Auf den Spuren der Heiligen Elisabeth

Auf den Spuren der Heiligen Elisabeth 12. Oktober 2013 Wallfahrt nach Marburg Wallfahrt auf den Spuren der Heiligen Elisabeth Elisabeth wurde als u...
Author: Hartmut Braun
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Auf den Spuren der Heiligen Elisabeth

12. Oktober 2013 Wallfahrt nach Marburg

Wallfahrt auf den Spuren der Heiligen Elisabeth Elisabeth wurde als ungarische Königstochter geboren und bereits als einjähriges Mädchen mit dem späteren Landgrafen Ludwig von Thüringen verlobt. Mit vier Jahren kam sie an seinen Hof auf der Wartburg, mit 14 wurde sie seine Frau. Sie lernte die Gedanken des Franziskus kennen. und wurde schon zu Lebzeiten ihres Mannes wegen ihrer Unterstützung der Armen angefeindet. Elisabeth weigerte sich, den Armen abgepresste Lebensmittel zu essen. Sie verteilte nicht nur Almosen sondern schenkte den Bauern Arbeits- und Ackergerät und den Frauen kostbare Stoffe mit der Auflage, sie zu verkaufen und damit ihre Schulden zu bezahlen. Nach dem Tod ihres Mannes floh Elisabeth von der Wartburg nach Marburg. Von ihrem Witwengut baute sie dort das Franziskus-Hospital, in dem sie selbst als Pflegerin arbeitete und das zu einem Zufluchtsort für Arme und Kranke wurde. Sie schloss sich dem Dritten Orden des Franziskus an. Mit 24 Jahren starb Elisabeth 1231 in Marburg – schon vier Jahre später wurde sie heiliggesprochen. 1236 wurden ihre Gebeine in Anwesenheit von Kaiser Friedrich II in die noch im Bau befindliche Elisabethkirche überführt. Die Wallfahrt nach Marburg wurde schon bald zu einer Bewegung, die der nach Santiago de Compostela vergleichbar war. Wir reihen uns ein in die Schar der zahlreichen Wallfahrerinnen und Wallfahrer.

geplanter Ablauf der Wallfahrt: 10.15 Uhr

Eucharistiefeier mit Weihbischof Ludger Schepers in St. Peter und Paul, Marburg

12.30 Uhr

Statio in der Elisabeth-Kirche danach ist Zeit für - einen Bummel durch Marburg, - das Mittagessen, - einen Besuch des Elisabeth-Marktes, der an diesem Samstag in Marburg stattfindet - Gebet, - Begegnung, - ...

15.30 Uhr

Wortgottesdienst in der St. Michaelskapelle – „Michelchen“

17.00 Uhr

Rückfahrt

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Morgenlob:

Nachfolge Elisabeth:

„Herr, so also willst du bei mir sein, und ich will bei dir sein, und niemals will ich von dir getrennt werden.“ „Wir müssen die Menschen froh machen.“

Lied:

Lobet den Herren (GL neu 81,1-5)

Psalm 63:

(GL neu 616,1-2)

Schrifttext:

Lk 8,1-3

In der folgenden Zeit wanderte er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn, außerdem einige Frauen, die er von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt hatte: Maria Magdalene, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie alle dienten Jesus und den Jüngern mit dem, was sie besaßen.

Lied:

Wo Menschen sich vergessen (Halleluja 217)

Elisabeth: „Herr, so also willst du bei mir sein, und ich will bei dir sein, und niemals will ich von dir getrennt werden.“ „Wir müssen die Menschen froh machen.“

Segen Mit einem alten irischen Segenswunsch bitten wir Gott um seinen Segen für heute und für alle Tage unseres Lebens. Gott, segne uns die Erde, auf der wir jetzt stehen. Gott, segne uns den Weg, den wir jetzt gehen. Gott, segne uns das Ziel, für das wir jetzt leben. Gott, segne uns auch, wenn wir rasten. Segne uns das, was unser Wille sucht. Segne uns das, was unsere Liebe braucht. Segne uns das, worauf unsere Hoffnung ruht. Gott, segne unseren Blick, auf dass wir, von dir gesegnet, einander zum Segen werden können.

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im Bus:

Elisabeth von Thüringen

Die heilige Elisabeth, zu deren Wirkungs- und Erinnerungsstätten wir heute unterwegs sind, wird von vielen von uns verehrt. Dabei sehen wir in ihr die Frau, die sich um Arme und Kranke kümmerte, die umrankt ist vom Rosenwunder; von all den vielen Legenden, die einerseits ihre Gottverbundenheit und andererseits ihre vielen Wohltätigkeiten in den Blick rücken. Wir wollen heute besonders ihr Wachsen zu einer selbstbewussten Frau in den Blick nehmen. Wir besuchen eine Frau die sich in ihrem Inneren ihre Freiheit bewahrte, um einen Weg zu gehen, der ein Weg der Christus-Nachfolge war, ein Weg der sozialen Gerechtigkeit und der nicht ohne Impulse für ihre und die kommende Zeit blieb. Peter Janssens hat ein Musical geschrieben: Elisabeth von Thüringen. Einige Lieder dieses Musicals wollen wir während dieser Einstimmung hören. Hören wir zunächst die Ouvertüre und den Eingangschor. 2

1 Ouvertüre (1.31) „Eine Frau sucht ihren Weg“ (1.23)

Elisabeth wurde im Jahre 1207 in Ungarn geboren. Ihr Vater war Andreas II., König von Ungarn, eine politisch wenig rühmliche Gestalt. Die Mutter Gertrud stammte aus dem Geschlecht der Andechs aus Bayern. Sie war eine Schwester der Heiligen Hedwig von Schlesien. Man charakterisiert sie als besitzgierig, herrschsüchtig und verschwenderisch. Als Elisabeth vier Jahre alt war, vereinbarte eine thüringische Gesandtschaft am Hofe zu Pressburg eine der üblichen Dynastien-Ehen. Das ungarische Königshaus gab der Gesandtschaft die kleine Elisabeth gleich mit und stattete das Kind mit einer reichen Mitgift aus. In Thüringen wuchs das Mädchen auf der Wartburg über Eisenach auf. Die Wartburg war damals eines der bedeutendsten Zentren der höfischen Kultur. Ihr späterer Schwiegervater Hermann war ein bedeutender Reichsfürst und ein großer Förderer des Minnegesangs. Die Landgräfin Sophie war für Elisabeth keine böse Stiefmutter. Sie sorgte für die Erziehung der jungen Elisabeth, wie es damals an Fürstenhöfen üblich war. Elisabeth war ein dunkelhaariges, hübsches, ein fröhliches Kind. Sie lernte gern, konnte hervorragend reiten und sie tanzte gern. Sie konnte aber auch mitten im Spiele aufhören und sagen: „Jetzt höre ich, Gott zu liebe, auf zu spielen.“ Bei allem bewahrte sie sich Unbefangenheit gegenüber dem, was ihr am

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Fürstenhof begegnete. Sie suchte ihren Weg nicht in Anpassung, sondern in der stillen Betonung ihrer Andersartigkeit. Besonders heftig war ihr Zusammenprall mit dem höfischen Zeremoniell und dem Standesbewusstsein. Wenn sie beim Eintritt in die Kirche, die Krone vom Kopf nahm, sie neben sich legte und erst nach Beendigung des Gottesdienstes wieder aufsetzte, schalt ihre Schwiegermutter sie: „Jungfer Elisabeth wollt ihr bei uns neue Sitten einführen, damit uns die Leute auslachen?“ Hören wir, wie das im Musical klingt: 3

„Reichtum und Macht“ (1.43)

