Versteckte Bibeln und verbrannte Kirchen

Dieses Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervie...
Author: Nicole Frank
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Dieses Manuskript stimmt nicht unbedingt mit dem Wortlaut der Sendung überein. Es darf nur zur Presse- und Hörerinformation verwendet und nicht vervielfältigt werden, auch nicht in Auszügen. Eine Verwendung des Manuskripts für Lehrzwecke sowie seine Vervielfältigung und Weitergabe als Lehrmaterial sind nur mit Zustimmung der Autorin/des Autors zulässig.

hr2 – Kultur | Camino – Religionen auf dem Weg Sonntag, 13. Dezember 2009, 1.30 –12.00 Uhr

Versteckte Bibeln und verbrannte Kirchen Christenverfolgung nimmt in vielen Ländern dramatisch zu von Bettina von Clausewitz ___________________________________________________________________ Musik von Jordi Savall „Jerusalem“ (2009) siehe: www.hronline.de/website/rubriken/kultur/index.jsp?rubrik=43488&key=standard_docu ment_36358264

1. Musik, frei ab 1’05 (Flöte)

ca. 10“ frei

Jordi Savall „Jerusalem“, CD 1, Track 13, Song of Exile (Psalm 137) Audio Doppel-CD, 16. Januar 2009, Label; Alia Vox, ASIN: B001GAQR50

Mod. (über Musik) Wenn die 42-jährige Elena von ihrer Heimat spricht, dann sagt sie meistens: Ich komme aus dem Kaukasus. Denn Kabardino-Balkarien, das Land, aus dem sie stammt, ist in deutschen Köpfen ein Niemandsland, ein weißer Fleck ohne Assoziationen. Für Elena dagegen, Philosophieprofessorin und orthodoxe Christin aus der russischen Teilrepublik, ist Kabardino-Balkarien voller Erinnerungen. Es ist

die Heimat ihrer behüteten Kindheit, aber auch der Schauplatz jahrelanger 30“

lebensbedrohlicher Albträume. 1. O-Ton, Elena, Sprecherin/Overvoice (Bd. V, Track 5, 17’10)

(russisch, nur am Anfang frei) Sie machen einem das Leben da unmöglich, das Leben wird uns zur Hölle gemacht. Man kann nirgendwo in Ruhe hingehen, man kann keine Kinder zum Kindergarten bringen - man wird nicht gleich verprügelt, aber es kann trotzdem jederzeit passieren, dass man auf der Straße angegriffen oder beschimpft wird. Viele Häuser von Christen und Kirchen sind angezündet worden, die Wahabiten haben schon ganz Orte kontrolliert und sogar versucht, die Regierung zu stürzen. 25“+10“ Mod. Die schmale, dunkelhaarige Frau mit der leisen Stimme sitzt angespannt auf der Sofakante. Die Angst ist noch immer gegenwärtig, wenn Elena von den Jahren der Unsicherheit und Verfolgung spricht. Dabei lebt sie schon seit gut fünf Jahren in einer beschaulichen Kleinstadt im Rheinland. Der elfjährige Sohn geht auf’s Gymnasium und beide haben gute Freunde gefunden. So konnte auch die drohende Abschiebung verhindert werden. Im Sommer 2009 hat die nordrhein-westfälische Härtekommission entschieden, dass die beiden bleiben dürfen. Ihr Fall ging mit vollem Namen und Details durch die Presse. Aber jetzt will Elena zurück in die Anonymität. Auch hier leben Islamisten, fürchtet sie, und erzählt aus ihrer Leidensgeschichte. Übersetzt von einer georgischen Freundin, die ebenfalls unerkannt bleiben will: 50“ 2. O-Ton, Elena (Bd. V, Track 6, 0’30) (abwechselnd Russisch und Deutsch) Sie haben uns gesagt, entweder gehen sie hier weg, oder wir bringen euch um – Russisch – Sie haben ihnen noch die Möglichkeit gelassen zu entscheiden, diese Wahabiten, die moslemischen Extremisten, die sie so lange terrorisiert haben. Sie ist mit dem Kind mal in einen Aufzug rein gegangen und einer von denen – mit der Einkaufstüte hat er versucht sie umzubringen, zu ersticken ja. – (Nachfrage) Und der Junge war dabei? – Ja.

