Als Basis für E-Government ist auch eine ausreichende Breitbandinfrastruktur notwendig. Wie es ein sollte – Zielsetzung des BIHK Ziel für die Verwaltung sollte sein, E-Government gemeinsam mit der Wirtschaft weiter voranzubringen, konsequent zur Verwaltungsvereinfachung zu nutzen und Effizienzpotenziale für Unternehmen und Verwaltung stärker auszuschöpfen.

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Was getan werden muss Auf allen Ebenen: o Meldepflichten reduzieren und über einheitliche elektronische Prozesse übermitteln o E-Government-Verfahren und -Angebote stärker standardisieren o Schriftformerfordernis um neue Möglichkeiten ergänzen und ein Organisationszertifikat für Unternehmen einführen o Open Data-Angebote mit klaren rechtlichen Regelungen erweitern o In neue Vorhaben die Wirtschaft frühzeitig mit einbeziehen o Breitbandinfrastruktur als Voraussetzung für E-Government weiter ausbauen In Bayern o Ein dem E-Government-Gesetz des Bundes entsprechendes bayerisches Gesetz sollte simultan eingeführt werden. Eine unterschiedliche Behandlung je nach föderaler Zuständigkeit sollte für Unternehmen vermieden werden. o Institutionsübergreifende Kommunikations- und Verfahrensunterstützungen sollten verstärkt ausgebaut und verfahrensübergreifend genutzt werden können (z.B. GEWAN, Kommunikationsplattform im Rahmen der EUDienstleistungsrichtlinie, Projekt TöB-Server, etc. ). In Deutschland o Das E-Government-Gesetz soll beschlossen werden. o Die Möglichkeit eines Organisationszertifikats für Unternehmen sollte eingeführt werden. o Die Einführung und Nutzung von De-Mail und dem neuen Personalausweis unterstützend begleiten und eigene Angebote hierfür breit aufbauen. o Projekte wie P23R, der Prozessdatenbeschleuniger, vorantreiben und für die diversen Meldepflichten in eine breite Umsetzung bringen. o E-Government-Verfahren und – Angebote sollen stärker standardisiert werden z.B. bei E-Vergabeverfahren und der dabei einzusetzenden Signatur. In Europa o Elektronische Signaturen und andere elektronische Identifizierungslösungen sollen EU-weit kompatibel ausgerichtet und anerkannt werden. o Europäische Standards für die E-Vergabe soll den Orientierungs- und Bearbeitungsaufwand für Unternehmen reduzieren, die bei Ausschreibungen anbieten möchten.

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