Vitamin D. Diagnostik und Therapie

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Vitamin D

Diagnostik und Therapie

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Vitamin D: Diagnostik und Therapie Vitamin D wird vor allem unter Einwirkung von Sonnenlicht UV-B in der Haut gebildet, wohingegen die Vitamin D Zufuhr mit der Nahrung (z.B. Fische/Pilze/Eier) eine untergeordnete Rolle für die Versorgung mit Vitamin D spielt. Die pathophysiologische Bedeutung von Vitamin D bei vielen Erkrankungen erklärt sich dadurch, dass Vitamin D die Vorstufe eines Steroidhormons (=1,25-Dihydroxyvitamin D) ist. Die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie des Vitamin D Mangels beruhen in erster Linie auf den wissenschaftlich gesicherten, positiven Effekten von Vitamin D bei Rachitis, Osteomalazie, Knochenbrüche und Stürzen, wobei rezente Meta-Analysen von Placebo kontrollierten Studien u.a. auch gezeigt haben, dass Vitamin D Supplementierung auch Gesamtsterblichkeit und Infekte reduziert und auch in der Schwangerschaft positive Effekte wie eine Verminderung der Häufigkeit von Frühgeburten hat (1-3). Diskutiert werden daneben günstige Auswirkungen von Vitamin D auf die Herzgesundheit, auf Krebs und Autoimmunerkrankungen.

Mangels sollte nicht alleine auf der Vitamin D-Konzentration beruhen, sondern durch gleichzeitige Bestimmung von Kalzium, Phosphat, alkalischer Phosphatase und Parathormon ergänzt werden (5). Die Bestimmung des 1,25-Dihydroxyvitamin D (Calcitriol) ist neben genetisch bedingten Formen der Rachitis vor allem bei der Hyperkalzämieabklärung von klinischer Relevanz, da es z.B. im Rahmen einer Tuberkulose oder Sarkoidose zu einer durch Calcitriol bedingten Hyperkalzämie kommen kann. Hohe Calcitriol-Werte sind auch ein zusätzlicher diagnostischer Hinweis auf einen primären Hyperparathyreoidismus. In der klinischen Routine wird das Calcitriol auch bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz bestimmt, obwohl es hierzu keine klare Empfehlung gibt. Tabelle 1 Indikationen für Bestimmung des 25(OH) Vitamin D nach der Endocine Society Guideline (4) Osteoporose, Rachitis, Osteomalazie Chronische Niereninsuffizienz (GFR < 60 ml/min/1.73m2 gemäß KDIGO) Leberinsuffizienz/Leberzirrhose

Diagnostik bei Verdacht auf Mangel an Vitamin D

Malabsorptionssyndrome (z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen) Hyperparathyreoidismus

Die Abklärung eines Vitamin D Mangels erfolgt durch die Bestimmung des 25-Hydroxyvitamin D (25OH Vitamin D), welches am besten den Vitamin D Status bzw. die Vitamin D Zufuhr reflektiert (4). die Bestimmung des 25OH Vitamin D zur Diagnose und Kontrolle eines Behandlungserfolgs ist Kassenleistung, wenn sie medizinisch notwendig ist. Die „medizinische Notwendigkeit“ wird aber im EBM nicht genau definiert. Es bietet sich daher an, sich an den Indikationen der Endocine Society (4) zu orientieren. Die Diagnose eines Vitamin D

Medikamente mit Einluss auf den Vitamin D-Stoffwechsel (Glukokortikoide) Dunkelhäutige Menschen Schwangere und stillende Frauen Ältere Menschen mit nicht-traumatischen Frakturen oder Stürzen Übergewichtige Menschen mit einem body mass index (BMI) > 30 kg/m2 Granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose, Tuberkulose, manche Lymphome)

Wie bewerten? Es gibt unterschiedliche Klassifikationen des Vitamin D Status. Bei 25OH-Vitamin D Werten von < 30 nmol/L (12 ng/mL) liegt ein schwerer Vitamin D Mangel vor mit hohem Risiko für z.B. Rachitis, Osteomalazie und Störungen des Kalziumstoffwechsels (Hypokalzämie) und es besteht in der Regel bereits ein Hyperparathyreoidismus (erhöhte Werte des Parathormons).

