2011

Fachhochschule Burgdorf 1 Architecture Therory Advanced, Winter 2010 / 2011 Referent: Markus Däppen dipl. Architekt ETH / SIA Fachbereich Städtebau ...
Author: Kasimir Färber
2 downloads 0 Views 16MB Size
Fachhochschule Burgdorf 1

Architecture Therory Advanced, Winter 2010 / 2011

Referent: Markus Däppen dipl. Architekt ETH / SIA Fachbereich Städtebau Planungsamt, Stadt Thun

Themen 2 Fragen und Konflikte Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Rolle des Planers Beispiele Diskussion

Fragen und Konflikte 3

– Wie beeinflusst die Demokratie den Städtebau? – Dynamische Stadtentwicklung versus Geschichte und Identität oder die Konfrontation von feinmassstäblicher Realität und grossmassstäblicher Vision. – Gibt es Alternativen zu städtebaulichen Visionen? – Wie lassen sich Veränderungsprozesse darstellen? – Was ist ein Konfliktplan?

4

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Masterplan Brasilia: Vision einer idealen Stadt

Brasilia der Zuzüger: Reale unvorhergesehene Stadt

5

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Minimal Art: intelektuelle Abstraktion

Pop Art: Das Triviale als Kunst

6

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Klassizismus: karg entworfen

Barock: üppig entworfen

7

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Monochrome Malerei: Klarheit der reinen Farbe

Hyperrealistische Malerei: Detailreichtum im Figürlichen

8

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

„Minimal Tradition“: formale Reduktion

Triviale Architektur: Sentimentaler Kitsch

9

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Debatte über die Qualität eines karg gestalteten Stadtplatzes

10

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Die grundsätzlichen Argumente kreisen um die Gegensätze leer und voll bzw. aufgeräumt und unordentlich. Für beide Pole gibt es sowohl positive als auch negative Wertungen.

11

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Leer und aufgeräumt pro: – rationell und effizient – professionell – Gefühl der Erhabenheit – ablesbares Konzept – bürgerlich – ruhig und konzentriert – Freiraum für Neues – Aneigungspotenzial

kontra: – elitäre Ästhetik – Macht und Kontrolle – gefühlsarm und kalt – Repräsentation statt Alltag – unbelebt – anonym und monoton – bedürfnisfremd – Entfremdung durch Distanz

12

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Voll und unordentlich pro: – alltägliche Bedürfnisse – Poesie des Alltags – gelebter sozialer Raum – unplanbare Realität – vielfältig wie das Leben – demokratisch – angeeigneter Raum – regional

kontra: – Horror vacui (ironisch) – Banalität eines Jekami – kompliziert – unübersichtlich – ausser Kontrolle – Ausdruck tiefer Begierden – erdrückende Fülle – trivialer Kommerz

13

Spannungsfeld zwischen formeller CIVIC CITY ... Planung und realer Gesellschaft offiziell und repräsentativ

öffentlich und kontrovers

abstrakt

erdacht und mental sozial

alltäglich und poetisch

materiell und gebaut

physisch konventionell und gewöhnlich

Henri Lefebvre: „The production of space“

Raumtriade

ARCHITEKTURFORUM ZÜRICH © Markus Däppen 2010

Stadt Zürich Tiefbau- und Entsorgungsdepartement

... IM ÖFFENTLICHEN RAUM

CIVIC CITY ...

14

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft offiziell und repräsentativ

abstrakt

erdacht und mental

Henri Lefebvre: „The production of space“

materiell und

abstrakt

15

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

öffentlic und kontrove

erdacht und mental

materiell und gebaut

physisch konventionell und gewöhnlich

Henri Lefebvre: „The production of space“

so

16

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft offiziell und repräsentativ

öffentlich und kontrovers

abstrakt

erdacht und mental sozial

alltäglich und poetisch

Henri Lefebvre: „The production of space“ materiell und gebaut

physisch konventionell und gewöhnlich

17

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft 3 Stadt-Ebenen (nicht geografisch): Global: Staat und seine Institutionen im Zusammenspiel mit privaten Investoren. Besitz und Kontrolle des (öffentlichen) Raums. Entfremdung. M: Öffentliche Gebäude und Plätze. Teilhabe des Subjekts (Stadtbewohner) an der Gestaltung. Aneignung. Privat: Wohnraum. Ausdruck diverser Lebensmodelle. Diversität. Henri Lefebvre: „Die Revolution der Städte“

