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Wohin wir gehen Iris von Arnim
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»Hamburg hat mir Glück gebracht« Tex t K at rin S chmiedekampf Fotos Florian Raz
Die Designerin Iris von Arnim hat von der Alster aus ein welt weit er folgreiches Mode-Unternehmen aufgebaut. Sie ist ganz sicher: Das konnte nur hier gelingen 17
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Kaschmir ist ihr, wen wundert’s, das liebste Material der Welt: Iris von Arnim in einem Pullover aus ihrer Kollektion (rechte Seite)
Stuck, Skulpturen und ein großer Garten: Die Villa in Harvestehude ist Firmensitz und Wohnhaus zugleich (diese Seite)
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ine Villa in Harvestehude, einem der vornehmsten und schönsten Stadtteile von Hamburg. Die Designerin und Unternehmerin Iris von Arnim steht barfuß im Wintergarten ihrer Dachgeschosswohnung und schaut auf die Krone einer alten Eiche. Gleich hinter dem Haus liegt die Alster wie ein großer See mitten in Hamburg, ein Lieblingsort der Designerin. Die 71-Jährige raucht am offenen Fenster, der Wind durchweht ihre schulterlangen Haare. Sie trägt eine weiße Hose, dazu einen flauschigen, grauen Strickpullover – natürlich aus Kaschmir, der Wolle, mit der sie berühmt wurde. Man nennt Sie auch „Cashmere Queen“. Gefällt Ihnen dieser Titel? Ich war in Deutschland eine der Ersten, die aus einem simplen beigen Kaschmirpullover etwas Modernes gemacht haben. Ich habe mich an ein neues Design gewagt, habe auch Farben wie Rot oder Orange verwendet. So kam ich zu dem Spitznamen. Inzwischen hat sich die Konkurrenz vertausendfacht – aber der Name ist geblieben. Ich finde das natürlich nicht schlecht. Die Leute lieben solche Übertreibungen. Wie kamen Sie ausgerechnet auf Kaschmir? Ich habe vor knapp 40 Jahren damit angefangen, Strick zu machen. Am Anfang habe ich alles selbst hergestellt. Dann beauftragte ich hier in Hamburg Heimarbeiter, die meine Entwürfe auf alten Knittax-Maschinen vervielfältigt haben. Sie haben bunte Pullover mit Jacquards und Intarsien gestrickt. Irgendwann waren mir diese gemusterten Sachen aber zuwider. Ich wollte nur noch unifarbene Pullover machen, aus dem besten Material der Welt. Seitdem verwende ich Kaschmir. Das liegt weich auf der Haut, schmiegt sich an und sieht edel aus. Wer ein Stück von Ihnen kauft, hat für lange Zeit etwas davon … Ja, das hoffe ich. Wenn man sich das schon abspart, möchte ich, dass die Sachen zu Lieblingsstücken werden und man sie ein Leben lang behält. Entspricht das Ihrem eigenen Shopping-Verhalten? Unbedingt. Ich sage immer: Die Taschen voller Geld – aber ich habe nichts gekauft. Ich finde, es ist mit viel Mühe verbunden, richtig einzukaufen. Entweder habe
»Ich mache Mode für die Frau, die ich am besten kenne: für mich selbst«
ich schon etwas sehr Ähnliches im Schrank, oder ich habe das Gefühl, es gefällt mir vielleicht morgen schon nicht mehr. Man muss sich für das Teil interessieren, es anprobieren und sich sofort wohl darin fühlen. Und dann muss es ein Lieblingsstück werden und zehn, zwanzig Jahre im Schrank sein. Sie sind inzwischen weltweit erfolgreich: Promis wie Heidi Klum, Cate Blanchett und Gwen Stefani tragen Ihre Pullover. Wie haben Sie das geschafft? Was die Stars betrifft, sind wir auf deren Stylisten zugegangen, aber ohne große Erwartungen. Ich habe keine Schauspielerinnen oder Models vor Augen, wenn ich etwas entwerfe, sondern mache Mode für die Frau, die ich am besten kenne: für mich selbst. Ich probiere alles selber an, jedes einzelne Teil. Ich trage es meistens einen Tag lang Probe, und wenn ich am Ende dieses Tages feststelle, dass etwas noch nicht stimmt, überarbeite ich das Teil entweder noch einmal – oder es fliegt aus der Kollektion heraus. 19
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»Cashmere Queen? Die Leute lieben solche Übertreibungen« Ein Ort zum Zurücklehnen: Iris von Arnim in ihrem Loft. Die Designerin liebt Interieur, das Geschichte erzählt, in ihrem Bücherregal stehen viele Bildbände: Tom Ford, Coco Chanel, F. C. Gundlach ...