(zumindest) 75 nmol/L (30 ng/mL) eine Dosis von 1500 bis 2000 IE (37,5 bis 50 µg) empfiehlt (4, 9). Die DVO empfiehlt in der Behandlung der Osteoporose eine Dosis von 800 bis 1000 IE (20 bis 25 µg) Vitamin D tgl, wobei gemäss der Empfehlung der International Osteoporosis Foundation (IOF) teils auch Dosierungen bis 2000 IE (50 µg) tgl. in der Osteoporosetherapie notwendig sein können (10, 11).

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bezeichnet 25OH-Vitamin D Werte von 50 nmol/L (20 ng/ml) oder höher als optimale Werte und empfiehlt bei niedrigeren Werten eine Vitamin D Therapie durch Vitamin D reiche Ernährung, vermehrte Sonnenlichtexposition oder Vitamin D Supplemente, um einen Zielwert in der Allgemeinbevölkerung von zumindest 50 nmol/L (20 ng/mL) zu erreichen (6). Bestimmte Gesellschaften wie die Endocrine Society empfehlen als Zielwert für einen optimalen Vitamin D Status bei Patienten (zumindest) 75 nmol/L (30 ng/mL) (4). Wir schließen uns im Wesentlichen den Empfehlungen der Endocrine Society(4) an.

Tabelle 2

25OH-Vitamin D Werte von >150 bis 375 nmol/L (60 bis 150 ng/mL) können möglicherweise schädlich sein, da man zu wenige wissenschaftliche Daten zu diesen Wertebereichen hat. Werte > 375 nmol/L (>150 ng/ml) führen möglicherweise zur Vitamin D Intoxikation mit Hyperkalzämie (7). Vitamin D Therapie Die Dosierungsempfehlungen für eine Vitamin D Supplementierung sind uneinheitlich, bewegen sich jedoch meistens in einem Rahmen von 800 bis 2000 Internationalen Einheiten (IE) (=20 bis 50 µg) tgl, wobei für eben diese Vitamin D Dosierungen auch ein Fraktur senkender Effekt nachgewiesen wurde (8). Die DGE bzw. DACH (Deutschland/Österreich/ Schweiz) empfiehlt bei ungenügender/fehlender endogener Vitamin D Bildung in der Haut (d.h. z.B. im Winter) 800 IE (20µg) pro Tag für jede Person ab einem Alter von 1 Jahr (unter 1 Jahr: 400 IE d.h. 10 µg) pro Tag (6). Die Endocrine Society und auch das Institute of Medicine (IOM) empfehlen 600 bis 800 IE (15 bis 20 µg) tgl, um zumindest einen 25OH-Vitamin D Wert von 50nmol/L (20 ng/ mL) zu erreichen, wobei die Endocrine Society zur Erreichung des ihrerseits optimalen Zielwertes von

Bewertung für die Bestimmung des 25(OH) Vitamin D in Anlehnung an die Endocine Society Guideline (4) 25(OH) Vitamin D

Bewertung

[nmol/]l

[ng/ml]

< 30

< 12

20 - 49

12 - 19

Mangel

50 - 74

20 - 29

Insuffizienz

75 - 149

30 - 59

Zielbereich, optimal

150 - 374

60 - 149 Potenziell schädlich

> 375

> 150

Vitamin D Intoxikation mit Hyperkalzämie möglich

Tabelle 3 Dosierungsempfehlungen für eine Vitamin D Supplementierung bei Risiko ungenügender/fehlender endogener Vitamin D Bildung Personengruppe

Fachgesellschaft

Dosisempfehlung

Kleinkinder bis 1 Jahr

Deutsche Gesellschaft für

400 IE / 10 µg

Ernährung (6)

pro Tag

Kinder ab 1 Jahr und

Deutsche Gesellschaft für

800 IE / 20 µg

Erwachsene

Ernährung (6)

pro Tag

Endocrine Society und

600 bis 800 IE /

Institute of Medicine

15 bis 20 20 µg

(4, 9)

pro Tag bei Ziel von 50 nmol/L (20 ng/mL)

Endocrine Society (4)

1500 bis 2000 IE / 37,5 bis 50 µg pro Tag bei Ziel von 75 nmol/L (30 ng/mL)

Osteoporose

Dachverband Osteo-

800 bis 2000 IE /

logie, International Os-

20 bis 50 µg pro

teoporosis Foundation

Tag

(10, 11)

Vitamin D und Schwangerschaft

Praktische Hinweise

In der Schwangerschaft gelten die gleichen Empfehlungen wie für nicht Schwangere. Die Vitamin D Supplementierung in der Schwangerschaft gilt als sicher. Nach einer rezenten Cochrane MetaAnalyse geht die Vitamin D Supplementierung im Vergleich zu Placebo mit einem signifikant niedrigeren Risiko für Präeklampsie, niedrigem Geburtsgewicht und Frühgeburten einher (3).

