Wilde Katzen auf sanften Pfoten Ein Projekt im Biosphärenreservat Rhön mit Förderung der Allianz Umweltstiftung und der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt

1 Hintergrund vor 100 Jahren fast ausgerottet ...

… und heute wieder auf dem Vormarsch

Bis in das 19. Jahrhundert war die europäische Wildkatze in vielen Gebieten Deutschlands noch häufig anzutreffen. Vor allem durch gezielte Bejagung durch den Menschen ist dieser scheue Waldbewohner aber bis Anfang des 20. Jahrhunderts nahezu ausgerottet worden. Durch gezielte Ausbürgerungsprojekte und teilweise durch Zuwanderung aus anderen Regionen haben sich die Bestände der Wildkatze in Deutschland in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise wieder etwas erholt. Aber noch immer besiedelt die Wildkatze nur 5 % Ihres ehemaligen Areals. Der Gesamtbestand in Deutschland wird derzeit auf etwa 3.000 bis 5.000 Tiere geschätzt. Auch im Biosphärenreservat Rhön, wo in den 1940er-Jahren bei Oberelsbach die letzte Wildkatze erlegt wurde, sind die Tiere bei aktuellen Untersuchungen wieder bestätigt worden. In den letzten 100 Jahren haben sich allerdings die Lebensbedingungen für die Wildkatzen durch den Einfluss des Menschen stark verändert und machen es den Tieren vielerorts schwer, ihre ursprünglichen Lebensräume wieder zu besiedeln: • Große zusammenhängende Naturräume mit naturnahen Wäldern,

Heckensäumen und Wiesen sind selten geworden. • Mancherorts verhindert die Zerschneidung der Landschaft durch

Abb. 1: Wildkatze

Verkehrswege eine Wanderung der Katzen und damit einen notwendigen Genaustausch. • Für die Jungenaufzucht benötigte ruhige und strukturreichen Waldgebiete sind in den forstlich intensiv genutzten Erholungswäldern ebenfalls rar geworden.

© Wolfgang Fremuth, ZGF/RhönNatur e.V.

Die Wildkatze als Repräsentant naturnaher abwechslungsreicher Wälder hat es somit schwer, sich ihre ursprüngliche Heimat wieder zurückzuerobern. Das Ziel: die Rhön für Katze und Mensch attraktiv gestalten

Durch das Wildkatzenprojekt soll am Beispiel des Biosphärenreservates Rhön aufgezeigt werden, wie die Lebensbedingungen für die Wildkatze und damit die Attraktivität der Landschaft auch für den Menschen gesteigert werden kann. -1-

2 Maßnahmen Nachfolgend sind die vorgesehenen Maßnahmen zur Erhaltung und Stabilisierung der Wildkatzenpopulation skizziert. 2.1 Etablierung von Wanderkorridoren Die Rhön ist potentiell ein bundesweit bedeutsamer Wanderkorridor und Lebensraum für die Wildkatze. Verkehrswege, aber auch ausgeräumte intensiv genutzte Feldfluren, stellen unüberwindbare Hindernisse für die Wildkatzen dar. Zur Vernetzung bestehender Wildkatzenlebensräume sind deshalb geeignete Wanderkorridore und so genannte Trittsteinbiotope beispielsweise in Form von Heckensäumen oder Gehölzinseln anzulegen. Im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten im Auftrag der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) wurde die Rhön als geeigneter Lebensraum und vor allem auch wichtiger Wanderkorridor für sich ausbreitende Arten wie Wildkatze und Luchs identifiziert. Vor allem durch ihre zentrale Lage zwischen Spessart, Vogelsberg und Thüringer Wald und ihre Vielfalt an unterschiedlichen Landschaftselementen bietet die Rhön hervorragende Lebens- und Wanderbedingungen für die Wildkatze.

Abb. 2: Lage der Rhön innerhalb des bundesweiten "Rettungsnetzes Wildkatze" © BUND, s. www.bund.net/wildkatze

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In diesem Zusammenhang kooperieren wir mit dem BUND Thüringen, der das Projekt „Rettungsnetz für die Wildkatze“ koordiniert. In einer bundesweiten Modellierung (s. Abb. 2) ist die Rhön Teil einer von fünf bundesweiten Hauptachsen zur Wiederausbreitung der Wildkatze (Pfälzerwald – Odenwald – Spessart – Rhön – Thüringer Wald).