Als Elisabeth 14 Jahre alt war, wurde ihre Ehe mit dem 20jährigen Ludwig geschlossen. Ludwig war ein Mann von Charakter. Er liebte Elisabeth aufrichtig, und hielt ihr zeitlebens die Treue. Elisabeth und Ludwig liebten sich leidenschaftlich, und wenn sie nach einer Trennung sich wiedersahen, nahm Elisabeth ihren Gatten in die Arme und „küsste ihn mit Herz und Mund mehr denn als tausend Stund.“ So heißt es in einer Lebensbeschreibung. Hören wir den Chor, und Elisabeth und Ludwig: 4

„Tief in mir“ (3.25)

„Die Armen werden ausgepresst wie Zitronen.“ Ein Thema klingt an, das Ludwig und Elisabeth gemeinsam berührt und bewegt: Die Verantwortung für die Armen. Wir hören gleich noch davon. Ludwig war ein Verehrer und Bewunderer Kaiser Friedrich II. Als dieser im Jahre 1227 zu einem Kreuzzug aufrief – übrigens dem einzigen, der ohne Kampf allein mit den Möglichkeiten der Diplomatie und der interkulturellen Verständigung geführt wurde –, nahm auch der thüringische Landgraf das Kreuz. Elisabeth wusste zunächst nichts davon. Als sie dann eines Tages in seiner Kleidung das Zeichen der Kreuzfahrer fand, war das für sie wie ein Schock. Elisabeth begleitete ihren Mann bis zur Landesgrenze, dann noch einen weiteren Tag – unfähig Abschied zu nehmen, der doch nicht weiter hinauszuschieben war. Hören wir: 5

„Abschied tut weh.“ (2.60)

Ludwig starb auf der Fahrt ins Heilige Land an einer Seuche. Als Elisabeth die Todesnachricht erhielt, rief sie aus: „Mein Herr und mein Gott, nun ist die Welt und alles, was sie Liebes für mich hat tot.“ Konrad von Marburg, Elisabeths Beichtvater, tadelte sie: „Kennt ihr nicht mehr Ergebung in Gottes Schöpfer Willen?“

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Konrad sollte in Elisabeths Leben von nun an eine noch wichtigere Rolle spielen. Sein asketisches Leben trieb ihn zu rigoroser Schärfe gegen sich und andere. Er forderte Elisabeth durch strenge Bußauflagen. Aber sie blieb zeitlebens bemüht, die Bedrückung innerlich frei zu bestehen. Irmgard, eine der Dienerinnen bezeugt Elisabeths Haltung, nachdem sie Schläge erhalten hat: „Es ist mit uns wie mit dem Schilf, das im Fluss wächst. Schwillt der Fluss an, so wird es hinuntergedrückt und neigt sich. Das Wasser fließt darüber, ohne es zu knicken. Hört die Überflutung auf, so richtet sich das Schilf wieder empor und wächst in seiner Lebenskraft lieblich und schön.“ (in: G. u. Th. Sartory, Elisabeth von Thüringen – Befreiende Demut, Freiburg 1983, S. 120)

Nach Ludwigs Tod setzte sie noch konsequenter ihr Leben auf der Seite der Notleidenden fort. Schon immer hatte sie ein vertrautes Verhältnis zu ihren Mägden. Sie ließ sich von ihnen nur mit dem Vornamen und dem Du anreden und suchte, wo immer es ging, den gesellschaftlichen Abstand von ihnen zu überwinden. Bei Tisch fragte sie stets: „Woher kommt das Brot?“ „Wer lieferte den Wein?“ War etwas erpresst, sagte sie zu den Mägden: „Heute können wir nur trinken!“ Oder: „Heute können wir nur essen!“ Kam aber alles vom eigenen Besitz, rief sie: „Wohl uns, wir können heute essen und trinken!“ Für mittelalterliche Selbstverständlichkeiten war das ein ganz beispielloser Protest gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse. Hören wir ihren Protest in der Musik: 6 7

„Ihr wiegt euch in Sicherheit“ (2.44) „Kommt heraus aus eurer Burg“ (1.54)

Mit dem Tod Ludwigs war die Regentschaft über Thüringen an den Schwager Raspe übergegangen. Raspe tolerierte Elisabeths sozialen Spleen nicht, sondern verlangte – unter Einbehaltung ihres Witwengutes –, dass sie sich der allgemeinen Sitte füge. Weil Elisabeth diesen Druck auf die Dauer nicht hinnehmen wollte, floh sie mit ihren drei Kindern an einem Winterabend von der Wartburg, lebte zunächst in Eisenach, mehr unverstanden und bespöttelt, schritt aber entschlossen ihren Armutsweg weiter. Hören wir ihr Lied: 8

„Ich steige ein in das Leben.“ (3.70)

Elisabeths Beichtvater Konrad von Marburg berichtet: „Elisabeth forderte unter Tränen von mir, dass ich ihr gestatten solle, an den Türen zu betteln. Als ich es schroff ablehnte, antwortete sie mir: So werde ich tun, woran ihr mich nicht hindern könnt!“ Sie begab sich nach Marburg, musste aber unter einer Treppe ihre Lagerstatt nehmen, und war so der Hitze, dem Frost und Regen ausgesetzt.

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Schließlich konnte sie von ihrem Witwengut ein Hospital in Marburg bauen und selbst darin arbeiten. Hier lebte sie ihr zweites Leben im grauen Gewand als „soror in saeculo“, als Schwester in der Welt. Das Hospital wurde zu einem Zufluchtsort für Arme und Kranke. Elisabeth übernahm selbst die Pflege der Kranken und scheute sich nicht vor niedrigen Arbeiten. Hören wir in unserer Musik von den Kranken, Kleinen, Schwachen und Armen und hören wir von solchen Menschen in unserer Zeit: 10

9 „Kein Mal soll mir genügen“ (3.09) „Sehr viele Menschen“ und „In meinem kleinen Krankenhaus“ (3.28)

Elisabeth verschwendet ihre Liebe und ihre jugendlichen Kraft ohne Vorbehalt. Sie war gerade erst 24 Jahre alt, da lag sie selbst auf dem Krankenbett. Wir wissen nicht, welche Krankheit zu ihrem frühen Tode führte. Sie lag weniger als 14 Tage, umgeben von Kranken. Am Fußende ihres Bettes saß der mit Krätze behaftete Junge, dem sie die Mutter ersetzt hatte. Es war das Jahr 1231. „Abschied ist schwer.“ Hören wir Elisabeths Lied: 11 12

„Abschied muss wehtun“ (1.49) „Mit den Armen der Armen“ (2.11)

Die Nachricht von Elisabeths Tod verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Hunderte zogen an ihrer Bahre vorbei. Es waren die Armen selbst, die auf ihre Weise die Heiligsprechung vollzogen. Die Reichen und Mächtigen haben danach auf ihre Weise geantwortet, indem sie Elisabeth ein materielles Denkmal gesetzt haben. Schon vier Jahre später wurden ihre Gebeine in die noch im Bau befindliche frühgotische Elisabeth-Kirche überführt. Es war im Mai des Jahres 1236. Barfuß und im grauen Habit zog Kaiser Friedrich II. selbst hinter dem Sarg her. Sie, die – nach einer Legende – Bischof Egbert von Bamberg nach dem Tod von Ludwig mit dem Kaiser vermählen sollte, wurde nun im Sarge durch den Kaiser gekrönt. Er sprach dabei: „Ich durfte sie auf Erden nicht zur Kaiserin krönen, so will ich sie jetzt ehren mit dieser Krone als eine ewige Königin in Gottes Reich.“ Seit dem 11. Jahrhundert herrschte eine große Armut im Land. Den Menschen fehlte das Nötigste zum Leben. Franziskus von Assisi in Italien und Elisabeth in Marburg und mit ihnen viele andere Männer und Frauen stellten sich radikal an die Seite der materiell Armen. Menschen üben freiwillige Armut aus Solidarität.

