Titel HKS 59 21x28
03.07.2002
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Betriebliche Gesundheitspolitik Forschungsinitiativen zum Wandel im Gesundheitswesen
Veränderte Rahmenbedingungen und Perspektiven
Den Wandel mitgestalten – aus Erfahrungen lernen
Erfahrungen bündeln – Transfer unterstützen – Politik gestalten
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Betriebliche Gesundheitspolitik Forschungsinitiativen zum Wandel im Gesundheitswesen
Veränderte Rahmenbedingungen und Perspektiven
Den Wandel mitgestalten – aus Erfahrungen lernen
Erfahrungen bündeln – Transfer unterstützen – Politik gestalten
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Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Impulse für den Wandel im Gesundheitswesen
Themenbereich I . . . . . . . . . . . . . 8
Veränderte Rahmenbedingungen und Perspektivenwechsel
9
Beschäftigungsunterschiede in den Gesundheitssystemen der EU
12
Integration von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung
14
Integration älterer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer/innen des Öffentlichen Dienstes in die Erwerbstätigkeit
18
Krankenhäuser vor neuen Herausforderungen
Themenbereich II . . . . . . . . . . . .
Impressum Herausgeber:
22
Den Wandel mitgestalten – Aus Erfahrungen lernen
23
Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Krankenhaus
26
Auf dem Weg zur „Healthy Company“. Qualitätsmanagement, Sicherheit und Gesundheitsschutz im Lebensmittelhandel
30
Betriebliche Gesundheitsförderung durch Krankenkassen
34
Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung – Maßnahmen und Erfahrungen
37
Effiziente Organisations- und Führungsformen im öffentlichen Sektor
40
Rückkehrgespräche als Instrument der betrieblichen Gesundheitspolitik in der Automobilindustrie
Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des DGB Hans-Böckler-Straße 39, 40476 Düsseldorf Verantwortlich: Dr. Erika Mezger, Abteilung Forschungsförderung
Themenbereich III . . . . . . . . . . . . Text: Brigitte Müller, mediCONcept, Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen D-42289 Wuppertal Satz und Layout: WAHLE & WOLF, Agentur für PR und soziale Kommunikation, D-56479 Elsoff Fotos: Werner Bachmeier Design: Horst F. Neumann Kommunikationsdesign, Wuppertal Best.-Nr.: 30217 Stand: Düsseldorf, April 2002
43
Erfahrungen bündeln – Transfer unterstützen – Politik gestalten
44
Erfolgreich durch Gesundheitsmanagement – Beispiele aus der Arbeitswelt
46
Praxisleitfaden für das betriebliche Gesundheitsmanagement
49
Expertenkommission zur Zukunft betrieblicher Gesundheitspolitik
51
Interview – Wohlbefinden der Beschäftigten als zentralen Zielwert anerkennen Dr. Hermann Rappe, Vorsitzender, und Prof. Dr. Bernhard Badura, Wissenschaftlicher Leiter der Expertenkommission „Zukunft betrieblicher Gesundheitspolitik”
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Impulse für den Wandel im Gesundheitswesen
Die „Zukunft des Sozialstaats“ und die „Moderni-
Die Ottawa-Charta der WHO (Weltgesundheitsor-
diesem Diskussions- und Handlungsfeld. Ihre
Diese Vorgehensweise dient dem Wohlbefinden
sierung des öffentlichen Sektors“ sind seit Ende
ganisation) von 1986 beschreibt ein erweitertes
Möglichkeiten wurden mit der 1996/97 erfolgten
der Beschäftigten, der Qualität ihrer Produkte und
der 80er Jahre ständige Forschungsschwerpunkte
Verständnis von Gesundheit und benennt Hand-
Neufassung des Paragrafen zunächst beschnit-
Dienstleistungen und der Konkurrenzfähigkeit von
der HBS. Innerhalb dieser Schwerpunkte gewan-
lungsfelder für die Gesundheitsförderung. Damit
ten; erst das novellierte Arbeitsschutzgesetz und
Unternehmen. Sie trägt entscheidend dazu bei,
nen Fragen, die sich mit dem Wandel im Gesund-
setzt sie neue Impulse für die betriebliche
die erneute Änderung des § 20 im Jahr 2000
die enorme Entwicklungsdynamik, mit der sich
heitswesen und der Situation der dort Beschäftig-
Gesundheitsförderung und die Reform des tradi-
gaben den Arbeitgebern und Berufsgenossen-
die meisten Unternehmen konfrontiert sehen,
ten befassen, sowie Projekte zur betrieblichen
tionellen Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Nach
schaften zusätzliche Handlungskompetenzen und
überhaupt meistern zu können. Lange Jahre kon-
Gesundheitsförderung an Bedeutung.
der Einführung des § 20 SGB XI beschäftigten
Verpflichtungen im präventiven Arbeits- und
zentrierte sich der Blick auf eine „sozialverträgli-
Die Gründe hierfür waren und sind vielfältig: Die
sich in Deutschland zunächst Krankenkassen mit
Gesundheitsschutz.
che Gestaltung neuer Technologien“. Betriebliche
gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung
Die Geschichte der betrieblichen Gesundheitsför-
Gesundheitsförderung leistet schon heute in eini-
angesichts der sich wandelnden demografischen
derung ist noch recht jung. Leitet man ihre zuneh-
gen Unternehmen einen Beitrag zur humanen und
Entwicklungen, der soziale Wandel und die
mende Bedeutung allein aus der steigenden Zahl
sozialverträglicheren Gestaltung von Verände-
Ausgestaltung des Versicherungsschutzes, die
praktizierter Maßnahmen, von Projekten, Tagun-
rungsprozessen.
Zukunft der Versorgungssysteme, veränderte
gen, Konferenzen und Publikationen ab, kann man
Patientenerwartungen, die medizinisch-tech-
ihr eine hervorragende Konjunktur bescheinigen.
nische Enwicklung und nicht zuletzt die Diskus-
Und auch der differenzierte Blick auf die Qualität
sionen über die so genannte Kostenexplosion im
betrieblicher Gesundheitsförderung stimmt opti-
Gesundheitswesen und die dadurch ausgelösten
mistisch. Selbst wenn sich beim näheren Hinse-
Der Wandel in der Praxis der betrieblichen
gesetzlichen Maßnahmen führten in den neun-
hen nach wie vor viele Maßnahmen entdecken
Gesundheitsförderung lässt sich auch daran able-
ziger Jahren dazu, dass das Gesundheitswesen
lassen, die dem Anspruch betrieblicher Gesund-
sen, dass zunehmend reflektiert wird, wie
selbst wieder mehr in den Blickpunkt geriet. Die
heitsförderung keineswegs entsprechen, lässt
betriebliche Gesundheitsförderung organisiert
Rahmenbedingungen der Arbeitswelt allgemein
sich insgesamt doch ein Wandel verzeichnen.
sein muss, damit ihre positiven Effekte nicht nur
und im Gesundheitswesen im Besonderen änder-
Betriebliche Gesundheitsförderung wird nicht
als Ergebnis belegbar sind. Sie sollen schon in der
ten sich nachhaltig und werden sich auch in
mehr so häufig und ausschließlich als neue Erfolg
Gestaltung der Maßnahmen, also in den Prozes-
Zukunft in weiten Bereichen mit wachsender
versprechende Strategie zur Reduzierung krank-
sen, umfassend zum Tragen kommen. Daraus
Dynamik ändern.
heitsbedingter Fehlzeiten initiiert und betrieben.
ergeben sich Fragen nach dem Zusammenhang
Sie entwickelt sich zunehmend zu einem inte-
zwischen Gesundheitsförderung und Organisa-
grierten und integrierenden Bestandteil partner-
tionsentwicklung, nach einer angemessenen
schaftlicher Unternehmenskultur.
betrieblichen Gesundheitspolitik und einem pro-
Neue Perspektiven
Betriebliche
Gesundheitsförderung
Positive Effekte bewirken
bedeutet
fessionellen Gesundheitsmanagement.
Nahezu jeder neunte Erwerbstätige in Deutsch-
nicht ausschließlich, technische und psychomen-
Im Zentrum der durch die Hans-Böckler-Stiftung in
land ist in Einrichtungen des Gesundheitswesens
tale Belastungen zu analysieren und zu senken.
diesen Themenfeldern geförderten Expertisen,
beschäftigt. Die Zahl steigt insgesamt weiter an,
Sie lenkt den Blick auch auf gesundheitsfördernde
Projekte, Workshops, Veranstaltungen und Veröf-
ist aber in einzelnen Bereichen auch rückläufig.
Potenziale, zu denen es nach dem bisherigen
fentlichungen standen Analysen über Refombe-
Die Bedeutung des Gesundheitssektors als
Stand der Forschung in der Arbeitswelt gehört,
darfe, Veränderungsimpulse und -prozesse. Der
einem der größten Arbeitgeber, Strukturverände-
Unter- und Überforderung zu vermeiden, für
Schwerpunkt lag bei der Unterstützung von Inter-
rungen sowie Krisen und Chancen, die die Re-
Handlungsspielräume und Transparenz zu sorgen,
ventionen und bei Evaluationsvorhaben. Zurzeit
formprozesse für die Beschäftigten eröffnen,
gute soziale Beziehungen und die Qualifikation
berät eine Expertenkommission über weitere
werden häufiger thematisiert.
der Beschäftigten zu fördern.
Konsequenzen für die Zukunft betrieblicher
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Gesundheitspolitik. Als Anspruch der betrieblichen
liches Gesundheitsmanagement“ (Badura, Ritter,
tungen können letztendlich nicht angeordnet wer-
durch bieten wir allen Interessierten die Möglich-
Gesundheitsförderung wurde die Berücksichtigung
Scherf 1999). Er zeigt, was Gesundheitsmanage-
den. Sie können auch nicht durch noch so ausge-
keit zu einem raschen Überblick und laden sie ein,
eines Lernzyklus formuliert. Dieser Anspruch spie-
ment bedeutet und leisten kann und welche Vorge-
feilte tarifrechtliche Bestimmungen „präjudiziert“
sich mit der einen oder anderen Studie intensiver
gelt sich in einzelnen Projekten und in den Vorha-
hensweisen und Verfahren nach heutigen Erkennt-
werden.
zu befassen. Wenn wir so weitere Impulse für par-
ben insgesamt.
nissen angemessen und wirksam erscheinen.
Betriebliches Gesundheitsmanagement ist noch
tizipative Veränderungsprozesse in der Praxis
Das zeigt sich besonders an den Projekten zur
Das laufende Begleitungs- und Evaluationsvorha-
nicht weit verbreitet; damit wird weniger ein Kon-
befördern oder stärken, haben wir ein grundlegen-
betrieblichen Gesundheitsförderung: Erfahrungen
ben zum ötv-Projekt „Effiziente Organisations- und
zept- als ein Umsetzungsproblem deutlich. Förder-
des Ziel erreicht.
und Ergebnisse früher Modellprojekte bilden eine
Führungsformen“ wiederum ist, bezogen auf die
liche, organisationsadäquate Rahmenbedingungen
Die ausführlichen Forschungsberichte liegen als
Grundlage für die Konzeption neuer Interventions-
Projektphilosophie und die Begleitforschung, am
und Freiräume zu schaffen und weiter zu entwi-
Veröffentlichungen vor. Sie können sie über den
und Forschungsvorhaben, die wiederum auch dazu
Leitfaden „Betriebliches Gesundheitsmanage-
ckeln sowie (Selbst-)Reflexionen und Lernprozes-
Buchhandel oder die Hans-Böckler-Stiftung erhal-
dienen, die Projektergebnisse zu überprüfen.
ment“ orientiert und lässt einige Erkenntnisse hin-
se auf allen betrieblichen Ebenen zu unterstützen
ten. Wir informieren Sie auch gern über weitere
So förderte die Hans-Böckler-Stiftung von 1992 bis
sichtlich seiner Transferqualitäten und seiner
ist hier gleichermaßen Voraussetzung und Heraus-
Veröffentlichungen, die in Zusammenhang mit ein-
1995 das Modellprojekt „Gesundheitsförderung im
Praxistauglichkeit erwarten.
forderung.
zelnen Projekten entstanden sind.
Krankenhaus (GiK)“. Dies war das erste For-
Die in dieser Transferbroschüre vorgestellten Pro-
Diese Erkenntnis wird zukünftig die Diskussionen
schungs- und Interventionsprojekt zur Gesund-
jekte wurden nach den Kriterien Strategiefähigkeit,
in der Expertenkommission „Zukunft betrieblicher
Dr. Erika Mezger
heitsförderung und Organisationsgestaltung in
Entwicklungskompetenz und Nutzerorientierung
Gesundheitspolitik“ und darüber hinaus wesent-
Leiterin der Abteilung
einem deutschen Klinikum. Die im Projektverlauf
ausgewählt; diese Elemente wiesen in Bezug auf
lich beeinflussen.
Forschungsförderung
neu eingeführten Ansätze, Strukturen und Vorge-
die Modernisierungsprozesse in den Kommunen
Die vorliegende Broschüre dokumentiert verschie-
hensweisen haben sich auch über den Förde-
und öffentlichen Verwaltungen insgesamt ein
dene Forschungsergebnisse in knapper Form. Da-
rungszeitraum hinaus als tragfähig erwiesen (Mül-
hohes Maß an Verallgemeinerungsfähigkeit auf.
ler, Münch, Badura 1997).
Die Hans-Böckler-Stiftung kooperiert in diesen
Forschungsergebnisse zur Rolle der gesetzlichen
Themenfeldern u. a. mit den Einzelgewerkschaf-
Krankenversicherungen, zu Rahmenbedingungen
ten, mit Krankenkassen, Berufsgenossenschaften,
und Angeboten betrieblicher Gesundheitsförde-
Verbänden und der Bertelsmann Stiftung. Dieses
rung in den Wirtschaftszweigen Metallverarbei-
breite Bündnis spiegelt sich auch in der Experten-
tung sowie Handel, Banken und Versicherungen in
kommission „Zukunft betrieblicher Gesundheits-
Hessen und Thüringen und anderen von einer
politik“.
Krankenkasse unterstützten Maßnahmen wurden in zwei Studien veröffentlicht: „Praxis betrieblicher
Die Beschäftigten beteiligen
Gesundheitsförderung“ (Gröben, Bös 1999) und „Betriebliche Gesundheitsförderung durch Krankenkassen“ (Lenhardt 1999). Beide Forschungs-
Wesentlich für Qualität und Gestaltung betrieb-
projekte stellten unter anderem Fragen nach dem
licher Gesundheitsförderung – diese Erfahrung
Innovationsgehalt und nach der Nachhaltigkeit
durchzog fast alle Projekte – ist es, die Beschäftig-
gesundheitsfördernder Maßnahmen.
ten unmittelbar einzubeziehen und ihre Handlungs-
Erfahrungen aus der betrieblichen Gesundheitsför-
spielräume zu erweitern. Partizipation und die
derung und Erkenntnisse über die Hintergründe von
Übernahme von Verantwortung für das eigene
Erfolgen und Misserfolgen bildeten eine Grundlage
Wohlbefinden, die Verbesserung der eigenen
für die Entwicklung des Praxisleitfadens „Betrieb-
Arbeitsumgebung und die Qualität von Dienstleis-
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Themenbereich I . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Veränderte Rahmenbedingungen und Perspektiven Beschäftigungsunterschiede in den Gesundheitssystemen der EU Wie stellen sich die Struktur- und die Beschäftigungsentwicklung in den Gesundheitssystemen europäischer Länder dar? Welche Qualifikationsprofile weisen die Beschäftigten in Gesundheitsberufen in den jeweiligen Ländern auf und welche Entwicklungen sind in Hinblick auf Ausbildung und Bedarf in den einzelnen Professionen zu erwarten? Wo sind welche Zusammenhänge zwischen Reformen im Gesundheitswesen und der Entwicklung von Zahl und Struktur der Beschäftigten zu erkennen und inwieweit werden neue Entwicklungschancen für Beschäftigte eröffnet und wahrgenommen? Mit welchen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und Steuerungselementen reagiert man in einzelnen EU-Staaten auf Arbeitslosigkeit und Arbeitskräftemangel?
In den vergangenen zehn Jahren hat es in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen europäischen Ländern vielfältige Reformen im Gesundheitswesen gegeben. Im Wesentlichen waren sie durch neue Marktelemente bestimmt, die die Prozesse besser steuern und die Kosten reduzieren sollen. Als große Reformwerke und „Jahrhundertentwürfe“ angekündigt, weckten sie zum Teil große Erwartungen, die häufig jedoch rasch enttäuscht wurden. Dazu trugen zahlreiche Faktoren bei, wie beispielsweise der Mangel an zuverlässigen empirischen Informationen und die fehlende Transparenz, die Einzelinteressen im und am Gesundheitswesen begünstigen. Einer der größten Modernisierungsmängel nicht nur des deutschen Gesundheitswesens sind die zu geringen und auch nicht immer zutreffenden Informationen darüber. Und auch die das Gesundheitswesen insgesamt betreffende Datenlage weist erhebliche Defizite auf. Auf europäischer Ebene werden Statistiken erst schrittweise angeglichen. Das gilt zum Beispiel auch bezogen auf die Anzahl und Struktur der Beschäftigten in den Gesundheitssystemen. Dabei verdienen etwa 15 Millionen von ca. 150 Millionen Erwerbstätigen in der EU ihr Einkommen im Gesundheitswesen. Dieser Arbeitsmarktsektor ist traditionell besonders bedeutend für Frauen. Der öffentliche Diskurs über die Gesundheitsreformen lebt mit und von Mythenbildungen. Dazu gehört die Vorstellung, dass Gesetzesänderungen ausreichen könnten, das Gesundheitswesen grundlegend zu reformieren. Dazu gehört die vorschnelle Proklamation von Sparpotenzialen, die zum Beispiel mit der Option einer integrierten Versorgung einher geht. Und dazu gehört nicht zuletzt die Gleichsetzung von Patientinnen und Patienten mit Kunden. 8
Es gibt bislang keine europäisch vergleichende
Die Entwicklungen werden im internationalen Ver-
Studie, die sich mit der Beschäftigungsentwick-
gleich durch Unterschiede in der Leistungsnachfra-
lung im Gesundheitswesen auseinandersetzt.
ge, in den ökonomischen Rahmenbedingungen, den
Zwar liegen Daten zu einzelnen Berufsgruppen
Organisationsformen des Gesundheitswesens und
wie zum Beispiel Ärzten, Zahnärzten und Kranken-
in der Finanzierung von Leistungen beeinflusst. Um
schwestern vor. Ein Überblick über Anzahl und
beschäftigungs- und gesundheitspolitische Fragen
Struktur der Beschäftigten nach Qualifikation und
abzuleiten, müssen zunächst die sehr diffuse Daten-
Berufen fehlt jedoch ebenso wie über Veränderun-
lage angeglichen und die verschiedenen Formen der
gen im Zeitablauf.
