Strom aus Geothermie: Kosten und Kostensenkungspotenziale Wirtschaftlichkeit n Geothermie zur Stromerzeugung in Niederenthalpiegebieten ist eine junge Technik. Die erste deutsche Anlage wurde 2004 in Neustadt-Glewe in Betrieb genommen, drei weitere Kraftwerke folgten bis Ende 2009. Obwohl gerade erst auf dem Weg, das Demonstrationsstadium zu verlassen, ergaben Untersuchungen Gestehungskosten, die sich mit anderen erneuerbaren Energien messen lassen.

S

trom aus Geothermie außerhalb von Gebieten mit vulkanischer Aktivität galt vor zwei Dekaden noch als Fiktion, heute sind allein in Deutschland und im unmittelbar benachbarten Ausland ein halbes Dutzend Kraftwerke im Betrieb. Für den EEGErfahrungsbericht 2011 wurden diese Anlagen zusammen mit verschiedenen Heizkraftwerken und konkret im Bau befindlichen Stromprojekten hinsichtlich ihrer Kostenstrukturen untersucht. Parallel dazu wurde das Kostensenkungspotenzial am Beispiel der Geothermiekraftwerke Soultz-sous-Forêts und Bruchsal detailliert untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich allein mit Lernund Masseneffekten Einsparungen erzielen lassen, mit denen die Gestehungskosten bis 2020 um weitere 10 Eurocent (ct) je kWh gesenkt werden können.

EEG-Erfahrungsbericht 2011 Um erstmals Strom- und Wärmegestehungskosten von Geothermieanlagen auf Basis von Echtdaten zu erhalten, wurden Fragebogenaktionen und Experteninterviews mit den Projektverantwortlichen folgender Standorte durchgeführt: Unterhaching, Landau, Bruchsal, Neustadt-Glewe, Kirchstockach, Dürrnhaar, Sauerlach, Bernried, Kirchweidach und Utting. Das Projekt Soultz-sous-Forêts war nicht Bestandteil der im Rahmen des EEG-Erfahrungsberichts durchgeführten Untersuchungen. Die Angaben aus Fragebögen und Direktansprache wurden in verschiedenen Workshops verdichtet. Ein Auszug aus den Untersuchungsergebnissen wird nachstehend anonymisiert vorgestellt. Anzumerken ist, dass die anonymisierten Projektnamen von Abbildung zu Abbildung differieren können (Abb. 1). 56

Die Investitionen in den Anlagenbau können in die drei Kategorien Planung, Bohrungen und Kraftwerk gegliedert werden. Ihr Anteil an den Gesamtbau-

kosten verschiedener Projekte ist in Abbildung 2 dargestellt. Unter Planungsleistungen subsummieren sich das Projektmanagement, die Explo-

Neustadt-Glewe

KWK

Landau

KWK Wärme

Unterhaching

Strom

Soultz (nachrichtl.)

KWK

Bruchsal

nur Strom nur Strom

Sauerlach Kirchstockach

nur Strom

Dürrnhaar

nur Strom

2000

2002

2004

2006

2008

2010

2012

2014

2016

Abb. 1 Inbetriebnahme deutscher Projekte zzgl. Soultz-sous-Forêts (vorläufige Version)

Bohrkosten Kraftwerk Planung

Projekt A

Projekt D

Projekt B

Projekt F

Projekt C

Projekt E

0 %

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

Abb. 2 Prozentuale Aufteilung der Investitionskosten(vorläufige Version) - Sonderheft Geothermie 2 012

Stromerzeugungskosten rationsmaßnahmen, Grundstückser werb, Langzeitpumpversuch und verschiedene Versicherungen. Die Herrichtung des Bohrplatzes wurde den Bohrkosten zugeschlagen, die mit über 45 % in die Investitionen eingehen. Unter dem Posten „Kraftwerk“ wurden alle Kosten zusammengefasst, die nach dem Langzeitpumpversuch anfallen. Neben der Stromerzeugungsanlage zählt hierzu auch das obertägige Thermalwassersystem, Einhausungen und das Kühlsystem. Abbildung 3 zeigt einen Vergleich zwischen geplanten und tatsächlich entstandenen Bohrkosten. Planüberschreitungen von bis zu 350 % unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen

Exploration und das damit verbundene Kostenreduktionspotenzial. Die untersuchten Kraftwerke weisen deutliche Leistungsunterschiede auf. Die 2004 in Betrieb genommene Forschungsanlage in Neustadt-Glewe mit lediglich 230 kW elektrischer Leistung bildet die untere Grenze, während die derzeit im Bau befindlichen Anlagen bis zu 6.500 kW leisten sollen. Über die Zeit betrachtet ist ein steter Zuwachs der Leistung mit nahezu jeder neuen Stromerzeugungsanlage zu dokumentieren. Den größten Anteil an den Betriebskosten besitzt der Eigenstromverbrauch der Kraftwerke und Thermalwasser-