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1223 gründete sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Hospital in Gotha. 1221 waren die ersten Franziskaner nach Deutschland gekommen, 1224 nach Thüringen. Elisabeth überließ ihnen eine Kirche in Eisenach. Durch den franziskanischen Laienbruder Rodeger lernte sie die Ideale des Franziskus kennen, die ihren weiteren Lebensweg grundlegend neu bestimmen sollten: Elisabeth beschloss, fortan ein Leben in freiwilliger Armut, Selbsterniedrigung und tätiger Nächstenliebe zu führen. Am Karfreitag 1228 legte sie in der Kapelle der Franziskaner in Eisenach das Gelübde vollkommener Armut ab. Ihr Beichtvater Konrad von Marburg gestatte es ihr zwar nicht, auf ihren ganzen Besitz zu verzichten. Aber sie fühlte sich nur noch als Verwalterin dieses Besitzes: er gehörte den Armen. Im selben Jahr baute sie das Hospital in Marburg und ließ sie die Kapelle, die unmittelbar an die Krankenhalle angrenzte, dem Heiligen Franziskus weihen, der drei Jahre zuvor gestorben und einige Monate zuvor heiliggesprochen worden war. Es war das erste Franziskuspatrozinium nördlich der Alpen. Elisabeth war also Teil der Armuts-Bewegung dieses Jahrhunderts und auch Teil der Frauenbewegung dieses Jahrhunderts, die auch in der Bewegung der Beginen ihren Ausdruck gefunden hat. Durch die Anwesenheit des Kaisers bei ihrer Heiligsprechung geschah eine gesellschaftliche Anerkennung von Elisabeths Lebensleitung und der gesamten Bewegung. Elisabeth ist bis heute ein Vorbild für viele Frauen. Ihr Leben und Handeln ist von großer Wirkung in der christlichen Geschichte. Viele Ordensgründungen belegen das. Wie Elisabeth es damals getan hat, versuchen sie auf die konkreten Nöte und Bedürfnisse ihrer jeweiligen Zeit zu reagieren. Nach dem Vorbild der Heiligen Elisabeth sind auch wir herausgefordert, uns auf die Seite der Armen zu stellen durch Taten der Nächstenliebe, durch bewusste Solidarität mit den Notleidenden und durch Verändern der politischen Verhältnisse. Das Lied „Propheten sind wir alle“ will dazu ermutigen. Zum Schluss hören wir auf Elisabeth Lied „Ich seh eine Kirche, die uns zur Armut mahnt“. 14

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13 „Propheten sind wir alle.“ (1.22) „Ich seh eine Kirche, die uns zur Armut mahnt“ (2.08)

Marburg – ein ökumenischer Blick auf die Stadt Wir nähern uns Marburg, der Stadt der Hl. Elisabeth. Vor uns sehen wir rechter Hand die Doppeltürme der Elisabethkirche und linker Hand, auf dem die Stadt überragenden Schlossberg, das Marburger Schloss mit seinen Erkern und Zinnen. Mit diesen beiden Bauwerken sehen wir die beiden Pole, die für Marburg, seine Geschichte und seine Entwicklung hoch bedeutsam sind. Auf der einen Seite: Die Hl. Elisabeth, die Elisabethkirche und die Wallfahrt zum Grab der Hl. Elisabeth. Bedeutung und Blüte als Stadt erlangte Marburg erst durch die Grablege der Hl. Elisabeth und durch die Wallfahrt zu ihrem Grab. Beides wurde unmittelbar nach ihrem Tod der Obhut des Deutschen Ordens anvertraut. Auf der anderen Seite: Das Marburger Schloss, die hessischen Landgrafen, die herausragende Gestalt des hessischen Landgraf Philipp, genannt der Großmütige, und die Reformation. Auf diese Seite der Marburger Geschichte möchte ich für einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit richten. Die Tochter der Hl. Elisabeth, Sophie von Brabant, schaffte es durch politisches Geschick und am Ende eines langen Krieges (des hessisch-thüringischen Erbfolgekrieges von 1247–1264), ihrem Sohn Heinrich die Landgrafen Würde zu sichern. Damit wurde der Enkel der Hl. Elisabeth der erste Herrscher der neuen Landgrafschaft Hessen. Seitdem sahen die hessischen Landgrafen in der HL. Elisabeth ihre Stamm-Mutter, die große Ahnfrau, von der her sie ihre Herrschaft legitimierten. Deswegen finden wir die Grablege der hessischen Landgrafen in dem der Grablege der Hl. Elisabeth gegenüber liegenden südlichen Querhaus der Elisabethkirche. In dieser Tradition der Nachfahren der Hl. Elisabeth stand auch der hessische Landgraf Philipp, der der Großmütige genannt wird. Sehr früh, bereits 1524, wurde Philipp Anhänger Luthers und von da an einer der wichtigen Vorkämpfer der Reformation in Deutschland. Philipp gründete 1527 die Marburger Universität als erste protestantische Hochschule der Welt. Bis heute versteht sich Marburg als älteste protestantische Universität der Welt. Aus ihr sind im Laufe der Zeit bedeutende Theologen hervorgegangen.

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Auf Einladung des Landgrafen fand im Oktober 1529 auf dem Marburger Schloss das berühmte Marburger Religionsgespräch statt, an dem Martin Luther, der Schweizer Reformator, Ulrich Zwingli, Philipp Melanchthon und andere bedeutende reformatorische Theologen teilnahmen. Es ging um die unterschiedliche Auffassung vom Wesen des Abendmahls. Zwar waren beide Seiten gegen die katholische Lehre von der Transsubstantiation und für die Einführung des Laienkelches. Aber für Zwingli war das Abendmahl eine Bekenntnishandlung der Gemeinde, für Luther war Christus im Abendmahl real gegenwärtig. Beide Parteien sahen keine Möglichkeit, sich zu einigen. Die unterschiedlichen Auffassungen blieben unversöhnlich bestehen. Für das ökumenische Gespräch von heute, für unser Bemühen um die Einheit der Kirchen und die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Abendmahl, ist es vielleicht hilfreich, sich deutlich zu machen, dass erst mit der Leuenberger Konkordie von 1973, an deren Abschluss vor 40 Jahren in diesem Jahr erinnert wurde, die volle Kirchengemeinschaft zwischen den lutherischen, reformierten und den aus ihnen hervorgegangenen unierten Kirchen erreicht wurde, d. h. erst seitdem gibt es zwischen den reformatorischen Kirchen die volle Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft und die gegenseitige Anerkennung der Ordination. So lange hat es gedauert, bis vollendet wurde, was 1529 in Marburg begann. Marburg wurde also protestantisch. Die Elisabethkirche wurde protestantisch. Sie ist bis heute eine evangelische Kirche. Ebenso die Michaelskapelle, wo wir heute Nachmittag zum Abschluss sein werden. Die katholische Lehre wurde in Marburg erst 1788 wieder zugelassen. Welche Konsequenzen hatte das für die Verehrung der Hl. Elisabeth? Es gibt eine Erzählung, die oft weitergegeben wird: Landgraf Philipp soll die Gebeine der Heiligen Elisabeth, seiner Verwandten und der Patronin der Familie, in alle vier Winde zerstreut haben. Oder noch schlimmer, er soll sie in den Fluss Lahn geworfen haben, um sie zu zerstreuen. Das ist, nach Lage der historischen Quellen, eindeutig üble Nachrede. Richtig ist, dass Landgraf Philipp sich nach einigen Jahren, in denen die Wallfahrt zur Hl. Elisabeth trotz Reformation toleriert worden war, zu einem Gewaltakt durchrang. 1539 ließ er den kostbaren Reliquien-Schrein aufbrechen, die Reliquien entnehmen und – sorgsam aufbewahren. Es handelte sich wohl um eine Art „Notbremse“ gegen den Reliquienkult. Die mittelalterliche Heiligenverehrung und der Reliquienkult hatten Formen angenommen, die mit reformatorischem Verständnis nicht vereinbar waren. Und um dem endgültig einen Riegel vorzuschieben, ließ er die Reliquien aus dem Schrein entfernen. Ein Großteil der Reliquien ist später wieder aufgetaucht und erst dann, nach und nach, überall hin verteilt worden.

