1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt. 2 Einkommen und soziale Sicherheit. 3 Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt

II. Berichte zur wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt 2...
Author: Gundi Holzmann
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II. Berichte zur wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt 2 Einkommen und soziale Sicherheit 3 Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt 4 Kultur

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3 Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt 3.1 Umweltpakt Saarland Immer häufiger wird zur Lösung umweltpolitischer Probleme auf das Instrument der „Freiwilligen Vereinbarungen” gesetzt. So auch im Saarland, wo vor wenigen Monaten der Umweltpakt Saar unterzeichnet wurde. Der große Unterschied zu ähnlichen Vereinbarungen in anderen Bundesländern: Im Saarland ist die Arbeitnehmerschaft, vertreten durch die Arbeitskammer des Saarlandes, Mitgründer. Ob sich dieses Engagement nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Beschäftigten auszahlt, wird die Praxis der kommenden Jahre zeigen. 30 Jahre Umweltpolitik in Deutschland haben ihre Spuren hinterlassen. Der Erlass von vielfältigen Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien zum Schutze der Umwelt hat Wirkung gezeigt. Die Umweltbedingungen im Saarland haben sich in den vergangenen Jahren vielerorts verbessert. Das bedeutet aber nicht, dass weitere Verbesserungen im Umweltschutz zukünftig überflüssig sind. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die bestehenden Instrumente geeignet sind, auch in den kommenden Jahren den Umweltschutz voranzutreiben. Insbesondere die Wirtschaft, aber auch die Politik, setzen bei der Lösung umweltpolitischer Probleme, sei es Klimaschutz, Dosenpfand oder Altautoverordnung, auf „Freiwillige Vereinbarungen” oder „Selbstverpflichtungen”. Dieser Trend ist Ausdruck der Überzeugung, dass sich allein mit ordnungspolitischen Instrumenten eine Weiterentwicklung des Umweltschutzes nicht erreichen lässt. Mit der Unterzeichnung des „Umweltpakt Saar” im Frühjahr dieses Jahres zwischen der saarländischen Landesregierung und der saarländischen Wirtschaft trat auch im Saarland eine „freiwillige Vereinbarung” zur Lösung umweltpolitischer Probleme in Kraft. Mit dem „Umweltpakt” soll der „Umweltschutz im partnerschaftlichen Dialog zwischen Landesregierung und Wirtschaft ausgebaut und auf der Basis einer dauerhaften umweltverträglichen Entwicklung ökonomisch sinnvoll gesichert und gefördert werden.“1

Erster Umweltpakt unter Teilnahme der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Stellvertretend für die Landesregierung haben der Ministerpräsident, der Umweltminister und der Wirtschaftsminister, für die Wirtschaft die Industrie- und Handelskammer, die Handwerkskammer, die Vereinigung der

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Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt

3.1 Umweltpakt Saarland

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3.1 Umweltpakt Saarland

Saarländischen Unternehmensverbände und für die Arbeitnehmer die Arbeitskammer unterzeichnet. Dass mit der Arbeitskammer eine Interessenvertretung der Arbeitnehmerschaft den Umweltpakt mit unterzeichnete, ist, im Vergleich zu bereits existierenden Vereinbarungen dieser Art in anderen Bundesländern, eine Besonderheit. Eine Erklärung für diese Besonderheit findet sich in der saarländischen Verfassung, worin die Arbeitskammer neben IHK, HWK und Landwirtschaftskammer als öffentlich-rechtliche Vertretung der Wirtschaft benannt wird. Somit stehen zum ersten Mal nicht nur die Unternehmensführungen und die Regierung in der Pflicht, etwas für die Umwelt zu tun. Auch die Beschäftigten in den Unternehmen sind als Mitglieder der Arbeitskammer angesprochen, sich für mehr Umweltschutz zu engagieren. Die Unterzeichner des Umweltpaktes haben sich zu freiwilligen Leistungen verpflichtet, die dem Schutze der Umwelt dienen. Darüber hinaus können alle saarländischen Unternehmen/Betriebe und sonstige Einrichtungen der Wirtschaft mit einem Standort im Saarland teilnehmen, die freiwillige Leistungen im Sinne des Umweltpaktes erbringen. Sind die Voraussetzungen zur Teilnahme am Umweltpakt erfüllt, erwirbt das jeweilige Unternehmen das Recht, das Logo des Umweltpaktes zu Werbezwecken einzusetzen. Des Weiteren verpflichtet sich die Landesregierung bei Ermessensentscheidungen im Rahmen von Aufsichts- und Genehmigungsverfahren, Partner des Umweltpaktes in besonderer Weise positiv zu berücksichtigen. Die Vorteile für die Unternehmensseite durch eine Teilnahme am Umweltpakt sind somit schnell zu erkennen. Die Arbeitskammer des Saarlandes wird Erfolg oder Misserfolg des Umweltpaktes aber auch daran messen, ob auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen von einer Teilnahme am Umweltpakt profitieren werden.

Freiwillige Vereinbarungen lösen nicht alle Probleme Auch wenn über die Effektivität von freiwilligen Vereinbarungen im Umweltschutz bisher wenige Erkenntnisse vorliegen, bleibt festzustellen, dass ihre Beliebtheit und somit auch ihre Anwendung stetig zunimmt. Zentraler Vorteil von Vereinbarungen wie dem Umweltpakt ist, dass bestehende Probleme nicht im Konflikt, sondern im Konsens zwischen Staat und Wirtschaft gelöst werden. Dieser Konsens wird sich jedoch nur für einen kleinen Teil der zu lösenden Umweltprobleme herstellen lassen. Aus ökologischer Sicht ist daher nur ein begrenzter Einsatz dieses Instrumentes unter Wahrung klarer Kriterien wünschenswert. Wirksame Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten bleiben weiterhin unverzichtbar.

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Eine zukunftsorientierte Umweltpolitik darf nicht zu stark auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft bauen und den wirksamen Vollzug von Umweltgesetzen als überzogene Bürokratie bezeichnen. Freiwillige Vereinbarungen sind aus Sicht der Arbeitskammer nur dort sinnvoll, wo der Schutz der Umwelt im ökonomischen Interesse des Unternehmers liegt. Für Bereiche, in denen unterlassener Umweltschutz zu höheren Gewinnen führt, muss der Staat weiterhin seiner ordnungspolitischen Aufgabe gerecht werden. Es muss somit auch zukünftig Ziel der saarländischen Umweltpolitik sein, die zur Einhaltung der existierenden Umweltauflagen notwendigen Personalund Sachausgaben und das dafür notwendige Know-how sicherzustellen. Tut sie das nicht, könnte der Eindruck entstehen, dass eine freiwillige Vereinbarung wie der Umweltpakt dazu missbraucht wird, bestehendes Ordnungsrecht zu umgehen oder zu ersetzen.

