Antithrombin - Diagnostik und Therapie

Antithrombin - Diagnostik und Therapie Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hongkong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tok...
Author: Gotthilf Seidel
0 downloads 0 Views 1MB Size
Antithrombin - Diagnostik und Therapie

Springer Berlin Heidelberg New York Barcelona Budapest Hongkong London Mailand Paris Santa Clara Singapur Tokio

1. S; Weilemann

H. Schinzel (Hrsg.)

Antithrombin Diagnostik und Therapie

Mit 24 Abbildungen

Springer

Professor Dr. L. S. WEILEMANN Universitätsklinikum Mainz 11. Medizinische Klinik und Poliklinik Langenbeckstraße 1 D-55131 Mainz Privat-Dozent Dr. Dr. med. H. SCHINZEL Universitätsklinikum Mainz 11. Medizinische Klinik und Poliklinik Langenbeckstraße 1 D-55131 Mainz

ISBN-13:978-3-540-63635-9 Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Antithrombin - Diagnostik und Therapie/Hrsg.: 1.S. Weilemann; H. SchinzeL - Berlin; Heidelberg; New York; Barcelona; Budapest; Hongkong; London; Mailand; Paris; Santa Clara; Singapur; Tokio; Springer, 1997 e· ISBN-13:978-3-642-60305-1 ISBN-13:978-3-540-63635-9 DOI: 10.1007/978-3-642-60305-1 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der VervielfaItigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine VervielfaItigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1998

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daß solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall-anband anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Umschlaggestaltung: Design & Production GmbH, Heidelberg Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden SPIN 10645810

18/3137-5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier

Vorwort

In der Therapie angeborener oder erworbener Gerinnungsstärungen hat die Substitution mit Plasmaprodukten einen hohen Stellenwert. Eine wichtige Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Inhibitor Antithrombin zu. Nach wie vor wird die Indikation zur Substitution von Antithrombin kontrovers diskutiert. Für den klinischen Alltag resultiert daraus eine nicht zu unterschätzende Unsicherheit mit weitreichenden Folgen für Patient, Arzt und nicht zuletzt auch das Budget. Im März 1997 fand in Mainz ein interdisziplinärer Workshop statt mit der Intention, Leitlinien für den differenzierten Einsatz von Antithrombin zu erarbeiten. Das Ergebnis liegt in diesem Buch vor und soll dem Leser in kritischer Form einen aktuellen Überblick über den Stand der Antithrombintherapie vermitteln. Es enthält die Zusammenfassung von Referaten der Experten aus verschiedenen Fachgebieten (Innere Medizin, Chirurgie, experimentelle Chirurgie, Transfusionsmedizin, Labormedizin) unter Einbeziehung der aktuellen Literatur. Auf der Basis der Referate, der Diskussion und der Meta-Analyse gelang es, ein "State of the Art" und einen Konsens für den Einsatz von Antithrombin zu erarbeiten. Die Workshopteilnehmer wollen diese Ausarbeitung als Leitlinie und Orientierungshilfe verstanden wissen. Die Einzelbeiträge enthalten darüber hinaus weiterreichende Darstellungen zur Thematik und Problematik mit durchaus differenten Standpunkten und Sichtweisen. Mainz, Oktober 1997

L. S.

WEILEMANN

H.

SCHINZEL

Danksagung

Die Herausgeber bedanken sich ausdrücklich bei den Experten der einzelnen Fachgebiete für ihre Bereitschaft, so engagiert an dem Workshop "Antithrombin" teilgenommen zu haben und aktiv bei der Erstellung dieses Buches mitzuwirken. Besonders bemerkenswert war für uns die offene und ausgesprochen konstruktivkritische Auseinandersetzung mit dem Thema "Antithrombin". Der Firma Pharmacia & Upjohn gebührt unser Dank für die großzügige und auflagenfreie Unterstützung, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, unser Vorhaben zu konkretisieren. Frau Krost danken wir für die organisatorische Mithilfe. Den Mitarbeitern des Springer-Verlages gebührt unser Dank für die sachkundige und geduldige Unterstützung bei der Bearbeitung und Erstellung dieses Buches.

Inhaltsverzeichnis

Antithrombin-"State of the Art" und Konsensus L. S. WEILEMANN, H. SCHINZEL und H. RASCHE . . . . . . . . . .. XV 1

2

3

4

5

6

ATenatiV® - ein hochreines Antithrombin-Konzentrat L. JAVELIN .......................................