Realisierte Bohrkosten gegenüber Planungskosten [%]

400 % 350 % 300 % 250 %

pumpen. Die im Rahmen des EEG-Erfahrungsberichts (2011) angesetzten Kosten für Fremdstrom setzen sich aus Arbeitspreis, EEG-Umlage, Netznutzung, KWK-Umlage und Stromsteuer zusammen. Bevor zur Abschätzung der Auswirkungen der neu im Gesetz geregelten Vergütungen (EEG 2012) in Höhe von 25 ct/kWh ein Ausbauszenario bis 2020 aufgestellt wird, soll im Folgenden zunächst die Methodik der Stromgestehungskostenberechnung näher vorgestellt werden. Die Berechnung der Stromgestehungskosten erfolgt gemäß der VDI-Richtlinie 2067 „Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen, Grundlagen und Kostenberechnung“ (VDI 2067, [1]). Im Rahmen dieser Richtlinie erfolgt die Gestehungskostenberechnung auf Basis der Annuitätenmethode, die es erlaubt, sowohl einmalige Zahlungen als auch laufende Zahlungen mittels des Annuitätsfaktors a über einen Betrachtungszeitraum T zusammenzufassen. Vier Kostengruppen werden gemäß VDI 2067 dabei betrachtet:

200 %

Kapitalgebundene Kosten Hierzu gehören primär die Investitionskosten für betriebstechnische Anlagenteile (beispielsweise Planungskosten, Bohrkosten, Kraftwerkskosten etc.).

150 % 100 % 50 % 0% Projekt A

Projekt B

Projekt C

Projekt D

Verbrauchsgebundene Kosten Hierunter fallen vor allem Strom- und Brennstoffkosten, des Weiteren Kosten für Wasser/Abwasser und Entsorgungskosten für Reststoffe.

-50 %

Abb. 3 Vergleich realisierte zu geplanten Bohrkosten

Betriebsgebundene Kosten Durch den Betrieb der Anlage anfallende Kosten wie Personalkosten, Instandhaltungskosten und Versicherungskosten fallen unter diesen Posten.

Projekt F

Projekt E

Sonstige Kosten/Erlöse Unter diesem Punkt werden die Erlöse infolge der Stromeinspeisung in Form von EEG-Vergütungen sowie die Wärmeerlöse erfasst.

Projekt D

Projekt C

Projekt B

Projekt A 0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

Elektrische Leistung [kW]

Abb. 4 Installierte elektrische Leistung der einzelnen Projekte - Sonderheft Geothermie 2 012

6.000

7.000

Als Betrachtungszeitraum wird für die Berechnungen eine Dauer von 20 Jahren unterstellt, da über diesen Zeitraum die Zahlung der EEG-Einspeisevergütungen garantiert ist. Nach Berechnung sämtlicher Annuitäten wird die Diffe57

renz von Ausgaben und Einnahmen gebildet und die Gesamtannuität A ermittelt: n

n

n

k=1

l=1

m=1

A = AK + S AVk + S ABl – S AEm mit: AK = Annuität der kapitalgebundenen Auszahlungen, AV = Annuität der verbrauchsgebundenen Kosten, AB = Annuität der betriebsgebundenen Zahlungen und AE = Annuität der Erlöse. Die Stromgestehungskosten berechnen sich abschließend als Quotient aus Gesamtannuität A und jährlicher Stromerzeugung.

Kostenberechnung Geothermie Betrachtungszeitraum [a]

Abbildung 5 zeigt einen Screenshot des Berechnungsdatenblattes für ein mögliches Geothermieprojekt, wobei sich die angegebenen Werte auf kein konkretes Projekt beziehen, sondern exemplarisch zu verstehen sind. Zur Ermittlung der Stromgestehungskosten wurde für sämtliche Projekte ein Betrachtungszeitraum von 20 Jahren gewählt sowie ein mittlerer Diskontsatz von 9,3 % unterstellt. Die Preisänderungsrate für verbrauchs- und betriebsgebundene Zahlungen wurde pauschal mit 2 % angesetzt. Die jeweiligen Annuitätsfaktoren wurden entsprechend der von den Projektbetreibern angegebenen Abschreibungszeiträume für die einzelnen Anlagenkomponenten ermittelt. Teilweise wurden von den Projektbetreibern auch Werte für die Kapitalkosten geliefert,