Beschäftigung dargestellt und diskutiert werden.
Dabei sind vielfältige Determinanten zu berück-
Die Studie verdeutlicht, wie sich veränderte insti-
sichtigen.
tutionelle Rahmenbedingungen auf die Beschäfti-
Determinanten der Beschäftigungsunterschiede Institutionelle Rahmenbedingungen (nationale und europäische Ebene) Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens
Sonstige Faktoren (sozial, demografisch,wirtschaftlich, technisch)
Regelung der Arbeitswelt
Innovationen
Migration
Demografischer und sozialer Wandel
Leistungserbringung: Umfang und Struktur Nachfrage nach Beschäftigten im Gesundheitswesen
Beschäftigte nach Einrichtungen, Berufsgruppen und Qualifikation Arbeitsbelastung, Arbeitszufriedenheit
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Angebot an Beschäftigten im Gesundheitswesen
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gung auswirken. Das gilt insbesondere für die
ken und Fachzeitschriften ausgewertet und Ge-
bung von Pflegekräften aus Osteuropa und
zogen auf den Grad der Zunahme gibt es deut-
ambulante und stationäre ärztliche Versorgung und
sundheitsministerien sowie Berufsverbände im
den Entwicklungsländern nahm daher ebenso
liche Unterschiede zwischen Ländern und Sek-
Pflege in Deutschland, Dänemark, Frankreich, den
Gesundheitswesen befragt.
zu wie die Wanderungen von Beschäftigten
toren. Das Beschäftigungswachstum reduzier-
des Gesundheitswesens in Europa insgesamt.
te sich allerdings generell Ende der 90er Jahre
Wegen der Personalknappheit und der weite-
und zeigt in Teilbereichen auch eine Stagnation
Niederlanden, Österreich, Schweden und in Groß-
Einige Ergebnisse:
britannien. In diesen Ländern bestehen ausreichende Variationen in der Organisationsstruktur
oder eine rückläufige Tendenz.
ren Wachstumsdynamik empfiehlt sich ein
der Gesundheitssysteme (Sozialversicherungsmo-
>
Über alle Länder hinweg zeigt sich ein Trend zu
In den untersuchten Ländern wurden zwischen
Sektormonitoring, wie es in den Niederlanden
dell versus Nationaler Gesundheitsdienst) und bei
1995 bis 1999 insgesamt 600 000 neue Arbeits-
durchgeführt wird.
besserer Qualifikation und Weiterbildung. Im
den gesundheitspolitischen Reformen.
plätze geschaffen. Dieser Zuwachs war in den
Alle untersuchten Länder reformierten in den
Pflegedienst stiegen auf allen Stufen deutlich
Differenziert und systematisiert wird auf vier Ebe-
vier Ländern mit Sozialversicherungssystemen
letzten Jahren ihr Gesundheitswesen. Ziel ist
die Anforderungen im Managementbereich.
nen. Auf der nationalen Ebene gilt es, spezifische
(Deutschland, Frankreich, Niederlande und
es, mit diesen Reformprozessen die Kosten zu
Effekte im Vergleich zur Gesamtwirtschaft in
Österreich) größer als in denen mit Nationalen
dämpfen und die Effizienz zu verbessern. Sie
In den Diskussionen, wie Leistungsfähigkeit, Wirt-
Deutschland herauszuarbeiten. Auf der sektoralen
Gesundheitsdiensten. Innerhalb dieser Gruppe
sollen die Qualität verbessern und/oder die
schaftlichkeit und Qualität der medizinischen Ver-
Ebene werden Struktur- und Volumeneffekte nach
hatte Deutschland das geringste Beschäfti-
Ressourcen im Gesundheitswesen gleichmä-
sorgung weiterentwickelt werden können, rückt in
ßiger verteilen. In Bezug auf die Beschäftigung
zunehmendem Maße die Notwendigkeit in den
haben effizienzsteigernde Maßnahmen gene-
Blick, das Management im Gesundheitswesen ins-
rell einen reduzierenden, das Verfolgen von
gesamt stärker zu professionalisieren. Dazu ist es
Gleichheitszielen einen neutralen und das Er-
– da der Aufgabenbereich so komplex ist – gleich-
reichen einer höheren Qualität einen steigern-
ermaßen erforderlich, sich zu spezialisieren wie
den Effekt.
verschiedene Sektoren zu integrieren. Da die tradi-
In manchen europäischen Ländern wurde das
tionellen Fort- und Weiterbildungsangebote jedoch
Gesundheitswesen gleichzeitig mit Schritten
primär auf eine Spezialisierung abzielen, zeigen
zur Kostendämpfung institutionell umstruktu-
sich deutliche Defizite in Bezug auf eine interdiszi-
riert. So erhielten beispielsweise in Schweden
plinäre Management-Kompetenz im stationären
die Länder und Kommunen weitgehende Auf-
und ambulanten Bereich.
>
>
>
gaben im Gesundheitsbereich, verbunden mit einer höheren Finanzverantwortung. Das Beispiel Niederlande verdeutlicht, dass eine Kostendämpfungspolitik nicht zwingend mit Einrichtungen, wie z. B. Krankenhäusern, Arztpra-
gungswachstum. Es wurden vornehmlich Teil-
einem Rückgang der Beschäftigtenzahlen ver-
xen, Pflegeeinrichtungen, erfasst. Qualifikationsan-
zeitarbeitsplätze zusätzlich geschaffen.
knüpft sein muss.
forderungen und -änderungen einzelner Berufe und
>
1999 hatte Deutschland mit 3,5 Ärzten je 1 000
>
Einwohner die höchste Arztdichte; in Großbri-
und Großbritannien gibt es ein Hausarztsystem
tannien kamen 1,8 Ärzte auf 1 000 Einwohner.
und eine integrierte fachärztliche Versorgung
Das Verhältnis von ausgebildeten Pflegekräf-
im Krankenhaus. In diesen Ländern ist die Arzt-
erwartete Migrationsbewegungen eine Rolle.
ten zu Ärzten lag in Deutschland und Frank-
dichte geringer, nicht aber durchgängig die An-
Dazu wurden einschlägige nationale Statistiken
reich bei etwa 2:1, in den Niederlanden bei 6:1.
zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen.
Berufsgruppen im Gesundheitswesen fallen unter die Humankapitalbildung. Und auf europäischer Ebene spielen insbesondere bereits erfolgte und
>
und internationale Berichtssysteme, Datenbanken
>
internationaler Organisationen, Literaturdatenban-
In allen Ländern besteht ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Die Anwer-
10
>
Projekt-Nr. S-2000-210-4 Titel: Beschäftigungsunterschiede in den Gesundheitssystemen der EU und beschäftigungs- und gesundheitspolitische Konsequenzen Laufzeit: 16 Monate seit Juli 2000 Bearbeitung: Dr. Markus Schneider, Dr. Uwe Hofmann, BASYS GmbH, 86159 Augsburg Ergebnis: BASYS: Beschäftigungsunterschiede in ausgewählten Gesundheitssystemen der EU. Vorläufiger Abschlussbericht, Augsburg, Februar 2002, 180 S.
In Dänemark, den Niederlanden, Schweden
In fast allen untersuchten Ländern nahm die Beschäftigung im Gesundheitswesen zu. Be-
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Integration von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung Was bedeutet die Integration von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung überhaupt? Mit welchen Intentionen wurde die gesetzliche Weichenstellung – bezogen auf eine Leistungssektoren übergreifende Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland – verknüpft, und welche Aspekte sind bei den anstehenden Prozessen zu berücksichtigen? Welche Konzepte gibt es in anderen europäischen Ländern und den USA, die auf Primärversorgungsstrukturen aufbauen und auf eine regionale Integration zielen, und was kann aus den dortigen Erfahrungen abgeleitet werden?
kussion neu entfacht werden. Weitere Aspekte im
lungsvarianten offen lässt. Das Leitbild aus Institu-
Zentrum der Darstellung und Diskussion sind Wei-
tionsperspektive soll an regionalen oder kommuna-
chenstellungen wie beispielsweise die Primärver-
len Gesundheitszielen orientiert sein, die wiederum
sorgungsorientierung. Damit ist zum einen ein
auf Grundlage einer auszubauenden regionalen Ge-
Bündel von Funktionsweisen gemeint, die durch
sundheitsberichterstattung
Primärärzte oder Primärversorgungsteams zu
Weise entwickelt werden. Ein Leitbild aus Patien-
erbringen sind, und zum anderen eine Orientierung
tenperspektive sei außerdem notwendig. Denn bei
für die Arbeitsweise eines gesamten Versorgungs-
der vorherrschenden Konzentration der gesund-
in
demokratischer
Die medizinische und pflegerische Versorgung ist
das bestehende System der Selbstverwaltung mit
systems. Nicht zuletzt sei der Prozesscharakter
heitspolitischen Akteure auf die Ebenen von Tausch,
stark fragmentiert – ein zentrales Thema aktueller
starken Zentralisierungstendenzen, der wirtschaft-
der Integration mit seinen sozio-ökonomischen,
Geld und Vertrag kämen Patienten häufig nur noch
Gesundheitspolitik. Dabei werden vornehmlich
liche Wettbewerb, der zum Beispiel die Kassen
sozio-psychischen und kulturellen Dimensionen
als rhetorische Figuren vor. Das werde auch in der
organisatorische und technische Fragen auf der
dazu zwingt, als konkurrierende Einzelunter-
ausreichend zu berücksichtigen.
populären Analogie zwischen Patienten und „Kun-
Ebene der Vertrags- und Finanzbeziehungen disku-
nehmen zu agieren, und die derzeit vorherrschen-
Gelingen könne Integration nur, wenn Menschen
den“ deutlich, die an der Realität der einge-
tiert. Der Wunsch, Kosten zu reduzieren, ist ein zen-
de
gesundheitsbezogener
und Organisationen lernen wollten und könnten.
schränkten oder fehlenden Selbsthilfefähigkeit der
trales Ziel, und der (finanzielle) Erfolg der Integration
Dienstleistungen mit ihren Arbeitsteiligkeiten,
Dazu müssten medizinische, pflegerische und
meisten Kranken vorbeigehe und reale Abhängig-
scheint im wirtschaftlichen und politischen Wettbe-
Kooperations- und Koordinationsbeziehungen.
administrative Arbeitskräfte sowie Patienten als
keiten ignoriere.
werb zuweilen auch bereits ausgemacht zu sein.
Diese Systeme zu verändern bedeutet unweiger-
„Mitproduzenten“ und „Arbeitsgegenstand“ der
Integration als Investition in eine verbesserte
Seit Ende der 90er Jahre sind die Mauern zwi-
lich auch Eingriffe in soziale Beziehungen und kon-
gesundheitsbezogenen Dienstleistungen in die
Lebensqualität erfordere auch, eine neue Dienst-
schen Versorgungsinstitutionen durch Strukturver-
frontiert die dort Beschäftigten mit dem (potenziel-
Prozesse einbezogen und sachliche Ressourcen
leistungskultur zu entwickeln. Offen sei bislang,
träge und Modellvorhaben durchlässiger ge-
len) Verlust von beruflicher Kompetenz, Ansehen,
wie Technologie, Wissen und Informationen in
wo sich potenzielle Träger und Vorbilder einer sol-
worden. Mit der Gesundheitsreform 2000 (§ 140a
Macht und Geld.
angemessener Weise verfügbar sein.
chen Neuorientierung finden ließen. Auch vor die-
ff. SGB V) wurden notwendige gesetzliche Grund-
Es ist unbestritten, dass eine integrierte Versor-
sem Hintergrund empfehle sich die Evaluation der
lagen dafür geschaffen, eine verschiedene Leis-
gung notwendig ist. Dafür spricht weit mehr als
begonnenen Integrationsprojekte.
tungssektoren übergreifende Versorgung zu
die Einsparungseffekte, wie sie z. B. entstehen,
ermöglichen. Folgerichtig gibt es in der Bundesre-
wenn Doppeluntersuchungen vermieden werden.
publik inzwischen zahlreiche – geplante und lau-
Eine Studie des amerikanischen Institute of Medi-
Schon von der Sachlogik her müssten an erster
fende – Integrationsvorhaben, die man aber heute
cine erbrachte dramatische Befunde, die – so die
Stelle weder sensationelle Sparpotenziale noch
noch nicht bewerten kann.
Einschätzung Kühns – in Deutschland vergleichba-
Meilensteine der Qualitätsverbesserung stehen,
Erfahrungen in den USA und anderen europäi-
re Dimensionen hätten: So stürben beispielsweise
sondern die Organisation umfassende und gründ-
schen Staaten belegen aber, dass es nicht ausrei-
allein durch Medikamentenirrtümer jährlich mehr
liche Such- und Lernprozesse, das Gewinnen und
chen wird, finanzielle Ressourcen umzulenken und
Menschen als durch Arbeitsunfälle. Die Studie
Nutzen von Erfahrungen in sich wandelnden Insti-
neue Vertragsmöglichkeiten zu etablieren. Denn
kommt auch zu dem Ergebnis, dass speziell in die-
tutionen und Systemen sowie die Entwicklung
integrierte gesundheitspolitische Interventions-
sem konkreten Zusammenhang die Hauptursache
einer entsprechenden Informationsstruktur. Fehler
und Versorgungssysteme sind keine statischen
nicht in schlechtem Personal liegt, sondern in
und Sackgassen seien unvermeidlich, deshalb
Gebilde, die am Reißbrett entworfen und um-
Kommunikationsproblemen innerhalb von desinte-
müsse eine permanente Korrekturfähigkeit voraus-
standslos von der Politik umgesetzt werden könn-
grierten Institutionen.
gesetzt werden.
ten.
Ausgehend vom objektiven regionalen Charakter
Kühn plädiert dafür, ein Leitbild zu entwickeln, das
Zu viele gewachsene Strukturen und Kulturen ste-
der meisten medizinischen und pflegerischen
auf das Integrationsziel hin orientiert transparente
hen dem entgegen. Dazu gehören beispielsweise
Dienstleistungen müsste die Regionalisierungsdis-
Kriterien liefert und die Pluralität möglicher Entwick-
12
Produktionssphäre
Transparente Kriterien
Projekt-Nr. S-1999-96-4 Titel: Integration von ambulanter und stationärer medizinischer Versorgung in regionaler Perspektive. Laufzeit: 15 Monate seit Februar 1999 Bearbeitung: Priv.-Doz. Dr. Hagen Kühn, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), 10785 Berlin Ergebnis: Hagen Kühn: Integration der medizinischen Versorgung in regionaler Perspektive. Dimensionen und Leitbild eines politisch-ökonomischen, sozialen und kulturellen Prozesses. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.), Berlin, März 2001, 88 S. (WZB-papers; P01-202)
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Alternde Gesellschaft
Integration älterer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer/innen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft verbreitete in den 80er Jahre ein Plakat des Karikaturisten Hans Traxler. Zu sehen war eine Geburtstagsfeier in einem Lehrerzimmer, die unter dem Motto stand: „Unser Jüngster wird 50!“
Wie gehen Betriebe der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes mit dem steigenden Durchschnittsalter in den Belegschaften um? Zeichnet sich eine Trendwende von der „Verjüngung von Belegschaften“ hin zu personal- und arbeitspolitischen Maßnahmen ab, die auf eine Integration älterer Arbeitnehmer abzielen? Welche Strategien werden dabei bevorzugt und inwieweit werden geschlechtsspezifische Komponenten berücksichtigt? Welche Informationen zum Stand der Umsetzung und zur Akzeptanz von Maßnahmen gibt es? Können die bisherigen Erfahrungen als Basis für ähnliche Vorhaben genutzt werden?
Was damals Karikatur war, ist heute in einigen Bereichen bereits Realität. Und das gilt nicht nur in Bezug auf Schulen. Gesundheitsexperten fordern seit Jahren präventive Maßnahmen für ältere, leistungsgewandelte Beschäftigte. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung seien in den nächsten Jahren mehr über 50-jährige als unter 30-jährige Arbeitskräfte beschäftigt. Leistungsverdichtungen, Konzentrationsprozesse und Konkurrenzdruck erwecken andererseits den Eindruck, die wachsenden Anforderungen seien nur mit jungen, olympiareifen Mannschaften zu bewältigen.
Große Freude im Lehrerzimmer
Die Menschen werden immer älter, das Rentenal-
gleichzeitig davon auszugehen, dass es heute
ter beginnt immer später und in einzelnen Bran-
keine „Schonarbeitsplätze“ im nennenswerten
chen wächst der Mangel an Fachkräften. All das
Umfang mehr gibt.
hat die Diskussion darüber belebt, wie die
Betrachtet man die vorliegenden Daten, so stellt
„Humanressource Mensch“ länger und orientiert
sich die Situation im öffentlichen Dienst besonders
am spezifischen Lebensalter und dem Erfahrungs-
problematisch dar: In den Bereichen Bildungswe-
stand in den Arbeitsprozess integriert bleiben
sen, Gesundheitswesen, öffentlicher Personen-
kann. Mit dem Wandel der Arbeitsgesellschaft ist
nahverkehr, öffentliche Sicherheit und in der Verwaltung ist der Anteil der über 45-Jährigen schon heute deutlich höher als in der Privatwirtschaft. Hier gibt es einen höheren Anteil an chronisch Erkrankten, Behinderten und Schwerbehinderten, liegt die Arbeitsunfähigkeitsquote über dem Durchschnitt. Und in diesen Bereichen ist die Arbeitsbelastung aus Sicht der Arbeitnehmer/innen auch überdurchschnittlich hoch.
Zunehmende Interessenkonflikte Anknüpfend an die ab Mitte der 90er Jahre neu entfachte Diskussion über einen Missbrauch der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hatten Marstedt/Müller 1998 eine Studie vorgelegt, in der der höhere Krankenstand im öffentlichen Dienst als zwangsläufiger und unvermeidbarer Effekt einer sozial verantwortungsvollen Beschäftigungspolitik
Unser Jüngster wird 50!
beschrieben wurde; hier würden Schwerbehinder-
Über 80 000 arbeitslose Lehrerinnen und Lehrer gratulieren.
te und durch Krankheit leistungsbeeinträchtigte Arbeitnehmer/innen nicht umstandslos ausge-
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sprechende Impulse gehen eher von einem ho-
werden damit verbundene Risiken und Or-
hen betrieblichen Krankenstand aus.
ganisationsprobleme angeführt. In der Mehr-
Aber selbst der Krankenstand ist, verglichen
zahl der Betriebe wird ein „Strategie-Mix“ aus
mit der Privatwirtschaft, ein weniger „aktivie-
externalisierenden und integrativen Maßnah-
rendes“ Thema. Durch die Abwehr systemati-
men favorisiert. Das gilt aber in erster Linie für
scher Arbeitsunfähigkeitsanalysen verteidigen
Zukunftsszenarien der Entscheidungsträger.