Bedeutung des Umweltpaktes für die Arbeitskammer Bei der Einführung von Umweltmanagementsystemen hat sich gezeigt, dass sie dort ihren größten Beitrag zu mehr Umweltschutz leisten, wo sie am stärksten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern angenommen werden. Damit dies gelingt, ist eine frühzeitige Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig. Nach Ansicht der Arbeitskammer kommt den mehr als 10.000 gewählten Betriebs- und Personalräten im Saarland dabei eine besondere Rolle zu. Mit der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Jahr 2001 ist Umweltschutz erstmals als Aufgabe des Betriebsrates definiert. Bisher freiwillig anerkannte Mitwirkungs- und Erörterungsrechte sind nun gesetzlich festgeschrieben. Leider sieht das saarländische Personalvertretungsgesetz (SPersVG) für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst noch keine Mitbestimmung bei Fragen des Umweltschutzes vor. Nach § 89 (2) BetrVG ist der Betriebsrat bei allen im Zusammenhang mit dem betrieblichen Umweltschutz stehenden Besichtigungen und Fragen hinzuzuziehen. Als betrieblicher Umweltschutz im Sinne des BetrVG sind alle personellen und organisatorischen Maßnahmen sowie alle die betrieblichen Bauten, Räume, technische Anlagen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze betreffenden Maßnahmen zu verstehen, die dem Umweltschutz dienen. Mit einer Ausweitung dieser im BetrVG getroffenen Regelungen auf das SPersVG könnte die saarländische Landesregierung auch in den öffentlichen Verwaltungen und Betrieben ein deutliches Signal für mehr Umweltschutz setzen. Auf welcher Basis eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern stattfinden kann, steht bereits in der Präambel des Umweltpaktes. Er bekennt sich darin zur Nachhaltigkeit und

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Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt

3.1 Umweltpakt Saarland

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3.1 Umweltpakt Saarland

fordert, dass sich „individuelles, gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Handeln gleichrangig am ökologischen, ökonomischen und sozialen Gleichgewicht zu orientieren hat”. Die Arbeitskammer des Saarlandes sieht hierin die Chance und die Verpflichtung, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich gemeinsam für mehr Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Es bleibt jetzt abzuwarten, ob die saarländischen Unternehmen dem Gedanken der Nachhaltigkeit in ihrem Handeln auch ernsthaft folgen werden.

Beiträge der Arbeitskammer zum Umweltpakt Die von der Arbeitskammer im Umweltpakt eingegangenen Verpflichtungen erstrecken sich über vier Bereiche:  Werbung für den Umweltpakt insbesondere bei Betriebs- und Personalräten Die Arbeitskammer des Saarlandes hat 1999 mit der Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001 als erstes Dienstleistungsunternehmen im Saarland ein Umweltmanagementsystem mit Erfolg im eigenen Haus eingeführt. Auch der Umweltpakt sieht Umweltmanagementsysteme als ein zentrales Instrument des betrieblichen Umweltschutzes an. Die Arbeitskammer wird deshalb verstärkt, insbesondere bei den Betriebsund Personalräten, für betriebliche Vereinbarungen zum Umweltschutz werben.  Erarbeitung von Informationen zum Thema Elektrosmog Mit den Protesten von Anwohnern gegen neu errichtete Sendeanlagen ist insbesondere der Mobilfunk als Quelle von Elektrosmog ins Gerede gekommen. In den europäischen Ländern werden in absehbarer Zeit mehrere hunderttausend Sendeanlagen für Mobilfunknetze neu errichtet. Die Arbeitskammer des Saarlandes hat im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit bereits in den vergangenen Jahren auf den möglichen Einfluss durch schwach elektrische und magnetische Felder auf die Gesundheit des Menschen hingewiesen. Der derzeitige wissenschaftliche Forschungsstand weist eine Vielzahl von biologischen Effekten, die durch elektrische und elektromagnetische Felder hervorgerufen sind, nach. Vor diesem Hintergrund müssen die derzeit gültigen Grenzwerte fortwährend nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik überprüft und angewendet werden. Zum Schutze der Gesundheit vieler Verbraucher, aber auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, hat sich die Arbeitskammer verpflich-

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tet, in den kommenden Jahren verstärkt und allgemein verständlich über die gesundheitlichen Auswirkungen von Elektrosmog zu informieren.  Verstärktes Bildungsangebot im Bereich des Themenfeldes UmweltArbeit-Gesundheit. Die Arbeitskammer will ihr bisheriges Bildungsangebot durch neue Formen der Wissensvermittlung einem breiteren Kreis zugänglich machen. Sie hat sich zu diesem Zweck mit weiteren Bildungsträgern des Saarlandes im SaarLernNetz zusammengeschlossen. Wichtigstes technisches Hilfsmittel bei der Wissensweitergabe durch das SaarLernNetz wird das Internet sein. Die Arbeitskammer will mit einem zu entwickelnden E-learning-Angebot zum Thema Umweltschutz/Umweltpolitik zukünftig auch diejenigen Menschen erreichen, die bisher auf Grund ihrer beruflichen oder familiären Situation Schwierigkeiten hatten, an Präsenzveranstaltungen teilzunehmen. Neben der Fortführung und Weiterentwicklung der bereits bestehenden Bildungsangebote soll ein internetgestütztes Informations- und Beratungssystem für Beschäftigte in saarländischen Betrieben und Verwaltungen auf dem Gebiet des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzes aufgebaut werden.  Umsetzung eines ökoeffizienten Mobilitätskonzeptes (Jobticket/Carsharing) Trotz der ungünstigen Rahmenbedingungen für Nutzer des ÖPNV im Saarland will die Arbeitskammer in den kommenden Jahren den Umweltverbund stärken. Mit der Einführung ökoeffizienter Mobilitätskonzepte soll die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz mit Bus, Bahn und Fahrrad wieder attraktiver werden.

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Umweltpakt Saar, Präambel, Saarbrücken 2002

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3.2 Chancen und Grenzen eines ökoeffizienten Mobilitätskonzepts im Saarland

3.2 Chancen und Grenzen eines ökoeffizienten Mobilitätskonzepts im Saarland Die Inbetriebnahme der Saarbahn im Jahre 1997 war der letzte spürbare Impuls für eine ökologischere Verkehrspolitik im Saarland. Alle Bemühungen seit dieser Zeit, dem ÖPNV im Saarland eine größere Bedeutung zuzumessen, verliefen eher schleppend bis erfolglos. Es hat sich gezeigt, dass alleine mit Millioneninvestitionen in die Infrastruktur keine Verkehrswende zu erreichen ist. Ohne die Schaffung eines funktionierenden Verkehrsverbundes wird es in Zukunft äußerst schwierig bleiben, neue Kunden für den ÖPNV zu gewinnen.

Ob Auto oder ÖPNV – die Mobilität nimmt weiter zu Die Zahl der PKW auf saarländischen Straßen nimmt ständig zu. Das Saarland verfügt unter allen Bundesländern über die höchste PKW-Dichte in Deutschland. Von 1992 bis 2001 stieg die Zahl der PKW pro 1.000 Einwohner von 511 auf 577. Im gesamten Bundesgebiet stieg die Zahl von 452 auf 532. PKW-Dichte Saarland-Deutschland PKW/1.000 Einw. jeweils zum 1. Januar 600

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Deutschland Quelle: Statistisches Landesamt

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Saarland Arbeitskammer

Doch nicht nur die Zahl der PKW hat zugenommen. Auch die Zahl der Fahrgäste im saarländischen ÖPNV stieg im Zeitraum 1992 bis 1999 von 81,2 Millionen auf 93,9 Millionen an. Die Zahlen belegen, dass wir in den vergangenen 10 Jahren eine Zunahme des Verkehrs, quer über alle Verkehrsträger, zu verzeichnen haben. Zum jetzigen Zeitpunkt kann man davon ausgehen, dass diese Entwicklung auch weiterhin anhält. Die bestehenden Kapazitäten des saarländischen Straßennetzes und der Wunsch, im Sinne einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung den Flächenneuverbrauch im Saarland zu reduzieren, erfordern zur Aufrechterhaltung der Mobilität neue Konzepte.