18

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Das Recht auf die Stadt bedeutet: – Freier Zugang zu den städtischen Räumen für alle Stadtbewohner; – Teilnahme aller Stadtbewohner an den politischen und strategischen Debatten zur Stadtentwicklung; – Stadt als Ort des Zusammenkommens, des sich Erkennens bzw. Anerkennens und der Auseinandersetzung; – kulturellen (nicht nur kommerziellen) Austausch. Henri Lefebvre: „Le droit à la ville“

19

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Städtebau und Architektur sind keine privaten Angelegenheiten. Jedoch: An welcher Öffentlichkeit orientieren sie sich, wenn es die eine Öffentlichkeit in der pluralistischen Gesellschaft gar nicht mehr gibt? Wenn es keine allgemein verbindlichen Architekturqualitäten mehr gibt, wenn Universalwerte als Entwurfsmoral veraltet sind, mit welchem Massstab und in wessen Interesse wird dann Städtebau und Architektur produziert?

20

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Zur Befriedigung von alltäglichen Bedürfnissen gewöhnlicher Stadtbewohner! Dadurch erhält Architektur und Städtebau wieder eine gebührende gesellschaftliche Relevanz.

21

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft

Führt der erforderliche gesellschaftliche Konsens nicht zu mittelmässigen Ergebnissen auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners? Nein. Sofern wir ein Gebäude, ein Stadtraum und deren Kontext nicht als statische Objekte im euklidischen Raum verstehen!

22

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Folgerung: Städtebau und Architektur nicht nur objektbezogen, sondern vorallem in Bezug auf konkrete Situationen denken. Situationen sind ein vielschichtiges widersprüchliches Ganzes, eine sich ständig verändernde Konfiguration von Dingen und Menschen, die sich gegenseitig beeinflussen. Statt von der endgültigen Vision über den statischen, konventionellen Gesamtplan zum konkreten Objekt zu gelangen, wächst ein offener Gestaltungssprozess aus einer vorgefundenen Situation.

23

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Die Gestaltungskriterien sind weder objektiv noch subjektiv: sie sind kontrovers! Das Gebäude, der städtische Raum und deren Kontext müssen als Fluss von Transformationen in einem kontroversen Raum dargestellt werden. Sie sind nie vollendet und können nur im Netzwerk verschiedener menschlicher und materieller Akteure entlang der Zeitachse verstanden werden. Bruno Latour: „Actor-Network-Theory“

24

Spannungsfeld zwischen formeller Planung und realer Gesellschaft Haupteigenschaften

Akteurgruppen

Behaglichkeit und Ruf

Zugang und Verbindungen

Nutzen und Aktivitäten

Protagonisten und Stadträume AnwohnerInnen

h f

Geselligkeit

Lokale Unternehmungen

g

SeniorInnen

i

Nichtregierungsorganisationen

+

Kinder Vereine MigrantInnen Stadtverwaltung Jugendliche PolitikerInnen KünstlerInnen

Ort

--

Investoren Chancen Probleme

Grünanlagen Strassen und Wege

Visionen

Märkte Innenstadt Einkaufs- und Vergnügungszentren Plätze Uferanlagen Quartierzentren Brachen

u 15.08.10

25.08.10

14.09.10

Beispiel eines visualisierten Akteurnetzwerks im Internet

t

Rolle des Planers 25 Der Planer ist kein Autor mit Gestaltungsautonomie. Er gestaltet den Planungsprozess, indem er für jede Situation ein Akteurnetzwerk ermöglicht. Er verändert die städtische Umwelt nicht selber und kann sie auch nicht ganz kontrollieren. Doch er verliert die sozialen und physischen Aspekte der Gesamtsituation nicht aus dem Blickfeld. Er versucht, die oft verborgenen Potenziale der alltäglichen Situationen wahrzunehmen, um hieraus neben einem ökonomischen, ästhetischen und ökologischen einen sozialen Mehrwert zu schaffen.