Personal- und Betriebsräte hier zwar ein
>
>
„Recht auf Krankheit“, verzichten gleichzeitig
Wo Integrationskonzepte geplant und umgesetzt
aber auf Warnsysteme, die eine Grundlage für
wurden, zeigten sich Barrieren und Widerstände,
eine problemadäquate gesundheitliche Präven-
die von Informationsdefiziten und Kosteneinwän-
tion bieten könnten.
den auf Seiten des Managements bis hin zu
Bezogen auf den Modernisierungsprozess sind
Widerständen der Beschäftigten reichen. Hier
im Öffentlichen Dienst im Vergleich zum Handel
sehen die Autoren/-innen aber gleichzeitig Lö-
und Handwerk Maßnahmen zwar durchgängig
sungsansätze, die zum Beispiel im Bereich von
höher verbreitet. Von Ausnahmen abgesehen,
Mitarbeiterbeteiligung und im Verzicht auf eine
verläuft dieser Prozess aber in gesundheitlich
ausnahmslose Durchsetzung von Konzepten liegen
zumutbaren und sozialverträglichen Bahnen.
können.
Die Integration Älterer wird in den Fallstudien-
grenzt. Marstedt/Müller verdeutlichten die ver-
wertet, an der sich 670 Betriebs- und Personalräte
Interviews aus verschiedenen Gründen befür-
schiedenen Dimensionen der Interessenkonflikte
dieser Branchen beteiligt hatten.
wortet. Dabei werden häufig sozialethische,
um den betrieblichen Krankenstand und skizzier-
Das Forscher/innenteam der Universität Bremen
wertorientierte Argumente benannt, wie zum
ten Probleme und Perspektiven in Bezug auf die
weist in seinem Fazit u.a. auf Folgendes hin:
Beispiel die Solidargemeinschaft zwischen
betriebliche Integration älterer und gesundheitlich
>
Während in den 90er Jahren in anderen Sekto-
Älteren und Jüngeren und die Fürsorgepflicht
beeinträchtigter Arbeitnehmer/innen.
ren das Durchschnittsalter sank, stieg es im
des Arbeitgebers. Es besteht jedoch kein
In einer Folgestudie werden derzeit personal- und
Öffentlichen Dienst noch weiter an.
unmittelbarer Zusammenhang zwischen Ein-
Dennoch bilden Konzepte und konkrete Maß-
stellungen und Werten einerseits und der
rer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeit-
nahmen, Ältere zu integrieren, nach wie vor
tatsächlichen Verbreitung von Integrationsan-
nehmer/innen des öffentlichen Dienstes in die
eher eine Ausnahme. Nach den Ergebnissen
sätzen andererseits.
Erwerbstätigkeit analysiert.
der schriftlichen Befragung wurden in letzter
Grundlage dafür bildeten Literaturrecherchen und
Zeit nicht einmal in jedem zwanzigsten Betrieb
suchungsbetrieben kaum einmal als Initiatoren
Ergebnisse aus Erhebungen des BIBB/IAB (1992
entsprechende Maßnahmen realisiert. Drei
oder Protagonisten von Integrationsmaßnah-
und 1999) zu Rationalisierungserfahrungen, Ar-
Viertel der Betriebs-/Personalräte betonten,
men auf.
beitsbelastungen und Gesundheitsbeschwerden
dass betriebliche Strategien zentral darauf zie-
älterer Arbeitnehmer/innen. Ergänzend wurden
len, die Belegschaften zu verjüngen. Das gilt
sehr intensiv genutzt. Da sie in so genannten
zwölf Fallstudien für verschiedene Einrichtungen
besonders für das Gesundheitswesen und den
Blockmodellen durchgeführt wird, habe Alters-
aus den Bereichen Öffentliche Sicherheit, Öffent-
ÖPNV.
teilzeit aber häufig den Charakter einer Früh-
Im Öffentlichen Dienst erzeugt die Altersstruk-
verrentung in neuem Gewand.
>
arbeitspolitische Maßnahmen zur Integration älte-
>
licher Personennahverkehr, Öffentliche Verwaltung und Kliniken erstellt und eine im Frühjahr
tur allein – selbst bei einem sehr hohen Anteil
2000 durchgeführte schriftliche Befragung ausge-
Älterer – noch keinen Handlungsdruck. Ent-
16
>
>
>
Projekt-Nr. S-1997-909-4 Titel: Arbeitsbedingungen und Arbeitsunfähigkeit im Öffentlichen Dienst Laufzeit: 13 Monate seit Mai 1997 Bearbeitung: Dr. Gerd Marstedt, Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik, Prof. Dr. med. Rainer Müller, Universität Bremen, 28209 Bremen Ergebnis: Gerd Marstedt, Rainer Müller: Ein kranker Stand? Fehlzeiten und Integration älterer Arbeitnehmer im Vergleich Öffentlicher Dienst – Privatwirtschaft.: Berlin, edition sigma, 1998, 172 S. (Reihe: Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung; 9)
Personal- und Betriebsräte traten in den UnterProjekt-Nr. S-1999-138-4 Titel: Integration älterer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer/innen des Öffentlichen Dienstes in die Erwerbstätigkeit Laufzeit: 39 Monate seit September 1999 Bearbeitung: Dr. Gerd Marstedt, Universität Bremen, Zentrum für Sozialpolitik, Prof. Dr. med. Rainer Müller, Universität Bremen, 28209 Bremen. Ergebnis: Okka Alberts, Frauke Koppelin, Gerd Marstedt, Rainer Müller: Integration älterer und gesundheitlich beeinträchtigter Arbeitnehmer/ innen des Öffentlichen Dienstes in die Erwerbstätigkeit. Abschlussbericht, Bremen, Dezember 2001, 256 S.
Die Tarifvereinbarung zur Altersteilzeit wird
Modelle langfristiger Personalentwicklung und Laufbahngestaltung sind selten. Als Gründe
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Wachsender Konkurrenzdruck im Krankenhaus
Krankenhäuser vor neuen Herausforderungen
Krankenhäuser zählen zu den Einrichtungen, mit denen fast alle Menschen im Laufe ihres Lebens mehr oder weniger leidvolle Erfahrungen verknüpfen. Dennoch hatten sie in der öffentlichen Diskussion lange eine eher nachgeordnete Stellung.
Welche Rahmenbedingungen ändern sich für Krankenhäuser? Wo werden Gestaltungsspielräume genutzt oder neu erschlossen, und wie reagieren Krankenhausleitungen auf die neuen Herausforderungen? Welche betriebswirtschaftlichen Reaktionen sind möglich und sinnvoll? Inwieweit zeichnet sich die Qualitätssicherung als neuer Konkurrenzfaktor ab? Verschieben sich durch die neuen Rahmenbedingungen auch Machtgefüge in den Krankenhäusern insgesamt?
Das lag mit daran, dass bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) für Krankenhäuser durch das „Selbstkostendeckungsprinzip“, durch die Vergütung über Pflegetagepauschalen sowie eine an der Anzahl der Betten orientierte Personalberechnung finanziell vergleichsweise günstige Rahmenbedingungen bestanden. Seit Beginn der 90er Jahre verschärfte sich im Zuge der Diskussion und der Verabschiedung des GSG der Kostendruck auf die Häuser. Die Deckelung von Budgets und neue Entgeltsysteme unterstreichen die Anforderung, sich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten mit der Produktivität zu befassen und mit Fragen, wie Kosten reduziert und Prozesse der Leistungserbringung gestaltet werden könnten. Darauf war man weder unter infrastrukturellen noch unter qualifikatorischen Aspekten genügend vorbereitet. Als Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen wurden vielerorts Rechtsform- und/oder Trägerwechsel diskutiert.
Zu Beginn der 90er Jahre hatten Feuerstein/Badu-
Fremdvergabe und das Outsourcing einzelner
ra im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung ein Gut-
Arbeitsbereiche. Hintergrund dafür war die Sorge,
achten vorgelegt. Darin stellten sie den Stand der
dass bevorzugt über diese Strategie versucht wer-
Forschung zur Technisierung, Organisationsent-
den würde
wicklung, Arbeitsbelastung und Humanität im
>
Kosten zu reduzieren,
Medizinbetrieb differenziert dar. Sie skizzierten die
>
Belegschaften auszudünnen und die betroffenen Mitarbeiter/innen schlechter zu stellen.
Idee der Gesundheitsförderung und zeichneten deren Potenziale auf: Wie können Organisationen und Technik besser gestaltet, das Personal geziel-
Differenziertes Bild
ter entwickelt und der Patient in den Mittelpunkt
Zwischen Krankenhäusern entstand eine in der Form bis dahin unbekannte Konkurrenzsituation. Für die Versicherten wurden Leistungen eingeschränkt (z. B. im Kur- und Rehabereich), neue Leistungsanforderungen entstanden, wie beispielsweise das ambulante Operieren. Ungeklärte finanzielle Rahmenbedingungen und unausgereifte Ausführungsbestimmungen verschärfen den Problemdruck in den Krankenhäusern insgesamt.
gestellt werden? Wie auch andere hatten Feuerstein/Badura dabei
Die Studie stützte sich auf schriftliche und münd-
vielfältige Defizite im westdeutschen Kranken-
liche Interviews der Geschäftsleitungen und ande-
hauswesen aufgezeigt. Dennoch wurden die Ver-
rer durch sie benannter Personen. Im Ergebnis lie-
sorgungsstrukturen weitestgehend – ohne Prüfung
ferte sie ein differenzierteres Bild:
eventuell vorhandener Innovationspotenziale – auf
>
die neuen Bundesländer übertragen. Diese häufig
diskutiert, um die Wirtschaftlichkeit zu verbes-
konfliktreiche Systemanpassung und ihre Folgen
sern. Zum Teil wurden diese bereits realisiert.
für Pflegekräfte in den neuen Bundesländern
Zusätzliche Erlöse sollten beispielsweise über
waren Gegenstand einer weiteren umfassenden
die Diversifikation des Kerngeschäfts (vor- und
empirischen Untersuchung, deren Ergebnisse
nachstationäre Versorgung, ambulantes Ope-
Hennig/Kaluza 1995 vorlegten.
rieren), über zusätzliche neue Angebote (z. B.
Die Dynamik der Anpassung im Osten fiel zeitlich
Mitversorgen eines Kindergartens durch die
mit den Reformen im Gesundheitswesen der
Krankenhausküche) und durch das Erschließen
Bundesrepublik Deutschland Anfang der 90er
zukünftiger Geschäftsfelder (z. B. im Bereich
Jahre zusammen. Effekte, die in Zusammenhang
der Rehabilitation oder der Altenpflege) erwirt-
mit den neuen Finanzierungsgrundlagen für Kran-
schaftet werden.
kenhäuser entstanden, beschrieb Stolz Mitte der
18
Prinzipiell wurden unterschiedliche Strategien
>
In allen drei Häusern gab es eine intensive Aus-
90er Jahre exemplarisch in einer Transparenzstu-
einandersetzung um das Kostenmanagement.
die am Beispiel von drei nordrhein-westfälischen
Die Möglichkeiten, über Auslagern und Fremd-
Krankenhäusern (mit 450, 650 und 850 Betten).
vergabe von Aufgaben Kosten einzusparen,
Sein Hauptaugenmerk richtete er dabei auf die
wurden zum Teil realisiert, häufiger aber
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zunächst geprüft. Das galt in erster Linie für
arztverträge. Auch waren bis dahin Kosten und
keit, über den eigenen Dienstplan mitzubestimmen,
im Co-Management übernommen. Hier wäre es
pflege- und medizinferne Aufgaben, wenn sie
Erlöse nicht im notwendigen Maße aufgeschlüs-
der wichtigste Einflussfaktor für die Arbeits-
Gegenstand weiterer Studien, die schillernde Rea-
ohnehin als problematisch galten, soweit dafür
selt. Infrastrukturen und Qualifikationen im EDV-
zufriedenheit war. Für eine hohe Berufszufrieden-
lität zu analysieren, um Ziele und Interventionen
bereits Anbieter am freien Markt bereitstanden
Bereich waren erst ansatzweise vorhanden. Ein
heit war außerdem maßgeblich, Spielräume in der
beschreiben zu können.
(z. B. Reinigungsdienste, Wäschereien, Kü-
grundlegendes Hemmnis für innovative Prozesse
täglichen Arbeit mitzugestalten und eigene Kennt-
chen). Bezogen auf Apotheken, Labors usw.
zeigte sich nicht zuletzt in einem mangelnden
nisse einbringen zu können.
wurden zwar grundsätzlich auch Fremdverga-
bereichsübergreifenden Qualitätsdenken.
Die Entwicklung hat sich seit Erscheinen der Stu-
ben diskutiert, hier drängte sich aber unmittel-
In den Krankenhäusern zeichneten sich in Folge
dien in den Krankenhäusern beschleunigt. Einige
bar die Frage auf, inwieweit man sich selbst
des intensiven Kostenmanagements der Ge-
der skizzierten Tendenzen wurden bestätigt. So
durch das Outsourcen, wie z. B. das Erschlie-
schäftsführungen auch für die Personalräte neue
gibt es beispielsweise heute Krankenhäuser, die
ßen zusätzlicher Einnahmen über diese Berei-
Aufgabenfelder ab. Ihre Aktionsstrategien müssten
sich am Markt als Gesundheitszentren profilieren
che, strategische Optionen verbauen würde.
sich zukünftig an der Analyse der internen Prozes-
und neue Kooperationen zwischen internen und
se zur Leistungserfassung und der Management-
externen Anbietern gesundheitsbezogener Dienst-
Um inhaltlich entscheiden zu können, wurden
strategien orientieren. Die Zunahme EDV-gestütz-
leistungen eingehen. Personalräte haben im Zuge
Fremdvergleiche genutzt. Der strategischen Vorbe-
ter Erfassungs- und Informationssysteme stelle sie
dieses Prozesses im Krankenhaus verstärkt Rollen
reitung dienten beispielsweise Wiederbesetzungs-
u. a. vor die Aufgabe, umfassende Qualifizierungs-
stopps, neue Arbeitszeitmodelle oder auch ein
maßnahmen zu unterstützen.
bewusster Verzicht auf Optimierungsstrategien. Bis Ende 1995 war in den untersuchten Häusern
Personalräte als Co-Manager
kein eindeutiges Muster für das Outsourcing bestimmter Bereiche erkennbar. Auch wurde bis dahin nichts in nennenswertem Umfang verändert.
Aufgrund der Personalknappheit im Pflegedienst
Es wurde angestrebt, einzelne Abteilungen im
gab es seit Anfang der 90er Jahre krankenhausin-
nicht krankenhausspezifischen Bereich zu optimie-
tern auch Initiativen, die Arbeitsbedingungen des
ren, und im Falle eines Scheiterns wurde die Not-
Pflegepersonals zu verbessern. So wurde bei-
wendigkeit der Fremdvergabe beschrieben. Somit
spielsweise über Kernarbeitszeitmodelle versucht,
war der Entwicklungsprozess insgesamt nicht
Schichtarbeit zu reduzieren und Arbeiten in die
abgeschlossen; auch hatten die bisherigen Diskus-
„Normalarbeitszeit“, also etwa zwischen 7:00 Uhr
sionen und Maßnahmen teilweise zu Verunsiche-
und 17:00 Uhr, zu verlagern. Im Universitätsklini-
rung und Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes
kum Freiburg engagierte sich der Personalrat für
geführt.
ein entsprechendes Projekt, das bald in verschie-
Ein umfassendes Qualitätsmanagement konnte in
denen Klinikbereichen praktiziert wurde. Nicht
keinem der untersuchten Häuser belegt werden.
immer mit ungeteilter Zustimmung, wie sich bald
Auch die Hemmnisse, die für andere umfassende
zeigte.
Veränderungsprozesse beschrieben wurden, wei-
Nach fast fünfjähriger Praxis regte der Personalrat
sen auf umfassende Probleme der Krankenhaus-
deshalb 1995 an, das Kernarbeitszeitmodell wis-
landschaft Mitte der 90er Jahre hin: So scheiterte
senschaftlich zu untersuchen. Im Ergebnis wurde
eine Steuerung über die Ergebnisverantwortung
keine bestimmte Dienstplankonfiguration empfoh-
beispielsweise an starren Bindungen über Chef-
len. Belegt wurde hingegen u. a., dass die Möglich-
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Projekt-Nr. S-1991-271-4 Titel: Patientenorientierung durch Gesundheitsförderung im Krankenhaus Laufzeit: 12 Monate seit April 1991 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Ergebnis: Günter Feuerstein, Bernhard Badura: Patientenorientierung durch Gesundheitsförderung im Krankenhaus. Zur Technisierung, Organisationsentwicklung, Arbeitsbelastung und Humanität im modernen Medizinbetrieb. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung 1991, 136 S. (Graue Reihe – Neue Folge; 39)
Projekt-Nr. S-1995-657-4 Titel: Neue Rahmenbedingungen für Krankenhäuser. Betriebswirtschaftliche und gesundheitspolitische Folgen der wettbewerbsorientierten Umwälzung des Gesundheitswesens Laufzeit: 6 Monate seit Januar 1995 Bearbeitung: Dipl.Volksw. Günter Stolz, 61118 Bad Vilbel Ergebnis: Günter Stolz: Neue Rahmenbedingungen für Krankenhäuser – Betriebswirtschaftliche und gesundheitspolitische Folgen der wettbewerbsorientierten Umwälzung des Gesundheitswesens. Abschlussbericht. Düsseldorf: HansBöckler-Stiftung, 1995, 54 S. (Graue Reihe – Neue Folge; Nr. 108)
Projekt-Nr. S-1992-363-4 Titel: Beschäftigtengerechte Gestaltung der Arbeit im Krankenpflegebereich der neuen Bundesländer – Anforderungen an eine präventive Sozialpolitik Laufzeit: 34 Monate seit September 1992 Bearbeitung: Kathrin Rieger, ZAROF-Zentrum für Arbeits- und Organisationsforschung e.V., 04103 Leipzig Ergebnis: Anita Hennig, Jens Kaluza: Krankenschwester Ost. Die Arbeit des Pflegepersonals im Krankenhaus nach der Einheit. Eine empirische Untersuchung. Berlin, trafo verlag, dr. wolfgang weist, 1995, 252 S.