Der räumliche Schwerpunkt des aktuellen BUND-Projektes liegt in der Umsetzung im Raum zwischen Hainich und Thüringer Wald. Jüngste Untersuchungen bestätigten die Ergebnisse von Analysen zur Beurteilung der Rhön als wichtiger potenzieller Lebensraum für Wildkatze und Luchs. Allerdings besteht auch hier lokaler Handlungsbedarf zur Etablierung eines möglichst durchgehenden Biotopverbundsystems. Im Rahmen der ZGF-Analyse zur Eignung der Rhön als WildkatzenLebensraum und des „Rettungsnetzes Wildkatze“ wurden mit unterschiedlichen Ansätzen Vernetzungsräume in der Rhön herausgearbeitet, in denen Maßnahmen zur Biotopverbesserung mit höchster Effizienz realisiert werden können. Deren Umsetzung soll in dem hier beantragten Projekt geschehen: • Förderung des Strukturreichtums im Wald in Absprache mit der Forst-

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wirtschaft (Belassen von Totholz und Wurzeltellern, naturnahe Waldwirtschaft etc.); Gestaltung breiter Übergangszonen zwischen Wald und Offenland; Verringerung von Störungen im Wald (Forstwege, Jagd, Drahtzäune); Anlage von gehölzbetonten Leitlinien zu bestehenden gefahrlosen Querungshilfen (Talbrücken) für Straßen; Vernetzung von Waldgebieten durch Erhalt/Neuschaffung von Hecken und Feldgehölzen sowie naturnahe Auen mit Ufergehölzen in Form einer planmäßigen Schaffung von Korridoren.

► Abb. 3 und 4: Wurzelteller und alte, tote Bäume sind wichtige LebensraumStrukturen für die Wildkatze und viele andere Tierarten im Wald. © Abb. 3-8: Eckhard Jedicke, RhönNatur e.V.

► Abb. 5 und 6: Vielfältige, stufige Waldränder dienen als Wanderkorridore – und sind eine der artenreichsten Lebensräume der Kulturlandschaft überhaupt.

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► Abb. 7 und 8: Landschaftsimpressionen der Rhön – in diesen Bereichen kann die Wildkatze entlang der Gehölze die Landschaft durchwandern. Sie dienen als Vorbild zur Gestaltung von ausgeräumten Engpässen.

2.2 Nachweis der aktuellen Verbreitung der Wildkatze Die Lockstockmethode wurde in der Rhön bereits erfolgreich angewendet. Baldriangeruch hilft beim Nachweis

Wildkatzen sind extrem scheue, nachtaktive Tiere, die sich nur schwer beobachten lassen. Mit Hilfe präparierter Lockstöcke, an denen sich die Katzen – von Baldriangeruch angelockt – reiben, lassen sich Haare der Tiere gewinnen. Genetische Untersuchungen dieser Haare belegen, ob es sich um Haus- oder Wildkatzen oder Kreuzungen beider handelt. Die Proben lassen sich sogar einem einzelnen Individuum zuordnen, so dass bei wiederholtem Nachweis auch Ortsveränderungen nachzuvollziehen sind. Die Lockstöcke stellen eine neue, aber bereits bewährte Methode zum Nachweis der Wildkatzen dar. Auch Fotofallen bieten gute Nachweismöglichkeiten. Soll aber das individuelle Abb. 9: Fotofallen-Foto einer Wildkatze an einem Lockstock © BUND, Quelle: http://vorort.bund.net/wildkatzen/content/view/96/132/ Wanderverhalten einzelner Katzen detaillierter erforscht werden, ist eine Ausstattung einzelner Tiere mit Sendern notwendig.

2.3 Öffentlichkeitsarbeit Eine aktive Einbeziehung der Öffentlichkeit ist zur langfristigen Zielerreichung unabdingbar. Bevölkerung wird aktiv einbezogen – vor allem Schüler(innen)

Die Wildkatze als Sympathieträger eignet sich in hervorragender Weise zur Vermittlung der Notwendigkeit von Naturschutzmaßnahmen. Da das Ziel der Naturschutzarbeit zu wesentlichen Teilen darin besteht, die Umweltqualität der Menschen durch Aufwertung der Landschaften langfristig zu verbessern, sollten auch möglichst viele Menschen in die Planung und Umsetzung von Naturschutzprojekten einbezogen werden. -4-

Das kann durch Information in Form von Presseberichten, Vorträgen, Veranstaltungen etc. und auch durch aktive Einbeziehung der Menschen in das Projekt geschehen. Beispielsweise sollen die Lockstöcke auch gemeinsam mit Schulklassen und Kindergruppen aufgestellt und kontrolliert werden.