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bei Anna Sgroi. Es liegt mitten in Pöseldorf in einem alten Fachwerkhaus.“ Milchstraße 7 „Bei Uzwei in der Kaisergalerie schätze ich die Vielfalt. Ich gehe in Hamburg aber nicht so gerne shoppen, weil mich
HAMBURG TIPPS VON IRIS VON ARNIM
„An der Alster kehrt man
hier alle kennen. Ich
nicht wegen des guten
mache das lieber anonym.“
Essens ein, sondern wegen
Große Bleichen 23 – 27
des schönen Sees – und weil die Alsterwiesen so
„Alle warten auf das neue
eine Art Sommerfrische wie
Hotel, das gerade an der
in der Schweiz vermitteln.“
Alster gebaut wird, das The Fontenay. Ich bin bei Hotels
„Im Schuhladen Go in
altmodisch und mag am
Eppendorf gibt es eine sehr
liebsten das Hotel Vier
spezielle Auswahl an
Jahreszeiten – die Lounge
Designerschuhen – von
hat Tradition.“
Dries van Noten bis Prada.
Neuer Jungfernstieg 9 – 14
Da findet man Schuhe, die man vielleicht bei dem
„In meiner Nachbarschaft
Budapester Schuhladen in
findet der Isemarkt statt.
der Innenstadt nicht
Dort herrscht jeden
entdecken kann. Ich finde
Dienstag und jeden Freitag
alle Läden gut, in denen
ein buntes Treiben.
man außergewöhnliche
Man sieht viele süße Kinder
Sachen kaufen kann.“
und kann natürlich auch
Eppendorfer Baum 20
schönes Obst und Gemüse kaufen – alles
„Mein Lieblingsrestaurant
ein Augenschmaus.“
liegt direkt in meiner
Isestraße
Iris von Arnim kam 1976 nach Hamburg. Sie hatte zuerst einen Laden in der Neustadt, ein kleiner Stadtteil, sehr zentral, zwischen der Hamburger Altstadt und St. Pauli. Heute befinden sich dort viele Cafés, Restaurants, Galerien und Eventagenturen. Damals aber war die Neustadt nicht besonders attraktiv. „Viele Häuser waren renovierungsbedürftig, und durch die Hinterhöfe liefen die Mäuse“, erzählt Iris von Arnim mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme und lacht. Doch die Lage ihres Ladens hatte einen großen Vorteil: Sie konnte sich die Monatsmiete von 150 Mark leisten. Fünf bis sechs Pullover verkaufte sie anfangs im Monat und kam damit gut über die Runden. Die Kleider der Designerin hatten schon damals ihren Preis: Ein Pullover kostete um die 400 Mark. Viele Kundinnen waren bereit, sich diesen Luxus zu leisten. Sie erkannten das Besondere an den Entwürfen, rasch wuchs der Kundenstamm. Den Hamburgern wird nachgesagt, sie seien eher zurückhaltend und kleideten sich auch so. War das auch Ihr Eindruck, als Sie in die Stadt kamen? Davor wurde ich tatsächlich gewarnt. Aber ich habe das gar nicht so empfunden. Ich hatte sofort Freunde, die mir halfen, meinen Laden zu renovieren. Meine Kunden waren auch sehr nett, einige haben mich gleich am Anfang nach Hause eingeladen. Die Leute waren weder stur noch schwierig. Viele haben sich für meine Mode interessiert, waren also durchaus offen. Mich hat von Anfang an begeistert, was die Stadt zu bieten hat: den Hafen, die Architektur, die Geschichte, das viele Grün. Rückblickend kann ich sagen: Hamburg hat mir Glück gebracht. Ich habe vorher in Stuttgart, Düsseldorf, Hannover und München gelebt. Ich bin durch Deutschland gereist und schließlich hier hängen geblieben. Und darüber bin ich froh.