Projekt-Nr. S-1996-801-3 Titel: Wissenschaftliche Begleituntersuchung zur Gestaltung alternativer Arbeitszeitmodelle im Pflegedienst. Kernarbeitszeiten an der Universitätsklinik Freiburg Laufzeit: 19 Monate seit April 1996 Bearbeitung: Freiburger Institut für angewandte Sozialforschung e.V. (FIFAS), 79106 Freiburg Ergebnis: Peter Höfflin unter Mitarbeit von Andreas Hahne: Arbeitszeitgestaltung in der Krankenpflege. Kernarbeitszeit im Universitätsklinikum Freiburg i. Br. Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 1998, 358 S.(Graue Reihe – Neue Folge; Nr. 140)
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Themenbereich II . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Den Wandel mitgestalten – aus Erfahrungen lernen Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Krankenhaus In welchen Situationen und wodurch sind und fühlen sich Mitarbeiter/innen im Krankenhaus am stärksten belastet? Wie bedeutsam sind die umfassenden Veränderungen infolge neuer gesetzlicher Rahmenbedingungen vor Ort? Sind Strukturen und Prozesse der betrieblichen Gesundheitsförderung überhaupt auf die komplexe Organisation eines Krankenhauses übertragbar? Kann es gelingen, Berufsgruppen und Hierarchie übergreifende Initiativen für eine mitarbeiterbezogene Gesundheitsförderung auszulösen? Wie können Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Idee der betrieblichen Gesundheitsförderung zusammengebracht und langfristig tragfähige Kooperationen aufgebaut werden? Ist ein solches Vorhaben auch über die Modellphase hinaus überlebensfähig, und welche Erfahrungen können für einen Transfer nutzbar gemacht werden?
Die Themen Arbeits-, Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung wurden zu Beginn der 90er Jahre häufig noch unabhängig voneinander diskutiert. Die Reformnotwendigkeiten im Arbeitsschutz waren allerdings häufig proklamiert worden. Erste Ansätze zur betrieblichen Gesundheitsförderung, die durch die Ottawa-Charta der WHO (1986) eine theoretische Grundlage erhalten hatte und die auch neue Impulse für die Partizipation von Mitarbeitern/-innen eröffnete, wurden im Rahmen des Programms „Humanisierung der Arbeit“ erprobt. Die damaligen Modellprojekte waren vornehmlich in der Metall verarbeitenden Industrie angesiedelt. Mit den Forschungs- und Interventionsprojekten „Gesundheitsförderung im Krankenhaus“ und „Qualitätsmanagement und integrierter Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lebensmittelhandel“ förderte die Hans-Böckler-Stiftung zusammen mit anderen Kooperationspartnern zwei umfangreiche Modellvorhaben in zentralen Dienstleistungsbereichen. Aufbauend auf eine umfassende Organisationsanalyse wurden zwischen 1992 und 1995 erstmals Strukturen und Prozesse für eine mitarbeiterbezogene Gesundheitsförderung in einem Krankenhaus eingeführt, wissenschaftlich ausgewertet und Weichen gestellt, die Maßnahmen zu verstetigen. Das Evaluationsprojekt im Einzelhandel bezog sich auf die in der REWE-Handelsgruppe entwickelte Gesundheitsförderung, mit der ebenfalls 1992 begonnen wurde und die dort heute zum festen Bestandteil der Unternehmenskultur gehört.
22
Beschäftigte in Krankenhäusern galten zu Beginn
Krankenhaus der Maximalversorgung mit seiner-
der 90er Jahre weitgehend als Experten, wenn es
zeit 1 540 Beschäftigten und 848 Betten – Organi-
um Krankheiten und um die Gesundheit von
sationsaufbau und -ablauf sowie deren Rahmenbe-
Patienten/-innen ging. Ihre eigene Gesundheit am
dingungen, Personal- und Programmstrukturen
Arbeitsplatz wurde jedoch aus vielerlei Gründen
und andere Besonderheiten analysiert. Bezogen
eher vernachlässigt. Das lag u. a. an starren hierar-
auf das Klinikum insgesamt und für einzelne Fach-
chischen Strukturen, dem Nebeneinander der Sub-
bereiche wurden Problemlagen und -bereiche iden-
systeme Ärztlicher Dienst, Pflegedienst und Wirt-
tifiziert und beschrieben.
schafts- und Verwaltungsdienste sowie an nicht abgestimmten Arbeitsablauforganisationen und
Informationsfluss
mangelnder Kommunikation und Kooperation. Gleichzeitig wurden Krankenhäuser zunehmend mit internen und externen Anforderungen und mit
Zum Thema Gesundheit wurden dabei sowohl
einer Entwicklungsdynamik konfrontiert, die für
gesundheitliche Belastungen, vorhandene Beein-
das Gesundheitswesen neu waren.
trächtigungen des Wohlbefindens und Beschwer-
So ergab es sich, diesen auch quantitativ sehr
den analysiert als auch gesundheitsförderliche
bedeutenden Arbeitsbereich näher zu analysieren
Potenziale identifiziert. Auch für die Intervention
und exemplarisch zu überprüfen, ob Ansätze der
durch eine krankenhausinterne Projektgruppe und
betrieblichen Gesundheitsförderung in der Organi-
Gesundheitszirkel galt es, Strukturen und Prozesse
sation Krankenhaus angewendet und wie sie gege-
so zu organisieren, dass Über- und Unterforderung
benenfalls den dortigen Rahmenbedingungen und
reduziert, soziale Beziehungen verbessert, Trans-
Kulturen angepasst werden könnten.
parenz und Handlungsspielräume erweitert und die
Ein wichtiger Gedanke war, dass die Gesundheits-
Qualifikation der Beschäftigten ausgebaut wurden.
förderung in einem engen Zusammenhang mit der
Dies alles sollte nicht nur ein Ergebnis des Projekts
Organisationsentwicklung insgesamt steht und
sein, sondern bereits im Projektverlauf erlebt wer-
Konsequenzen für einzelne Beschäftigte und die
den können.
Organisation als Ganzes hat. Exemplarisch wurden
In einer im Projektverlauf gebildeten krankenhaus-
für das Städtische Klinikum Solingen (SKS) – ein
internen Projektgruppe waren Vertreter/innen aus
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Nachhaltiger Ansatz
>
interne und externe Qualifizierungsangebote
allen Subsystemen und – von der Betriebsleitung
Während der Projektlaufzeit wurden in der kran-
bis zur Pflegekraft – auch alle Hierarchiestufen ver-
kenhausinternen Projektgruppe und in den Ge-
treten. Außerdem gehörten die Verantwortlichen
sundheitszirkeln eine Reihe von Lösungsvorschlä-
Die im Modellprojekt eingeführten neuen Struktu-
aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, der
gen erarbeitet. Darin ging es vor allem darum,
ren und Prozesse erweisen sich bis heute als trag-
Hygiene und des Umweltschutzes, der innerbe-
Arbeitsorganisation und -ablauf zu verändern, Kom-
fähig. Sie waren und sind dazu geeignet, Belastun-
trieblichen Fortbildung und der Krankenpflegeschu-
munikation, Kooperation und Informationsfluss
gen in der Arbeitsumgebung abzubauen und
>
das Prinzip der Freiwilligkeit gilt und
le, Personalrat und Patientenfürsprecherinnen dem
innerhalb und auch zwischen Berufsgruppen und
gesundheitsförderliche Potenziale zu erschließen.
>
der Kulturwandel durch interne und externe
eine Erweiterung von Rollen und die Übernahme neuer Aufgaben unterstützen, >
die von Mitarbeitern/-innen gewählten Lernfelder und -prozesse gefördert werden,
Öffentlichkeitsarbeit unterstützt wird.
Die Transparenz betrieblicher Strukturen und der Rahmenbedingungen von Veränderungsprozessen wuchs. Die Mitarbeiter/innen in den Projektgruppen
Das Städtische Klinikum Solingen wurde für seine
und Zirkeln entwickelten u. a. eine höhere Hand-
Aktivitäten im Bereich der Gesundheitsförderung
lungskompetenz. Die anfangs sehr kontrovers und
seit 1995 mehrfach ausgezeichnet. Es gehört seit
intensiv geführten Diskussionen, ob und was an
1999 zum Deutschen Netz gesundheitsfördernder
einzelnen Maßnahmen „gesundheitsfördernd für
Krankenhäuser (DNGfK), und die im SKS praktizier-
wen“ sei, gibt es heute kaum mehr. Zu oft wurde
te Gesundheitsförderung findet inzwischen auch
inzwischen erlebt, dass es gleichermaßen dem
im internationalen Bereich Interessenten und
Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten wie
Nachahmer.
auch dem eigenen dient, wenn Hemmnisse in den Arbeitsabläufen und Störungen in der Kommunikation und Kooperation beseitigt, Patienten/-innen besser informiert und versorgt werden. Die Strukturen werden immer wieder auch neuen Anforderungen und Bedürfnissen angepasst; einzelne Maßnahmen werden weitgehend aufgrund Gremium an. Damit sollte u. a. der Anspruch ver-
Teams zu verbessern und Qualifizierungsmaßnah-
von Problemanalysen geplant, Interventionen pro-
wirklicht werden, einen guten Informationsfluss in
men im kommunikativen Bereich zu initiieren. Eini-
blem- und situationsentsprechend durchgeführt
alle Bereiche des Krankenhauses zu unterstützen
ge Vorschläge der Gesundheitszirkel wurden von
und zunehmend auch evaluiert. Die Moderations-
sowie den traditionellen Arbeits- und Gesundheits-
den Mitarbeitern/-innen unmittelbar umgesetzt,
methode hat Eingang in verschiedene Arbeitsgrup-
schutz mit der Gesundheitsförderung zusammen-
andere erst nach Abschluss des Modellprojekts.
pen und Besprechungen gefunden.
zubringen.
Die umgesetzten Maßnahmen wirkten sich zum
Die Nachhaltigkeit des Ansatzes zur Gesundheits-
Trotz anfänglicher Skepsis hinsichtlich der Reali-
Teil auch hinsichtlich einer stärkeren Patien-
förderung wird dadurch gestützt, dass
sierbarkeit wurden auch die Gesundheitszirkel in
tenorientierung aus. Einige der vorgeschlagenen
>
der Kardiologischen Klinik und in der Dialyse Be-
Lösungsansätze wurden in andere Bereiche des
rufsgruppen und Hierarchie übergreifend zusam-
Krankenhauses übertragen.
mengesetzt. Sie trafen sich alle zwei bis drei
Strukturen, Verlauf und Ergebnisse des Modellpro-
Wochen für ca. eine bis anderthalb Stunden wäh-
jekts wurden wissenschaftlich ausgewertet und
rend der Dienstzeit. Diese Treffen wurden extern
die Evaluation um Anregungen für weitere Schritte
sundheitsschutz und Gesundheitsförderung
moderiert und umfassend protokolliert. Die Teil-
in der Gesundheitsförderung ergänzt.
u. a. im Rahmen der übergeordneten Projekt-
Projekt-Nr. S-1992-385-4 Titel: Gesundheitsförderung im Krankenhaus – Gesundheitszirkel als Beteiligungs- und Gestaltungsmodell Laufzeit: 30 Monate seit Oktober 1992 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld; Brigitte Müller, mediCONcept Organisationsentwicklung im Gesundheitswesen, 42289 Wuppertal; Eckhard Münch, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Ergebnis: Brigitte Müller, Eckhard Münch, Bernhard Badura: Gesundheitsförderliche Organisationsgestaltung im Krankenhaus. Entwicklung und Evaluation von Gesundheitszirkeln als Beteiligungs- und Interventionsmodell. Weinheim und München: Juventa Verlag, 1997, 327 S. (Gesundheitsforschung)
die Gesundheitsförderung als ständiger Aufgabenbereich festgeschrieben wird,
>
ein Top-down-bottom-up-Ansatz beibehalten wird,
>
die Kooperation zwischen Arbeits- und Ge-
gruppe fortgesetzt wird,
nehmer/innen wählten jeweils die Themen aus.
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Auf dem Weg zur „Healthy Company“ Wie kann der präventive Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lebensmitteleinzelhandel aufgebaut und in Unternehmensabläufe integriert werden? Welche Motive und Ziele werden in diesem Prozess deutlich und wie werden unterschiedliche Interessen zusammengeführt? Welche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung akzeptieren die Beschäftigten und welche Effekte zeigen sich auf der Ebene von Arbeitsunfähigkeits- und Arbeitsunfallstatistiken? Wie gehen die Akteure aus dem Arbeitsschutz und der Arbeitsmedizin mit den neuen Anforderungen um, die durch die Gesundheitsförderung entstehen? Wie können Erkenntnisse für einen Transfer von Ergebnissen gewonnen werden?
Sicherheit und Gesundheitsschutz im Lebens-
gen, und auch die parallel stattfindenden Initia-
mittelhandel stehen in wirtschaftlicher Hinsicht
tiven konzentrierten sich darauf, den Weg zu
im Rahmen von Konzentration und Internationa-
einer „Healthy Company“ fortzusetzen.
lisierung. Daraus folgte, dass die Unternehmen u. a. im technischen und organisatorischen
GESUNDHEIT – SICHERHEIT – ARBEITSSCHUTZ REWE-Führungsgrundsätze im Arbeits- und Gesundheitsschutz te unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen arbeiten müssen, nicht angemessen qualifiziert sind oder nicht ausreichend von Kollegen unterstützt werden, kann Arbeit krank machen. Arbeit kann aber auch die berufliche und persönliche Entwicklung fördern.
Herausforderungen für die Arbeitswelt im 21. Jahrhundert Die Arbeitswelt befindet sich in einer Phase tiefgreifenden Wandels. Wichtige Rahmenbedingungen sind u. a.: > Globalisierung > Arbeitslosigkeit > wachsende Verbreitung neuer Informationstechnologien > Veränderungen der Beschäftigungsverhältnisse (z. B. befristete und Teilzeitarbeit, Telearbeit) > älter werdende Belegschaften > wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors > Personalabbau (Downsizing) > wachsender Anteil von Arbeitnehmern in Kleinund Mittelunternehmen (KMU) > Kundenorientierung und Qualitätsmanagement Zukünftiger Unternehmenserfolg hängt von gut qualifizierten, motivierten und gesunden Mitarbeitern ab. BGF spielt eine entscheidende Rolle dabei, Mitarbeiter und Unternehmen auf diese Herausforderungen vorzubereiten.
BGF will diejenigen Faktoren beeinflussen, die die Gesundheit der Beschäftigten verbessern. Dazu gehören: > Unternehmensgrundsätze und -leitlinien, die in den Beschäftigten einen wichtigen Erfolgsfaktor sehen und nicht nur einen Kostenfaktor, > eine Unternehmenskultur und entsprechende Führungsgrundsätze, in denen Mitarbeiterbeteiligung verankert ist, um so die Beschäftigten zur Übernahme von Verantwortung zu ermutigen, > eine Arbeitsorganisation, die den Beschäftigten ein ausgewogenes Verhältnis bietet zwischen Arbeitsanforderungen einerseits und andererseits eigenen Fähigkeiten, Einflussmöglichkeiten auf die eigene Arbeit und sozialer Unterstützung, > eine Personalpolitik, die aktiv Gesundheitsförderungsziele verfolgt, > ein integrierter Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF): eine Investition in die Zukunft
Betriebliche Gesundheitsförderung: nachweislich erfolgreich
Der traditionelle Arbeitsschutz hat durch die Verringerung von Arbeitsunfällen und die Prävention von Berufskrankheiten entscheidend zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz beigetragen. Dennoch reichen seine Mittel offensichtlich nicht, um dem breiten Spektrum der o. g. Probleme zu begegnen.
BGF beruht auf einer fach- und berufsübergreifenden Zusammenarbeit und kann nur dann erfolgreich sein, wenn alle Schlüsselpersonen dazu beitragen.
Bereich flexibilisierten, Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung ausweiteten, den Personaleinsatz rationalisierten und die Betriebstypen veränderten. Der Personalkostenanteil am Umsatz sollte gesenkt werden. Auch vor diesem Hintergrund gewann das Ziel, Fehlzeiten zu reduzieren, an Gewicht.
Teil der Unternehmensphilosophie In der REWE-Handelsgruppe gibt es seit dem
BGF kann ihr Ziel „gesunde Mitarbeiter in gesunden Unternehmen” erreichen, wenn sie sich an den folgenden Leitlinien orientiert:
Unternehmen, die Gesundheit an ihren Arbeitsplätzen fördern, senken damit krankheitsbedingte Kosten und steigern ihre Produktivität. Dies ist das Ergebnis einer gesünderen Belegschaft mit höherer Motivation, besserer Arbeitsmoral und besserem Arbeitsklima.
Ende der 80er Jahre erhebliche Anstrengungen, die Arbeitsunfallzahlen zu senken, die seither halbiert werden konnten. Seit 1992 erstellt der
1. Die gesamte Belegschaft muss einbezogen werden (Partizipation). 2. BGF muss bei allen wichtigen Entscheidungen und in allen Unternehmensbereichen berücksichtigt werden (Integration).
Bundesverband der Betriebskrankenkassen für BGF ist eine moderne Unternehmensstrategie und zielt darauf ab, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen (einschließlich arbeitsbedingter Erkrankungen, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Stress), Gesundheitspotenziale zu stärken und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu verbessern.
die REWE-Unternehmensgruppe betriebliche Gesundheitsberichte. Sie liefern eine wichtige Grundlage, auf der betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen geplant und reflektiert wer-
3. Alle Maßnahmen und Programme müssen systematisch durchgeführt werden: Bedarfsanalyse, Prioritätensetzung, Planung, Ausführung, kontinuierliche Kontrolle und Bewertung der Ergebnisse (Projektmanagement).
den können. Detailanalysen wurden durchgeführt, um die Handlungsfelder zu erkennen und
Betriebliche Gesundheitsförderung: gesunde Mitarbeiter in gesunden Unternehmen
entsprechende Maßnahmen zur Gesundheitsförderung zu planen und umzusetzen. Ergebnisse
4. BGF beinhaltet sowohl verhaltens- als auch verhältnisorientierte Maßnahmen. Sie verbindet den Ansatz der Risikoreduktion mit dem des Ausbaus von Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzialen (Ganzheitlichkeit).
Der Arbeitsplatz beeinflusst Gesundheit und Krankheit auf verschiendene Art und Weise. Wenn Beschäftig-
anderer Modellprojekte wurden dabei einbezo26
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Inzwischen wurden umfassende Ziele, Erfah-
Schwerpunkt lag dabei auf der Lagerwirtschaft
rungen und Ansprüche an eine betriebliche
und Logistik.