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Die Hl. Elisabeth galt den hessischen Landgrafen auch nach der Reformation als Landespatronin und der Bevölkerung auch weiterhin als Beispiel und Vorbild für christliches Handeln. Sie standen damit in der Tradition Martin Luthers, der Elisabeth mehrfach gewürdigt hatte. In einer Auslegung des 82. Psalms heißt es bei Luther: „...wenn ein Fürst oder eine Fürstin einmal in ein Spital ginge und diente da den Armen und wüsche ihnen die Füße etc., wie man von S. Elisabeth lieset..., o das wäre ein trefflich Ding, das gleißet und kann Augen aufsperren und sich rühmen lassen über alle Tugend.“ Marburg – eine bedeutende Stadt der Reformation. In dieser Stadt sind wir heute zu Gast. Bei allem, was wir heute sehen, sollten wir also immer auch die „ökumenische Brille“ aufsetzen: Mit Achtung die Ernsthaftigkeit und Glaubensüberzeugung betrachten, mit denen hier um die Verkündigung der frohen Botschaft gerungen wurde. Die starke evangelischreformatorische Kraft dieser Stadt erkennen. Mit Sympathie blicken auf das, was evangelische Christinnen und Christen mit Marburg verbinden. Und mit Freude die Verehrung wahrnehmen, die unsere evangelischen Geschwister der Hl. Elisabeth entgegenbringen. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden für kurze Zeit in der Elisabethkirche, wenn auch räumlich getrennt, sowohl katholische als auch protestantische Gottesdienste statt. Vor einigen Jahrzehnten schenkte die Evangelische Kirche aus ihrem Grundbesitz dem Bistum Fulda das schöne und günstig in der Innenstadt gelegene Grundstück, auf dem die St. Peter und Paul Kirche erbaut wurde, in der wir gleich Eucharistie feiern werden. So wird Marburg zu einem starken Zeichen der Ökumene. Die Hl. Elisabeth wurde zu einer ökumenischen Heiligen. 1996 veröffentlichte die evangelische Landessynode von Kurhessen-Waldeck, zu der Marburg gehört, ein Fürbittgebet zum Gedenktag der Hl. Elisabeth: „Wir danken dir für Menschen wie Elisabeth, die dich gefunden haben auf dem Weg der Liebe. Sie hat Hungrige gespeist und Durstigen zu trinken gegeben. Sie war nicht nur wohltätig, sondern verschwenderisch in der Liebe. Wir bitten dich, barmherziger Gott: lass uns an ihrer Liebe zu den Armen unsere Berufung entdecken. Dann wird die Begegnung mit Menschen, die Not leiden, unsere Liebe wecken. Wir werden Wege suchen und Möglichkeiten finden, Not zu lindern und für gerechtere Lebensbedingungen einzutreten.“

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10.15 Uhr

Eucharistiefeier in St. Peter und Paul Berufung und Berührung

Lied:

Wohl denen, die da wandeln (GL neu 543,1.4-5)

Kyrie:

Taizé-Kyrie (GL neu 154)

Jesus Christus, du hast die heilige Elisabeth auf den Weg deiner Nachfolge gerufen.

Liedruf

Jesus Christus, zu allen Zeiten rufst du Menschen, dir zu folgen.

Liedruf

Jesus Christus, heute rufst du uns in deine Spur.

Liedruf

Tagesgebet Gott, du Vater der Armen, du hast der heiligen Elisabeth ein waches Herz für die Armen gegeben, in denen sie Christus erkannte und verehrte. Auf ihre Fürsprache gib auch uns den Geist deiner Liebe und leite uns an zu helfen, wo Menschen in Not und Bedrängnis sind. Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Lesung:

Jes 43, 1.4a

Jetzt aber – so spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich geformt hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir. Weil du in meinen Augen teuer und wertvoll bist und weil ich dich liebe …

Lied:

Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht (GL neu 450 – Hall 167)

Evangelium:

Lk 4, 1.16-21

Erfüllt vom Heiligen Geist, verließ Jesus die Jordangegend. So kam er auch nach Nazaret, wo er aufgewachsen war, und ging, wie gewohnt, am Sabbat in die Synagoge. Als er aufstand, um aus der Schrift vorzulesen, reichte man ihm das Buch des Propheten Jesaja. Er schlug das Buch auf und fand die Stelle, wo es heißt: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe. Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.

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Predigt: Heute hat sich erfüllt: Jesus ist gemeint. Er ist der Gesandte, der den Armen eine gute Nachricht bringt, der den Gefangenen die Entlassung verkündet und den Blinden das Augenlicht, der die Zerschlagenen in Freiheit setzt und ein Gnadenjahr des Herrn ausruft. Es hat sich auch erfüllt: Elisabeth ist gemeint. In Jesu Nachfolge ging Elisabeth ihren Weg – radikal und entschlossen. Heute – und immer wieder neu – erfüllt sich auch: Ich bin gemeint. Jeder und jede von uns. In seiner Nachfolge sind wir auf dem Weg. Das ist manchmal nicht einfach. Berufung bedeutet, von Christus ergriffen sein, sich von Christus ergreifen lassen, Aufbruch, sich ausstrecken, Wagnis, Grenzen überspringen, immer wieder neues Bemühen, Ringen und Suchen. Das ist nie abgeschlossen. Das gilt für Elisabeths Berufung, genau so wie für unsere eigene Berufung. Elisabeths Vorbild macht uns Mut, unsere eigene Berufung zu erkennen und ihr mutig zu folgen. Wir machen uns auf, Jesus zu folgen. Weil uns das manchmal schwer fällt, suchen wir Orientierung an Vorbildern – heute an der Heiligen Elisabeths. Ich stärke meine eigene Berufung an Elisabeths Berufung – stärke sie durch Begegnung mit ihr. Wir haben uns heute auf den Weg gemacht in „ihre Stadt“. Ein Tag unseres Lebens, an dem wir ihr in besonders spürbarer Weise nahe kommen. In dieser Kirche, in dieser Krypta, hier in unserer Mitte gibt es Reliquien der Heiligen Elisabeth. Wir versammeln uns sozusagen um sie – unsere Schwester im Suchen und im Glauben. Ich lade Sie ein, aus den Bankreihen herauszukommen und sich dem Reliquiar der Heiligen Elisabeth zu nähern. Es ist ein Zeichen der Nähe zu ihr. Im Reliquiar ist eine Tuchreliquie, also ein Kleidungsstück oder ein Textil, das Elisabeth berührt oder getragen hat. Treten wir zu diesem Zeichen ihrer Nähe hin. Ich möchte Sie ermutigen, das so zu tun, wie es für Sie jetzt richtig ist. Vielleicht verharren Sie einen Moment vor dem Reliquiar, vielleicht verbeugen Sie sich kurz, vielleicht berühren Sie es mit der Hand. Wir treten in ihre Fußspuren. Und in ihren Fußspuren treten wir in die Spur Jesu Christi. Gehen wir den Weg unserer je eigenen Berufung.