Fotos: YourPhotoToday/PM, Travel Collection/LOOK-foto
„Besonders nett finde ich es
Nachbarschaft. Es heißt Palazzo, ein Italiener
Iris von Arnim
mit sehr gutem Essen,
geht gerne an
man kann draußen und
die Alster (oben)
drinnen sitzen.“
und auf den
Rothenbaumchaussee 185
Isemarkt, einen der größten Wochenmärkte Deutschlands (links)
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Wohin wir gehen Iris von Arnim
Was zeichnet die Menschen hier aus? Es wird ja immer vom „Hamburger Understatement“ gesprochen, und ich glaube, das gibt es wirklich. Um die meisten Dinge wird einfach nicht so viel Gewese gemacht, die Leute mögen keine Angeberei. Das kommt mir sehr entgegen. Ich bin überzeugt: Die Mode, die mir gefiel, konnte ich nur in Hamburg machen. Nur hier konnte ich meinen Stil entwickeln, nicht in Paris, nicht in London oder anderswo. In Hamburg muss man sich nicht stärker inszenieren, als man das möchte. Würden Sie sich inzwischen selbst als Hamburgerin bezeichnen? Ja, absolut. Ich denke, dass ich genau hierher passe. Typisch hamburgisch ist auf jeden Fall, dass Sie regelmäßig nach Sylt fahren … Es hat sich so ergeben, dass die Insel zu meiner zweiten Heimat geworden ist. Ich habe es in meiner Wohnung hier in Hamburg ja auch ganz schön. Aber zwischendurch brauche ich einen Tapetenwechsel. Sylt ist von hier aus schnell zu erreichen. Dort trifft man Freunde, schaut auf die Heide oder genießt die Einsamkeit. Am Strand hat man viel Platz, mir gefällt diese Weite. Nach Sylt nehme ich mir nie Arbeit mit.
Sohn Valentin, 1979 geboren, wuchs mit dem Unternehmen seiner Mutter auf; inzwischen ist er CEO der Firma
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Auf der Insel ist Iris von Arnim gerne mit dem E-Bike unterwegs. Durch Hamburg fährt sie dagegen meist in ihrem Cabrio. Außerdem liebt sie es, auf dem Wasser unterwegs zu sein. Die Stadt aus dieser anderen Perspektive zu erleben, findet sie toll. „Ich habe selber kein Boot, aber ich habe Freunde, die mich durch die Kanäle und über die Elbe rund um die Elbphilharmonie schippern“, erzählt sie. Doch ihr gefallen auch viele andere Orte in Hamburg, darunter die Elbchaussee. Sie ist noch immer begeistert von der Stadt, entdeckt auch heute noch Neues. „Schöner kann man gar nicht wohnen. Die Alster, meine Güte, ist das toll!“, sagt Iris von Arnim. Sie ist auch Bürgerin, es interessiert sie, was in der Stadt passiert, zumal in ihrem Viertel. Als sie im vergangenen Jahr 70 wurde und ein großes Fest feierte, bat sie um eine Spende für das Flüchtlingsheim in ihrer Nachbarschaft.