40“

Autorin Ein unvergessliches Erlebnis. In einer langen Reihe von Übergriffen. Elenas Mann, von dem sie sich mittlerweile getrennt hat, wurde krankenhausreif geschlagen, das Auto und die Haustür wurden angezündet. Gezielte Kampagnen, um alle Christen aus der Region zu vertreiben. Seit dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre sprechen Experten von einer „ethnischen Explosion“ in der Vielvölkerregion Kaukasus, begleitet von einer islamischen Mobilisierung. Elenas Schicksal ist ein Einzelschicksal, aber es wirft ein Licht auf ein weltweites Phänomen – die zunehmende Christenverfolgung. Martin Schindehütte, Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, der EKD:

45“

3. O-Ton, Schindehütte (Bd. IV. Track 5, Anfang) Christenverfolgung beginnt für mich dort, wo aktiv versucht wird, Christen aus dem Land zu vertreiben, wo aktiv versucht wird, Christen einzuschüchtern, ihnen Angst zu machen, wo Christen bedroht werden an Leib und Leben. Davon unterscheiden muss man eine Situation, in der Christen zwar nicht aktiv bedrängt werden, aber ihnen werden still und heimlich – oder manchmal auch offensichtlich - die Lebensperspektiven genommen. Dann werden sie nicht aktiv bedroht, aber sie haben keine Zukunft mehr und dann verlassen sie diese Länder: Schule, Beruf, Ausbildung, keine beruflichen Chancen. - Das ist übrigens die viel, viel größere Zahl, unter der Christen ihre Länder verlassen.

45“

Kreuzblende, ab Fanfaren frei 4. O-Ton, Filmausschnitt „Quo Vadis?“ DVD „Quo Vadis?“ (1951)

ca. 20“

Atmo: Gesang der Gefangenen, Fanfaren, Löwengebrüll, Schreie und Gelächter Autorin, Atmo ca. 15“ unterlegen Christenverfolgung als oskar-prämiertes Leinwandepos im antiken Rom, mit brüllenden Löwen und kreischendem Publikum im Amphietheater. Mit dem Kinofilm „Quo Vadis?“ ist das Thema vor gut 50 Jahren zum Kassenschlager geworden. Aber es ist nicht nur Historie á la Hollywood.

Damals, als der Film entstand, mussten Christen vor allem in Osteuropa ihre Bibeln verstecken und sich heimlich treffen. Heute spricht der Theologe Thomas Schirrmacher, Experte in Sachen Religionsfreiheit, von einer neuen Phase der Verfolgung.

40“

5. O-Ton, Schirrmacher (Bd. III, Track 3, 13’35) Eine der grundlegenden Veränderungen ist, dass in den 60er, 70er Jahren die Hauptverfolgung gegen alle (!) Religionen, auch gegen das Christentum, von nicht religiösen – also von atheistischen Regierungen etc. ausging – während heute die Hauptverfolgung von Religionsgemeinschaften, von Religionen selber ausgeht. Das ist statistisch gesehen eine ganz große Verschiebung und gibt dem ganzen natürlich auch eine ganz andere Dimension.

25“

Autorin So kommt es derzeit vor allem in islamischen Ländern zu Übergriffen, ebenso wie im hinduistischen Indien oder im buddhistischen Sri Lanka. Aber auch kommunistische Länder wie Korea, China oder Vietnam stehen auf dem Verfolgungsindex. Thomas Schirrmacher, der gleich mehrere Doktortitel im Namen führt, ist Sprecher für Menschenrechte in der konservativen Weltweiten Evangelischen Allianz und leitet dessen Institut für Religionsfreiheit in Bonn. Gemeinsam mit der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte IGFM in Frankfurt und dem christlichen Nachrichtendienst idea ist er Herausgeber eines jeweils im November erscheinenden Märtyrerjahrbuchs. Nach Ansicht Schirrmachers liegt der Verfolgung oft eine Art DreiStufen-Muster zugrunde:

45“

6. O-Ton, Schirrmacher (Bad. III., Track 3, 5’08) In der Desinformation, nehmen wir das 3. Reich, die Juden, das ist ein typisches Beispiel: Erstmal müssen Desinformationen gestreut werden, damit die Bevölkerung überhaupt eine negative Haltung bekommt. Dann kommt die Diskriminierung, die meist noch auf rechtlichem Wege läuft: Bestimmte Dinge stehen einem nicht mehr zu, die eigentlich jedem zustehen. Und dann erst folgt der eigentliche Angriff auf Leib und Leben: angefangen von Gefängnis, Folter bis hin zum Töten.

Autorin

30“

Eine Erfahrung, die auch Elena aus dem Kaukasus gemacht hat. In vielen Ländern ist der Staat zu schwach oder er hat kein Interesse an Religionsfreiheit. Sofern sie überhaupt als schützenswert gilt. Im Iran zum Beispiel, wo nur 0,5 Prozent der Bevölkerung Christen sind, gelten Moslems, die konvertieren, als Staatsfeinde. Die so genannte Apostasie – der Abfall vom Glauben – zählt als Hochverrat. Wer konvertiert, muss mit Gefängnis oder der Todesstrafe rechnen. Der 49-jährige Mohsen etwa, ehemals Sympathisant der Mudschaheddin. Nachdem er 14 Jahre in iranischen Gefängnissen verbracht hatte, kam er vor zehn Jahren als politischer Flüchtling nach Deutschland - und wurde 45“

Christ. Eine lebensbedrohliche Entscheidung. 7. O-Ton, Mohsen (Bd. V, Track 2, 2’50 + 4’25)

Für jede Muslime ist Pflicht, solche Menschen umbringen! Bei solche Situation Familie kann nix helfen. Die sind selber in Gefahr auch, die müssen so schnell wie möglich reagieren gegen mir und sagen: „Nein, wir haben nix zu tun mit diese Person.“ Es gibt Menschen, die sind von Religion Christ und sind Christ geboren und wir haben auch ältere Kirchen im Iran, die dürfen auch da bleiben und Gottesdienste machen, aber alle Missionarstätigkeit - die dürfen gar nix, die dürfen nur in ihrer eigenen Kirche begrenzt aktiv sein, aber wenn die versuchen missionarisch tätig sein, über Jesus oder die Bibel reden, dann die sind selber auch in Gefahr. 45“

Mod. Christentum hinter verschlossenen Türen. Angesichts dieser Situation ist eine Rückkehr in den Iran für Mohsen unmöglich. Eine Tatsache, die jetzt - nach zwei abgelehnten Asylanträgen – endlich auch von den deutschen Behörden anerkannt wurde. Musik unterlegen, Flöte (instrumental) Vor kurzem erhielt Mohsen, der seinen richtigen Namen nicht nennen möchte, die 25“

lang ersehnte Aufenthaltserlaubnis samt Arbeitsgenehmigung.

1. Musik (wie Anfang)

Gesang frei ab 1’55 -2’25

ca. 30“

Jordi Savall „Jerusalem“, CD 1, Track 13, Song of Exile (Psalm 137) Audio Doppel-CD, 16. Januar 2009, Label; Alia Vox, ASIN: B001GAQR50

Sprecher, Zitat (über Musik) Aus der Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1948: „Jeder Mensch hat das Recht auf Gewissens- , Gedanken- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat, durch Unterricht, Ausübung, Gottesdienst und Beachtung religiöser Bräuche zu bekunden.“

30“

Mod. Religionsfreiheit als Menschenrecht - das klingt für viele Menschen wie Zukunftsmusik, nicht nur für Christen, sondern auch für andere bedrängte Minderheiten, religiöse oder ethnische. Die Realität dagegen, wie der evangelische Auslandsbischof Martin Schindehütte sie auf seinen Reisen erlebt, sieht anders aus: 20“ 8. O-Ton, Schindehütte (Bd. IV, Track 5, 2’20) Ich nehme Christenverfolgungen wahr. Sie sind selten staatlich systematisch, sondern meistens zwischen verschiedenen Gruppen. Sie sind religiös begründet, aber auch sozial begründet – etwa die Auseinandersetzungen und die Verfolgungen und die Toten in Orissa, in Indien. Christen sind aktive Menschen, sie sind erfolgreiche Menschen, das hat etwas mit der Kultur zu tun, und das führt dazu, dass sie dann zu den etwas reicheren Menschen gehören, zu denen, die Erfolg haben, und dann treten soziale Spannungen auf, die aber religiös ummäntelt werden oder religiös aufgeladen werden.