1

Indikationen zur Bestimmung von Antithrombin H. VINAZZER .....................................

17

Hereditärer Antithrombin-Mangel H. RIESS .........................................

21

Antithrombin und Sepsis G. PINDUR .......................................

31

Antithrombin und Sepsis M. JOCHUM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

39

Behandlung der disseminierten intravasalen Gerinnung unter besonderer Berücksichtigung der Substitution von Antithrombin N. MAURIN ....... . . .... . .. .. .. ... . . ... ... .. . . .... 55

x

Inhaltsverzeichnis

7 Stellenwert des Antithrombin in der Verbrauchskoagulopathie R. SCHLIMGEN und M. KRAUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

63

8 Antithrombin-Substitution bei internistischen Intensivpatienten H. Ostermann ....................................

69

9 Stellenwert der Substitution mit Antithrombin-Konzentrat im chirurgisch-intensivrnedizinischen Bereich M. SIEB ECK ...................................... 73

10 Stellenwert des Antithrombin posttraumatisch / perioperativ U. OBERTACKE, M. BARDENHEUER, C. EISOLD, C. KLEINSCHMIDT, R. SCHERER, M. AUFMOLK und M. JOCHUM ... 85

11 Substitutionstherapie mit Antithrombin-Konzentraten bei Leberkrankheiten H. RASCHE ......................................

99

12 Antithrombin und Kombination mit Antikoagulanzien E. HILLER ....................................... 111

13 Zusammensetzung von Antithrombin-Konzentraten P. HELLSTERN und H. BEECK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 123 14 Indikationen zur Antithrombin-Diagnostik eH. HEINRICHS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149

Autoren

AUFMKOLK, MICHAEL, Or. med. Universitätsklinikum Essen, Abteilung für Unfallchirurgie, Hufelandstraße 55, 0-45122 Essen BARDENHEUER, MARK, Or. med. Universitätsklinikum Essen, Abteilung für Unfallchirurgie, Hufelandstraße 55, 0-45122 Essen BEECK, HANNELORE, Or. med. Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein GmbH, Bremserstraße 79, 0-67063 Ludwigshafen EISOLD, CORNELIA Universitätsklinikum Essen, Abteilung für Unfallchirurgie, Hufelandstraße 55, 0-45122 Essen HEINRICHS, CHRISTEL, MR Ooz. Or. sc. med. Krankenhaus Im Friedrichshain, Klinische Hämostaseologie, Hämophilie-Zentrum, Landsberger Allee 49, 0-10249 Berlin HELLSTERN, PETER, Prof. Or. med. Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein GmbH, Bremserstraße 79, D-67062 Ludwigshafen HILLER, ERHARD, Prof. Or. med. Ludwig-Maximilians-Universität München, Medizinische Klinik III, Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15,0-81377 München

XII

Autoren

JAVELIN, LISBETH Pharmacia & Upjohn, Plasma Products, Lindhagensgatan 133, 11287 Stockholm, Schweden JOCHUM, MARIANNE, Prof. Dr. rer. nato Ludwig -Maximilians-Universität München, Chirurgische Klinik und Poliklinik, Abteilung für Klinische Chemie und Klinische Biochemie, Nußbaumstraße 20, D-80336 München KLEINSCHMIDT, CHRISTIAN Universitätsklinikum Essen, Abteilung für Unfallchirurgie, Hufelandstraße 55, D-45122 Essen KRAus, MICHAEL, Dr. med. Knappschafts-Krankenhaus Recklinghausen, Klinik für Anästhesiologie und op. Intensivmedizin, Dorstener Straße 151, D-45657 Recklinghausen MAURIN, N., Prof. Dr. med. Chefarzt der Medizinischen Klinik des St. Johannes-Hospitals, Kölnstraße 54, D-53111 Bonn OBERTACKE, UDO, Priv.-Doz. Dr. med. Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 55, D-45147 Essen OSTERMANN, Priv.-Doz. Dr. med. Westfälische Wilhelms-Universität, Domagkstraße 3, D-48149 Münster PINDUR, GERHARD, Priv.-Doz. Dr. med. Universitätskliniken des Saarlandes, Abteilung für Klinische Hämostaseologie und Transfusionsmedizin, D-66421 Homburg/Saar RASCHE, Prof. Dr. med. Zentralkrankenhaus, St. Jürgen Straße 1, D-28250 Bremen