Gesundheitsförderung formuliert und 1998 in
Dabei wurde u. a. deutlich:
den REWE-Führungsgrundsätzen im Arbeits- und
>
rungen bereit, und die Standorte hatten ein
Die Bilanz des bisher Erreichten lenkt den Blick auf
erkennbares Multiplikatorenpotenzial.
weitere notwendige Schritte auf dem Weg zur
Die zehn vom BKK-Team moderierten und pro-
„Healthy Company“. Bei genauer Betrachtung der
In der – verglichen mit anderen Projekten zur
tokollierten Gesundheitszirkel (fünf in Lager-
möglichen Krankheitsarten im Bereich des Arbeits-
Gesundheitsförderung – langen Zeitspanne
standorten, vier in Märkten, einer im Fleisch-
lebens ergibt sich weiterer Bedarf an vorbeugen-
Kasten auf Seite 27).
wurden zahlenmäßig nur relativ wenige
werk) waren stark in der Analyse von Proble-
den Maßnahmen (zum Beispiel Magen-Darm,
Die branchenspezifischen Rahmenbedingungen
Gesundheitszirkel (zehn mit insgesamt 110
men. Das ermöglichte, Präventionsmaßnahmen
Haut, Nerven). Um hier erfolgreich zu sein, ist
und die betrieblichen Maßnahmen des vorbeu-
Teilnehmern/-innen) und Arbeitsplatzprogram-
sehr viel präziser zu diskutieren und anzusteu-
arbeitsmedizinische Intervention ebenso gefragt
genden Arbeits- und Gesundheitsschutzes wur-
me durchgeführt. Dabei hatten diese Aktivitä-
ern. Die Teilnehmer/innen erarbeiteten detail-
wie die Notwendigkeit, ein betriebsärztliches Be-
den zwischen 1996 und 2000 ausgewertet. Sie
ten erhebliche Ausstrahlungskraft auf das
lierte Verbesserungsvorschläge, insbesondere
treuungskonzept in intensiver Kooperation mit
wurden im Hinblick auf ihre Integration in Unter-
Gesamtunternehmen. Die Standorte, an denen
für technische und arbeitsorganisatorische Pro-
anderen Akteuren des Arbeits- und Gesundheits-
nehmensabläufe und ihre Bezüge zum Qua-
die Instrumente angewendet wurden, galten
zesse. Von 450 derartigen Vorschlägen, die zum
schutzes weiter zu entwickeln. Dass der Prozess
litätsmanagement untersucht, und Entwick-
als Problemschwerpunkte. Die verantwort-
Teil ein erhebliches Investitionsvolumen erfor-
nicht als abgeschlossen gelten kann, zeigt sich
lungsperspektiven wurden festgehalten. Ein
lichen Niederlassungsleiter waren zu Verände-
derten, wurde etwa die Hälfte umgesetzt.
auch in weiteren geplanten und eingeleiteten Maß-
1995/96 fanden an sechs Standorten, zum Teil
nahmen.
Gesundheitsschutz
festgeschrieben
(siehe
>
>
in mehreren Abteilungen, Arbeitsplatzprogramme mit integrierten Hebe- und Tragetrainings statt, die gut angenommen wurden. Deutlich wurde in diesem Zusammenhang aber auch, dass diese Erfolge eine Kombination von verhaltens- und verhältnispräventiven Maßnahmen
Projekt-Nr. S-1996-837-4 Titel: Qualitätsmanagement und integrierter Arbeits- und Gesundheitsschutz. Modellprojekt der REWE Zentralorganisation: Logistik, Lagerwirtschaft Laufzeit: 45 Monate seit September 1996 Bearbeitung: Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel, Dipl.Oec. Joachim Larisch, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), 28359 Bremen Ergebnisse: Joachim Larisch, Daniel Bieber, Wolfgang Hien: Qualitätsmanagement und integrierter Arbeits- und Gesundheitsschutz im Lebensmittelhandel. Workshops und Zwischenberichte über ein von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der HBS, der Gewerkschaft HBV und der REWE Zentralorganisation gefördertes Forschungsanwendungsvorhaben. Dortmund, Berlin, 1999, 547 S. (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) Daniel Larisch, Wolfgang Hien: Auf dem Weg zur „Healthy Company“. Qualitätsmanagement, Sicherheit und Gesundheitsschutz im Lebensmittelhandel Berlin: editon sigma, 2000, 227 S. (Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, 28)
voraussetzten. Bezogen auf Arbeitsunfähigkeits-Daten lassen sich positive Auswirkungen frühestens nach zwei bis drei Jahren nachweisen. Gesundheitszirkel und Arbeitsplatzprogramme sollten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.
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Betriebliche Prävention im Aufwind
Betriebliche Gesundheitsförderung durch Krankenkassen
1989 wurde im Rahmen der damaligen Gesundheitsreform der § 20 in das Sozialgesetzbuch V eingeführt: Dadurch erhielt die gesetzliche Krankenversicherung erstmals einen eigenen Handlungsauftrag auf dem Gebiet der Vorbeugung und Gesundheitsförderung. Das löste auch in der betrieblichen Gesundheitsförderung einen starken Entwicklungsschub aus. Krankenkassen betraten als neue institutionelle Akteure das Handlungsfeld „Arbeit und Gesundheit“ und setzten konzeptionell neue Akzente in der betrieblichen Prävention.
Welche Rahmenbedingungen, Zielorientierungen, Handlungsstrategien und Organisationsstrukturen bestimmen die Angebotspolitik der Krankenkassen in der betrieblichen Gesundheitsförderung? Inwieweit trifft die Kritik zu, Kassen würden Gesundheitsförderung als reines Wettbewerbsinstrument funktionalisieren? Kommen Gesundheitsförderungsmaßnahmen über verhaltenspräventive Maßnahmen hinaus oder haben sie in der Praxis eher eine Alibifunktion? Welche Faktoren fördern und hemmen, wenn sie in den Betrieben initiiert und durchgeführt werden?
Orientiert man sich an der Anzahl von Tagungen, Publikationen und Projekten, so hat sich die betriebliche Gesundheitsförderung rasch zu einem boomenden Thema entwickelt. Bei genauerem Hinsehen entpuppten sich aber viele der Maßnahmen als alter Wein in neuen Schläuchen.
Eine Intensiv-Fallstudie bei einem großen Kranken-
lich an einem bundesweit verfolgten Konzept. Sie
versicherungsträger analysierte eine Reihe von
waren verhaltenspräventiv orientiert und umfass-
Fragen zur Stellung von Krankenkassen in der
ten Beratungs- und Kursangebote. Sie wurden
betrieblichen Gesundheitsförderung. Illustriert
nicht in Betrieben, sondern in lokalen Einrichtun-
wurde dies am Beispiel von Gesundheitsförde-
gen durchgeführt und konnten von den Versicher-
rungsprojekten, die in Betrieben unterschiedlicher
ten individuell wahrgenommen werden.
Größe und Branchenzugehörigkeit stattgefunden
Von vereinzelten lokalen Vorläuferaktivitäten abge-
hatten. Ergänzend flossen Informationen aus fast
sehen, wurden arbeitsplatzbezogene Maßnahmen
20 weiteren Betriebsprojekten mit ein.
erst seit Anfang der neunziger Jahre initiiert.
„Nicht alle Wege führten nach Ottawa“, kommentierte das einer der Autoren von zwei Transparenzstudien. Diese Studien befassten sich mit der Rolle der Krankenkassen als Initiatoren und Akteure von betrieblicher Gesundheitsförderung, mit der Verbreitung von Maßnahmen und der Durchdringung auf betrieblicher Ebene, mit der Diskrepanz zwischen gesetzlichen Anforderungen, theoretischer Fundierung und praktischer Umsetzung im Arbeits- und Gesundheitsschutz und in der betrieblichen Gesundheitsförderung und mit zukünftigen Anforderungen in diesen Themenfeldern.
Der Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenversicherungen bildete für den Auf- und Ausbau
Fehlzeiten
der Gesundheitsförderung eine zentrale Triebkraft. Allerdings war die gesundheitspolitische Konstella-
30
Bereits Mitte der 80er Jahre engagierte sich der
tion, auf deren Hintergrund die betriebliche Ge-
untersuchte Krankenversicherungsträger in der
sundheitsförderung etabliert werden sollte, weit-
Gesundheitsförderung. Die Maßnahmen, die er
aus komplexer, wie die Abbildung auf der nächsten
anbot, orientierten sich zunächst fast ausschließ-
Seite verdeutlicht.
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>
Gesundheitspolitische Konstellation als Basis
Gesundheitsförderung wird durch betriebliche Konflikte beeinflusst. Wenn Personalabbau-
Präventiver Handlungsauftrag § 20 GRG (1989)
maßnahmen, größere Rationalisierungsvorha-
Kassenwettbewerb/Wahlfreiheit der Versicherten GSG (1992)
ben oder betriebliche Umstrukturierungen anstehen, sinken die Chancen, gesundheitsför-
Handlungs-/Anpassungsdruck
dernde Maßnahmen zu initiieren oder beizubehalten, drastisch.
KRANKENKASSE
Übergreifender gesellschaftlicher Kontext:
Problemlösungsbedarf: - Beitragssatz - Organisation (Zersplitterung, Effizienzprobleme) - Leistungsangebot/ Service
- veränderte Anspruchshaltungen und Wertorientierungen - ökologische/gesundheitsbezogene Sensibilisierung - Wandel der Arbeitswelt - etc.
>
Eindringen moderer gesundheitswissenschaftlicher Paradigmen und gesundheitspolitischer Reformorientierungen in den Kassenapparat
Die Überlebensfähigkeit der mit Gesundheitsförderung verknüpften Innovationsimpulse erweist sich daher häufig als gering; das gilt vor allem in peripheren Konzernbetrieben oder abhängigen Zulieferfirmen.
Die positiven Erfahrungen sprechen dafür, KranANPASSUNGSREAKTIONEN
kenkassen auch zukünftig eine eigenständige Rolle in der betrieblichen Gesundheitsförderung zu lassen. Deren konzeptionelle und praktische Weiter-
Zentralisierung
Restrukturierung von Aufgabenbereichen und Organisationsabläufen Neue Strategien der Geschäfts- und Kundenpolitik
entwicklung, die die Gesundheitsförderung verstetigen und stärker in die betriebliche Aufbau- und
Betriebliche Gesundheitsförderung
Ablauforganisation integrieren soll, ist ein zentrales Entwicklungsfeld. Hier können die Kassen Beispiel und Anstoß geben.
Die wettbewerbspolitische Bedeutung betrieblicher
erster Linie durch die Möglichkeit geweckt,
reichten von der Arbeitsplatzergonomie über die
Gesundheitsförderung war unverkennbar. Das führ-
dadurch Fehlzeiten zu reduzieren. Die Offenheit,
Arbeitsorganisation bis hin zu Hierarchie- und Kom-
te aber nicht zwangsläufig dazu, das Angebot gra-
sich auf entsprechende Maßnahmen einzulassen,
munikationsaspekten.
vierend am Bedarf und Qualitätsanspruch vorbei zu
hing aber auch von betrieblichen Voraussetzungen
entwickeln. Das Engagement der Kassen basierte
ab, wie zum Beispiel von der wirtschaftlichen
auf relativ eigenständigen Ideen, wie das Angebot
Situation, Werteorientierungen der Betriebslei-
unter sozialen und präventionspolitischen Aspekten
tung, neuen Management- und Organisationskon-
zu gestalten sei. Das spiegelt sich auch in den
zepten und interessenpolitischen Beziehungen.
Deutlich wurden aber auch die Hemmnisse der
Handlungsmaßstäben der für diesen Bereich ver-
Gesundheitsförderungsprojekte bewirken zum Teil
betrieblichen Gesundheitsförderung:
antwortlichen Akteure. Konflikte zwischen wettbe-
beachtliche Veränderungen. Zu den zentralen Ein-
>
werbsstrategischen und präventionspolitischen Zie-
flussfaktoren gehören hier der Umfang, in dem sie
lichen Alltag gebunden. Das konfrontierte sie
len mussten kassenintern ausbalanciert werden.
durch das Management und die Belegschaftsver-
mit Restriktionen, Handlungszwängen und kon-
Obwohl es weitaus differenziertere und hoch kom-
tretung unterstützt wurden, sowie die aktive Betei-
kurrierenden Prioritäten, verringerte ihren Stel-
plexe Gründe für betriebliche Gesundheitsförde-
ligung der Mitarbeiter/innen. Die Problembereiche,
lenwert und behinderte unter Umständen die
rung gab, wurde das Interesse in den Betrieben in
die verändert werden sollen, waren vielfältig und
Maßnahmen.
32
Projekt-Nr. S-1995-752-4 Titel: Bedingungen und Verläufe krankenkasseninduzierter Prävention und Gesundheitsförderung in Betrieben Laufzeit: 34 Monate seit Oktober 1995 Bearbeitung: Dr. Uwe Lenhardt, Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), 10785 Berlin Ergebnis: Uwe Lenhardt: Betriebliche Gesundheitsförderung durch Krankenkassen. Rahmenbedingungen – Angebotsstrategien – Umsetzung. Mit einem Vorwort von Rolf Rosenbrock. Berlin: edition sigma, 1999, 182 S. (Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, 18)
Langfristige Perspektiven
Die Projekte blieben häufig an den betrieb-
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Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung – Maßnahmen und Erfahrungen In welchem Umfang werden betriebliche Programme zur Gesundheitsförderung in den Betrieben angeboten und um welche Angebote handelt es sich? Wie ist deren Struktur, Verfügbarkeit und Akzeptanz zu bewerten? Welche strukturellen, organisatorischen oder personalen Faktoren behindern die Einrichtung und den Erfolg von Maßnahmen in den Unternehmen? Welche zukünftigen Entwicklungstendenzen gibt es in den Unternehmen, und welche Kooperationswünsche und Unterstützungsbedarfe werden in diesem Zusammenhang formuliert?
Angebot erweitern
besonders in kleineren Betrieben, die Kosten, die damit verbunden sind, betriebliche Gesundheits-
Einzelne Maßnahmen zur betrieblichen Gesund-
förderung einzuführen, und – last but not least –
heitsförderung sind in einer Vielzahl der Unterneh-
fehlende oder unzureichende Informationen. Die
men vorzufinden. Ein eigens dafür entwickeltes
Informationsdefizite betreffen allgemeine Informa-
Beurteilungsraster für das Niveau dieser Maßnah-
tionen und Beratungen zur Verhaltensprävention.
men zeigt allerdings, dass lediglich bei etwa 15
Konkrete Unterstützung und Hilfe wird überwie-
Prozent aller Unternehmen tatsächlich von einer
gend bei Problemen aus dem Bereich der Verhält-
Die Angebotsvielfalt der Maßnahmen steigt
betrieblichen Gesundheitsförderung gesprochen
nisprävention eingefordert.
und thüringischer Betriebe fragte nach Umfang
mit der Unternehmensgröße. Beim Niveau der
werden kann.
Die Studie verdeutlicht, dass Programme der
und Inhalt betrieblicher Programme zur Gesund-
Angebote lässt sich ein deutliches West-Ost-
Als Initiatoren betrieblicher Gesundheitsförderung
Gesundheitsförderung in den Betrieben nur lang-
heitsförderung. Die Ergebnisse stützen sich auf
Gefälle belegen.
treten meist mehrere betriebsinterne Akteure auf.
sam durchdringen, seit die Ottawa-Charta verab-
Angebote der Krankenkassen wie zum Beispiel
Externe Fachleute und Institutionen werden häufig
schiedet wurde. Sie lägen bei ca. 15 Prozent.
der Metallbranche und 47 Prozent dem Dienstleis-
Gesundheitsberichte, Gesundheitszirkel und
hinzugezogen, wenn im Vorfeld bereits die grund-
Zukünftig seien Anstrengungen zu unternehmen,
tungsbereich zuzuordnen sind. Zum Zeitpunkt der
Führungskräfteschulungen sind vergleichs-
legenden Entscheidungen getroffen sind. Wich-
um auf der Seite der Betriebe das Angebot zu ver-
Erhebung arbeiteten 225 643 Personen in den
weise gering verbreitet.
tigster Faktor für den Erfolg der Maßnahmen
breitern und zu verbessern und auf der Seite der
Fast 20 Prozent der Betriebe nutzen zwar Ge-
scheint zu sein, ob sich das Management durch-
Teilnehmer die Akzeptanz und Nutzung zu steigern.
34 209 in Thüringen.
sundheitsberichte, aber nur bei 7,2 Prozent ge-
gängig daran beteiligt, sie umzusetzen.
In diesem Zusammenhang sollten Informationen
Einige Blitzlichter auf die Ergebnisse, soweit sie
hören sie zur Routine. Gesundheitszirkel wer-
Die betriebliche Gesundheitsförderung hat einen
unter betrieblichen Entscheidungsträgern verbrei-
sich verallgemeinern lassen:
den in jedem zehnten Unternehmen durchge-
guten Ruf; ihr potenzieller Nutzen wird, bezogen
tet, die Unternehmen durch Experten der betrieb-
>
Das neue Arbeitsschutzgesetz und die dort
führt. 15,7 Prozent der Betriebe planen Füh-
auf das Unternehmen, bei 70,5 Prozent der Betrie-
lichen Gesundheitsförderung stärker unterstützt
festgeschriebene Beurteilung von Arbeits-
rungskräfteseminare zur Gesundheitsförderung
be als „sehr groß“ beziehungsweise „groß“ beur-
und eine begleitende Dokumentation und Evalua-
bedingungen werden unzureichend umge-
oder setzen sie bereits um. Zur Routine der Per-
teilt. Bezogen auf die Mitarbeiter/innen bewerten
tion der Projekte sichergestellt werden.
setzt: Mehr als die Hälfte der Betriebe hat
sonalentwicklung gehören entsprechende Schu-
75,5 Prozent den Nutzen als „sehr groß“ bezie-
noch keine Gefährdungsbeurteilung durchge-
lungen lediglich bei 2,9 Prozent der Firmen.
hungsweise „groß“. Management und Arbeit-
>
Eine repräsentative Zufallsstichprobe hessischer
>
Angaben aus 447 Betrieben, von denen 53 Prozent
>
befragten Betrieben, davon 191 434 in Hessen und
>
>
führt, und in nur 20 Prozent ist davon aus-
nehmervertreter sind sich darin einig.
zugehen, dass die gesetzlichen Auflagen
Das Ausmaß der Mitarbeiterorientierung, die Exis-
bereits erfüllt sind.
tenz einer ausformulierten Unternehmensphiloso-
Die betriebsmedizinische und sicherheitstech-
phie, die auch umgesetzt wird, die Qualitätsorien-
nische Betreuung ist gut. Defizite zeigen sich
tierung und die Offenheit des Unternehmens für
hier in kleinen und mittleren Unternehmen, ins-
Restrukturierungen gehören zu den förderlichen
besondere im Dienstleistungsbereich.