40“

Mod. Weltweit werden rund 200 Millionen Christinnen und Christen in 50 Ländern diskriminiert und verfolgt, meinen die Herausgeber des jüngsten Märtyrer-Jahrbuchs. Der Band enthält einen grob differenzierten „Weltverfolgungsindex“ der Hilfsorganisation „Open Doors“ und zahlreiche Länderberichte mit Einzelbeispielen von Verfolgung, Misshandlung und Todesfällen. Eine erschütternde Bilanz in Bildern und Zahlen, die mit allen Mitteln aufrütteln will. EKD-Bischof Schindehütte zeigt trotzdem Skepsis angesichts solcher Statistiken:

35“

9. O-Ton, Schindehütte (Bd. IV, Track 5, 3’35) Ich kann die Zahl nicht bestätigen. Wir haben keine präzise Zahl und wir wissen auch 10“

nicht, wie man so eine Zahl ermitteln könnte.

Mod. Unabhängig davon, wie hoch die Schätzungen ausfallen oder ob überhaupt mit Zahlen argumentiert wird, Einigkeit besteht bei allen Kirchenvertretern darin, dass Diskriminierung und Verfolgung dramatisch zugenommen haben. Und dass von allen religiös Verfolgten weltweit der Anteil der Christen am größten ist - mit 80 bis 90 Prozent. (10.-Ton/Atmo ab hier unterlegen) Das Engagement für Religionsfreiheit steht deshalb bei den evangelikalen Herausgebern des Jahrbuchs ebenso auf der Tagesordnung wie beim EKDAuslandsbischof oder bei den Katholiken. Und es äußert sich auch im Einsatz für Flüchtlinge in Deutschland. Für die wachsende Zahl von Christen aus dem Irak etwa, 40“

wie hier bei einem Gottesdienst in Essen.

10. O-Ton, Atmo (Bd. II, Track 13) ab 3’40 – Liturg – Gemeinde im Wechsel

ca. 20“ frei

11. O-Ton, Sami Danka, Sprecher Overvoice (Bd. II, Track 6, 7’52) (Anfang arabisch, nur anfangs ca. 5“ freistehen lassen, am Schluss nicht!) Am 1. August 2004 sind die Kirchen erstmals bombardiert worden, es gab Anschläge damals und viele Tote – Märtyrer. Aber die Menschen sind trotz aller Probleme und Angst weiter zur Kirche gekommen und haben sich zu Gott bekannt. Das zeigt, dass sie eine ganz tiefe innere Verbindung zu ihrer Kirche haben. Wir haben als Christen im Irak gezeigt, dass wir ein friedfertiges Volk sind. Es sind die Fremden, die Mord und Zerstörung gebracht haben. In letzter Zeit haben auch ein Bischof und ein Priester ihr Leben geopfert. Ich selbst bin 2006 mit mehreren anderen entführt worden, insgesamt acht Tage lang.

Mod.

35“+ 5“

Pater Sami Danka leitet eine Gemeinde chaldäisch-katholischer Christen aus dem Irak, die hier im Ruhrgebiet eine neue Heimat gefunden haben. In einer modernen roten Backsteinkirche, die ihnen das Bistum Essen zur Verfügung gestellt hat, nicht weit von alten Zechen und Fördertürmen. Sami Danka hat im Irak junge Theologen ausgebildet und in Rom promoviert, seit Anfang 2009 kümmert sich der 42-Jährige jetzt als Seelsorger um eine ständig wachsende Exilgemeinde in NordrheinWestafeln, die schon fast 1000 Mitglieder hat.