Prozession 13

Kyrie:

slawisch (GL neu 155)

Worte von Papst Franziskus: In Assisi hat Papst Franziskus am 4. Oktober 2013 zu den Leidenden gesagt: „Auf dem Altar beten wir den Leib Jesu an, in euch sehen wir die Wunden Jesu. Jesus ist verborgen in der Eucharistie und in diesen Wunden.“ „Ein Christ betet Jesus an, ein Christ sucht Christus, ein Christ weiß, wie man die Wunden Christi wahrnimmt.“ Christus ist gegenwärtig in der Eucharistie und „unter euch, im Fleisch Christi.“

Gabenbereitung:

Wenn wir das Leben teilen (GL neu 474,1.2.4 – Hall 184)

Gabengebet: Barmherziger Gott, in der Stadt, in der Elisabeth gelebt und gewirkt hat, bringen wir das Opfer des Lobes dar. Nimm es gnädig an und schenke auch uns den Geist tätiger Nächstenliebe. Darum bitten wir durch Christus …

Sanctus:

Taizé-Sanctus (Halleluja alt 33)

Friedenslied:

Herr, gib uns deinen Frieden (Halleluja alt 107)

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Dank:

Te deum laudamus

Schlussgebet: Barmherziger Gott, wir haben das Brot des Lebens empfangen an diesem Tag, an dem wir der heiligen Elisabeth nahe sind, die du uns als Vorbild echter Frömmigkeit und selbstlosen Helfens geschenkt hast. Lass auch uns aus der Kraft der heiligen Speise in der Liebe zu dir wachsen und uns mühen im Dienst an deinem Volk. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

Segen: Auf die Fürsprache der heiligen Elisabeth bitten wir um den Segen Gottes für diesen Tag. Wir bitten um den Segen Gottes, der uns bei unserem Namen nennt. Wir bitten um den Segen Jesu Christi, der uns in seine Nachfolge berufen hat. Wir bitten um den Segen der göttlichen Geist-Kraft, die stark und aufmerksam macht für die Menschen um uns. So segne uns der drei-eine Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.

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Schlusslied:

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Ich steige ein in das Leben

12.30 Uhr Ort:

Statio in der Elisabeth-Kirche

im Kirchenraum – vor dem Barlach-Kreuz

Ankommen in der Elisabeth-Kirche: Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer, liebe Schwestern und Brüder, heute Morgen in aller Frühe haben wir uns aufgemacht, wir haben uns auf eine weite und anstrengende Fahrt begeben, auf die Fahrt zur Heiligen Elisabeth. Zur Heiligen Elisabeth, - deren Namen eine unserer Gemeinschaften trägt, - deren Namen vielleicht einige von uns tragen – oder getragen haben, - deren Namen zahlreiche Krankenhäuser tragen – oder getragen haben, - deren Patrozinium eine Reihe von Gemeinden in unserem Bistum führen. -

Wir haben uns Marburg genähert, der Stadt, in der Elisabeth die letzten Jahre ihres Lebens verbrachte, - haben uns dabei eingestimmt auf das Leben und Wirken dieser Frau. - Wir haben miteinander Eucharistie gefeiert und unsere eigene Berufung zur Nachfolge Christi an Elisabeths Berufung gestärkt, indem wir ihr Reliquiar berührten. Immer näher sind wir so Elisabeth gekommen, immer greifbarer ist sie für uns geworden. Nun sind wir ihr noch ein Stückchen näher gekommen. Nun sind wir in ihrer Kirche, in der Kirche ihrer Grablege. Wir sind endgültig und ganz augenscheinlich bei Elisabeth angekommen. Wir sind angekommen in der Kirche, deren Grundstein nur vier Jahre nach Elisabeths Tod gelegt wurde. Darum wird Elisabeth auch dargestellt mit einem Modell ihrer Kirche in der Hand. Die reizvolle kleine, spätgotische Figur der Heiligen, die Sie auf Ihrem Wallfahrtsheft finden, können Sie gleich hier vorne links in der Kirche sehen. Diese Kirche wurde erbaut, um die Gebeine der Heiligen aufzunehmen. Die kleine Kapelle ihres Spitals, in der sie ursprünglich beigesetzt wurde, reichte schon längst nicht mehr aus für die riesige Schar der Armen, der Kranken, der Heilungs- und Hilfesuchenden, die unmittelbar nach ihrem Tod zu Elisabeths Grab zu strömen begann. Acht Jahre nach Elisabeths Tod wurden ihre Gebeine in einem kostbaren Schrein dort vorne im Ostchor auf dem Hochaltar aufgestellt.

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Seitdem, seit mehr als 750 Jahren, kommen Menschen von nah und fern in diese Kirche, um bei Elisabeth zu sein, um Elisabeth nahe zu sein, um bei Elisabeth und zusammen mit Elisabeth ihre Freuden und Sorgen, ihre Sehnsucht nach Heil und Heilung vor Gott zu tragen und um mit Elisabeth Gottes Lobpreis zu singen – voller Hoffnung, voller Vertrauen, oft auch voller Zweifel und unter Tränen. Für mich sind in diesem wunderbaren Raum aus dem 13. Jahrhundert mit seinem warmen Sandton und den schlichten, edlen, zum Himmel aufstrebenden frühgotischen Formen all diese Menschen gegenwärtig. Und es berührt mich zutiefst, dass wir – Ordensleute und Mitglieder aus Säkularinstituten – uns heute einreihen in die Schar der Pilgerinnen und Pilger der Jahrhunderte. Ich lade Sie ein, für einen Moment mit ihren Freuden und Sorgen Einkehr zu halten bei Elisabeth, die Schönheit und schlichte Würde ihrer Kirche auf sich wirken zu lassen, die Atmosphäre dieses Raumes zu erspüren und einzustimmen in den Gesang der Jahrhunderte, der diese Kirche erfüllt. kurze Stille, dann Kanon

Kanon:

Te deum laudamus

Einladung zum Weg: Schon wenige Monate nach Elisabeths Tod im Jahr 1231 strömten die Menschen zu ihrem Grab. Zu Pferd, in Karren, auf den Schultern der Angehörigen, von Freunden gestützt, an Krücken, sich mühsam fortbewegend und vielfach barfuß zogen Kranke aus allen Himmelsrichtungen nach Marburg. So beschreiben es frühe Quellen. Besonders Augenkranke, Epileptiker, Gelähmte und viele Kinder kamen, um an Elisabeths Grab in der kleinen Kapelle des von ihr gegründeten Spitals Heilung zu suchen. Dieses Grab ist bist heute erhalten. Wir laden Sie jetzt ein, uns in die Schar der Bedürftigen, der Heilung Suchenden der Jahrhunderte einzureihen und wie sie in dieser Kirche den Weg zur Grablege der Hl. Elisabeth unter unsere Füße zu nehmen. Nicht als Besucher, als Touristen zu einer Sehenswürdigkeit, sondern als Suchende und Schauende in Stille und mit offenem Herzen. Weg durch die Kirche in den Chorraum

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Gedanken zur ausgetretenen Stufe am Mausoleum:

Wir stehen jetzt vor dem sog. Mausoleum der Hl. Elisabeth. Es ist über der Stelle errichtet, an der in der kleinen, unscheinbaren Hospitalkirche die Hl. Elisabeth begraben wurde. Als die Elisabethkirche ab 1235 erbaut wurde, wurde sie so konzipiert, dass das Grab der Heiligen in den Bau mit einbezogen werden konnte. Darum ist das Grab heute hier im nördlichen Querhaus, das bereits 1249, also 18 Jahre nach Elisabeths Tod, fertiggestellt wurde. Der wunderbare Baldachin aus Sandstein, der sich darüber erhebt, wurde 1280/90 geschaffen. Wir sehen: Das Grab besteht aus einer schwarzen Schiefergrabplatte, die auf einem Unterbau, der sog. Tumba, aufliegt. Die Vorderseite ziert ein Steinrelief aus der Mitte des 14. Jh. Um die Mitte des 14. Jh. wurden die Gitter um das Grab angebracht Alle Veränderungen nachfolgender Epochen überdauert hat die schlichte steinerne Stufe an Elisabeths Grab, unscheinbar ist sie, abgenutzt, ausgetreten, man muss sich herunter beugen, um sie überhaupt zu sehen. Deutlich sieht man die Spur, die die Hilfesuchenden und Beter im Laufe der Zeit hinterlassen haben. Uns hat diese ausgetretene Stufe sehr bewegt, sie ist uns gleichsam zu Herzen gegangen. Eine ausgetretene Stufe gibt Zeugnis von der Liebe und von der Hoffnung vieler Menschen. Eine ausgetretene Stufe spricht von den vielen Menschen, die auf ihr gekniet oder gestanden haben. Heute stehen wir an dieser Stufe. Wir stehen hier selber Hilfe-suchende Frauen und Männer, Frauen und Männer, die sich nach Heilung sehnen – für sich und andere, Wallfahrende, die andere Menschen im Herzen mitbringen, Wallfahrende, die um die Krankheiten, die Not in aller Welt wissen.