Autoren

XIII

RIESS, H., Prof. Dr. Rudolf Virchow Universitätsklinik, Abteilung für Innere Medizin und Poliklinik, Augustenburger Platz I, D-13353 Berlin SCHERER, RALF, Prof. Dr. med. Universitätsklinikum Charite, Klinik für Anästhesiologie und Intensivrnedizin, Schumannstraße 20121, D-I0117 Berlin SCHLIMGEN, RITA, Prof. Dr. med. Knappschafts-Krankenhaus Recklinghausen, Klinik für Anästhesiologie und op. Intensivrnedizin, Dorstener Straße 151, D-45657 Recklinghausen SIEB ECK, MATTHIAS, Priv.-Doz. Dr. med. Ludwig-Maximilians-Universität München, Klinikum Innenstadt, Chirurgische Klinik, Nußbaumstraße 20, D-80336 München VINAZZER, H., Prof. Dr. Blutgerinnungslaboratorium, Untere Donaulänge 12, 4020 Linz, Österreich

Antithrombin-"State of the Arf' und Konsensus L. S.

WEILEMANN •

H.

SCHINZEL •

H.

RASCHE

State of the Art Antithrombin-Konzentrate führen nur in extrem seltenen Fällen zu unerwünschten Wirkungen und Nebenwirkungen. Die Substanzen werden sehr gut vertragen und besitzen eine hohe Virussicherheit. Unumstritten ist die Antithrombin-Substitution, insbesondere bei hereditären Antithrombin-Defiziten in speziellen Situationen. Bei Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie beweist die Mehrzahl der Studien, daß Gerinnungsstörungen durch den Einsatz von Antithrombin-Konzentraten rasch zu stabilisieren sind. Die Meta-Analyse vorhandener Literatur zeigt, daß Antithrombin-Aktivitätsbestimmungen einen prädiktiven Wert bei Patienten mit Sepsis haben. So konnte nachgewiesen werden, daß Patienten mit Sepsis, die eine Antithrombin-Aktivität unter 50% der Norm besitzen, im Verlauf eine deutlich höhere Letalität und ausgeprägtere Organkomplikationen aufweisen als septische Patienten mit normwertigen Antithrombin-Konzentrationen. Schwieriger wird die Datenlage bei der Suche nach Studien, die zweifelsfrei den Benefit von Antithrombin-Substitutionen bei septischen Patienten ohne Verbrauch beweisen sollen. Bislang konnte eine gesicherte Substitutionswirkung und Senkung der Mortalität nicht nachgewiesen werden. Wenn Antithrombin einen positiven Effekt bei der Sepsis haben soll, dann ist offensichtlich eine supranormale AT-Aktivität erforderlich, um eine antiinflammatorische Wirkung zu erzielen. In Tierversuchen wurden Antithrombin-Konzentrationen bis zu 600% der Norm durch Substitution erreicht. Unter diesen Kautelen zeigte die Substitutionsbehandlung einen signifikant besseren Verlauf als bei Kollektiven ohne AT-Substitution. Im Bereich der Humanmedizin gibt es hierzu noch unzurei-