Beispiele 26

Umnutzung: Gundeldingerfeld, Basel

Beispiele 27

Umnutzung: Gundeldingerfeld, Basel

Beispiele 28

Die ehemalige Maschinenfabrik wird zum lebendigen Quartierzentrum: – Sehnsucht nach Gesellschaft; – Einsatz von Sozialkapital anstelle von Finanzkapital; – Entwicklung aus dem Quartier; – Neues kommt aus dem Vorhandenen, ohne Neubauten; – Inhalt kommt vor Hülle; – Identität durch Nutzung; – Weitergebrauchen auf dem Weg zur 2000W-Gesellschaft.

Beispiele 29

Die ehemalige Maschinenfabrik wird zum lebendigen Quartierzentrum: – Sehnsucht nach Gesellschaft; – Einsatz von Sozialkapital anstelle von Finanzkapital; – Entwicklung aus dem Quartier; – Neues kommt aus dem Vorhandenen, ohne Neubauten; – Inhalt kommt vor Hülle; – Identität durch Nutzung; – Weitergebrauchen auf dem Weg zur 2000W-Gesellschaft.

Beispiele 30

Kollektive Wunschproduktion: Park Fiction, Hamburg

Beispiele 31

Kollektive Wunschproduktion: Park Fiction, Hamburg

Beispiele 32

Park Fiction macht die politischen, sozialen und ästhetischen Konfliktfelder zum Gegenstand von Kunst. – Wünsche und Sehnsüchte unter schiedlicher Menschen verdichten sich im öffentlichen Raum; – die Wünsche verlassen die Wohnung und gehen auf die Strasse; – Action Kit als Katalysator; – Ausdruck spontaner Poesie; – Fruchtbare demokratische Planung.

Beispiele 33

Park Fiction macht die politischen, sozialen und ästhetischen Konfliktfelder zum Gegenstand von Kunst. – Wünsche und Sehnsüchte unter schiedlicher Menschen verdichten sich im öffentlichen Raum; – die Wünsche verlassen die Wohnung und gehen auf die Strasse; – Action Kit als Katalysator; – Ausdruck spontaner Poesie; – Fruchtbare demokratische Planung.

Beispiele 34

Ermöglichungsarchitektur: Sozialwohnungen in Mulhouse

Beispiele 35

Ermöglichungsarchitektur: Sozialwohnungen in Mulhouse

Beispiele 36

Ermöglichungsarchitektur: Sozialwohnungen in Mulhouse

Beispiele 37

Ermöglichungsarchitektur: Sozialwohnungen in Mulhouse

Beispiele 38

Ermöglichungsarchitektur: Sozialwohnungen in Mulhouse

Beispiele 39

Die Siedlung wurde nach dem Motto „Viel Wohnung für wenig Geld“ konzipiert. Ihre Gestalt leitet sich aus den Bewegungen des Alltags ab. – „Form follows performance“; – die Architektur ermöglicht eine individuelle Aneigung, sie wird zur Bühne der verschiedenen Lebensformen; – Komplexität und Unordnung des Alltags gehören zum Konzept; – Raum als Handlungsverlauf.

Beispiele 40

Die Siedlung wurde nach dem Motto „Viel Wohnung für wenig Geld“ konzipiert. Ihre Gestalt leitet sich aus den Bewegungen des Alltags ab. – „Form follows performance“; – die Architektur ermöglicht eine individuelle Aneigung, sie wird zur Bühne der verschiedenen Lebensformen; – Komplexität und Unordnung des Alltags gehören zum Konzept; – Raum als Handlungsverlauf.

Beispiele 41

Temporäre Architektur: Improvisierter Wellnesspark, London

Beispiele 42

Temporäre Architektur: Improvisierter Wellnesspark, London

Beispiele 43

Die vergängliche Architektur ermöglicht sozial lebendige Räume jenseits von politischen und wirtschaftlichen Zwängen: – Platz für Unvorhergesehenes; – die Besucher können mitbauen; – neue Potenziale des Ortes werden aufgedeckt und beeinflussen das kollektive Gedächtnis; – das temporäre wird womöglich permanent; – Utopie wird Realität.

Beispiele 43

Die vergängliche Architektur ermöglicht sozial lebendige Räume jenseits von politischen und wirtschaftlichen Zwängen: – Platz für Unvorhergesehenes; – die Besucher können mitbauen; – neue Potenziale des Ortes werden aufgedeckt und beeinflussen das kollektive Gedächtnis; – das temporäre wird womöglich permanent; – Utopie wird Realität.

Diskussion 44