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Wir stehen an dieser Stufe – zusammen mit den Beterinnen und Betern vor uns. Und mit ihnen zusammen und mit Elisabeth stimmen wir ein in das Lob Gottes, der Heilung schenkt und Sehnsucht stillt. kurze Stille

Liedruf:

Laudate omnes gentes (GL neu 386 – Halleluja 129)

Einladung zum Weg: In der Eucharistiefeier haben wir vorhin vor dem Reliquiar gestanden, haben es mit unseren Händen umfangen. Ich lade Sie nun ein, vor den kostbaren Schrein zu treten, der Elisabeths Reliquien aufgenommen hat.

Gedanken zum Elisabeth-Schrein:

Wir stehen jetzt vor dem kostbaren Schrein…

Dieser goldene Schrein, der wohl 1249 fertiggestellt wurde, steht seit dem Anfang des 14. Jh. in der alten Sakristei, die an die Nordseite des Hohen Chores angebaut ist. Er ist eines der schönsten und kostbarsten Zeugnisse romanischer Goldschmiedekunst. Wer ihn betrachtet, ist geblendet von der Fülle der Figürchen, Säulchen und Baldachine, von dem Glanz des Goldes und der Edelsteine, von der Vielfalt der Filigran- und Emailarbeiten.

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Uns begeistert die Schönheit dieses Kunstwerks. Aber etwas in uns sträubt sich auch, etwas widerstrebt unserem modernen Bewusstsein: die Schwester der Armen und so viel Kostbarkeit. Die Schwester der Armen und so viel Kostbarkeit! Ist ein solcher Schrein nötig? Wir können den kostbaren Schrein so verstehen: Weil Elisabeth kostbar ist, haben Menschen ihr diesen kostbaren Schrein geschenkt. Sie haben damit abgebildet, was über Elisabeth und uns in der Lesung der Eucharistiefeier gesagt wurde: Wir sind in Gottes Augen unendlich kostbar und wertvoll, Gold und Edelsteine drücken hier die Wertschätzung aus, die Gott und die Menschen ihr entgegengebracht haben. Gold und Edelsteine drücken aus, wie wertvoll den Menschen damals – und uns heute – das Zeugnis ihres Lebens ist. Der Schrein ist kostbar. Elisabeth selbst ist uns kostbar, wertvoll. Elisabeth selbst ist uns kostbar, wertvoll. Deshalb sind wir hier. Deshalb haben wir uns auf den Weg zu ihr gemacht. Elisabeth ist uns kostbar, wertvoll. Wir danken Gott, dass er uns Elisabeth geschenkt hat. Nur vier Jahre nach ihrem Tod, 1235, wurde diese Frau, die mit den Ärmsten lebte, heilig gesprochen. Von der Kirche aufgenommen in die Schar der Heiligen, vom Kaiser selbst durch seine Anwesenheit bei der Erhebung ihrer Gebeine geehrt, war nun ihr Ruhm in aller Munde. In einem Hymnus noch aus dem 13. Jahrhundert heißt es: „Frohlocken sollen die Töchter der Mutter Kirche, denn die Königstochter, die sich nicht erhaben dünkt über die Armseligkeit irdischen Lebens, steigt zum Himmel empor und nimmt nach all der Mühsal den ewigen Lohn Christi in Empfang.“ Es ist nur natürlich, dass die Gebeine der so gerühmten Heiligen nun auch in einem kostbaren Schrein geborgen wurden. kurze Stille

Liedruf:

Laudate omnes gentes

Einladung zum Weg: Wir laden Sie ein, noch einmal einen Weg zu gehen. Vom Schrein zurück in den hohen Chor der Elisabethkirche.

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Gedanken zum Elisabeth-Fenster:

Wir haben uns versammelt im hohen Chor der Elisabethkirche. Wir lassen die Augen wandern durch diese wunderbare Kirche, die 1283 geweiht wurde. Sie ist das erste rein gotische Bauwerk in Deutschland und verwendet Einflüsse aus Köln und aus der französischen Kathedralgotik. Wir schauen auf den kunstvollen steinernen Hochaltar von 1290 und heben die Augen auf zu den drei mittleren Chorfenstern, die zu den bedeutendsten in Deutschland gehören. Im Licht dieser wunderbaren Glasfenster fragen wir uns noch einmal: Was ist es, was bis auf den heutigen Tag unzählige Menschen, Christen und Nichtchristen, Gläubige und Ungläubige, veranlasst, die Nähe zu Elisabeth zu suchen. Für mich ist es die radikale und konsequente Weise, in der sie sich auf die Seite der Armen und Schwachen stellte und damit Zeichen setzte – bis heute. Zeichen der Solidarität und der Gerechtigkeit. Das tat Elisabeth schon als Landgräfin auf der Wartburg. Sie weigerte sich, unrechtmäßig erpresstes Geld und Gut zu nutzen, sie weigerte sich, den Armen abgepresste Lebensmittel zu essen. Das muss für die höfische Gesellschaft eine ungeheure Provokation und ein klares Infragestellen damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse gewesen sein. Sie verteilte nicht nur Almosen, wie es für eine Landesherrin üblich war und von einer Frau ihres Standes erwartet wurde. Sie schenkte den Bauern Arbeitsschuhe und Ackergerät. Sie verteilte Saatgut und Sensen. Sie gab armen Frauen kostbare Stoffe mit der Auflage, sie zu verkaufen und damit ihre Schulden zu bezahlen. Wir nennen das heute im Kampf gegen Armut „Empowerment“,

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Hilfe zu Selbsthilfe. Damals war es eine eher ungewöhnliche Handlungsweise. Den Kindern schenkte Elisabeth Puppengeschirr und kleine Ringe aus Glas und sie spielte mit ihnen. Zeitgenossen rühmen ihre Heiterkeit, ihre Ungezwungenheit, die einfachen mitfühlenden Gesten. In ihren letzten Lebensjahren hier in ihrem Marburger Hospital lebte sie nicht nur für die Armen, sie lebte mit den Armen, sie wurde eine von ihnen, sie machte sie zu Schwestern und Brüdern und gab ihnen so Würde. Von dieser Zuwendung zu den Ärmsten, von diesem Leben in der Nachfolge Christi erzählen viele Kunstwerke in dieser Kirche. Das für uns schönste von allen ist das Elisabeth Fenster von um 1250, das rechte von den drei mittleren Chorfenstern, das sich ursprünglich im nördlichen Querhaus über der Grablege befunden hat. Es ist ein Meisterwerk romanischer Glaskunst. In wunderbar intensiven blau, rot und grün Tönen zeigt es in 12 Medaillons Szenen aus Elisabeths Leben, In der oberen Rosette stellt es die Beziehung zu Franz von Assisi, ihrem großen Zeitgenossen, her. Es erzählt allen, die es betrachten, von Elisabeths Leben. Es lässt Elisabeths Leben aufscheinen, im Licht aufglänzen, durchscheinen. Jemand hat einmal gesagt: „Heilige sind Fenster, durch die die Liebe Gottes scheint.“ Wir schauen nicht nur auf ein Glasfenster. Elisabeth ist ein Fenster, durch das die Liebe Gottes scheint, auf uns scheint. Wir freuen uns daran. Wir lassen uns wärmen und bestrahlen von Elisabeths Strahlkraft. Und durch sie lassen wir uns wärmen und bestrahlen von der Wärme und dem Licht Gottes. Immer müssen wir leisten und arbeiten und tun. Heute dürfen wir uns von der Sonne, vom Licht der Heiligen verwöhnen lassen. Das tut uns gut! Wir lassen uns beschenken. Als Beschenkte können wir einstimmen in das Lob Gottes: kurze Stille

Liedruf:

Laudate omnes gentes

Verabschiedung: Jetzt ist Zeit für einen Bummel durch Marburg, das Mittagessen, einen Besuch des Elisabeth-Marktes, der an diesem Samstag in Marburg stattfindet, Gebet, Begegnung, ... Wir treffen uns wieder um 15.30 Uhr in der St. Michaelskapelle, dem „Michelchen“ – gegenüber auf der anderen Seite der Straße.