Atmo, Liturgie unterlegen „Unsere Liturgie ist ein Ozean voller Gebet und Tränen“ sagt Pater Sami, denn jeder hier sorgt sich um Freunde und Familienangehörige. Am letzten Sonntag sind in Bagdad wieder Bomben explodiert, vor vier Kirchen direkt nach dem Gottesdienst, 50“

erneut gab es Tote und viele Verletzte. Wdh. 10. O-Ton, Atmo – Liturgie

ca. 20“

Mod. Während andere Verfolgte noch um ihre Anerkennung kämpfen, hat die Situation irakischer Christen mittlerweile traurige Berühmtheit erlangt. Seit dem Sturz von Saddam Hussein und dem Einmarsch der US-Truppen 2003 hat sich ihre Situation dramatisch verschlechtert. Mehr als die Hälfte der 1.2 Millionen Menschen zählenden christlichen Minderheiten haben nach Angaben der Vereinten Nationen die Region verlassen: das alte Babylon, das seit 2000 Jahren als Wiege des Christentums gilt, für Chaldäer, Assyrer, Armenier und andere. Grund für den Exodus sind Schicksale wie das der sieben Waisenkinder, von dem Rudi Löffelsend erzählt, Auslandsexperte der Caritas im Bistum Essen, mit einem großen Herzen für die Nöte der Flüchtlinge:

45“

12. O-Ton, Rudi Löffelsend (Bd. II, Track 4, 6’33) Im Sommer 2007 ist bei einer chaldäisch – christlichen Familie, die in einer Kleinstadt südlich von Bagdad gelebt haben, im so genannten Todesdreieck, ’ne marodierende Truppe von Islamisten aufgetaucht: sieben Kinder, die Mutter vor dem Haus, und die dann die Mutter aufgefordert haben: „Du musst von deinem Glauben abschwören

und musst sofort Muslim werden, sonst töten wir dich.“ Und dann hat die gesagt: „Auf keinen Fall.“ Und dann haben sie sie erschossen. Vor den Augen der Kinder.

30“

Mod. Anschließend fesselten und knebelten die Mörder den Vater und warfen ihn in den Kofferraum ihres Autos. Er blieb fast ein Jahr lang mit drei weiteren christlichen Männern verschwunden. Während die Kinder – der älteste Junge 15 Jahre alt - mit Hilfe der Gemeinde nach Syrien flohen und schließlich zu den Großeltern einreisen durften, nach Essen. Die Christen im Irak müssen als Südenböcke herhalten, meint Rudi Löffelsend. 25“ 13. O-Ton, Rudi Löffelsend (Bd. II, Track 4, 15’00) Das liegt natürlich auch daran, dass innerhalb der amerikanischen Invasion viele sehr radikale evangelische Kleinstgruppen aus den USA mit einem sehr großen Willen zur Missionierung in den Irak eingefallen sind und sehr unsensibel da versucht haben zu missionieren und dat natürlich nicht differenziert wird, und dann natürlich auch diese unglückselige Geschichte zurückfällt auf die schon lange dort lebenden Christen. Also die Amerikaner haben mehr Unheil angerichtet, als Gutes getan, dat sach’ ich in aller Deutlichkeit.

35“

Mod. Und so haben die alten Traditionskirchen im Irak jetzt das gefährliche Stigma des Steigbügelhalters – und werden zur Zielscheibe für gewaltbereite Islamisten. Dabei hat Pater Sami Danka ebenso wenig Sympathien für die Amerikaner, wie muslimische Iraker auch. Und Moslems zu missionieren ist für ihn kein Thema, wie sein Übersetzer und Diakon Faris Yousif beteuert.