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Fahrgastentwicklung im ÖPNV im Saarland in Millionen 100 95 90 85 80 75 70 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 Quelle: ÖPNV im Saarland: Ist -Zustand 2000, Ministerium für Umwelt

Arbeitskammer

Keine Verkehrswende ohne Verkehrsverbund Die saarländische Landesregierung hat bisher noch keine ausreichenden Signale für ein Umdenken in der bestehenden Verkehrspolitik gesendet. Der Ausbau des saarländischen Straßennetzes, insbesondere die Verlängerung der A 8 nach Luxemburg und der Neubau der B 269 bei Überherrn, bedeutet für die saarländische Wirtschaft eine wichtige Standortverbesserung. Verbesserungen von gleicher Wirkung und Tragweite stehen jedoch für den ÖPNV aus. Insbesondere die gescheiterten Verhandlungen zur Gründung eines saarländischen Verkehrsverbundes haben gezeigt, dass im Saarland noch keine Einsicht zu notwendigen Veränderungen im ÖPNV besteht. Dies ist umso verwunderlicher, wenn man sich die wachsende Zahl von Verkehrsverbünden in ganz Deutschland anschaut. Selbst über Landesgrenzen hinweg funktioniert dort, was im Saarland bisher nicht möglich ist. In der bestehenden Situation im saarländischen ÖPNV bleibt es weiterhin schwierig, neue Kunden für Bus und Bahn zu gewinnen. Trotzdem hat sich die Arbeitskammer zum Ziel gesetzt, im Rahmen eines zweijährigen Modellprojektes selbst zu prüfen, ob die Zahl der Fahrten mit dem PKW von und zu der Arbeit nicht zu Gunsten des Umweltverbundes verringert werden könnte. Kernstück des Projektes ist die Einführung eines Jobtickets und die verstärkte Nutzung von Carsharing.

Jobticket – ohne Verkehrsverbund eine Herkulesaufgabe In den Lohnsteuerrichtlinien findet man eine einfache Definition für den Begriff Jobticket: „Hierbei handelt es sich um Fahrkarten, die Sie aufgrund

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3.2 Chancen und Grenzen eines ökoeffizienten Mobilitätskonzepts im Saarland

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3.2 Chancen und Grenzen eines ökoeffizienten Mobilitätskonzepts im Saarland

Ihres Arbeitsverhältnisses bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben verbilligt kaufen können oder vom Arbeitgeber verbilligt oder kostenlos bekommen.” Da es im Saarland jedoch auf kleinem Raum ein untereinander nicht abgestimmtes Angebot mehrerer Verkehrsanbieter gibt, ist es Unternehmen im Saarland fast unmöglich, für alle Beschäftigten eine Jobticket zu gleichen Konditionen anzubieten. Die Bahn gewährt ihren Kunden im Nahverkehr bei Abnahme von mindestens 50 Tickets einen Preisnachlass von 25 Prozent, vorausgesetzt, der Arbeitgeber leistet einen Zuschuss in gleicher Höhe. Für die Beschäftigten, die dann das Jobticket nutzen, ergibt sich somit ein Preisvorteil von 50 Prozent gegenüber einem gängigen Jahresabonnement. Die Saartal-Linien in Saarbrücken bieten ebenfalls ein Jobticket an. Die gewährten Vergünstigungen belaufen sich bei einer Mindestabnahmemenge von 50 Tickets jedoch nur auf 5 Prozent. Die Stadtwerke Völklingen hingegen bieten ihren Kunden überhaupt kein Jobticket an. Bedingt durch die heterogene Angebotsstruktur ist es auch der Verkehrsverbund Gesellschaft Saar GmbH (VGS) nicht möglich, ein Jobticket anzubieten. So ist es erforderlich, dass mit allen Verkehrsunternehmen, die von den betroffenen Beschäftigten genutzt werden, ein gesonderter Vertrag abgeschlossen werden muss. Der fehlende Verkehrsverbund ist somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt der größte Hemmschuh für saarländische Unternehmen bei der Einführung eines Jobtickets. Ohne Jobticket wird es jedoch nicht möglich sein, eine ökologische Wende im Berufsverkehr einzuleiten.

Carsharing – eine notwendige und sinnvolle Ergänzung In Unternehmen, in denen bisher der private PKW auch zur Erledigung von Dienstfahrten genutzt wurde, entsteht eine Problem, wenn die Beschäftigten in Zukunft ohne Auto zur Arbeit kommen. Insbesondere für Fahrten zu Nahzielen, die nicht mit Bus und Bahn zu erreichen sind, wird weiterhin ein PKW benötigt. Diese Lücke kann durch die Nutzung von Carsharing geschlossen werden. Leider gibt es ein entsprechendes Angebot im Saarland bisher nur in Saarbrücken.

Mobilitätskonzept der Arbeitskammer Die Arbeitskammer will mit gutem Beispiel vorangehen: Das Mobilitätskonzept der Arbeitskammer sieht vor, dass für alle Beschäftigten, die mit Bus und

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Bahn zur Arbeit fahren können und wollen, versucht wird, ein vergünstigtes Angebot zu realisieren. Eine erste, für alle Beschäftigten der Arbeitskammer unverbindliche Umfrage hat ergeben, dass bei Einführung eines ökoeffizienten Mobilitätskonzeptes die Zahl der Nutzer des ÖPNV deutlich ansteigen könnte. Die Ausgestaltung des Angebotes wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Aus diesem Grund wird es notwendig sein, die Einzelheiten zum Erwerb eines Jobtickets in einer Dienstvereinbarung festzuschreiben. Um die Nutzer des Jobtickets in ihrer Mobilität bei dienstlich notwendigen Fahrten nicht einzuschränken beabsichtigt die Arbeitskammer, einen Nutzungsvertrag mit einem Carsharingunternehmen abzuschließen. Dies ermöglicht den Beschäftigten der Arbeitskammer rund um die Uhr online oder per Telefon ein Fahrzeug für dienstliche Fahrten zu buchen und zu nutzen.

Beratung für kleinere und mittlere Unternehmen notwendig Insbesondere die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleinen und mittleren Unternehmen sind in der derzeitigen Situation benachteiligt. Soll trotz fehlendem Verkehrsverbund ein Jobticket eingeführt werden, so fehlt in den betroffenen Unternehmen oft die Möglichkeit, Personal zur Organisation und Einführung eines Jobtickets abzustellen. Darüber hinaus werden die meisten Unternehmen an den bestehenden Mindestabnahmemengen scheitern. Oftmals kann nur die Voraussetzung eines Verkehrsunternehmen erfüllt werden. Abhilfe bei dem Problem der Mindestabnahmemenge kann nur ein Verkehrsverbund leisten, der zur Nutzung aller in ihm zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen eine Mindestabnahmemenge festsetzt, die sich auch an den Beschäftigtenzahlen kleiner und mittlerer Unternehmen orientiert. Nach erfolgreicher Einführung eines Jobtickets im eigenen Haus und einer entsprechenden Akzeptanz durch die Beschäftigten will die Arbeitskammer verstärkt Betriebs- und Personalräte bei der Umsetzung ökologischer Mobilitätskonzepte beraten. Damit sollen die Chancen für mehr Umweltschutz auch in kleineren Unternehmen erhöht werden, die nicht über ausreichende eigene Ressourcen verfügen, um ein entsprechendes Mobilitätskonzept einzuführen.