• Nach Beginn einer Vitamin D Supplementierung sollte man zumindest 2 (bis 3) Monate warten bis eine erneute 25OHVitamin D Testung zur Therapiekontrolle durchgeführt wird, da es etwa solange dauert bis sich ein steady state ausgebildet hat.

Chronische Nierenerkrankungen mit sekundärem Hyperparathyreoidismus Bei chronischer Niereninsuffizienz mit erhöhtem Parathormon wird eine Bestimmung des 25(OH)D empfohlen, da bei erniedrigtem 25(OH)D eine Vitamin D Supplementierung indiziert ist (12).

• Der Anstieg des 25OH-Vitamin D ist individuell sehr variabel wobei vor allem übergewichtige Menschen mehr Vitamin D benötigen. • Als sehr grobe Faustregel gilt, dass 1000 IE (25 µg) Vitamin D tgl. den 25OH-Vitamin D Wert um ca. 25 nmol/L oder 10 ng/mL (bis ca. 50 nmol/L oder 20 ng/mL) erhöhen, wobei der Anstieg des 25OHVitamin D bei niedrigen Ausgangswerten des 25OH-Vitamin D stärker ist als bei hohen Werten (13). • Eine Vitamin D Supplementierung kann in täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Intervallen erfolgen. Eine Verabreichung von hohen Dosen in grösseren Intervallen vermieden werden sollte. Die meisten Fachleute empfehlen inzwischen die tägliche Dosierung. • Gemäss der EFSA (European Food Safety Authority) sind Vitamin D Dosierungen bis 4000 IE (100 µg) tgl. als sicher zu betrachten (auch bei schwangeren und stillenden den Frauen). Relevante Kontraindikationen für den Ausgleich eines Vitamin D Mangels gibt es keine (14). • Eine häufig praktizierte Vorgehensweise bei der Vitamin D Therapie ist es, bei Werten des 25OH-Vitamin D < 50 nmol/L ( 20 ng/mL) eine Vitamin D Supplementierung zu beginnen und die Dosis je nach Wert des 25OH-Vitamin D auszurichten, wobei meistens in einer Dosis von 800 bis 1000 IE (20 bis 25 µg) tgl. supplementiert wird.

• Bei sehr niedrigen 25OH-Vitamin D Ausgangsspiegeln kann jedoch auch eine Dosis bis 2000 IE (20 µg) tgl. erforderlich sein. Minimalziel einer Therapie sollte ein 25OHVitamin D Wert von zumindest 50 nmol/L (20 ng/mL) sein, wobei als Optimalwerte (zumindest) 75 nmol/L (30 ng/mL) anzusehen sind. • Ist eine Austestung des 25OH-Vitamin D nicht möglich, aber ein Vitamin D Mangel aufgrund der Klinik sehr wahrscheinlich (z.B. Altersheimbewohner, Frauen mit Schwangerschaftswunsch und geringer Sonnenexposition), kann auch ausnahmsweise ohne Testung eine Therapie mit 800 IE (20 µg) (bis 1000 IE bzw. 25 µg) tgl. eingeleitet werden.

• Nicht verschreibungspflichtige Vitamin DPräparate bis zu einer Tagesdosis von 1.000 I.E. Vitamin D3, sei es in Kombination mit Calcium oder als Monopräparat, können nach den Bestimmungen der Arzneimittel-Richtlinie auf einem Kassenrezept verordnet werden für: - Patienten mit manifester Osteoporose (Frakturen ohne adäquates Trauma), - Patienten, die über ein halbes Jahr 7,5 mg Prednisolonäquivalent einnehmen müssen, - Patienten, die eine Bisphosphonattherapie erhalten - bei zwingender Notwendigkeit (5).