25“

14. O-Ton, Faris Yousif (Bd. II, Track 8, 8’37) (kurz arabisch, dann Deutsch) Wir sind keine Missionare! Wir haben unsere Kirchen, unseren Glauben, unsere Taufen, Kommunion, Hochzeiten, Beerdigungen, Feierlichkeiten, das ist unseres. Es ist noch nie passiert dass ein Priester, ein Christ,

geht zu einem Muslim und sagt: „Jetzt zeige ich dir unsere Religion, dann kannst du Christ werden!“ Das kennen wir nicht, das ist die Wahrheit, da ist kein Mogel drin. 30“

2. Musik (unter O-Ton beginnen) Jordi Savall „Jerusalem“, CD 1, Track 5 „Postludium“ (Qanun)

ca. 20“

Audio Doppel-CD, 16. Januar 2009, Label; Alia Vox, ASIN: B001GAQR50

Mod. (Musik langsam blenden) Mission als Auslöser für Übergriffe, möglicherweise für selbst verschuldete Übergriffe? - diese Diskussion ist in jüngster Zeit bei zwei aktuellen Fällen auch in der deutschen Öffentlichkeit geführt worden, vor allem deshalb, weil Deutsche betroffen waren: Beim Mord an drei Missionaren im türkischen Malatya (sprich: Malátcha) 2007, die zuvor stundenlang gefoltert wurden – einer von ihnen der Lehrer Tilman Geske – und bei der Entführung und Ermordung von zwei Bibelschülerinnen im Juni 2009 im Jemen. Die Berliner Zeitung meinte dazu in einem Kommentar: 35“

2. Sprecher, Zitat „Auch zu viel Christenliebe macht blind. ... Die evangelikalen, christlichfundamentalistischen Weltbeglücker einer Missions- und Agitationsstation (als Hilfseinrichtung getarnt) haben die Entsendung organisiert. Sie dürfen nicht freigesprochen werden. Ihr wahres Ziel ist es, anderen Menschen ihren Gott ausund den eigenen als besseren einzureden; zu diesem Zweck haben sie die Frauen verheizt, fehlt bloß noch, dass sie sie zu Märtyrerinnen erklären.“

30“

Mod. Eine gewisse Häme ist unverkennbar. Scharfer Protest gegen diese pauschale Form der Schuldzuweisung kommt deshalb sowohl von Vertretern der betroffenen evangelikalen Organisationen als auch vom Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland, Martin Schindehütte.

15“

15. O-Ton, Schindehütte (Bd. IV, Track 5, 18’30) Es kann nicht sein, dass die Frage nach der Methode oder der Art und Weise der Mission überlagert, dass hier ein massives Verbrechen stattgefunden hat. Und dass in massiver Weise Menschenrechte verletzt worden sind. Das muss in der Presse

zuerst stehen. Und wenn das gewürdigt ist, dann kommen wir miteinander in ein christlich – geschwisterliches Gespräch darüber, was möglicherweise an Anteilen bei uns selber liegen könnte, dass es dazu kommt. Aber das dreht ja nicht die 30“

Begründung um!

Mod. Mission ist wichtig und richtig, darüber lassen sich die EKD und die Evangelikalen heute nicht mehr auseinander dividieren wie noch vor wenigen Jahrzehnten. Obwohl die EKD sich mit Blick auf die jeweilige Kultur vor Ort eher zurückhaltend gibt, um nicht zu provozieren, während andere Organsiationen durchaus zur Bekehrung aufrufen. Claudia Währisch-Oblau, die zehn Jahre in China gelebt hat, heute Referentin für Evangelisation ist beim traditionsreichen Missionswerk Vereinte Evngelische Mission in Wuppertal, sieht ein Bündel von Faktoren als Ursache der Ressentiments gegenüber Christen weltweit: 35“ 16. O-Ton, Währisch Oblau (Bd. I., Track 6, 12’34 + Track 7, 1’33) Zum einen, dass christliche Kirchen wachsen und zwar fast überall auf der Welt, vor allem pfingstkirchlicher oder charismatischer Ausrichtung, die in der Regel relativ aggressiv evangelisieren – das wird häufig als Bedrohung empfunden. Ein zweiter Faktor hat etwas damit zu tun, dass generell Politik sehr stark betrieben wird mit Begriffen von Identität, und Religion da eine große Rolle spielt – kulturelle und religiöse Identität sehr eng miteinander verschränkt gedacht werden. 30“ 17. O-Ton, Atmo, Jugendgottesdienst (Bd. VI., Track 5, ab 2’30 frei) mit moderner Musik, Gitarre, singen Klatschen - - Jesu, Jesu, Halleluja!