T

20

Nutzungsdauer TN [a]

Abschreibungszeitraum TAb [a]

20 50 8 20 20 20 30 50

20 50 8 20 20 20 30 50

sodass in diesen Fällen darauf zurückgegriffen wurde. Basierend auf diesen Eingangsdaten wurde eine Bandbreite für in naher Zukunft in Betrieb gehende Projekte im süddeutschen Molassebecken ermittelt. Die Stromgestehungskosten dieser Projekte im süddeutschen Molassebecken liegen in einer Bandbreite von rund 19 bis 28 ct/kWh. Die obere Bandbreite der Stromgestehungskosten repräsentiert dabei ein Projekt, in dem die tatsächlichen Bohrkosten deutlich über den geplanten Bohrkosten lagen. Es ist zu betonen, dass bei der Ermittlung der Gestehungskosten mit Auslegewerten der Stromerzeugung gerechnet wurde. Weichen diese Werte aufgrund von technischen Problemen, Ausfällen der Pum-

a) Kapitalgebundene Zahlungen

Kostenkomponente Planung, Untersuchungen,… untertägige Kosten ohne Pumpen Pumpen Thermalwasserkreislauf ohne Trasse Thermalwassertrasse Anlagen Stromerzeugung (ORC) Anlagen Wärmeerzeugung (ohne Netz) Wärmeerzeugung (Netz)

Kostenkomponente

Planung, Untersuchungen,… untertägige Kosten ohne Pumpen Pumpen Thermalwasserkreislauf ohne Trasse Thermalwassertrasse Anlagen Stromerzeugung (ORC) Anlagen Wärmeerzeugung (ohne Netz) Wärmeerzeugung (Netz) Summe

Barwert der Investition [€] A0

Zinssatz 0 0 2 0 0 0 0 0

0 0 440.049 0 0 0 0 0

0 0 253.129 0 0 0 0 0

Durchführung x Jahre vor Betriebsbeginn

Annuitätsfaktor

1,093 1,093 1,093 1,093 1,093 1,093 1,093 1,093

Barwert der Ersatzinvestitionen [€] A2 A3

A1

2.918.322 29.963.520 765.000 3.825.000 4.590.000 25.500.000 2.703.000 8.670.000

Ersatzhäufigkeit

0,112 0,094 0,183 0,112 0,112 0,112 0,100 0,094

Investition [€] 3 2 1 1 1 1 1 1

Barwert des Restwerts [€]

Preisänderungsfaktor Ersatzbeschaffungen

2.750.000 28.800.000 750.000 3.750.000 4.500.000 25.000.000 2.650.000 8.500.000

1,02 1,02 1,02 1,02 1,02 1,02 1,02

Summe der Barwerte [€]

Annuität [€/a]

326.555 2.533.936 257.081 428.010 513.613 2.853.403 254.920 733.199 7.900.717

A4

0 0 0 0 0 0 0 0

0 0 0 0 0 0 0 0

0 3.036.273 51.012 0 0 0 152.167 878.551

2.918.322 26.927.247 1.407.166 3.825.000 4.590.000 25.500.000 2.550.833 7.791.449

1,093 1,093 1,093 1,093 1,093

Preisänderungsfaktor 1,02 1,02 1,02 1,02 1,02

preisdynamischer Annuitätsfaktor 1,148 1,148 1,148 1,148 1,148

1,093 1,093 1,093

Preisänderungsfaktor 1,02 1,02 1,02

preisdynamischer Annuitätsfaktor 1,148 1,148 1,148

1,093 1,093

Preisänderungsfaktor 1,02 1,00

preisdynamischer Annuitätsfaktor 1,148 1,000

b) Verbrauchsgebundene Kosten

2007

2008

2009

Stromkosten Kosten für Schmierstoffe, Additive, Chemikalien, … Wasser/Abwasser Entsorgungskosten Reststoffe Brennstoffkosten Summe

Designpunkt 1.800.000 75.000 25.000 10.000 225.000

Zinssatz

Designpunkt 240.000 175.000 215.000

Zinssatz

Designpunkt 1.102.500 8.948.010

Zinssatz

Annuität [€/a] 2.066.708 86.113 28.704 11.482 258.338 2.451.345

c) Betriebsgebundene Zahlungen

2009 Personalkosten Instandhaltung Sonstiges Summe

Annuität [€/a] 275.561 200.930 246.857 723.348

d) Erlöse

2007

2008

Wärmeerlöse EEG-Einspeisung Strom Stromerzeugung pro Jahr (Designpunkt) Wärmeerzeugung pro Jahr (Designpunkt)

2009

Annuität [€/a] 1.265.859 8.948.010

46.100.000 kWh(el) 24.500.000 kWh(th)

Abb. 5 Screenshot des Berechnungsdatenblattes für ein Geothermieprojekt 58

- Sonderheft Geothermie 2 012

Stromerzeugungskosten

Mittlere Erzeugungskosten [€/MWh]

350 Back-Up-Kraftwerke CO2-Zertifikate (20 €/to) Kapitalkosten Betriebskosten Brennstoffkosten

300 250

max.