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3.2 Chancen und Grenzen eines ökoeffizienten Mobilitätskonzepts im Saarland

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3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell? Das deutsche Gesundheitswesen steckt in Finanznöten. Steigende Krankenkassenbeiträge und damit höhere Lohnnebenkosten lassen die Stimmen lauter werden, die eine Abkehr vom paritätisch finanzierten System verlangen. Länder wie die Schweiz dienen hier als Vorbild. Diesen Privatisierungs- und Entsolidarisierungstendenzen wird die Forderung nach mehr Qualität im Gesundheitswesen gegenübergestellt. Auch der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen spricht sich deutlich für die Beibehaltung eines solidarisch finanzierten Gesundheitssystems aus und fordert eine Abkehr von der langjährigen Kostendämpfungsdebatte. Die gesundheitspolitische Diskussion im Saarland wird auch aktuell wieder maßgeblich von der Kostendiskussion bestimmt. Nachdem im vergangenen Jahr (siehe AK-Bericht an die Regierung des Saarlandes 2001) von verschiedener Seite zu hohe Krankenstände und damit verbundene Folgekosten für die Unternehmen angemahnt wurden,1 steht dieses Mal – im Sog bundespolitischer Reformbestrebungen angesichts steigender Kosten und höherer Krankenkassenbeiträge – die Frage nach der Zukunft der solidarisch finanzierten Krankenversicherung auf der Tagesordnung.2 Neben Vorschlägen nach einer Aufsplittung in von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu finanzierende Grundleistungen (bzw. einer Basissicherung) und privat zu finanzierende Wahlleistungen sowie höheren Eigenbeteiligungen fordern die Wirtschaftsverbände – unter dem Deckmantel von Schlagworten wie mehr Eigenverantwortung und Wettbewerb – insbesondere ein Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge.

Schweiz – das ideale Gesundheitssystem? Gerne wird dabei das Schweizer Krankenversicherungssystem zum Vorbild genommen, das zwar auch ein System Bismarck’scher Prägung ist, allerdings recht stark an das System der privaten Krankenversicherung angelehnt ist (z.B. Kopfprämien, keine Familienversicherung, kein Arbeitgeberanteil, Selbstbehalte etc.) und einen wesentlichen Anteil wettbewerblicher Elemente, vergleichbar den USA, integriert. Nicht zuletzt die Erfahrungen in den USA haben aber gezeigt, dass die Qualität der Versorgung, insbesondere was chronisch Kranke betrifft, gefährdet sein kann.3 Auch die Frage nach der Wahrung der Rechte von Patientinnen und Patienten sollte bei solchen Überlegungen nicht außer Acht bleiben. Schließlich wird häufig übersehen, dass die Schweiz und die USA in den Gesundheitsausgaben pro Kopf oder in Relation zum Bruttoinlandsprodukt seit Jahren fast immer vor der Bundesre-

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publik rangieren. In den USA existieren darüber hinaus für die Mindestversorgung staatliche Institutionen und auch in der Schweiz „haben sich die ökonomischen Hoffnungen, die mit der Liberalisierung des Gesundheitswesens verbunden waren, nicht erfüllt”.4 Ein einfaches Überstülpen eines grundlegend anders ausgerichteten Gesundheitssystems auf bundesrepublikanische Verhältnisse erscheint daher problematisch.

Abschaffung der Arzneimittelbudgets führt zu Kostenanstieg Aber ist denn allein in zu wenig Verantwortung und Wettbewerb wirklich die Ursache der Ausgabenentwicklung und der derzeitigen hohen Beitragssätze der GKV zu sehen? Nicht, dass mehr Verantwortung aller Beteiligten im Gesundheitswesen und mehr Wettbewerb auf Seiten der Leistungserbringer und Krankenkassen nicht gewünscht wäre. Aber ganz so einfach scheint es dann doch nicht zu sein. Wie in der Krankenstandsdiskussion wird auch in dieser Diskussion oftmals – bewusst oder unbewusst – recht einseitig argumentiert. Die zuletzt stark ansteigenden Kassenbeiträge sind nachgewiesenermaßen großteils auf die Abschaffung des Arzneimittelbudgets und das hiermit einhergehende ungebremste Verschreibungsverhalten der Ärzteschaft zurückzuführen. Vom GKV-Defizit 2001 in Höhe von insgesamt 2,8 Mrd. Euro entfallen allein 1,9 Mrd. Euro auf den Arzneimittelbereich5. Viele Ärzte verordnen teure patentgeschützte Präparate, so genannte Metoo-Präparate6 oder gar nicht qualitätsgesicherte Präparate. Vielfach werden zu schnell große Packungen verschrieben und Einsparpotenziale, die die Arzneimittelpreisgestaltung betreffen (Rabatte, Festbeträge...) sind nicht optimal ausgeschöpft. Schließlich ist eine Positivliste – wie durch die Gesundheitsreform 2000 beschlossen und in vielen Nachbarländern angewandt – immer noch nicht umgesetzt. Allein hier sind nach Schätzungen der Experten des Arzneiverordnungsreports (AVR) Milliarden-Beträge einzusparen.

Über-, Unter- und Fehlversorgung im deutschen Gesundheitswesen Aber welche Gründe sind es noch, die das deutsche Gesundheitssystem im Vergleich zu anderen ins Hintertreffen haben geraten lassen? In einer Reihe bescheinigen OECD,7 WHO8 sowie die Sachverständigen für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in ihrem letztjährigen Gutachten dem deutschen Gesundheitswesen – angesichts hoher Kosten bei gleichzeitig im internationalen Vergleich nur durchschnittlichen Gesundheitsergebnissen und mittelmäßiger Versorgungsqualität (Lebenserwartung, Lebensqualität) – eine wesentliche Über-, Unter- und Fehlversorgung.9

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3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt

3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

Grundsätzliche Kosten- und Qualitätsprobleme des deutschen Gesundheitswesens sind neben dem Arzneimittelbereich also auch in anderen Bereichen auszumachen: In der ambulanten und stationären Versorgung existieren falsche Anreizsysteme. Das System der Einzelleistungsvergütung „verführt” zu einer unnötigen Leistungsausweitung und Fallzahlerhöhung und nicht zuletzt fehlte im Hauptkostenblock des Gesundheitswesens – dem Krankenhausbereich – jahrelang durch tagesgleiche Pflegesätze der Anreiz zu einer wirtschaftlichen und an Qualitätszielen orientierten Versorgung. Insbesondere an der Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgung treten Unwirtschaftlichkeiten und Qualitätsprobleme auf. Die hieraus resultierende Intransparenz bestimmt das Bild der medizinischen Versorgung in Deutschland und führt beispielsweise zu einer hohen Zahl an Doppeluntersuchungen. Die Intransparenz ist u.a. Folge einer Vernachlässigung der Versorgungsforschung und des mangelnden Datenflusses im System. Chronisch Kranke (Diabetiker, Krebspatienten u. a.) werden schlecht oder zumindest nicht leitlinienorientiert betreut. Von einer – eventuell vom Hausarzt mit Unterstützung eines Fallmanagers – gesteuerten Versorgung (managed Care) kann keine Rede sein, geschweige denn von einer integrierten – also sektorübergreifenden – Versorgung. Hinzu kommen auf der Einnahmenseite mittel- und langfristig die rückläufigen Einnahmen der Krankenversicherung, die aus der demographischen Entwicklung sowie der derzeitigen wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Lage heraus resultieren. So ist die Lohnquote seit Anfang der 80er Jahre deutlich zurückgegangen.10 Gleichzeitig ist der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt nicht nennenswert gestiegen. Die Folge war eine Mindereinnahme für die GKV durch eine entsprechend geringere Beitragssumme der Versicherten in zweistelliger Milliardenhöhe.