Faktoren, wenn es darum geht, Maßnahmen zu
Fast jedes dritte Unternehmen hat Erfahrungen
initiieren und umzusetzen.
mit Maßnahmen der betrieblichen Gesund-
Zu den hemmenden Faktoren gehören ein man-
heitsförderung gemacht, die der Verhaltensprä-
gelndes Interesse von Führungskräften und Mitar-
vention zuzuordnen sind. 18,6 Prozent planen
beitern sowie ein fehlendes Engagement der Mit-
entsprechende Maßnahmen. Schwerpunkte
arbeitervertreter. Unklare Verantwortlichkeiten für
sollen in der Suchtprävention und in Bewe-
den Arbeitsschutz und die Gesundheit der Mitar-
gungsprogrammen liegen.
beiter gehören ebenso zu den „Bremsern“ wie,
34
Projekt-Nr. S-1996-838-4 Titel: Betriebliche Gesundheitsförderung – Umfrage zur aktuellen Verbreitung und zu Perspektiven von betrieblichen Gesundheitsförderungsmaßnahmen in Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern in Hessen und Thüringen Laufzeit: 18 Monate seit Juni 1996 Bearbeitung: Prof. Dr. Klaus Bös, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Sportwissenschaften, 60487 Frankfurt; Ferdinand Gröben, 60385 Frankfurt Ergebnis: Ferdinand Gröben, Klaus Bös: Praxis betrieblicher Gesundheitsförderung. Maßnahmen und Erfahrungen – ein Querschnitt. Berlin: edition sigma, 1999, 161 S. (Forschung aus der HansBöckler-Stiftung; 19)
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Gesundheitsförderung im öffentlichen Dienst
Effiziente Organisations- und Führungsformen im öffentlichen Sektor
Erfahrungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Rhetorik stehen sich oft diametral gegenüber. So auch in der Tarifrunde im öffentlichen Dienst 1996. Damals wollte der amtierende Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) die Fehlzeiten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Karenztagen und Hausbesuchen reduzieren.
Wie ist bundesweit und in den beteiligten Modellbetrieben ein Bündnis für die Implementierung eines umfassenden und am „state of the art“ orientierten betrieblichen Gesundheitsmanagement zu organisieren? Welche Vorgehensweisen und Instrumente der betrieblichen Gesundheitsförderung erweisen sich als praxistauglich und wie müssen innerbetriebliche Akteure unterstützt und qualifiziert werden? Welche Widerstände zeigen sich vor Ort und in der überregionalen Kooperation? Ist ein vergleichbares Vorgehen in den Modellbetrieben überhaupt realisierbar und welchen Einfluss haben betriebliche Kulturen und Vorerfahrungen sowie aktuelle Konfliktlagen?
Für die Gewerkschaft ÖTV war das ein entscheidender Anstoß, sich an die Vorarbeit zum bundesweiten Projekt „Effiziente Organisations- und Führungsformen zur betrieblichen Gesundheitsförderung“ zu machen. Beschlossen wurde es dann 1997 vom ÖTV-Hauptvorstand und im Frühjahr 1999 mit der Auswahl von vier Modellprojekten offiziell gestartet. In seinen Zielen geht das Projekt weit darüber hinaus, nur Fehlzeiten reduzieren zu wollen. Es will betriebliche Gesundheitsförderung als einen organisationsweiten, dauerhaften Prozess in Unternehmen verankern und damit mittel- bis langfristig das Leistungsgeschehen und die Qualität der Dienstleistungen insgesamt verbessern.
36
Im ÖTV-Projekt will man an Erfahrungen und
Akteure und externen Kooperationspartner“ und
Ergebnissen aus anderen Gesundheitsförderungs-
„systematisierte und »kunstgerechte« Vorgehens-
projekten anknüpfen und neue Wege gehen.
weise im Sinne des Lernzyklus“ näher beleuchtet
Betriebliche Gesundheitsförderung wird als ein
werden.
ganzheitlicher und integrativer Ansatz verstanden,
Es wurde eine komplexe Struktur und Aufgaben-
der nicht nur die einzelnen Mitarbeiter/innen und
teilung geplant, um das Modellprojekt umzuset-
ihre unmittelbaren Arbeitsbedingungen betrach-
zen: Das Management liegt in der Verantwortung
tet, sondern den Fokus auf die gesamte Organisa-
der ÖTV-Projektleitung, die das Gesamtprojekt
tion und hier insbesondere auf die Organisations-
steuert und überwacht – im Auftrag des geschäfts-
strukturen/-abläufe sowie das Führungsverhalten
führenden Hauptvorstands der ÖTV und abge-
richtet. Das wird in zentralen Grundannahmen und
stimmt mit dem überregionalen Projektlenkungs-
in der Projektphilosophie deutlich. Diese sollen an-
ausschuss, dem neben der ÖTV-Projektleitung die
hand der Stichworte „betriebliche Gesundheitsför-
Projektleitungen der Modellbetriebe sowie weitere
derung als Managementprozess”, „Verbindung
ausgewählte Personen der ÖTV-Haupt-, Bezirks-
der Führungsaufgabe (top down) mit der Partizi-
und Kreisvorstandsebene angehören. Die Sitzun-
pation der Mitarbeiter (bottom up)“, „Einbindung
gen des überregionalen Projektlenkungsausschus-
und Vernetzung der relevanten innerbetrieblichen
ses moderiert ein externer Berater.
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Moderierte Modellprojekte
kungsausschuss wird ebenfalls von einem/r exter-
Rolle, indem sie die Modellbetriebe bei der
das Verhalten und die Unterstützung der obersten
nen Moderator/in begleitet. Um das Projekt in den
Projektumsetzung unterstützt und qualifiziert. Das
Führungsebene und der Betriebs-/Personalräte
Als Modellbetriebe wurden die Essener Verkehrs-
Modellbetrieben möglichst einheitlich umzusetzen
bedeutet, dass zum einen die handelnden Akteure
eine große Rolle. Dagegen erweist sich mit dem
AG, das Seniorenzentrum der AWO, Landesver-
und die Arbeit der Moderatoren/-innen zu koordi-
die notwendigen Methodenkenntnisse und das
Einstieg in die eigentliche Arbeitsphase zuneh-
band Hamburg e.V., das Klinikum Lippe-Lemgo
nieren, finden regelmäßig Moderatorentreffen
Know-how erhalten. Zum anderen sollen sie darin
mend die Professionalität und Kompetenz der
sowie das Westfälische Zentrum für Psychiatrie,
gemeinsam mit der ÖTV-Projektleitung und dem
unterstützt werden, die im Projekt anstehenden
betrieblichen Projektleitungen als entscheidend für
Psychotherapie und Psychosomatik ausgewählt.
überregionalen Prozessberater statt.
Arbeitsschritte eigenständig durchzuführen und die
einen Erfolg. Hier ist auch die Qualität der Koope-
dazu erforderlichen Instrumente zu entwickeln.
ration zwischen Projektleitern und externen Pro-
Der „Leitfaden für das betriebliche Gesundheits-
zessbegleitern maßgeblich. Die Integration der
management“ liefert dazu eine wesentliche
innerbetrieblichen Akteure und insbesondere die
Arbeitsgrundlage für die wissenschaftliche Begleit-
Fähigkeit, Mitarbeiter aus den Interventionsberei-
forschung.
chen in den Projektlenkungsausschuss einzubin-
Zwischenbilanz: Alle vier Betriebe haben mit der
den, ist in allen Betrieben eine große Herausforde-
ÖTV eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, in
rung. Ähnliches gilt für die Integration der externen
der die Rahmenbedingungen für das Umsetzen des
Akteure.
Projekts festgelegt sind. Sehr bald wurde auch deut-
Insgesamt wurde zum Teil unterschätzt, wie kon-
lich, dass dieses Vorhaben eine enorme Herausfor-
fliktbesetzt das Thema „Führung“ ist und mit wel-
derung für die Betriebe ist. Sowohl in der Phase, als
cher Sensibilität es bearbeitet werden muss. Das
die strukturellen Voraussetzungen geschaffen wur-
gilt im übertragenen Sinne unter Umständen auch
den, als auch bei der von den Betrieben durchge-
für die Organisation und Kooperationen auf der
führten Diagnose mussten sie in hohem Maße
Ebene des Gesamtprojekts. Auch hier wurde Neu-
extern unterstützt werden. Um Maßnahmen planen
land betreten, auch hier gilt es, Förderndes und
und durchführen zu können, wurden zunächst
Hemmendes zu identifizieren, Weichen neu zu
Gesundheits- und Qualitätszirkel sowie Arbeitsgrup-
stellen und aus den Erfahrungen zu lernen.
pen eingerichtet. Ihre Themen: „Arbeitsbelastungen reduzieren“, „Effizienz von Arbeitsabläufen steigern“, „interdisziplinäre Zusammenarbeit verbesAuf der Ebene dieser Betriebe sind die betrieb-
In einer zweijährigen Modellphase wird das Projekt
sern“ und „Aufbau einer regelmäßigen betrieb-
lichen Projektleiter für die Umsetzung des Projekts
wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Im
lichen Gesundheitsberichterstattung“.
im Sinne der zitierten Philosophie verantwortlich.
Anschluss an diese Modellphase soll es für weite-
Die Betriebe richten ihrerseits jeweils einen
re interessierte Unternehmen aus dem öffent-
betrieblichen Projektlenkungsausschuss als Steue-
lichen Sektor geöffnet werden.
rungsgremium ein. An den Sitzungen dieses Aus-
Die wissenschaftliche Begleitung nimmt regelmä-
schusses nehmen die Projektleitung, Beschäftigte
ßig beobachtend sowohl an den überregionalen
Bei den Betrieben lassen sich deutliche Unter-
aus den Interventionseinheiten, der Betriebs-/Per-
und den betrieblichen Projektlenkungsauschuss-
schiede in den einzelnen Phasen der Projektent-
sonalrat, die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der be-
Sitzungen als auch an den Treffen der Moderato-
wicklung erkennen. Und es zeichnen sich er-
triebsmedizinische Dienst, Vertreter der Unfall-
ren/-innen teil. Sie soll im Rahmen der Begleitfor-
folgsrelevante Größen ab, die aber aufgrund der
/Krankenversicherung sowie der ÖTV-Bezirks- bzw.
schung aber nicht nur dokumentieren und
relativ kurzen Arbeitsphase mit Vorsicht zu betrach-
Kreisverwaltung teil. Der betriebliche Projektlen-
evaluieren, sondern übernimmt auch eine aktive
ten sind: In der Startphase spielten insbesondere
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Projekt-Nr. S-1999-139-4 Titel: Effiziente Organisations- und Führungsformen – ein integratives wissenschaftliches Begleitprojekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung im öffentlichen Sektor Laufzeit: 32 Monate seit Juli 1999 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Eckhard Münch, Uta Walter, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Ergebnis: Eckhard Münch, Uta Walter: Effiziente Organisations- und Führungsformen – ein integratives wissenschaftliches Begleitprojekt zur betrieblichen Gesundheitsförderung im öffentlichen Sektor Zwischenbericht, Bielefeld August 2000, 61 S.
Akteure integrieren
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Controlling im Gesundheitsmanagement
Rückkehrgespräche als Instrument der betrieblichen Gesundheitspolitik
Krankenrückkehrgespräche sind ein weit verbreitetes Instrument, mit dem Unternehmen versuchen, Fehlzeiten zu beeinflussen. Eine repräsentative Studie von Lenhard/Bös ergab, dass sie in knapp einem Drittel von 447 untersuchten Betrieben der Metall- und Dienstleistungsbranche angewendet werden.
Wie gehen Vorgesetzte und Mitarbeiter konkret mit Rückkehrgesprächen um? Wie sehen die Rahmenbedingungen aus, unter denen sie geführt werden und als wie belastend werden sie erlebt? Welche Vorteile und Nachteile werden – bezogen auf Rückkehrgespräche und Anwesenheits- und Gesprächscontrolling – angeführt und inwieweit werden sie als Element der Gesundheitsförderung gesehen? Wie müssen sie gestaltet sein, um von den Sozialpartnern gleichermaßen akzeptiert zu werden?
In der öffentlichen Diskussion gelten Rückkehrgespräche zum Teil als singuläre Strategie, um vermeintliche Simulanten zu enttarnen. Ein solches Vorgehen sei mit dem Gedanken der betrieblichen Gesundheitsförderung nicht zu vereinbaren. Die Daimler-Chrysler AG betreibt seit mehreren Jahren ein an einem Lernzyklus orientiertes und vielschichtiges Gesundheitsmanagement. Ein Bestandteil davon ist das Instrument des Anwesenheitsund Gesprächscontrollings, ein System gestufter Rückkehrgespräche mit dem Anspruch, Gesundheit zu fördern.
40
Das Anwesenheits- und Gesprächscontrolling ist ein
zusammenpassen und welche Folgen es hat,
System gestufter Rückkehrgespräche. Es wurde bei
wenn sie auseinander klaffen. Das Projekt verfolgt
Daimler-Chrysler mit dem Ziel eingeführt, die Kom-
das Ziel, die Erfahrungen mit dem Instrument zu
munikationsfähigkeit der Vorgesetzten zu verbes-
analysieren und für die Betriebe und Sozialpartner
sern und Vor-Ort-Maßnahmen anzustoßen, die die
grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen, wie
Gesundheitssituation der Beschäftigten verbessern
Rückkehrgespräche in der Automobilindustrie
sollen. Vom Anspruch her ist es also ein Instrument,
genutzt und bewertet werden. Die Erkenntnisse
das das Gesundheitsmanagement der Führungs-
sollen aufbereitet werden und den Sozialpartnern
kraft unterstützen kann und nur bedingt dazu dient,
dabei helfen, die betriebliche Gesundheits- und
das Fehlzeitverhalten zu steuern.
Sozialpolitik zu gestalten.
In Fokusgruppen sowie schriftlichen und münd-
In der ersten Stufe wurde zum Beispiel eine Stich-
lichen Interviews mit Betroffenen und Experten
probe durchgeführt, an der sich 472 Mitarbei-
wird untersucht, inwieweit Anspruch und Realität
ter/innen beteiligten. Dabei wurde unter anderem
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Themenbereich III . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erfahrungen bündeln – Politik gestalten
nach dem Bekanntheitsgrad der Maßnahme
Beispielen für vereinbarte Maßnahmen als Ergeb-
gefragt, nach den Rahmenbedingungen der Ge-
nis der Gespräche liegt der Fokus im Bereich des
spräche sowie nach Einstellungen zu und Erfah-
Arbeitsschutzes. In vielen Fällen bringe das Ge-
rungen mit der Maßnahme. Von den 472 Mitarbei-
spräch lediglich den Kontakt zum Vorgesetzten.
tern hatten 170 schon Rückkehrgespräche erlebt.
Dessen Glaubwürdigkeit als „Kümmerer“ für Ge-
Es zeigten sich folgende Tendenzen: Es mangelte
sundheit ist jedoch umstritten.
an Informationen über das Anwesenheits- und
Insgesamt wird der Maßnahme bisher eine man-
Gesprächscontrolling und darüber, wie es ge-
gelnde Gesundheitsförderlichkeit attestiert. Daraus
handhabt wird. Die Zeiträume zwischen der Rück-
folgt der Vorschlag, das Konzept an die Realität
kehr und den entsprechenden Gesprächen galten
anzupassen, das Schulungskonzept zu ergänzen
als zu lang und die Gespräche selbst als problema-
sowie das Ganze besser zu vernetzen.
tisch.
Für die zweite Stufe des Projekts ist eine in die Fläche gehende Analyse der Praxis von Rückkehrgesprächen in der bundesdeutschen Automobilindus-
Insgesamt verbesserungsbedürftig
trie einschließlich der Zulieferbetriebe vorgesehen. Den Kern der dritten Stufe soll ein Transferwork-
Die Rückkehrgespräche wurden von 20 Prozent als
shop bilden, bei dem auf der Basis der gewonnenen
belastend, von 30 Prozent als hilfreich bezeichnet.
Erkenntnisse Sinn und Zweck von Rückkehrgesprä-
Ausländische Mitarbeiter und Frauen erlebten sie –
chen im Rahmen der betrieblichen Gesundheits-
verglichen mit ihren deutschen männlichen Kolle-
und Personalpolitik mit den Sozialpartnern themati-
gen – häufiger als belastend. Die generelle Mei-
siert werden sollen.
Betriebliche Gesundheitsförderung war und ist – wird sie konsequent initiiert und durchgeführt – potenziell auch immer ein Angriff auf gewachsene Strukturen sowie alte Orientierungs- und Konfliktmuster. Sie konfrontiert verschiedene innerbetriebliche Akteure ebenso wie externe Experten, zum Beispiel aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, damit, ihr Rollenverständnis zu reflektieren und neue Aufgaben zu übernehmen, auf die sie in der Regel nicht adäquat vorbereitet sind.
nung über die Rückkehrgespräche war geteilt. Die
Auch vor diesem Hintergrund wird betriebliche Gesundheitsförderung kritisch hinterfragt und kommentiert. Unabhängig von den damit verbundenen Motiven ist das gut und wichtig: Nur durch Kritik können Erreichtes und Defizite aufgezeigt und auf dieser Basis die sinnvollen Ansätze weiterentwickelt werden.
Hälfte bewertete sie als positiv beziehungsweise negativ. Insgesamt wurden sie als verbesserungsbedürftig eingestuft. Ein Fazit aus den Interviews mit den Vorgesetzten: Die Führungskräfte gestalten das Anwesenheitsund Gesprächscontrolling so, wie sie es entspre-
Projekt-Nr. S-2000-177-4 Titel: Rückkehrgespräche und betriebliche Gesundheitspolitik: Formen, Verbreitung, Bewertung und Bewältigung des Instrumentes der Krankenrückkehrgespräche in der Automobilindustrie Laufzeit: 24 Monate seit Juni 2000 Bearbeitung: Prof. Dr. Holger Pfaff, Claudia Kaiser, Holger Krause, Universität zu Köln, Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, 50931 Köln Ergebnis: Holger Pfaff, Claudia Kaiser, Holger Krause: Rückkehrgespräche und betriebliche Gesundheitspolitik: Formen, Verbreitung, Bewertung und Bewältigung des Instrumentes der Krankenrückkehrgespräche in der Automobilindustrie. Zwischenbericht
chend dem Arbeitsumfeld ihrer Kostenstelle, ihrem Verhältnis zu ihrer Mannschaft und gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter für richtig halten. Als Gründe dafür werden unter anderem das bedrohliche Potenzial der Stufung, die Unterschiedlichkeit der „Fälle“ und Zeitmangel benannt. Die Mitarbeiter äußerten in Interviews, sie seien über das Konzept wenig informiert. Die Angemessenheit der geführten Gespräche, zum Beispiel das Verhalten des Vorgesetzten, hat entscheidenden
Zu den Problemen, betriebliche Gesundheitsförderung umzusetzen, zählen unter anderem die Qualität der Maßnahmen, besonders in Bezug auf die Konzeptlosigkeit, Episodenhaftigkeit und die mangelnde Zweckmäßigkeit, sowie die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure. Die Praxiserfahrungen und der wissenschaftliche Diskurs haben dazu beigetragen, dass neben der betrieblichen Gesundheitsförderung inzwischen das betriebliche Gesundheitsmangement und die betriebliche Gesundheitspolitik verstärkt in den Blick geraten.