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15.30 Uhr

Wortgottesdienst im „Michelchen“ Sendung

Sendung

Wir sind in der St. Michaelskapelle. Die Marburger nennen sie liebevoll nur „Michelchen“. Die kleine gotische Kapelle wurde 1270 geweiht – also noch vor ihrer großen Schwester, der Elisabethkirche, die 1283 eingeweiht wurde. Die Kapelle hatte eine wichtige Rolle bei der Aufnahme er großen Pilgerströme. Zu der Kapelle gehört ein kleiner Friedhof, auf dem verstorbene Pilger und Patienten des Franziskus-Hospitals begraben wurden. Lied:

Ich steige ein in das Leben (S. 16)

Eröffnung und Einführung: Wir sind wie die Pilgerinnen und Pilger vieler Jahrhunderte unterwegs. Jetzt sind wir in der Pilgerkapelle. Wir haben über unsere Berufung nachgedacht. Jetzt lassen wir uns senden. Anregungen geben uns dabei Texte von Papst Franziskus, Gedanken der Heiligen Elisabeth und Worte der Heiligen Schrift. Kyrie:

slawisch (GL neu 155)

Jesus Christus, du öffnest unsere Augen für die Not der Armen und unser Ohr für ihre Bitte um Hilfe.

Liedruf

Jesus Christus, du lehrst uns, dass wir dir in den geringsten Brüdern und Schwestern begegnen.

Liedruf

Jesus Christus, du rufst deine Kirche in den Dienst an den Menschen, besonders an den Armen und Bedrängten aller Art.

Liedruf

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Gebet: Gott, du Anwalt der Armen, zu allen Zeiten haben Menschen nach dir gerufen und du hast sie erhört. (vgl. Ps 34,7) Auf Zion haben die Armen deines Volkes ihre Zuflucht gefunden. (vgl. Jes 14,32) Auch in dieser Stadt und an diesem Ort haben Arme, Kranke und suchende Menschen Zuflucht, Zuwendung und Heilung erfahren. Wir bitten dich: Stärke du uns für unseren Dienst an den Armen, schenke uns Kraft, dass wir – wie Elisabeth – die Menschen froh machen können. Darum bitten wir dich im Glauben an deine Zuneigung zu uns.

Papst Franziskus an die Teilnehmerinnen der Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen (U.I.S.G.) am 8. Mai 2013:

Lebt stets die Zentralität Christi, die mit dem Evangelium übereinstimmende Identität des geweihten Lebens und ruft sie in Erinnerung. Helft euren Gemeinschaften, den „Exodus“ aus sich selbst zu leben auf einem Weg der Anbetung und des Dienens, vor allem durch die drei Angelpunkte eures Lebens. (…) Armut, die man bei den Geringen, den Armen, den Kranken lernt und bei allen, die sich in den existenziellen Randgebieten des Lebens befinden. Wir können keine theoretische Armut gebrauchen. Armut lernt man, indem man den Leib des armen Christus berührt, in den Geringen, in den Armen, in den Kranken, in den Kindern.

Elisabeth: Eines Tages hatte Elisabeth in Ludwigs Abwesenheit einen Aussätzigen in Pflege genommen und ihn in ihr eigenes Ehebett gelegt. Als Ludwig heimkam, nahm ihn gleich seine Mutter beiseite: „Jetzt hat Elisabeth gar einen Aussätzigen in Euer Bett gelegt!“ Ludwig erschrak, eilte ins Schlafgemach und schlug die Bettdecke zurück. Da sah er den gekreuzigten Christus liegen. Er wandte sich seiner Frau zu: „Geliebte Schwester, solch einen Kranken darfst du mir immer ins Bett legen!“

Schriftwort:

Mt 25, 37-40

„Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?“ Darauf wird der König ihnen antworten: „Amen, ich sage euch:

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Was ihr für einen meiner geringsten Brüder oder eine meiner geringsten Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“

Liedruf:

Ubi caritas (GL neu 445 – Halleluja 158)

Papst Franziskus bei der Pfingstvigil mit den kirchlichen Bewegungen am 18. Mai 2013:

Wenn ich in der vorigen Diözese ging, um Beichte zu hören, kamen so einige, und ich stellte immer diese Frage: „Aber geben Sie auch Almosen?“ – „Ja, Pater!“ – „Ah, gut, gut.“ Und dann schob ich noch zwei weitere nach: „Sagen Sie, wenn Sie Almosen geben, schauen Sie dann dem- oder derjenigen in die Augen, der Sie das Almosen geben?“ – „Ach, das weiß ich nicht, darauf habe ich nicht geachtet.“ Zweite Frage: „Und wenn Sie das Almosen geben, berühren Sie dann die Hand dessen, dem Sie es geben, oder werfen Sie ihm die Münze hin?“ Das ist das Problem: der Leib Christi, den Leib Christi berühren, diesen Schmerz auf uns nehmen, für die Armen.

Elisabeth: Ebenfalls sagte Irmgard [eine der „Dienerinnen“] aus, Elisabeth habe nach Gründung des Marburger Hospitals selbst mitgeholfen, die Kranken zu baden, nachher wieder ins Bett zu bringen und zuzudecken. Einmal zerriss sie einen Leinenvorhang, wie er gewöhnlich zum Schmücken der Häuser benutzt wird, bettete die Kranken nach dem Bad darauf, deckte sie damit zu und rief: „Welch Glück für uns, so unseren Herrn baden und zudecken zu können.“ G. u. Th. Sartory, Elisabeth von Thüringen – Befreiende Demut, Freiburg 1983, S. 123

Schriftwort:

Mk 1, 40-41

Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es – werde rein!

Liedruf:

Ubi caritas

Papst Franziskus im Interview am 19. September 2013:

Ich sehe ganz klar, dass das, was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen – Nähe und Ver-

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bundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Man muss einen Schwerverwundeten nicht nach Cholesterin oder nach hohem Zucker fragen. Man muss die Wunden heilen. Dann können wir von allem anderen sprechen. Die Wunden heilen, die Wunden heilen… Man muss ganz unten anfangen.

Elisabeth: Irmgard sagte ferner aus, Elisabeth habe eine sehr übelriechende, aussätzige Frau voll eiternder Geschwüre im Hospital gepflegt hat. Jeden anderen ekelte es, sie auch nur von weitem anzusehen, aber die selige Elisabeth wusch sie, deckte sie zu, verband ihre Wunden, linderte ihre Schmerzen mit Arzneien, warf sich vor ihr zu Boden, um ihr die Schuhriemen zu lösen und die Schuhe auszuziehen. Aber die Kranke erlaubte es nicht. Sie schnitt ihr auch die Nägel an Fingern und Zehen und streichelte ihr von Schwären bedecktes Gesicht. Im Lauf der Zeit fand sie Heilung. Elisabeth brachte sie in einem abgelegenen Raum eines Hofgebäudes unter und besuchte sie oft. Manchmal rief sie die Kranke auch in das Hospital und scherzte sehr viel mit ihr. Sie machte ihr das Bett und unterhielt sich liebevoll und tröstend mit dieser armen Frau. Alle Wünsche der Armen erfüllte sie mit aufmerksamem Eifer. G. u. Th. Sartory, Elisabeth von Thüringen – Befreiende Demut, Freiburg 1983, S. 123f

Schriftwort:

Joh 9, 1.5-7

Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.