Spaziergang im Garten: Der liegt nur ein paar Schritte vom Büro entfernt
Wie haben Ihre Gäste auf diesen Wunsch reagiert? Das Flüchtlingsheim hier im Viertel war sehr umstritten. Es gab auch ein paar Gäste, die meinen Wunsch nicht adäquat fanden. Ich habe gesagt: Überlegt doch mal, wie Ihr lebt, das kann man doch teilen. Da gab es für mich gar keine Diskussionen, das war mir schnurzegal. Die meisten wollten mich beglücken und haben gespendet. Ich wollte mich engagieren, ich möchte ja keine Geschenke mehr. Mir war es wichtig, den Flüchtlingen zu helfen und ein Projekt in meiner Nachbarschaft zu unterstützen. Auch von Arnim selbst kam als Flüchtlingskind nach Deutschland. Ursprünglich stammt sie aus Schlesien. Sie hat schwere Zeiten durchgestanden: Ihre Mutter starb, als sie drei Jahre alt war, den Vater verlor sie im Alter von 16 Jahren. In den siebziger Jahren folgte ein weiterer Schicksalsschlag: Sie hatte einen schweren Autounfall, binnen drei Jahren wurde sie insgesamt sieben Mal operiert. Doch diese Zeit hatte auch ihr Gutes, denn sie brachte von Arnim auf eine Geschäftsidee. „Bis ich 30 war, bekam ich jeden Job, den ich wollte – aber ich war lausig schlecht und wurde immer wieder gefeuert“, sagt sie. Als junge Frau habe sie lange nicht gewusst, was sie werden sollte. Nach ihrem Unfall änderte sich das. Ein Freund brachte ihr Wolle und Stricknadeln mit ins Krankenhaus – und von Arnim begann zu stricken. In dieser Zeit lernte sie auch den Vater ihres Sohnes kennen. Die beiden kamen ein paar Lufthansa woman’s world 3/2016
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»Die Mode, die mir gefiel, konnte ich nur in Hamburg machen«
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Iris von Arnim in ihrem Arbeitszimmer (links); die Specksteingesichter im Garten wurden von Kindern gestaltet
»Mir ging es immer um das perfekte Handwerk«
Jahre später zusammen. Als sie im fünften Monat schwanger war, trennte sie sich. Ihren Sohn Valentin zog sie allein groß, parallel baute sie ihr Stricklabel auf. Ihr Name wurde über die Jahre zur Marke. Heute verkauft sie nicht nur Pullover, die bis zu 1500 Euro kosten, sondern auch Mäntel, Röcke, Tücher, Mützen und Capes, es gibt sogar eine Iris-von-Arnim-Männerkollektion. Ihr Sohn verantwortet inzwischen das operative Geschäft der Firma. Ist es Ihnen schwer gefallen, einen Teil Ihres Unternehmens aus der Hand zu geben? Wir arbeiten inzwischen seit zehn Jahren zusammen und lernen immer noch von- und aneinander. Am Anfang war die Zusammenarbeit tatsächlich schwierig. Wir hatten unterschiedliche Erwartungen aneinander. Ich bin ja Gründerin und Designerin, vieles habe ich durch „Learning by Doing“ erreicht. Mein Sohn hat Economics und Kunstgeschichte studiert und danach acht Jahre in den USA gelebt. Er kam in dem Moment, als er das Gefühl hatte: Aus diesem Edelstein kann man einen geschliffenen Diamanten machen. Er hat vor allem das Thema Marketing in die Firma gebracht. Damit habe ich mich nie beschäftigt, mir ging es immer
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um das perfekte Handwerk. Diese Sichtweisen sind zuerst frontal aufeinander geprallt. Inzwischen sind wir aber ein ganz gutes Team. Hat sich Ihr Unternehmen verändert? Ja, wir haben weitere Geschäfte in Düsseldorf, München und Kitzbühel eröffnet. Auf Sylt gibt es ja schon länger einen Laden. Mein Sohn hat außerdem dafür gesorgt, dass sich das Auslandsgeschäft erweitert, wir sind nun auch in Amerika aktiv, unter anderem bei Bergdorf Goodman in New York. Und man findet uns jetzt bei Facebook und Instagram. Einen Tag später spricht Iris von Arnim zusammen mit ihrem Sohn Valentin im Bucerius Kunst Forum am Rathausmarkt. Es geht um Familienunternehmen und um die Frage, wie Unternehmensübergaben an nachfolgende Generationen gelingen können. Die beiden erzählen von ihrer Zusammenarbeit, davon, dass sie immer wieder gecoacht worden sind, um zusammenzuwachsen. An diesem Abend wird deutlich: Die Designerin plant vieles, aber nicht ihren Ruhestand. Das Unternehmen ist ihr Lebenswerk, die Arbeit an neuen Entwürfen hält sie jung. „Es ist so schön, noch Aufgaben zu haben“, sagt sie. Lufthansa woman’s world 3/2016
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SCHÖN BL AU E i n B u d d e l s c h i f f au s P l a s t i k o d e r e i n e n K at e r vo m K i e z ? E s g i b t at t r a k t i ve re S o u ve n i r s
Foto: Jürgen Herschelmann; Post Production: www.elektronische-schoenheit.de
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