Einfluss auf diese Bewertung. Bei den wenigen
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Erfolgreich durch Gesundheitsmanagement – Beispiele aus der Arbeitswelt Was haben die Hewlett Packard GmbH, Scandinavian Airlines System (SAS), Volkswagen AG, DuPont de Nemours (Deutschland) GmbH, ein städtisches Klinikum und Schott Glas gemeinsam? Und was unterscheidet sie, bezogen auf Zugänge, Motive und Zielsetzungen, auf Strukturen und Prozesse, Ergebnisse und Effekte, die mit Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung und einem Gesundheitsmanagement verbunden sind?
>
ihrer täglichen und strategischen Arbeit be-
>
In Phasen umfassender Veränderungsprozesse
wusst sind. Konsequenterweise müssen fal-
und raschen Organisationswandels besteht die
sche Tabus ebenso abgebaut werden wie das
Gefahr, Ansätze wie Unternehmenskultur und
Propagieren simpler Lösungsansätze.
Gesundheitsmanagement zu vernachlässigen.
Das Ziel, Fehlzeiten zu reduzieren, bot häufig
Das gilt besonders, wenn bislang nicht erfah-
das Einfallstor für Gesundheitsförderung. In-
ren und reflektiert wurde, welchen Beitrag sie
zwischen werden vielfältige Gründe benannt,
unter Umständen selbst dazu leisten, dass Mit-
Aus Beispielen lernen – diese Grundidee hat auch
für einen Einstieg in die Thematik lassen kei-
die dafür sprechen, ein betriebliches Gesund-
arbeiterinnen es nicht als Bedrohung, sondern
dazu geführt, dass die Bertelsmann Stiftung und
nen Rückschluss darauf zu, ob sich Maßnah-
heitsmanagement zu entwickeln. Fehlzeiten
als Chance sehen und leben lernen, wenn sich
die Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam das Hand-
men als erfolgreich und tragfähig erweisen.
sind lediglich einer der möglichen Indikatoren.
etwas verändert.
buch „Erfolgreich durch Gesundheitsmanage-
Ziele und Vorgehensweisen sind immer vor
Sie verweisen auf Störungen, können sie aber
ment“ herausgaben. Es wendet sich insbesondere
dem Hintergrund der „Anschlussfähigkeit“
nicht erklären. Im Umkehrschluss wird inzwi-
Die große Resonanz auf die Studien der Hans-
an Entscheidungsträger in Unternehmen und Ver-
innerhalb eines Unternehmens auszuwählen
schen auch thematisiert, dass Gesundheitsför-
Böckler-Stiftung zur betrieblichen Gesundheitsför-
und anzupassen.
derung nicht die einzige Ursache ist, wenn
derung und ein hohes Informationsbedürfnis von
Wenn betriebliche Gesundheitsförderung die
Fehlzeiten reduziert wurden.
Unternehmen waren die Gründe dafür, die Thema-
Im Arbeits- und Gesundheitsschutz und auch
tik durch dieses Handbuch zu vertiefen. Es soll zur
waltungen, an Führungskräfte und Personalverant>
wortliche, Betriebsärzte und Arbeitssicherheitsexperten, Vertreter von Arbeitnehmerinteressen
Arbeitsschritte Analyse – Intervention – Evalua-
und Betriebsräte sowie an Gesundheitsexperten
tion berücksichtigt, kann aus den Vorgehens-
bezogen auf die Mitbestimmung sind die Stan-
Diskussion und zum Widerspruch anregen. Damit
auf außerbetrieblicher Ebene.
weisen und erreichten Ergebnissen und Effek-
dards in Deutschland vergleichsweise hoch.
ist aber auch das Ziel verbunden, das Interesse an
17 Fallbeispiele bieten einen Einblick in Unterneh-
ten systematisch gelernt werden. Zunehmend
Dem stand und steht häufig eine geringe
einer modernen betrieblichen Gesundheitspolitik
men aus verschiedenen Produktions- und Dienst-
wird Abschied von der Idee genommen, Ge-
Umsetzung der gesetzlichen Möglichkeiten
bei allen (potenziellen) Akteuren zu stärken, Krite-
leistungsbereichen unterschiedlicher Größe; die
sundheitsförderung könne „schnelle Lösungen“
gegenüber. Bezogen auf beide Themenfelder
rien für eine zeitgemäße betriebliche Gesund-
Beschäftigtenzahlen reichen von unter 100 bis zu
produzieren, vielmehr auf den Prozesscharakter
bieten Ansatz und Vorgehensweisen der
heitspolitik aufzuzeigen und Impulse für ein offen-
170 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie
von Gesundheitsförderung verwiesen.
Gesundheitsförderung die Chance, von einem
sives Gesundheitsmanagement zu geben.
Eine Trennung von technischen und psycho-
„Wir wissen schon, was für euch gut ist“ weg
Gesundheitsförderung. Auswahlkriterien waren
mentalen Belastungen ist weder sinnvoll noch
zu kommen und „betroffene“ Mitarbeiterinnen
eine „wahrhaftige“ – im Sinne einer plausiblen –
möglich; das belegen Forschung und Praxis.
und Mitarbeiter zu „gestaltenden“ werden zu
dokumenten- und datengestützte Darstellung, das
Einige
den
lassen. Der Prozess der Mitarbeiterbeteiligung
Innovative des gewählten Ansatzes und der
Anspruch ab, das Expertenwissen der Mitar-
bildet ein Kernstück betrieblicher Gesundheits-
gewählten Vorgehensweise sowie der Grad der
beiter/innen aus dem Arbeits- und Gesund-
förderung.
Institutionalisierung und Systematisierung des
heitsschutz zukünftig noch systematischer und
betrieblichen Gesundheitsmangements.
effektiver mit den Kompetenzen und Erfahrun-
Möglichkeit, bestimmte Problemlagen zu er-
Trotz aller Unterschiede, die sich auch in der inhalt-
gen derjenigen zusammenzubringen, die den
kennen, zu analysieren und zu bearbeiten, sie
lichen Akzentuierung der betrieblichen Gesund-
Bereich der Gesundheitsförderung vertreten.
macht darüber hinaus weitere Defizite deutlich.
>
belegen die Integrationsfähigkeit betrieblicher
>
Unternehmen
leiten
daraus
>
>
Menschliche Verhaltensweisen sind nicht mit
In den Beiträgen wird in diesem Zusammen-
und Erfahrungen zeigen, gibt es doch einige
einem einfachen Ursache-Wirkung-Mecha-
hang immer wieder auf Qualifizierungsbedarfe
Aspekte, die immer wieder deutlich werden:
nismus zu erklären. Gesundheitsförderung und
hinsichtlich der Gesprächsführung, der Konflikt-
>
Es gibt keinen „Königsweg“ in der betrieb-
betriebliche Gesundheitspolitik sind auch des-
bearbeitung und auf mangelnde Führungskom-
lichen Gesundheitsförderung und im Gesund-
halb auf Dauer nur dann erfolgreich, wenn sich
petenzen im (mittleren) Management verwie-
heitsmanagement. Die ursprünglichen Motive
die Akteure der vielschichtigen Bedingungen in
sen.
heitsförderung, in vielfältigen Vorgehensweisen
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Projekt-Nr. S-1998-38-4 Titel: Ergänzungsband zum Handbuch „Vorteil Unternehmenskultur“: Partnerschaftliche Unternehmenskultur und betriebliche Gesundheitspolitik Laufzeit: 29 Monate seit April 1998 Träger: Hans-Böckler-Stiftung, Bertelsmann Stiftung Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Ergebnis: Erfolgreich durch Gesundheitsmanagement. Beispiele aus der Arbeitswelt. Hrsg. von Ulrike Craes, Erika Mezger unter wissenschaftlicher Leitung von Bernhard Badura, Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung, 2000, 340 S.
Gesundheitsförderung bietet nicht nur die
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Praxisleitfaden für das betriebliche Gesundheitsmanagement Eine Art „Kochbuch“ für das betriebliche Gesundheitsmanagement schreiben – geht das überhaupt? Wie können hoch komplexe Theorien und Wissensbestände einerseits und Handlungsanweisungen andererseits gleichzeitig auf den Tisch gebracht werden, noch dazu, wenn „Köche“ und zur Unterstützung (hier: Beratung) hinzugezogenes „Küchenpersonal“ mit höchst unterschiedlichen Rezepturen vertraut sind und manchmal nicht einmal die gleiche Sprache sprechen?
Handeln ausgebaut werden, bleiben letztend-
tem. Das hätte auch den Unterschieden in den
lich Insellösungen und können nicht nachhaltig
Betrieben und Branchen widersprochen.
wirken.
Der Leitfaden beschreibt Zusammenhänge zwischen Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung und
Verschiedene Qualitätsmodelle wurden einbezo-
betrieblichem Gesundheitsmanagement. Er erläu-
gen und bei den Strategien wurde auf bewährte,
tert Begrifflichkeiten und gibt einen Überblick über
vergleichbare Vorgehensweisen aus unterschied-
die wissenschaftliche Basis und die Ziele des
An gutem Willen und viel Engagement, die Qua-
ihre Partizipation können Gesundheitspotenzia-
lichen Disziplinen zurückgegriffen. Es entstand
betrieblichen Gesundheits- und des Qualitätsma-
dratur des Kreises zu schaffen, fehlt es bei den
le erschlossen werden.
kein bis in alle Einzelheiten festgelegtes Regelsys-
nagements. Er formuliert Qualitätskriterien und
>
Arbeiten zum „Leitfaden für das betriebliche
seine Erfolge fortlaufend nachweisen, um
Qualitätselemente eines in den Betrieb integrierten und systematisch betriebenen Gesundheitsmanagements
seine Zweckmäßigkeit belegen zu können.
Management“ und der zurzeit laufenden Fort>
schreibung zu einem „Handbuch betriebliches
als wichtigen Faktor in den täglichen betrieb-
Gesundheitsmanagement“ nicht.
lichen Entscheidungen berücksichtigen, die
Die ursprüngliche Initiative für diesen Leitfaden
Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern. Maß-
ging übrigens 1996 von einer öffentlichen Aus-
nahmen, die nicht zu organisationsweitem
Führungsqualität
Strukturqualität
Prozessqualität
Ergebnisqualität
schreibung des damaligen BundesgesundheitsmiInvestitionsbereitschaft
nisters Seehofer aus. Kurz darauf folgte die Ände-
Personalressourcen
rung des § 20 SGB V, so dass das Interesse am Leitfaden wieder erlosch. Die Hans-Böckler-Stiftung, die Bundesverbände
Diagnose
der Allgemeinen Ortskrankenkassen, der Betriebs-
Interventionsplanung
Person • Bindung an das Unternehmen • Angst/Hilflosigkeit • Selbstwertgefühl/-vertrauen • Arbeitszufriedenheit • Motivation • körperliche Gesundheit
krankenkassen und der Innungskrankenkassen Vorbildfunktion
Qualifikation der verantwortlichen Akteure
zeitliches Engagement
materielle Ausstattung und Budget
sprangen ein. Nicht nur bezogen auf die materielle Unterstützung, sondern auch durch ihre Mitwirkung in den Projektbeiräten und im Rahmen von
Organisation • Führungsstil • Partizipation • Unternehmenskultur • Transparenz der Entscheidungen • Arbeitsbedingungen • Fort- und Weiterbildung
drei „Konsensusworkshops“. Beteiligt waren auch weitere Vertreter aus dem Arbeits- und Gesundheitsschutz, von Arbeitgebern und Gewerkschaften, außerdem Projektbearbeiter und Wissenschaftler aus anderen Gesundheitsförderungsprojekten. Die Grundidee war, dass betriebliches GesundErfolgsbewertung
heitsmanagement vier Herausforderungen gerecht werden sollte. Es müsse >
neue Forschungsergebnisse einbeziehen und Rückmeldung der Ergebnisse
Alltagserfahrungen berücksichtigen. >
Durchführung der Intervention
von den Betroffenen akzeptiert sein. Die Mitar-
interne und externe Verankerung
beiter wirken im Prozess des Gesundheitsmanagements als Koproduzenten mit. Nur durch
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47
Verhalten • Anwesenheitsquote • Arbeitsverhalten • Kreativität/Flexibilität • Beziehungs- u. Sozialverhalten • Bewegung/Ernährung • Genussmittelkonsum
Betriebliches Ergebnis • Produktivität • Qualität • Kundenorientierung • Innovationskraft • Flexibilität • Kostensenkung
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Expertenkommission zur Zukunft betrieblicher Gesundheitspolitik Sind betriebliche Gesundheitsförderung sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz aufeinander zugegangen? Welche Begriffe werden benutzt und welche Konzepte stehen dahinter? Inwieweit passen Themenschwerpunkte, Normensysteme, Vorschriften und Vorgehensweisen noch auf die veränderte Arbeitswelt und veränderte Beanspruchungen, Belastungen und Schädigungen? Welchen Reformbedarf gibt es in Bezug auf gesetzliche und tarifliche Bestimmungen?
einen Lernzyklus und schafft damit eine Basis für Selbstbewertungen.
Projekt-Nr. S-1997-894-4 Titel: Qualitätssicherung in der betrieblichen Gesundheitsförderung – Bedingungen und Entwicklung eines Auditinstruments für die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität von Gesundheitsförderung in Organisationen Laufzeit: 27 Monate seit März 1997 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld; Dipl. Soz. Wolfgang Ritter, 28203 Bremen Ergebnis: Bernhard Badura, Wolfgang Ritter, Michael Scherf: Betriebliches Gesundheitsmanagement – ein Leitfaden für die Praxis. Berlin: edition sigma, 1999, 190 S. (Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung; 17)
Auf der vorhergehenden Seite sind zentrale Qualitätselemente eines in den Betrieb integrierten und systematisch betriebenen Qualitätsmanagements grafisch dargestellt. Der Leitfaden wurde in zwölf Betrieben mit den Experten, Führungskräften und Beschäftigten diskutiert. Die Ergebnisse sind darin ebenfalls veröffentlicht. Der Leitfaden wurde in einer gesonderten Studie auch quantitativ überprüft und soll – dadurch angeregt – weiter bearbeitet werden. Um ihn zum „Handbuch betriebliches Manage-
Projekt-Nr. S-1999-97-4 Titel: Qualitätssicherung in der betrieblichen Gesundheitsförderung Laufzeit: 9 Monate seit Januar 1999 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld; Prof. Dr. Klaus Bös, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Institut für Sportwissenschaften, 60487 Frankfurt Ergebnis: Ferdinand Gröben, Wolfgang Ritter, Bernhard Badura, Klaus Bös: Quantitative Prüfung des Leitfadens für die „Qualitätssicherung in der betrieblichen Gesundheitsförderung“ Abschlussbericht, Bielefeld, Karlsruhe, November 1999, 42 S.
ment“ weiter zu entwickeln, wird jetzt eine verbesserte Praxisnähe der Inhalte und Empfehlungen angestrebt. Auch hinsichtlich konkreter und optimaler Verfahrensvorschläge soll er noch weiter entwickelt werden. Dadurch soll auch ein Beitrag geleistet werden, den Arbeitsschutz sowie die betrieblichen Sozial- und Gesundheitsdienste zu reprofessionalisieren.
Die Kritik am Arbeits- und Gesundheitsschutz ist
Handlungsspielräume und Kompetenzen kritisch
trotz neuer Handlungsmöglichkeiten und Reform-
reflektiert und dabei internationale Erfahrungen
initiativen nicht zu überhören. Sie bezieht sich auf
einbezogen.
die Umsetzung und die Instrumente, die Vorge-
Es existieren zahlreiche Vorstellungen darüber, mit
hensweisen und das Selbstverständnis der Ar-
welchen Zielen und Instrumenten zukünftig die
beitsschutzexperten, auf das wissenschaftliche
Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
Fundament, die Arbeitsweise und Qualität der
mern geschützt und gefördert werden soll. Mit
Arbeitsergebnisse sowie auf Umsetzungsdefizite
Blick auf die sich wandelnde Arbeitswelt, auf die
in Bezug auf Richtlinien und Regelungen der Euro-
Bedürfnisse der Erwerbstätigen, die Interessen
päischen Union und das neue Arbeitsschutzgesetz.
der Sozialpartner und neue wissenschaftliche
Tagungen und Gutachten belegen, zum Beispiel
Erkenntnisse und Konzepte müssen sie gesichtet
bezogen auf die arbeitsmedizinische und betriebs-
und bewertet werden. Auf dieser Grundlage soll
ärztliche Betreuung, einen erheblichen Entwick-
dann der Arbeits- und Gesundheitsschutz auf den
lungsbedarf.
verschiedenen Entscheidungsebenen umgesetzt
Aber auch in diesem Bereich wird auf Grundlage
und weiter entwickelt werden.
von richtungsweisenden Praxismodellen an einer
Folgende Fragen sollen genauer geprüft werden:
Entwicklung hin zum Arbeitsschutzmanagement
>
mit betrieblichen Eigeninitiativen,
gearbeitet, werden Selbstverständnis, die eigenen
Projekt-Nr. S-2000-235-4 Titel: Weiterentwicklung des Leitfadens für das betriebliche Gesundheitsmanagement Laufzeit: 15 Monate seit November 2000 Bearbeitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Thomas Hehlmann, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld Kooperationsprojekt: Hans-Böckler-Stiftung und Bertelsmann Stiftung
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Zusammenspiel politischer Rahmensetzungen
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Interview Wohlbefinden der Beschäftigten als zentralen Zielwert anerkennen >
Zusammenarbeit der Sozialpartner,
Die Expertenkommission wird von einer Steue-
>
Zusammenarbeit überbetrieblicher Akteure,
rungsgruppe koordiniert und geleitet. Sie besteht
>
Institutionaliserung
aus führenden Vertretern/-innen der Unterneh-
>
und
Systematisierung
Gespräch mit Dr. Hermann Rappe, Vorsitzender der Expertenkommission „Zukunft betrieblicher Gesundheitspolitik“ und Prof. Dr. Bernhard Badura, Wissenschaftlicher Leiter der Kommission
sowie
menspraxis, der Politik, der Sozialpartner und der
Informations- und Forschungsbedarf.
beteiligten Verbände. Ihre Arbeit, die durch wis-
kräfte im Betrieb arbeiten und wirken können, dass
senschaftliche Expertisen und Transparenzstudien
da keine Fähigkeiten verloren gehen. Gesundheit
unterstützt wird, ist auf drei Jahre angelegt.
am Arbeitsplatz ist für alle Beteiligten, die in der
Grundlagen bearbeiten
Wirtschaft aufeinander treffen, ein ganz wichtiger Punkt.