XVI

L. S. Weilemann et al.

chende Daten, obwohl erste Untersuchungen durchaus einen positiven Trend aufweisen. Folgende Punkte erschweren die Durchführung von Studien zur Klärung bezüglich des rationalen Einsatzes von AntithrombinKonzentraten bei Sepsis: a. Im Gegensatz zu den Tierversuchen ist im humanmedizinischen Bereich die Sepsis nicht einheitlicher Ätiologie, sondern hat verschiedene Ursachen. b. Die Patientenkollektive sind sehr inhomogen, sie haben unterschiedliche Vorerkrankungen, Begleiterkrankungen und vorbestehende Organinsuffizienzen. c. Die Antithrombin-Substitution bei den Tierversuchen setzte ein, bevor Organinsuffizienzen entstanden sind. Dies ist bei den Studien im humanmedizinischen Bereich praktisch nicht der Fall. Hier wird erst beim Auftreten von Schock, Sepsis, disseminierter intravasaler Gerinnung bzw. dem Auftreten von Organkomplikationen mit der AT-Therapie begonnen. d. Um in endlicher Zeit zu klaren Studienaussagen zu gelangen, ist man gezwungen, multizentrische prospektive randomisierte Studien durchzuführen. Dies bedeutet jedoch, daß man zwar die Antithrombin-Substitution bezüglich Zeitpunkt, Dosierung und der Kontrollen des Therapieerfolges oder -mißerfolges klar definieren kann, jedoch ist es bei multizentrischen Untersuchungen nicht möglich, die intensiv-medizinischen Begleitmaßnahmen komplett zu standardisieren. Damit gehen in die Untersuchungsergebnisse Variablen mit ein, die oft nicht erfaßt werden. Aufgrund der Punkte a-d ist die Durchführung von Sepsis-Studien mit - versus ohne Antithrombin-Substitution ausgesprochen problematisch. Hierfür wäre ein hoher finanzieller Aufwand notwendig. Zu bezweifeln bleibt allerdings, ob trotz derartiger Anstrengungen klare Studienergebnisse auf Signifikanzniveau erzielt werden können. Aus ethischen Gründen, die ihre absolute Berechtigung haben, werden nur Studien mit einem vertretbaren Design genehmigt. Hierdurch wird die Bearbeitung definierter Fragestellungen eingeschränkt. Es sind größere, klar definierte, randomisierte, prospektive Studien zu fordern, um zu rationalen Therapieentscheidungskriterien

Antithrombin-"State of the Art" und Konsensus

XVII

zu kommen. Inwieweit sich dies, beschränkt durch den immensen finanziellen Aufwand, konkretisieren läßt, bleibt abzuwarten. Zum anderen ist es aufgrund der Punkte abis d nicht sicher, ob, trotz des immensen finanziellen Aufwandes, bei der Durchführung derartiger Studien ein klares Ergebnis herauskommt. Aufgrund des derzeitigen Wissensstandes soll und kann jedoch nachfolgendes "Statement" abgegeben werden:

I. Konsensusempfehlung 1. Die Verfügbarkeit von Antithrombin-Konzentraten ist ein wich-

tiger Fortschritt in der Substitutionstherapie angeborener oder erworbener Hämostasestörungen. 2. Bei Beachtung der Kontraindikationen, zu denen zur Zeit noch - trotz des ausgesprochen niedrigen Heparingehaltes der ATKonzentrate - die heparininduzierte Thrombozytopenie Typ 11 gehört, werden die Antithrombin-Konzentrate ausgesprochen gut vertragen. Unerwünschte Nebenwirkungen sind äußerst selten. Nach dem gegenwärtigen Wissensstand besitzen die Präparate eine größtmögliche Virussicherheit. 3. Der unkritische Einsatz von Antithrombin-Konzentraten ist aufgrund der dadurch induzierten enormen Kosten nicht gerechtfertigt. Die Indikationen beim Einsatz dieser Präparate müssen soweit wie möglich auf eine rationale Ebene gestellt werden. 4. Laboranalysen, insbesondere die Bestimmung der Antithrombin-Aktivität, sind hierbei unerläßlich. Bei komplexen plasmatischer Hämostasestörungen ist neben Antithrombin-Konzentraten eine Substitutionsbehandlung mit Fresh-Frozen-Plasma (FFP) indiziert, falls eine behandlungsbedürftige kritische Situation vorliegt und keine Kontraindikationen gegen den Einsatz von FFP bestehen. Die Gabe anderer Konzentrate, wie z. B. Prothrombin-Komplex (PP SB) kann sinnvoll sein. 5. Die Substitution von Antithrombin bei Sepsis sollte aufgrund der noch unzureichenden Datenlage derzeit nur im Rahmen prospektiver kontrollierter Studien durchgeführt werden. 6. Die Substitutionsbehandlung mit Antithrombin-Konzentraten scheint auch vertretbar bei komplexen Hämostasestörungen mit deutlich erniedrigtem Antithrombin.

XVIII

1. S. Weilemann et al.

7. Ferner ist sie vertretbar bei Schwangerschaftskomplikationen wie HELLP-Syndrom und Eklampsie. 8. Auch vertretbar scheint die Substitutionsbehandlung mit Antithrombin-Konzentraten bei der SL-Asparaginase-Behandlung im Rahmen der akuten Leukämie. Kritisch hierbei muß angemerkt werden, daß es auch bei diesen drei letzten Indikationen keine klinisch ausreichenden Studien gibt. Pathophysiologische Überlegungen und eine Reihe publizierter Kasuistiken und kleinere Untersuchungsserien lassen die Gabe von Antithrombin-Konzentraten in den genannten Situationen als vertretbar erscheinen. 9. Die Substitutionsbehandlung mit Antithrombin-Konzentraten ist nicht empfehlenswert bei • Hepatopathien in stabiler Krankheitsphase, • nephrotischem Syndrom in stabiler Krankheitsphase.