ca. 10“

Mod. (Atmo langsam weg) Gottesdienst in einer Evangelisch-Methodistischen Gemeinde in Sri Lanka, einer Partnerkirche der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal. Hier ist Mission selbstverständlicher Ausdruck des Glaubens, auch wenn gut 70 Prozent der Bevölkerung Buddhisten sind. Gleichzeitig ist der Buddhismus Teil einer kulturellen Identität, die zunehmend als politisches Instrument eingesetzt wird. Die

Verfassung spricht zwar von Religionsfreiheit, aber sie räumt „dem Buddhismus den vordersten Platz“ ein. Seit 2005 wird ein „Anti-Bekehrungsgesetz“ im Parlament 35“

diskutiert, wie Methodistenpastor Wesley Alexander erzählt:

18. O-Ton, Rev. Alexander, 2. Sprecher/Overvoice (Bd. VI, Track 4, 9’15) (If it is passed ...) Wenn es verabschiedet wird, dann wird es wirklich schwierig für uns. Andererseits - in manchen Gegenden ist es so, als gäbe es das Gesetz schon. Die buddhistischen Mönche kommen doch jetzt schon und greifen Kirchen an, sogar die Katholische. Sie zerstören Heiligenfiguren, stehlen Bücher, Altartücher, sogar Orgeln, alles Wertvolle. Kürzlich ist eine unserer Kirchen mitten in Colombo angegriffen worden, ganz in der Nähe einer Polizeistation. Das heißt doch, obwohl das Anti-Bekehrungsgesetz noch nicht verabschiedet ist, erleben die Christen in Sri Lanka bereits Verfolgung, direkt oder indirekt (....persecution directly or indirectly).

35“+10“

Mod. Ein Damoklesschwert für Christen in Sri Lanka, wo der Buddhismus seinem Image als friedlicher Religion nicht gerecht wird. Trotzdem verzeichnen die Kirchen, die seit langem auch in Sachen Frieden, Bildung und Soziales engagiert sind, wachsende 15“

Mitgliederzahlen, sagt Pastor Wesley Alexander.

19. O-Ton, Rev. Alexander, 2. Sprecher/Overvoice (Bd. VI., Track 4, 4’50) (There are people like that also ...) Es gibt natürlich Leute, die Angst haben, aber es gibt auch viele, die zu unseren Heilungsgottesdiensten kommen. Alle Kirchen haben solche Gottesdienste, wo Leute mit Krankheiten und seelischen Nöten geheilt werden. Wir hören ihnen zu, begleiten sie und beten mit ihnen, dadurch lernen sie die Liebe Gottes kennen. Wenn es ihnen wieder besser geht, kommen viele weiter zur Kirche. Diese Erfahrung ist dann viel stärker als die Angst vor Verfolgung (...more powerful than the persecution).

25“ + 10“

Mod. Wachstum trotz Verfolgung – ein wenig erinnert das an die frühen Zeiten des Christentums im Römischen Reich. Aber die moderne Christenverfolgung hat viele Gesichter: Von der gezielten Vertreibung im Kaukasus oder im Irak über die

Bedrohung von Konvertiten im Islam bis hin zu brennenden Kirchen in hinduistischen oder buddhistischen Regionen. Die Religionsfreiheit muss ganz oben auf die Tagesordnung, bei den Religionen ebenso wie in der Politik, meint der indische Professor John Fernandes, der sich in seiner Heimat seit langem im Dialog der Religionen engagiert:

35“

20. O-Ton, John Fernandes (Bd. I., Track 4, 10’10) Die ganze Welt hier muss sich einschalten – nicht nur in Indien, sondern überall – wo im Namen der Religion einer diskriminiert wird! Das ist nicht nur eine religiöse Frage, es ist eine Menschenrechtsfrage!

15“

wdh. 2. Musik Jordi Savall „Jerusalem“, CD 1, Track 5 „Postludium“ (Qanun) Audio Doppel-CD, 16. Januar 2009, Label; Alia Vox, ASIN: B001GAQR50