Mit dieser Arbeit hat im August 2001 eine von der Bertelsmann Stiftung und der Hans-Böckler-Stif-
Herr Badura, Ihre Biografie ist anders geprägt:
tung eingerichtete Expertenkommission begon-
Ausgangspunkte waren für Sie zum Beispiel
nen. Im Vordergrund stehen folgende Ziele:
die öffentliche Diskussion über den Gesund-
>
Die Begriffe Arbeits- und Gesundheitsschutz,
heitsbegriff und die Mitarbeit an der Ottawa-
betriebliche Gesundheitsförderung, Arbeits-
Charta der WHO. Seit einigen Jahren sind Sie
schutzmanagement und betriebliches Ge-
auch Projektnehmer der Hans-Böckler-Stiftung.
sundheitsmanagement müssen hinsichtlich
Wo sehen Sie neue Impulse, die sich in der
der Übereinstimmungen/Abweichungen ihrer
Expertenkommission oder durch Ihre wissen-
jeweiligen Ziele, Aufgaben und Kompetenz-
schaftliche Leitung ergeben?
bereiche geklärt werden. >
>
>
Dr. Hermann Rappe
Bernhard Badura: Wir haben als Grundlagenfor-
Der Handlungsbedarf muss im Blick auf humane, soziale und ökonomische Anforderungen in
Herr Rappe, Sie waren unter anderem 26 Jahre
der Arbeitswelt definiert werden.
lang Mitglied des Deutschen Bundestags, 14
Die öffentliche Diskussion und ein verbesser-
Jahre 1. Vorsitzender der Industriegewerk-
tes Zusammenwirken der Beteiligten in der
schaft Chemie-Papier-Keramik (IGCPK) und Mit-
betrieblichen Gesundheitspolitik muss geför-
glied in europäischen und internationalen Gre-
dert werden.
mien der Chemiearbeitergewerkschaften. Für
Die tarifpolitische Einsicht in die Notwendigkeit
Sie gab es viele Möglichkeiten, Einfluss auf die
betrieblicher Maßnahmen im Rahmen partner-
betriebliche Arbeits- und Gesundheitspolitik zu
schaftlicher
Unternehmenskulturen
muss
Projekt-Nr. S-2001-273-4 Titel: Expertenkommission: Zukunft betrieblicher Gesundheitspolitik – Bestandsaufnahme und Empfehlung zur Fortschreibung gesetzlicher und tariflicher Bestimmungen sowie zur Förderung der betrieblichen Gesundheitspolitik Laufzeit: 36 Monate seit Mai 2001 Träger: Hans-Böckler-Stiftung und Bertelsmann Stiftung Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. Bernhard Badura, Universität Bielefeld, 33501 Bielefeld; Vorsitzender der Kommission: Dr. Hermann Rappe, 31157 Sarstedt
gestärkt werden. >
Es müssen Anforderungen formuliert werden, wie ein betriebliches Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement ausgestaltet werden soll.
>
Notwendig sind Empfehlungen, wie die Zusammenarbeit zwischen Ministerien, Sozialversicherungszweigen
(einschließlich
der
Selbstverwaltungsorgane) und Unternehmensebene verbessert werden kann.
scher angefangen und uns mit der Frage beschäf-
nehmen. Wo lag Ihre persönliche Motivation, jetzt den Vorsitz der Expertenkommission zu übernehmen?
Hermann Rappe: Ich glaube, dass die wirtschaftliche Kraft unseres Landes, die Produktivität eines Unternehmens unter anderem auch davon abhängt, wie denn Gesundheitspolitik im Betrieb verwirklicht wird. Es ist ja eine Frage der Gesunderhaltung der Arbeitskraft, dass langjährige Fach-
50
Prof. Dr. Bernhard Badura
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tigt: Was in der Arbeitswelt macht krank und was
Dauer nur, wenn die Arbeitnehmer gesund und
Wie setzt sich die Expertenkommission zusam-
Welche Anregungen ergeben sich voraussicht-
erhält gesund? Wir stießen auf die Probleme im
zufrieden sind. Ich glaube, dass eine Unterneh-
men und welche Ziele sind geplant?
lich für die Gewerkschaften?
deutschen Arbeits- und Gesundheitsschutz, und
mensleitung begreifen muss, dass wochenlange
wir haben durch die Erfahrungen in diversen Pro-
Ungewissheit von Arbeitnehmern, ob ihr Betriebs-
Bernhard Badura: Wir haben am Anfang genau
Hermann Rappe: Die Gewerkschaften würden
jekten lernen müssen, dass der Grundlagen-
teil verkauft oder nicht verkauft wird, geschlossen
geprüft, wer hier mit ins Boot muss. Wir haben ver-
nur an einem Ende wirken, wenn sie nur auf Tarif-
forscher, der Wissen produziert, damit nur die not-
oder reduziert wird, zu Ängsten beiträgt und unter
sucht, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, die verschiede-
lohn gucken. Ich hoffe, dass wir auch die Tarifver-
wendigen Bedingungen für gesellschaftlichen
Umständen zu Unlust und Fehltagen führt, bis hin
nen Berufsgruppen, Praktiker, Wissenschaftler, Poli-
tragsparteien dazu kriegen, in den weiten Bereich
Wandel schafft. Die eigentliche Herausforderung
zur Entwicklung von gesundheitlichen Problemen.
tiker einzubeziehen. Das ist eigentlich ganz gut
von Manteltarifverträgen deutlicher das Problem
dieser Kommission liegt doch darin, dass wir,
Insofern trifft sich das, was ich hier sehe, auch mit
gelungen. Die Kommissionsarbeit ist so flexibel,
Gesundheit am Arbeitsplatz einzubeziehen. Auch
wenn wir gute Arbeit leisten, tatsächlich die Chan-
notwendigen Erkenntnissen für mehr partner-
dass wir zu den Anhörungen oder auch sonst wei-
kann oder darf es keinen Betriebsrat und keinen
ce bekommen, nicht nur das vorhandene Wissen
schaftliche Mitbestimmung und Transparenz. Das
tere Experten hinzuziehen können. In der laufenden
Personalrat ohne Gesundheitskommission geben.
noch mal zur Kenntnis zu nehmen, sondern daraus
alles ist ein Teil der Unternehmenskultur. Und wir
Arbeit werden wir sicher auf Konflikte stoßen, auf
Das heißt, wie man eine Prämien- und Lohnkom-
auch die richtigen Schlussfolgerungen für die Pra-
haben ein wesentliches Klassenziel erreicht, wenn
Kontroversen. Die müssen wir austragen, und wir
mission oder eine Umweltkommission hat, muss
xis zu ziehen.
die Geschäftsleitungen oder Vorstände der Unter-
müssen die Gelegenheit nutzen, von allen Positio-
man auch eine innerbetriebliche Gesundheitskom-
nehmen sich auch mit betrieblicher Gesundheits-
nen zu lernen. Aber letztlich müssen wir auch zu
mission haben. Und dann müssen die Partner ver-
Welche Zielgruppen und inhaltlichen Schwer-
politik beschäftigen und nicht nur mit der täglichen
Schlussfolgerungen kommen, die anregen sollen,
nünftig damit arbeiten. Die Betriebe wollen doch
punkte ergeben sich aus Ihren Erfahrungen mit
Börse.
Veränderungen einzuleiten, die nicht nur das Beste-
immer betriebsnahe Regelungen. Wir werden
hende wiedergeben, sondern auch als Katalysator
ihnen den Rahmen dafür liefern, und sie sollten
in die Gesellschaft hinein wirken sollen.
diesen ausgestalten.
dem Arbeits- und Gesundheitsschutz und Bernhard Badura: Wissenschaftlich gesehen ist
durch den Wandel der Arbeitsgellschaft?
es natürlich unser Interesse, dass wir für das Hermann Rappe: Es ist eine neue Stufe, die wir
Thema der sozialen, psychischen, mentalen Belas-
Hermann Rappe: Wir haben beide von Anfang an
Haben Sie Hinweise darauf, dass das Thema
jetzt vor uns haben und die wir auch konkretisieren
tungen verstärkte Aufmerksamkeit bekommen;
begrüßt, dass hier die Bertelsmann- und die Hans-
jetzt mehr Bedeutung erfährt? Und wie schät-
wollen: Nämlich zu erkennen, dass erstens die bis-
dass das Wohlbefinden der Beschäftigten als ein
Böckler-Stiftung zusammenarbeiten und beide die-
zen Sie die politische Großwetterlage für die
herigen Aktivitäten im Arbeits- und Gesundheits-
zentraler Zielwert anerkannt wird, was bisher nicht
sem Thema Aktivitäten zuordnen. Das trägt, glau-
Umsetzung von Ergebnissen der Kommission
schutz nach wie vor bleiben, aber die psychischen
der Fall ist. Wir sprechen ja nur von Arbeitsunfäl-
be ich, sehr zur Verbreitung unserer Absichten und
ein?
Belastungen, der Druck am Arbeitsplatz, auch die
len, Berufskrankheiten und Fehlzeiten als Zielwer-
der hoffentlich guten Inhalte bei. Die Kommission
damit verbundenen Leistungsvorgaben neu und
ten.
ist in vier Arbeitsgruppen unterteilt. Wir hoffen,
Hermann Rappe: Ich setze darauf, dass beide Sei-
verstärkt hinzukommen. Und der dritte Punkt ist,
Wir glauben, dass in Zukunft neue Verfahren in
dass wir Ende diesen Jahres einen Zwischenbe-
ten, besonders die Unternehmen, klug genug sind,
deutlicher als je zuvor, dass das Thema auch die
Betrieben praktiziert werden müssen, um dieses
richt vorlegen können. Und wir hoffen, dass wir
diesen Ball aufzunehmen und sich darum zu küm-
mittleren und oberen Führungsschichten bis in die
komplexe Thema nachhaltig zu bearbeiten. Die
einen Abschlussbericht zustande bekommen, der
mern, das Thema in ihren Unternehmen zu bear-
höchsten Führungsspitzen betrifft. Die Verdichtung
Betriebe müssen befähigt werden, durch be-
die Beteiligten anregt, über ihre eigenen Aufgaben
beiten. Wenn es uns gelingt, klarzumachen, dass
von Arbeit und der Druck, der damit auf allen Ebe-
triebliches Gesundheitsmanagement ihre eigene
nachzudenken. Dass vor allen Dingen ein Bericht
Gesundheit am Arbeitsplatz auch eine Frage wirt-
nen zusammenhängt, bedingt meiner Meinung
Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Wir müssen
herauskommt, der nicht in rotem Leinen mit Gold-
schaftlicher Entwicklung des Unternehmens ist
nach gesundheitliche Probleme, die wir in den
ganz bewusst den Schritt aus dem Elfenbeinturm
druck hinter Glas in Büchereien wandert, sondern
und nicht bloß ein Kostentitel, sondern ein Plus-
Jahrzehnten davor so nicht gekannt haben. Man
heraus wagen und fragen: Wie setze ich das jetzt
der heiß gehandelt wird und auch in der Praxis eine
punkt in der Bilanz, dann haben wir gewonnen. Das
muss deutlich machen, dass dieser Druck wirklich
konkret um, in welchen Arbeitssystemen, in wel-
Rolle spielt.
muss man möglicherweise mit Argumenten klar-
nur vordergründig den Anschein erweckt, er führe
chen Kernprozessen, mit welchen Instrumenten
machen und für unkluge Unternehmer durch ver-
zum guten Betriebsergebnis. Denn insgesamt
muss ich vorgehen, um deutlich nachhaltigere
besserte Rahmengesetzgebungen. Und in diesem
wächst die Leistungskraft im Unternehmen auf
Wirkungen zu erzielen, als das bisher möglich war.
Zusammenhang hoffe ich darauf, dass wir eine
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Ziele und Aufgaben der Hans-Böckler-Stiftung Bundesregierung haben, die diesen Aspekt sieht,
Wir kommen in der Kommission zum Zwischen-
Hans-Böckler-Stiftung
Studienförderung
und einen Arbeitsminister, der dafür eine Antenne
ergebnis, dass dieses Thema einfach eine Aufwer-
Die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerk-
Ziel der Stiftung ist es, einen Beitrag zur Überwin-
hat.
tung erfahren muss. Denn durch die Globalisierung,
schaftsbundes (DGB) wirbt für die Mitbestimmung
dung sozialer Ungleichheit im Bildungswesen zu
die Technisierung und durch die Intensivierung der
als Gestaltungsprinzip einer demokratischen Ge-
leisten. Gewerkschaftlich oder gesellschaftspoli-
Bernhard Badura: Zunächst mal muss ich sagen,
Arbeit kommt es zu einer stärkeren Bedrohung der
sellschaft. Sie tritt dafür ein, Mitbestimmungsrech-
tisch engagierte Studierende unterstützt sie mit
dass die Hans-Böckler-Stiftung durch ihre jahrelan-
Gesundheit und besonders des Wohlbefindens der
te und -möglichkeiten zu erweitern.
Stipendien, mit eigenen Bildungsangeboten und
ge Förderung eine entscheidende Voraussetzung
Beschäftigten.
der Vermittlung von Praktikantenstellen. Bevorzugt
dafür geschaffen hat, dass wir als Wissenschaftler
Wenn wir hier nicht eingreifen, führt dies auch zu
fördert die Stiftung Absolventinnen und Absolven-
an dieser Stelle weitergekommen sind. Ent-
einem schleichenden Verlust an Produktivität und
Beratung und Schulung
scheidend ist, dass man die zentralen Akteure in
Qualität. Und insofern hat es sehr viel mit der ak-
Die Stiftung berät und qualifiziert Betriebs- und Per-
diesem Spiel identifiziert. Dann stellt sich die Frage,
tuellen weltpolitischen Veränderung zu tun, dass
sonalräte und Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsrä-
welche Rolle der Staat hier zukünftig spielen kann
gerade jetzt dieses Thema auf die Tagesordnung
ten, Männer und Frauen, in wirtschaftlichen und
Öffentlichkeitsarbeit
und, was wir auch häufig sehr intensiv diskutiert ha-
gehört.
rechtlichen Angelegenheiten, in Fragen des Perso-
Ihre Arbeitsergebnisse und Dienstleistungen veröf-
ben, welche Rolle die überbetrieblichen Akteure ein-
nal- und Sozialwesens, der beruflichen Aus- und
fentlicht die Stiftung über Veranstaltungen, Publi-
nehmen – Stichwort: Rentenversicherung, Unfall-
Weiterbildung, der Gestaltung neuer Techniken,
kationen, mit PR- und Pressearbeit. Sie gibt zwei
versicherung, Krankenversicherung. Das gleiche gilt
des betrieblichen Arbeits- und Umweltschutzes.
Monatszeitschriften heraus: „Die Mitbestim-
ten des zweiten Bildungsweges.
für die Gewerkschaften, Arbeitgeber, Arbeitnehmer-
mung“ und die „WSI-Mitteilungen“, außerdem die
gruppen.
Vierteljahresschrift „South East Europe Review for
kommen wird, problemorientiert zu arbeiten und
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut (WSI)
eine hohe Qualität des betrieblichen Gesundheits-
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Insti-
managements zu gewährleisten. Sicherlich werden
tut in der Hans-Böckler-Stiftung forscht zu den The-
Hans-Böckler-Stiftung
wir eine staatliche Rahmengesetzgebung brauchen
men „Wirtschaftswandel und Beschäftigung im
Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
und sicherlich auch eine staatliche Selbstverant-
Globalisierungsprozess“, „Soziale Polarisierungen,
Hans-Böckler-Straße 39
wortung auf diesem Gebiet. Aber der Staat wird hier
kollektive Sicherung und Individualisierung“ und
40476 Düsseldorf
nicht mehr nur als Gesetzgeber und – wenn man so
„Arbeitsbeziehungen und Tarifpolitik“. Das WSI-
Telefax: 02 11/77 78 - 2 25
will – als Unternehmenspolizist auftreten, sondern
Tarifarchiv dokumentiert das Tarifgeschehen um-
www.boeckler.de
er wird eher versuchen müssen, die Betriebe zu
fassend und wertet es aus.
Wir glauben, dass es in Zukunft vor allem darauf an-
Labour and Social Affairs (SEER)“ Network und EDV-Informationen für Betriebs- und Personalräte.
befähigen, sie anzureizen, das Richtige auf diesem Gebiet zu tun. Gesundheitspolitisch wird heute eigentlich von allen
Forschungsförderung
Parteien eine Stärkung der Prävention gefordert, nur
Die Abteilung Forschungsförderung der Stiftung
praktisch tut sich wenig, leider. Wir hoffen sehr,
vergibt Forschungsaufträge zu den Themen Struk-
dass wir durch unsere Anregungen jetzt nicht nur
turpolitik, Mitbestimmung, Arbeitsgesellschaft,
Impulse für die betriebliche Gesundheitsförderung
Öffentlicher Sektor und Sozialstaat. Die For-
geben, sondern darüber hinaus auch noch mal un-
schungsergebnisse werden in der Regel nicht nur
terstreichen, welche gesundheitspolitische Be-
publiziert, sondern auf Veranstaltungen zur Diskus-
deutung neben der volkswirtschaftlichen dieses
sion gestellt und zur Weiterqualifizierung von Mit-
Thema hat.
bestimmungsakteuren genutzt.
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Struktur und Schwerpunkte der Abteilung Forschungsförderung Stand: November 2001 Forschungsförderung 4 Abteilungsleitung
Forschungsförderung 1 Referat
Dr. Erika Mezger Tel. 0211/7778-108 E-Mail:
[email protected]
Dr. Frank Gerlach Tel. 0211/7778-127 E-Mail:
[email protected]
Rosemarie Pulfrich Tel. 0211/7778-109 E-Mail:
[email protected]
Renate Scholz Tel. 0211/7778-128 E-Mail:
[email protected]
Förderungsschwerpunkt Modernisierung des öffentlichen Sektors Zukunft des Sozialstaates
n n
Förderungsschwerpunkt Strukturwandel - Innovationen und Beschäftigung
Forschungsförderung 2 Referat
Forschungsförderung 3 Referat
Ina Drescher Tel 0211/7778-175 E-Mail:
[email protected]
Dr. Gudrun Linne Tel. 0211/7778-194 E-Mail:
[email protected]
Dr. Norbert Kluge (beurlaubt bis 4/2003) Tel. 0211/7778-257 E-Mail:
[email protected]
Kirsten Runge Tel. 0211/7778-115 E-Mail:
[email protected]
Renate Anstütz / Ursula Düker-Thomashoff Tel. 0211/7778-176 E-Mail:
[email protected] E-Mail:
[email protected]
n
Förderungsschwerpunkt Perspektiven der Arbeitsgesellschaft
n
Förderungsschwerpunkt Mitbestimmung im Wandel – Solidarität in der Arbeit
n
Forschungsförderung: Dokumentation
Netzwerk Kommunen der Zukunft
Gabriele Hain Tel. 0211/7778-119 E-Mail:
[email protected]
Volker Grünewald Tel: 0211/7778-113 E-Mail:
[email protected]
EDV-gestützte Forschungsinformation
www.kommunen-der-zukunft.de
Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Str. 39 40476 Düsseldorf http://www.boeckler.de
Abt. Forschungsförderung Fax: 0211/7778-283
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