Argumente für eine solidarische Krankenversicherung Das Bedarfsprinzip der GKV stellt einen unabhängigen Bestandteil sozialer Gerechtigkeit dar. Jeder hat – unabhängig von seinen Einkünften – den gleichen Zugang zu den medizinisch notwendigen Leistungen. Eine Reduzierung des Leistungskatalogs bzw. eine Aufsplittung in GKV-finanzierte Grund- und privat zu finanzierende Wahlleistungen ist nicht akzeptabel, da sie diesem Prinzip widersprechen würde; zudem ist der Leistungskatalog bereits jetzt nach medizinischer Notwendigkeit ausgerichtet. Er wird im Bundesausschuss gemeinsam von Ärzten und Krankenkassen festgelegt. Durch eine wie auch immer geartete Reduzierung wäre der Zwei-Klassen-Medizin Tür und Tor geöffnet. Und Wartelisten (die es für bestimmte Operationen im Übrigen auch in so genannten Reformerländern wie den Niederlanden gibt) kann ja niemand ernsthaft fordern wollen.

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Eine Abkehr von der paritätischen Finanzierung würde den Versicherten noch höhere Eigenanteile abverlangen. Experten schätzen diesen Anteil schon jetzt so hoch ein, dass ca. 75 Prozent der Gesundheitsausgaben von den abhängig Beschäftigten aufzubringen sind. Von hälftiger Finanzierung (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) kann längst keine Rede mehr sein. Die Folge einer solchen Entsolidarisierung wäre eine Abwälzung des Risikos Krankheit auf die Versicherten. Damit wären die Gesundheitsleistungen vom „Geldbeutel” jedes Einzelnen abhängig. Wissenschaftliche Studien belegen aber, dass gerade die sozial Schwächeren von chronischen Krankheiten betroffen sind. Schließlich sind die Zusammenhänge zwischen medizinischem Fortschritt und demographischer Entwicklung auf der einen Seite und Kostenexplosion auf der anderen Seite nicht so eng wie angenommen. „Das Lebensalter ist nicht so sehr ausschlaggebend für die Inanspruchnahme von Leistungen. Die Menschen sind heute länger gesund. Die meisten Ausgaben entstehen der GKV im letzten Lebensjahr eines Menschen, unabhängig davon, wie alt er ist.” So sieht es der Sachverständigenrat, der inzwischen auch von den Überlegungen zu einem grundsätzlichen Systemwechsel für Deutschland Abstand genommen hat.

Notwendige Schritte in Richtung solidarischer Qualitätswettbewerb Dass die Beitragssätze zur GKV zur Jahresfrist so stark angestiegen sind, so dass sie sich inzwischen bei einem Durchschnittssatz von 14 Prozent bewegen, liegt hier im Saarland an der schon im letzten Jahresbericht diskutierten Versichertenstruktur insbesondere der Ortskrankenkassen. Gerade die AOK Saarland (Beitragssatz: 14,9 Prozent) hat unter dieser Situation zu leiden, da sie überdurchschnittlich viele Ältere, Kranke, Arbeitslose und sozial schwächere Personenkreise versichert, die nicht nur eine geringere Beitragssumme aufbringen, sondern gleichzeitig mehr Leistungen in Anspruch nehmen. Eine Besserung ist durch die inzwischen beschlossene Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA) mittelfristig in Sicht. Dadurch werden die Zahlungsströme ins Saarland ansteigen und dessen „schlechte Risikostruktur” ausgleichen helfen. Aber auch hier warnen Experten mittlerweile,11 dass durch die – prinzipiell sehr vernünftige – Koppelung mit den so genannten Diseasemanagementprogrammen (DMP) langfristig zusätzliche Ausgaben bei gesteigerter Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität für die GKV entstehen werden; Qualität hat eben auch oder gerade im Gesundheitswesen ihren Preis. Zwischenzeitlich sind die vier Indikationen Brustkrebs, Diabetes, Asthma und koronare Herzkrankheit (KHK) vom Koordinierungsausschuss nach

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3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

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3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

§ 137f SGB V für Diseasemanagementprogramme ausgewählt worden. Patienten mit diesen Krankheitsbildern, die zusätzlich bestimmten Anforderungen entsprechen, können sich ab Mitte des Jahres 2002 in diese Programme einschreiben. Die eingeschriebenen Patienten werden dann übergangsweise – bis 2007 der morbiditätsbedingte Risikostrukturausgleich stehen soll – gesondert berücksichtigt. Dies stellt neben dem Ausgleichstopf für teure Fälle die zweite Säule der Reform des Risikostrukturausgleiches dar. Damit soll der derzeitige risikoprofilorientierte Wettbewerb der Kassen einem Qualitätswettbewerb in der Versorgung chronisch Kranker weichen. Nach Ansicht von Experten wird diese Berechnung aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Außerdem geht die Empfehlung an die Kassen, nicht nur kurzfristige Ziele zu verfolgen und möglicherweise nur Angebote im Rahmen der Mindestkriterien (Zertifizierung nach evidenzbasierten Leitlinien u. a.) zu erfüllen, um über den Risikostrukturausgleich eine Refinanzierung zu erhalten, sondern schon mittelfristig mit Blick auf den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich ein Qualitätsprofil für eigene Diseasemanagementprogramme zu entwickeln.

Notwendigkeit von Qualitätssicherung nach Einführung der DRG’s Im Krankenhausbereich ist mit der Einführung eines diagnoseorientierten Fallpauschalen-Systems nach australischem Vorbild (DRG’s: diagnosis related groups) ein Kernstück der Reformüberlegungen des Bundesgesundheitsministeriums inzwischen umgesetzt worden, das die Kosten im Krankenhaus senken und die Transparenz der Leistungen steigern soll. Es ist jedoch schon jetzt einer heftigen Kritik, auch und gerade von Krankenhaus- und Gewerkschaftsseite, ausgesetzt. Auch zu dieser Problematik hat sich der Sachverständigenrat bereits geäußert. Er empfiehlt, parallel zu der neuen Vergütungsstruktur obligatorische Qualitätsstandards umzusetzen und bei der Kalkulation zu berücksichtigen. Im gleichen Zusammenhang fordert er den Ausbau ambulanter, stationärer und pflegerischer Nachsorgestrukturen, um auf die zu erwartenden erheblichen Verkürzungen der Krankenhaus-Liegezeiten von Patienten ab 2003 rechtzeitig vorbereitet zu sein. Diesen Empfehlungen kann man sich – gerade im Saarland – nur anschließen.