Antithrombin-"State of the Art" und Konsensus

XIX

11. Die Behandlung mit Antithrombin-Konzentraten ist indiziert bei Neugeborenen, bei denen unmittelbar nach der Geburt die Diagnose eines angeborenen homozygoten Antithrombinmangels festgestellt wurde. Ohne Substitutionsbehandlung sterben diese Neugeborenen rasch. Ein Homozygote-Antithrombin-Mangel ist jedoch eine Seltenheit. Bei hereditärem Antithrombin-Mangel ist die Substitutionstherapie indiziert im Rahmen • akuter thromboembolischer Ereignisse • zur peri- und postoperativen Thromboseprophylaxe, insbesondere bei Hochrisikoeingriffen • in den letzten Wochen der Schwangerschaft, in der Phase der Entbindung und bis etwa 6 Wochen postpartal. Die Behandlung mit Antithrombin-Konzentraten ist mit guten Argumenten bei der Verbrauchskoagulopathie im Rahmen einer Sepsis vertretbar. Die Datenlage der Literatur zeigt hierzu, daß durch den Einsatz von Antithrombin-Konzentraten die Gerinnung rasch stabilisiert wird. Bezüglich des Einsatzes bei Sepsis haben Tierversuche gezeigt, daß Antithrombin eine antiinflammatorische Wirkung besitzt. Diese Untersuchungen wurden unter sehr hoch substituierten Antithrombin-Spiegeln durchgeführt. Erst begrenzte Untersuchungen gibt es hierzu auch im Bereich der Humanmedizin; wahrscheinlich sind, um eine antiinflammatorische Wirkung zu erzielen, mindestens AT-Aktivitäten von 140 bis 170% notwendig. 1. Entschließt man sich für eine Substitutionsbehandlung mit An-

tithrombin-Konzentraten, ist als Zielbereich eine AntithrombinAktivität im Plasma von 80% bis 100% d.N. anzustreben, bzw. ist dieser Spiegel durch adäquate, engmaschige Substitution aufrechtzuerhalten. Eine Sondersituation liegt bei Sepsis/Polytrauma vor. Hier gibt es Hinweise, daß der genannte Zielbereich zwar nützlich, aber unter Berücksichtigung des antiinflammatorischen Effektes des Antithrombins eine Anhebung der Plasmaaktivität in den

xx

L. S. Weilemann et al.

supranormalen Bereich effizienter ist. Im Detail muß dies durch weitere Studien noch belegt werden. 2. Zur Frage additiver Heparingabe in Kombination mit einer Antithrombin-Substitution erfolgten nachstehend aufgeführte übereinstimmende Kommentare: • Wird Antithrombin zur Behandlung einer akuten Thromboembolie bei nachgewiesenem Antithrombinmangel eingesetzt, ist gleichzeitig Heparin in therapeutischer Dosierung (30000 bis 40000 I.E. pro 24 Std.) zu applizieren. Es wird eine aPTT-Verlängerung auf 60 bis 80 Sekunden als Zielbereich angestrebt. • Wird Antithrombin zur Beherrschung einer akzellerierten bzw. disseminierten intravasalen Gerinnung und/oder Verbrauchskoagulopathie ohne klinische Blutungszeichen eingesetzt, ist Heparin in der sogenannten Low-dose-Applikation von ca. 100 bis 200 I.E. pro Stunde kontinuierlich i.v. sinnvoll. • Wird Antithrombin im Rahmen der Behandlung einer disseminierten intravasalen Gerinnungs-/Verbrauchskoagulopathie mit klinisch manifester Blutung eingesetzt, sollte man auf die gleichzeitige Heparinapplikation verzichten. 3. Es ist empfehlenswert, daß Patienten mit nachgewiesenem hereditären Antithrombin-Mangel hinsichtlich Prophylaxe und Therapie thromboembolischer Komplikationen in entsprechenden Zentren versorgt werden, die ausreichende Erfahrungen im Umgang mit den relativ seltenen Fällen hereditärer thrombophiler Diathesen haben.