2.4 Besucherlenkung Innovative Methoden zur Besucherlenkung werden durch Anlage von „Wildwegen“ angewendet. „Wildwege“ – mit dem Handheld-PC auf den Spuren der Wildkatze

Das Vorhandensein interessanter Wildtiere steigert den Reiz einer Landschaft für Besucher. Dies gilt in besonderem Maße für die Wildkatze: Sie ist eine äußerlich attraktive Art, ihre Lebensweise ist den meisten Menschen in gewisser Hinsicht durch die Hauskatze vertraut, und es handelt sich um für den Menschen ungefährliche Tiere. Allerdings ist die Wildkatze zu scheu und heimlich, um sich in freier Wildbahn beobachten zu lassen. Auch bedeutet die Anwesenheit von Menschen einen erheblichen Stressfaktor für die Tiere. Deshalb sollte eine Besucherinformation in einem Wildkatzengebiet sowohl informative als auch lenkende Funktion besitzen.

Anhand interessant gestalteter Informationspfade, die die Besucher „auf Wildkatzenpfoten“ ein Gelände erkunden, lassen sich die Lebensraumbedürfnis der Tiere anschaulich vermitteln. Neben der Führung von Besuchergruppen durch geschultes Personal, wie beispielsweise die Ranger im Biosphärenreservat Rhön, besteht auch die Möglichkeit, Besuchern tragbare Abb. 10: Handheld-PC mit Informationen aus Handheld-Copmputer mit GPS-Funktion anzubieten, durch die dem Internet – ein innovativer Weg der sich entsprechende Informationen über ein Display an den Öffentlichkeitsarbeit im Naturschutz entsprechenden Stationen abrufen lassen. © WanderWalter, s. www.wanderwalter.de

3 Kooperationspartner Ein breites Bündnis sichert den langfristigen Projekterfolg. Projektumsetzung gemeinsam mit der ZGF eingebunden in bundesweites Akteursnetz

Träger des Projektes ist der mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt (ZGF) gegründete Verein RhönNatur e.V. Neben der ZGF werden die Verwaltungsstellen des Biosphärenreservates Rhön, die Fachbehörden sowie der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland und der Bund Naturschutz in Bayern in das Projekt mit einbezogen. Mit der Universität Freiburg, Fachbereich Forstwissenschaft, bestehen bereits Vereinbarungen zur wissenschaftlichen Begleitung des Projektes.

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4 Fazit Die Wildkatze ist ein Sympathieträger für den Naturschutz. Die Wildkatze kehrt zurück – und von dem Schutzprojekt profitiert eine große Zahl weiterer Arten.

Als Zielart für ein Artenschutzprojekt eignet sich die Wildkatze in hervorragender Weise. Sie dient als positives Bespiel für eine Tierart, die sich ehemalige Lebensräume mit Hilfe des Menschen zurückerobert. Durch die koordinierte Umsetzung wissenschaftlich fundierter Maßnahmen und durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit flankiert, ließe sich diese faszinierende Tierart auch in der Rhön wieder langfristig ansiedeln. Die Laufzeit für ein erfolgreiches Naturschutzprojekt wie das skizzierte Wildkatzenprojekt sollte aus Erfahrung mindestens drei Jahre betragen. Insbesondere die Vernetzung der Akteure, die Planung und Umsetzung von Biotopverbundmaßnahmen und die wissenschaftlichen Begleituntersuchungen im Sinne einer Erfolgskontrolle begründen eine mehrjährige Laufzeit. Weiterhin hat sich gezeigt, dass zur Akzeptanz von Naturschutzprojekten in der Anfangsphase rasche Umsetzungserfolge wichtig sind. Aus diesem Grund sind auch eigene Projektmittel zur möglichst umgehenden Umsetzung von Maßnahmen vorzusehen. Wo immer möglich, sollen im Laufe des Projekts weitere Mittel zusätzlich eingeworben werden.

Abb. 11: Wildkatze im Auswilderungsgehege im Spessart © Wolfgang Fremuth, ZGF/RhönNatur e.V.

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