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1

Historische Tiefstände bei Stichtagserhebungen (Pressemeldung des BMG vom 6.8.2001), weiter sinkende Unfallzahlen (z.B. Pressemeldung des HVBG am 1.3.02), weitere Berichte aus der Fachpresse (u.a. Arbeit und Ökologie-Briefe Nr. 17 vom 29.8.2001: „Überflüssiges Sommertheater um Krankenstand” oder IAB Werkstattbericht 1/2002: „Krankenstand – Ein beachtlicher Kostenfaktor mit fallender Tendenz”) sowie nicht zuletzt die Beiträge im Jahresbericht 2001 sowie im Datenband 2001, die zu einer Versachlichung der Diskussion und differenzierteren Betrachtung des Themas anregen sollten, sorgten zwischenzeitlich dafür, dass diese Meldungen relativ schnell aus der aktuellen Tagespolitik verschwanden.

2

u.a. Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): Arbeitgeber plädieren für Basissicherung. G+G Blickpunkt 03/2002, S. 3 oder Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Diskussionsforum zur „Reform des Gesundheitswesens” am 18.03.2002 in Saarbrücken.

3

Huber, F. und Hess, K.: HMO-Praxis – ein alternatives Praxis-Krankenversicherungsmodell. In: Eichhorn, S. und Schmidt-Rettig, B.: Chancen und Risiken von Managed Care, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart, 1998.

4

so Franz Knieps in: Zerreissprobe Gesundheitspolitik. Gesundheit und Gesellschaft 10, 2001, S. 24 – 29.

5

G+G Blickpunkt 03/2002, Seite 4.

6

Analogpräparate mit nur unwesentlich veränderten Wirkstoffen.

7

Organization for Economic Cooperation and Development: OECD Health Data 99. Electronic Publications, Paris, 1999.

8

World Health Organization: Health systems: improving performance. Report of the DirectorGeneral, Geneve, 2000.

9

Bundespressekonferenzen des SVG am 20.3.2001 sowie am 30.8.2001.

10

Ver.di-Positionspapier: „Unser Gesundheitssystem – solidarisch finanziert”, Berlin, 2001 sowie IGM-Positionspapier: „Für mehr Qualität und Solidarität im Gesundheitswesen”, Frankfurt, 2001.

11

Jacobs, K. und Häussler, B.: Disease Management im künftigen Kassenwettbewerb. G + G Wissenschaft 1, 2002, S.24 -31.

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Betriebliche Gesundheitspolitik und Umwelt

3.3 Solidarität im Gesundheitswesen – ein Auslaufmodell?

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3.4 Stärkung der Prävention

3.4 Stärkung der Prävention Jahrelang ist die Prävention von der Politik stiefmütterlich behandelt worden. Der Anteil präventiver Leistungen am gesamten Gesundheitspaket ist nach wie vor verschwindend gering. Nicht zuletzt die Kosten- und Qualitätsentwicklung im bislang auf „Reparatur” ausgerichteten Gesundheitswesen hat aber inzwischen dazu geführt, dass einer Stärkung der präventiven Versorgung von allen Seiten die entscheidende Rolle bei dessen „Sanierung” zugewiesen wird. Die gesetzlichen Regelungen zur Prävention sollen auf neue Beine gestellt werden. Der Beitrag skizziert diese Entwicklung und fasst zudem die weiterführenden Ideen in der betrieblichen Gesundheitsförderung zusammen. Wie in Kapitel 3.3 aufgezeigt, gibt es im deutschen Gesundheitswesen Qualitäts- und Kostenprobleme, aber auch erhebliche -reserven. Die internationale Kritik (WHO, OECD) hieran hat der Sachverständigenrat in seinem Gutachten zur Über-, Unter- und Fehlversorgung aufgegriffen. Er sieht das zentrale Problem darin, dass ca. 20 Prozent der Versicherten rund 80 Prozent der Leistungen verursachen (zumeist chronisch Kranke). Bei allen Krankheitsgruppen, die unter die Lupe genommen wurden, sieht er „erheblichen Bedarf zur Verbesserung der Versorgung und insbesondere der Versorgungsintegration”: Daher fordert er, dass „das deutsche Gesundheitswesen nach 25 Jahren dominierender Kostendämpfungsdebatte eine verstärkte Orientierung an inhaltlichen Gesundheitszielen braucht”. Hierzu gehöre im Besonderen die Ausweitung der (Primär- und Sekundär-)Prävention sowie insbesondere die bessere Koordination der Beteiligten.1 „Prävention und Gesundheitsförderung können einen hohen gesundheitlichen Nutzen bewirken, der sich auf die Verlängerung der Lebensdauer, die Verbesserung der Lebensqualität und auf die Reduktion der Krankheiten und Behinderungen bezieht. Darüber hinaus kann es über eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu einer Steigerung der Produktivität in den Unternehmen kommen.” So sieht es die Arbeitsgruppe „Stärkung der Prävention”des Runden Tisches des BMG. Die jahrelange kontinuierliche Vernachlässigung der Prävention stellt somit einen großen Schwachpunkt in der derzeitigen Gesundheitspolitik dar. Wenn man die Aufwände für kurative und präventive Leistungen gegenüberstellt, muss man festellen, dass von den Gesamtausgaben für Gesundheitsleistungen lediglich 4,5 Prozent für Prävention aufgewendet werden.2 Nachdem erste gute Ansätze im Jahre 1997 durch die pauschale Kappung des Gesundheitsförderungsparagraphen 20 SGB V – trotz gegenteiligen Appells seitens der Gesundheitswissenschaften – wegen einer Handvoll mit Frage-

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zeichen zu versehenden Kursangeboten der Krankenkassen im Keim erstickt wurden und damit viele Strukturen, die mühsam aufgebaut worden waren, im Jahr 2000 mit der Neuformulierung durch die rot-grüne Bundesregierung wieder neu geschaffen werden mussten,3 ist nun erfreulicherweise wieder ein gesellschaftlicher Schub zu erkennen. Nicht zuletzt befasst sich die bereits erwähnte Arbeitsgruppe zur „Stärkung der Prävention” des Runden Tisches des Bundesministeriums für Gesundheit institutionsübergreifend mit diesem Thema und hat im letzten Jahr bereits Vorschläge unterbreitet. Unter anderem wird vorgeschlagen, eine „Deutsche Stiftung Prävention” zu gründen.4 Um der weiteren Forderung nach einer verbesserten Koordinierung und Kooperation, insbesondere aber einer Harmonisierung der vielen Einzelgesetze und Verordnungen im Präventionsbereich nachzukommen, könnte nach Ansicht des Sachverständigenrates mittelfristig ein Präventionsgesetz Abhilfe schaffen.