Liedruf:

Ubi caritas

Papst Franziskus in seiner Predigt zur Abschlussmesse beim Weltjugendtag in Rio am 28. Juli 2013:

Am Anfang des Psalms, den wir gesungen haben, stehen diese Worte: „Singt dem Herrn ein neues Lied“ (Ps 96,1). Was ist das für ein neues Lied? Es sind keine Worte, es ist keine Melodie, sondern es ist das Lied eures Lebens, es bedeutet zuzulassen, dass unser Leben dem Leben Jesu gleichförmig wird, es

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bedeutet, dass wir so fühlen, denken und handeln wie er. Und das Leben Jesu ist ein Leben für die anderen. Es ist ein Leben des Dienens.

Elisabeth: Elisabeth hatte einmal ein Kloster besucht, in dem die Brüder, die nur von Almosen lebten, sehr geschwächt aussahen. Nachdem sie ihr die vergoldeten Bilder an en Wänden der Klosterkirche gezeigt hatten, ermahnte sie Elisabeth: „Ihr hättet diese Ausgaben besser für eure Kleidung und für euren Lebensbedarf verwenden sollen als für die Wände, denn diese Bilder solltet ihr doch im Herzen tragen.“ Wolfgang Bader, Die Menschen froh machen. Vier Wochen mit Elisabeth von Thüringen, München 2007, S. 47

Schriftwort:

Mt 22, 37-39

Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.

Liedruf:

Ubi caritas

Elisabeth: Nachdem Hermann gestorben war, mit dem sie als Kind verlobt worden war, begann man überall zu munkeln, Ludwig, der 2. Sohn des Landgrafen, den sie seit ihrer frühsten Jugend liebte, werde Elisabeth nach Ungarn zurückschicken. Sicher wird auch Elisabeth sich gefragt haben: Wie geht es mit meinem Leben weiter?“ Da fasste sich einer der Ritter, der zu der Gesandtschaft gehört hatte, die Elisabeth aus Ungarn nach Thüringen gebracht hatte, ein Herz und fragte den Ludwig, was er mit Elisabeth zu tun beschlossen habe. Dietrich von Apolda, schreibt etwa 60 Jahre nach Elisabeths Tod: Daraufhin zeigte der Fürst auf einen großen Berg, der ihnen vor Augen lag, und sagte: „Wahrhaftig, wenn der Berg, den du hier siehst, von oben bis unten aus purem Gold wäre, würde ich doch eher ihn drangeben, als die Verbindung mit Elisabeth. Mögen andere urteilen, wie sie wollen und unnütze Reden darüber führen. Ich liebe Elisabeth und ziehe der Ehe mit ihr nichts anderes vor.“ Da sagte der Ritter: „Ich bitte, mein Herr, um die Erlaubnis, ihr dieses Wort zu vermelden.“ Darauf erwiderte jener liebreich: „Hinterbringe ihr, was ich gesagt, und als Unterpfand der Wahrheit gib ihr dieses.“

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Damit zog er aus seiner Tasche einen in Bronze gefassten Doppelspiegel und gab ihn dem Ritter. Auf der einen Seite war nur reines Glas, auf der anderen Seite zeigte er das Bild des Gekreuzigten. Als die heilige Jungfrau dieses Geschenk aus des Ritters Hand behutsam entgegennahm, verriet ihr überaus holdseliges Lächeln, wie groß ihre Freude darüber war. aus: G. u. Th. Sartory, Elisabeth von Thüringen – Befreiende Demut, Freiburg 1983, S. 61f

„Spiegel-Gedanken“: Der Spiegel, den Ludwig der jungen Elisabeth schenkte, trug auf der Rückseite ein Christus-Bild. Mir sagt der Spiegel: Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich mich. Wenn ich mich sehe, sehe ich Christus. Er sagt mir auch: In jedem Menschen, den ich sehe, sehe ich Christus. Wenn ich Menschen ansehe, sehe ich Christus an. Die Gottesliebe „ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben.“ Und dann gibt es den dritten Teil des Gebotes: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich mich. Spiegel werden verteilt. Auf der Rückseite ist das Christusmonogramm. Wir schenken Ihnen einen kleinen Spiegel. Er ist eine Einladung: Schau dich an. Schaue Christus an. In dir strahlt Christus auf. kurze Stille

Credo:

Amen (s. S. 8 – wie „Taizé-Sanctus“)

Liedruf

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Ich glaube an dich, Gott. Seit du den Bund mit deinem Volk geschlossen hast, bist du auf der Seite der Armen. Ich glaube an dich und deine Liebe, Vater und Mutter der Armen. Liedruf Ich glaube an dich, Jesus Christus. Du bist zur Welt gekommen und hast dich an die Seite der Armen gestellt. Ich glaube an dich und deine Liebe, Jesus Christus, Bruder der Armen. Liedruf Ich glaube an dich, Heiliger Geist. Du bewegst Menschen, sich auf die Seite der Armen zu stellen. Ich glaube an dich und deine Liebe, Heiliger Geist, bewegende Kraft. Liedruf Ich glaube an eine Kirche, die sich auf die Seite der Armen stellt, die nicht mit den Mächtigen paktiert. Ich glaube an eine Kirche, die die Welt verändert. Liedruf Ich glaube, dass du mich berufen hast, dich in den Armen zu lieben – und ich bin eine von ihnen. Ich glaube an dich und deine Liebe zu mir. Liedruf

freie Fürbitten Liedruf nach mehreren Bitten:

Vater unser 30

Gebet: Gott, du Anwalt der Armen, durch Elisabeth und Papst Franziskus, durch dein Wort und unsere Gemeinschaft hast du uns gestärkt. Dein Sohn Jesus Christus wusste: „Gott hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe.“ Wir glauben daran: Du sendest uns, den Armen, Kranken und suchenden Menschen gute Nachrichten zu bringen, Zuneigung und Heilung. An vielen verschiedenen Orten dürfen wir Anwältinnen und Anwälte der Armen sein. Du sendest uns in unseren Alltag, an den je eigenen Ort, in die ganz persönliche Nachfolge, in unseren Dienst für die Menschen und dich. Segne uns und sende uns. Segen Lied:

Bewahre uns, Gott (GL neu 453 – Halleluja 237)

_____________________________________ Ich sehe eine Kirche Ich sehe eine Kirche, die uns zur Armut mahnt, einen Bischof, der die Satten vor Habgier warnt. Ich sehe die Gemeinde, die mit den Armen lebt, einen Priester, der den Hungrigen zu essen gibt. Ich sehe die Gesellschaft, die alle Güter teilt, einen Menschen, der die Wunden der Kranken heilt. Ich sehe einen Staatsmann, der endlich Frieden wagt, einen Fürsten, der die Waffen zum Teufel jagt. Ich sehe eine Kirche, die uns zur Armut mahnt, einen Bischof, der die Satten vor Habgier warnt. Ich sehe neue Dörfer, die keine Gräben ziehen, neue Menschen, die den Nachbarn entgegengehen. Hermann Schulze-Berndt. in: Elisabeth von Thüringen ___________________________________________________

Auf den Spuren der Heiligen Elisabeth Wallfahrt der Ordensleute und Mitglieder von Säkularinstituten im Bistum Essen am 12. Oktober 2013 Vorbereitung der Wallfahrt und Texte: Marie-Luise Langwald und Irmentraud Kobusch Das Textheft ist nur für den internen Gebrauch bestimmt.

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