Referenzen: 1. Bjelakovic G, Gluud LL, Nikolova D, Whitfield K, Krstic G, Wetterslev J, Gluud C: Vitamin D supplementation for prevention of cancer in adults. Cochrane Database Syst Rev 2014: CD007469. 2. Zittermann A, Pilz S, Hoffmann H, März W: Vitamin D and airway infections: a European perspective. European Journal of Medical research 2016; 21: 14. 3. De-Regil LM, Palacios C, Lombardo LK, Pena-Rosas JP: Vitamin D supplementation for women during pregnancy. Cochrane Database Syst Rev 2016: CD008873. 4. Holick MF, Binkley NC, Bischoff-Ferrari HA, Gordon CM, Hanley DA, Heaney RP, Murad MH, Weaver CM: Evaluation, treatment, and prevention of vitamin D deficiency: an Endocrine Society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 1911-30. 5. Neye H: Verordnungsinforation der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. https://wwwkvnode/downloads/newsletter/vin/VIN_01_2015_2pdf 2015; zuletzt abgerufen am 18. Januar 2017. 6. New reference values for vitamin D. Annals of Nutrition & Metabolism 2012; 60: 241-6. 7. Zittermann A, Pilz S: Vitamin D in Klinik und Praxis. Aktuelle Ernährungsmedizin 2016; 41: 300-16. 8. Bischoff-Ferrari HA, Willett WC, Orav EJ, Lips P, Meunier PJ, Lyons RA, Flicker L, Wark J, Jackson RD, Cauley JA, Meyer HE, Pfeifer M, Sanders KM, Stahelin HB, Theiler R, Dawson-Hughes B: A pooled analysis of vitamin D dose requirements for fracture prevention. N Engl J Med 2012; 367: 40-9. 9. Ross AC, Manson JE, Abrams SA, Aloia JF, Brannon PM, Clinton SK, Durazo-Arvizu RA, Gallagher JC, Gallo RL, Jones G, Kovacs CS, Mayne ST, Rosen CJ, Shapses SA: The 2011 report on dietary reference intakes for calcium and vitamin D from the Institute of Medicine: what clinicians need to know. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 53-8. 10. Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der OSTEOPOROSE bei Männern ab dem 60. Lebensjahr und bei postmeno pausalen Frauen. Leitlinie des Dachverbands der Deutschsprachigen Wissenschaftlichen Osteologischen Gesellschaften e.V. http://wwwdv-osteologieorg/dvo_leitlinien/osteoporo se-leitlinie-2014 2014; zuletzt abgefragt am 18 Januar 2017. 11. Dawson-Hughes B, Mithal A, Bonjour JP, Boonen S, Burckhardt P, Fuleihan GE, Josse RG, Lips P, Morales-Torres J, Yoshimura N: IOF position statement: vitamin D recommendations for older adults. Osteoporosis International :A journal established as result of cooperation between the European Foundation for Osteoporosis and the National Osteoporosis Foundation of the USA 2010; 21: 1151-4. 12. KDIGO clinical practice guideline for the diagnosis, evaluation, prevention, and treatment of Chronic Kidney Disease-Mineral and Bone Disorder (CKD-MBD). Kidney International Supplement 2009: S1-130. 13. Bresson JL, Burlingame B, Dean T, Fairweather-Tait S, Heinonen M, Karen-Ildico H.-E., Mangelsdorf I, McArdle H, Naska A, Neuhäuser-Berthold M, Nowicka G, Pentieva K, Sanz Y, Siani A, Sjödin A, Stern M, Tomé D, Turck D, van Loveren H, Vinceti M, P. W: Dietary reference values for vitamin D. EFSA Journal 2016; 14: 4547. 14. Agostoni C, Bresson J-L, Fairweather-Tait S, Flynn A, Golly I, Korhonen H, Lagiou P, Løvik M, Marchelli R, Martin A, Moseley B, Neuhäuser-Berthold M, Przyrembel H, Salminen S, Sanz Y, Strain SJJ, Strobel S, Tetens I, Tomé D, van Loveren H, Verhagen H: Scientific opinion on the tolerable upper intake level of vitamin D. EFSA Journal 2012; 10: 2813.

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