Kommt ein Präventionsgesetz? Die von Sachverständigenrat und Rundem Tisch erarbeiteten Vorschläge haben mittlerweile auch Eingang in die Programme der derzeitigen Bundesregierung und auch der saarländischen Landesregierung gefunden. Auch die SPD Saar hat ein Arbeitspapier „Krankheit vermeiden – Gesundheit fördern” vorgelegt.5 „Die Vorbeugung gegen Krankheiten soll neben Heilbehandlungen, Rehabilitation und Pflege zur vierten Säule im Gesundheitswesen werden – Dazu brauchen wir ein Präventionsgesetz.” Dies sind die Ausführungen der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) anlässlich ihrer Rede am Weltgesundheitstag in Leipzig am 5.4.2002. Sie kündigte weiterhin an, dass die Finanzierung der Prävention – wie empfohlen – über eine nationale Präventionsstiftung erfolgen soll. Auch die CDU fordert inzwischen die Formulierung eines Präventionsgesetzes, dessen Bedarf ein von der CDU-nahen „Kommission humane Dienste” in Auftrag gegebenes Präventionsgutachten des Gesundheitswissenschaftlers und Vorsitzenden des Sachverständigenrats Schwartz festgestellt hat. Aber Worten müssen auch Taten folgen. Die Initiative von Gesundheitsministerin Görner im Gesundheitsausschuss des Bundesrates enthält zwar thematisch nichts Neues,6 die Forderung nach einer Aufwertung und Neuregelung der Prävention sowie Ausweitung und Neuregelung ihrer Finanzierungsgrundlagen findet aber grundsätzlich die Unterstützung der Arbeitskammer des Saarlandes. Die Landesregierung sollte bei ihren Aktivitäten darauf achten, dass sich Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung nicht in mediengerecht inszenierten Kampagnen mit verhaltenspräventivem Blickwinkel verliert.7 Hier ist von zentraler Bedeutung, dass setting-orientiert vorgegangen wird und die Aktionen in ein Social-Marketing-Konzept eingebettet werden. Und

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auch die Industrie sollte jeweils ihren Beitrag leisten und stärker in Maßnahmen einbezogen werden. Ziel sollte es weiterhin sein, Gesundheit im Land über ein zu etablierendes Gesundheitsnetzwerk zu verbreiten und Kompetenzen zu bündeln.

Stand der betrieblichen Gesundheitsförderung Die Arbeitskammer des Saarlandes hat im Jahresbericht 2001 den Stand der betrieblichen Gesundheitsförderung und hier insbesondere die Rolle der GKV eingehend diskutiert. Rückblickend kritisiert werden muss die halbherzige Umsetzung durch die saarländischen Krankenkassen, während auf Bundesebene Kooperationsvereinbarungen geschlossen wurden8 und eine Reihe von „Models of good practice” entstanden sind.9 Man denke auch an Modellprojekte, die den Arbeitgebern als Anreiz eine Reduktion des Beitrags in Aussicht stellen.10 Im Saarland hat sich hier allem Anschein nach recht wenig getan. Zwischenzeitlich entwickelt sich die Idee der betrieblichen Gesundheitsförderung auf europäischer Ebene weiter. So hat sich die EU-Kommission einen Rahmen für ihre Arbeitsschutzpolitik bis zum Jahr 2006 gesetzt. Ihre neue Gemeinschaftsstrategie beinhaltet die Empfehlung, eine Präventionskultur in den Betrieben zu etablieren. Zentrales Element soll der Aspekt des Wohlbefindens bei der Arbeit sein. Diese Präventionskultur haben bereits die WHO sowie die Gesundheitswissenschaften als entscheidendes Element einer funktionierenden betrieblichen Gesundheitspolitik proklamiert.11 Wichtig ist dabei der Verweis, dass Präventionskultur untrennbar mit Ausbildung (vor allem auch beruflicher Weiterbildung) verbunden ist. Für die Betroffenen ist entscheidend, dass sie frühzeitig eine Kenntnis der spezifischen Berufsrisiken erhalten, insbesondere auch der Umgang mit neu auftretenden Risiken (technische Innovationen, soziale Entwicklungen usw.). Grundvoraussetzung hierfür ist, dass die Risiken ständig beobachtet werden. An dieser Stelle kommt das Arbeitsschutzgesetz und damit die Gefährdungsbeurteilung als wesentliche und im Prinzip ausreichende gesetzliche und betriebliche Regelung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ins Spiel, da sie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, also sowohl physische wie auch die – weitestgehend von allen Beteiligten im Arbeitsschutz immer noch nicht berücksichtigten – psychischen Gefährdungen der Beschäftigten betrachtet. Wenn man das Arbeitsschutzgesetz genau studiert, wird man feststellen, dass sich der Handlungsansatz vom Arbeitsschutz dem der betrieblichen Gesundheitsförderung immer mehr annähert.

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Betriebliche Gesundheitspolitik präventiv ausrichten Um den bereits diskutierten Aspekt der Qualität speziell auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung voranzutreiben, hat die Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit der Bertelsmann Stiftung eine Expertenkommission zur betrieblichen Gesundheitspolitik (BGP) gegründet. Ziel ist es, die Praxis der betrieblichen Gesundheitsförderung auf den Prüfstand zu stellen – und dazu gehört u. a. auch die Überprüfung der Ausbildung und Beratung der Arbeitsschutzexperten – und Reformvorschläge zu unterbreiten. Dies ist nicht zuletzt aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass nach Befragungen inzwischen zwei Drittel der Beschäftigten einen klaren Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beschwerden und Arbeitsbedingungen sehen, dass aber durch die Kontrolle von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten allein keine wesentliche Besserung dieser Situation zu erreichen ist. Arbeitsbedingte Erkrankungen, und hier im besonderen Maße die durch psychische Belastung verursachten, verlangen eine grundlegend andere Vorgehensweise, die in besonderem Maße auf die Partizipation der Beschäftigten als Experten in eigener Sache setzt. Die Zukunft der betrieblichen Gesundheitsförderung ist ein Kernthema der Mitbestimmung, darin sind sich die Gründungsmitglieder der Kommission einig. Ein erster Schritt hierzu ist das gestärkte Mitbestimmungsrecht im Arbeits- und Gesundheitsschutz durch das novellierte Betriebsverfassungsgesetz. Daher haben die großen Einzelgewerkschaften in Positionspapieren – im Zusammenhang mit gesundheitspolitischen Reformüberlegungen – die Bedeutung der Verzahnung von gesellschaftlicher und betrieblicher Präventionspolitik hervorgehoben. Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt sind nach Auffassung der Gewerkschaften (z.B. der IG Metall) denn auch „ein zentrales Element der Zukunftssicherung unseres Gesundheitssystems”.12 Dies entspricht im Wesentlichen den Empfehlungen des Sachverständigenrates, der eine Zusammenlegung und Konzentration von verstreuten Gesetzen und Regelungen zur Prävention befürwortet. Die präventionspolitischen Strategien der Gewerkschaften im Einzelnen sind: –

die nach dem Arbeitsschutzgesetz durchzuführende – qualifizierte und ganzheitliche – Gefährdungsermittlung (§ 5),



Aktionen und regionale Kampagnen (Beispiel: Tatort Betrieb – Thema „psychische Belastungen”) einschließlich Qualifizierung von Multiplikatoren,



verstärkte Mitarbeit in den Selbstverwaltungsorganen, um den erweiterten Präventionsauftrag nach SGB VII und der den Arbeitsschutz ergänzenden Maßnahmen nach SGB V voranzutreiben,

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Umsetzen der gewerkschaftlichen Präventionsstrategie im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA)13.

Zur Etablierung oben dargesteller Präventionskultur hat das Europäische Parlament mit seiner Umsetzungsbehörde, der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, eine Reihe von „Aktionen” und Maßnahmen ins Auge gefasst, darunter auch wieder eine Europäische Woche für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Das Thema der diesjährigen Europäischen Woche „Stress am Arbeitsplatz” und das letztjährige Thema des Weltgesundheitsberichtes „Psychische Gesundheit” sind ein wesentlicher Bestandteil der IG-Metall-Initiative „Tatort Betrieb”. Für diese Kampagne ist auch im Saarland am 7.6.2002 offiziell der Startschuss gefallen.

Aktivitäten der Arbeitskammer des Saarlandes Die Arbeitskammer des Saarlandes ist bemüht, eine Vernetzung und Kooperation der Beteiligten im betrieblichen Gesundheitsschutz auf den Weg zu bringen und der betrieblichen Gesundheitsförderung im Saarland einen Schub zu verleihen. Zwei Schwerpunktveranstaltungen aus dem vergangenen Jahr möchte sie dabei besonders herausheben. In ihrer Veranstaltung zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Zusammenarbeit mit den vier saarländischen IG-Metall-Verwaltungsstellen am 26.9.2001 wurde das Thema betriebliche Gesundheitsförderung mit Vertretern von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften eingehend diskutiert. Die teilnehmenden Beschäftigten nahmen die Chance rege wahr, ihren Unmut über – vor allem von Arbeitgeberseite – häufig nicht wahrgenommene Probleme im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu artikulieren. Dabei wurde schnell klar, dass insbesondere psychische Belastungen ein großes Problem in den Betrieben darstellen, mit denen sich auch die Unfall- und Krankenversicherer schwer tun, während die Arbeitgeberseite salopp formuliert noch großen Nachholbedarf hat. Hier ist allem Anschein nach das Problem noch nicht verstanden worden. In diesem Jahr wird diese sehr erfolgreiche Veranstaltung ebenfalls im September eine Neuauflage erfahren. Daneben war die Arbeitskammer des Saarlandes im Rahmen der Arbeitsschutzwoche 2001 an drei Veranstaltungen beteiligt, auf denen die Themen Biostoffe, Arbeitsschutz in Pflegeberufen und Unfallvermeidung auf Baustellen betrachtet wurden. In allen Bereichen sind massive Lücken im Arbeitsund Gesundheitsmanagement erkennbar. Die Rückmeldung zeigte auch hier, dass solche Veranstaltungen von den Beschäftigten gewünscht sind und dass sie sich konkrete Handlungshilfen und Unterstützung wünschen.

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Was die Zukunft dieser Veranstaltungsreihe angeht, haben sich das Ministerium für Familie, Arbeit, Gesundheit und Soziales (MiFAGS) und weitere Kooperationspartner für ein Splitting ausgesprochen. Ob diese Strategie erfolgreich ist, muss abgewartet werden. Die Arbeitskammer hat angeboten, einen Netzwerkprozess in diesem Bereich in Anlehnung an den Kooperationsgedanken der INQA in Gang zu bringen, um die Kompetenzen sinnvoll zu bündeln und um Strategiefindung und Schwerpunktsetzung der zukünftigen Arbeit voranzutreiben. Das erste Kooperationstreffen wird im Herbst 2002 stattfinden. Schließlich soll in diesem Zusammenhang noch ein Projekt Erwähnung finden, das ganz gezielt den Netzwerkgedanken spinnt. Im Rahmen des SaarLernNetzes verfolgt die Arbeitskammer des Saarlandes neben anderen ein Projekt zum Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz (ARGUS), dessen Ziel ein interaktives Informations- und Beratungsangebot sowohl für die am Arbeits- und Gesundheitsschutz beteiligten Gruppen als auch für die interessierte Bevölkerung darstellt. Hier sieht die Arbeitskammer des Saarlandes eine sehr gute Möglichkeit, Prävention und Gesundheitsförderung an die Betriebe heranzuführen und insbesondere für benachteiligte Gruppen weiter zu thematisieren. Auch die Arbeitgeberseite soll für dieses Thema sensibilisiert werden, damit sich diese ihrer Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter bewusst wird, was in Anbetracht direkter und indirekter Kosten arbeitsbedingter Erkrankungen in Höhe von knapp 30 Mrd. Euro eigentlich nicht schwerfallen sollte.

1

Bundespressekonferenzen des SVG am 20.3.2001 sowie am 30.8.2001.

2

AG 5 „Stärkung der Prävention” des Runden Tisches. Zwíschenbericht, Bonn, 2001.

3

Insofern ist hier die Aussage der saarländischen Gesundheitsministerin (Rede zur Lesung des Saarländischen Krebsregistergesetzes, Pressemitteilung vom 6.2.2002) mit einem Fragezeichen zu versehen, wenn sie sagt: „... war es konsequent, dass die alte Bundesregierung unter Seehofer diese Form von Prävention wieder aus dem Gesetz gestrichen hat”.

4

Ebenda: auch hier ist die Aussage, die Regierung würde eine „Stiftungswut” an den Tag legen, nicht korrekt, da in der Arbeitsgruppe „Prävention” 38 Verbände, Institutionen und Körperschaften teilnehmen und diesen Konsens ausgehandelt haben.

5

Siehe auch Saarbrücker Zeitung vom 5/6.1.2002.

6

Pressemitteilungen vom 11.1.2002 und 26.2.2002.

7

Beispiel: die saarländische Kampagne zur gesunden Ernährung „Hauptsach GUDD gess”: es ist lobenswert, dass hier endlich etwas unternommen wird, aber wirklich Neues ist hier nicht zu entdecken; die Empfehlungen der Ernährungswissenschaften (Deutsches Forschungsinstitut für Kinderernährung, Deutsche Gesellschaft für Ernährung – u. a. in den Ernährungsberichten – oder die Ergebnisse der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie etc.) sind seit Jahren bekannt und wurden von der Politik bisher weitestgehend ignoriert.

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8

siehe z. B. „Initiative Gesundheit und Arbeit” von BKK Bundesverband und Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Pressemittteilung vom 2.1.2002.

9

siehe z.B. Firma Frauenrath; Pressemitteilung des Bundesministeriums für Arbeit am 13.04.2002.

10

Modellprojekt der AOK Niedersachsen, vorgestellt auf dem 5. Workshop BGF des DGB-Bildungswerks vom 17. – 20.6.2001 in Berlin.

11

Hier hat die Stiftung Demokratie Saarland am 29. August 2001 eine interessante Veranstaltung mit dem Bielefelder Gesundheitswissenschaftler Badura durchgeführt. Er wies darauf hin, dass die bisherigen Arbeitsschutzkonzepte sowie auch die einseitig verhaltensbedingt ausgerichteten und damit beim Beschäftigten anknüpfenden Ansätze größtenteils (finanziell und gesundheitlich) ins Leere laufen würden.

12

Pickshaus, K.: Vom Reden zum Handeln. Soziale Sicherheit 2, 2002, S. 45 – 49.

13

Die INQA wird am 17. Juni 2002 ihre Eröffnungsveranstaltung in Berlin haben (siehe auch: www.bma.bund.de und [email protected]).

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