Ø

200 min. 150 100 50 0 Braunkohle

Steinkohle

Gas

Nuklear (LWR)

Biomasse Wind Wind PV (Frei(Holz) (onshore) (offshore) fläche)

PV (Dach)

Geothermie

Abb. 6 Stromgestehungskosten fossiler, nuklearer und regenerativer Kraftwerke

pe etc. nach unten ab, so können die Stromgestehungskosten teilweise deutlich ansteigen.

potenzialen die Geothermie in Zukunft durchaus konkurrenzfähig mit anderen regenerativen Stromerzeugungssystemen werden kann, zudem wenn ihr Vorteil berücksichtigt wird, im Vergleich zu den fluktuierenden Energieträgern Sonne und Wind grundlastfähigen Strom liefern zu können (Abb. 6).

Vergleicht man die Stromgestehungskosten geothermischer Kraftwerke mit denen fossiler, nuklearer oder anderer regenerativer Kraftwerke, so ist festzustellen, dass die Geothermie aktuell noch vergleichsweise hohe Stromgestehungskosten aufweist, die lediglich von Systemen zur photovoltaischen Strahlungsenergienutzung übertroffen werden. Allerdings zeigt sich zugleich, dass die Untergrenze der geothermischen Stromgestehungskosten den Stromgestehungskosten von Offshore-Windparks bereits recht nahe kommt, sodass insbesondere bei Realisierung von Kostenreduktions-

Abbildung 7 zeigt ein Ausbauszenario bis 2020, welches die Auswirkungen der neuen im Gesetz geregelten Vergütungen (EEG 2012) in Höhe von 25 ct/kWh abschätzt. Es berücksichtigt den zunehmend schneller voranschreitenden Zubau an hydrothermalen Anlagen und orientiert sich an den heute vergebenen Aufsuchungserlaubnissen in Deutschland. Das Szenario unterstellt für 2020

400 350

Leistung [MW]

300 250

eine installierte elektrische Leistung von 377 MW und eine jährliche Stromproduktion von 2.954 GWh verteilt auf 81 Projekte. Die hydrothermale Geothermie würde damit einen Beitrag von 1,3 % des EEG-Stroms gemäß dem Leitszenario 2010 liefern. Mit dem ab 2012 gültigen Vergütungssystem würden 3,6 % der gesamten EEG-Vergütung im Jahr 2020 auf die hydrothermale Geothermie entfallen. Auch wenn die zum Teil sehr groß zugeschnittenen Konzessionsgebiete aller heute in Betracht kommenden Aufsuchungsgebieten weiter verdichtet würden, erscheint eine Umsetzung von mehr als 120 Projekten unwahrscheinlich. In diesem Falle würden 576 MW Leistung installiert sein und 4.806 GWh liefern. Dies würde einem Stromanteil von 2 % und Kosten von 5,8 % im EEG bedeuten. Petrothermale Anlagen, sogenannte Enhanced Geothermal Systems (EGS) nach dem Soultz-Typ, sind in dieser Betrachtung nicht berücksichtigt.

Abb. 7 Ausbauszenario Geothermie

Kostenreduktionspotenziale Weltweit wird seit vielen Jahrzehnten Strom aus Geothermie in nennenswertem Umfang und zu attraktiven Gestehungskosten produziert. In Deutschland ist die Technologie dagegen noch relativ jung. Der Prototyp ging vor weniger als zehn Jahren in Neustadt-Glewe ans Netz. Mittlerweile sind mit Unterhaching, Landau und Bruchsal drei weitere An-

- Sonderheft Geothermie 2 012

59

200 150 100 50 0 bis 2010

2010

2011

2012

2013

2014

2015

Jahr

2016

2017

2018

2019

2020

30 Tight-Gas-Bohrungen Gas-Bohrungen (EU) Shale-Gas-Bohrungen (US) Geothermie-Bohrungen (Ø je Projekt)

Bohrkosten [US$ mill.]

25

Dublette A

20

15 Dublette B 10

5

0 0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

Bohrtiefe [m] Abb. 8 Kostenvergleich Bohrungen (kompiliert nach Wood Mackenzie 2006, [9], WFG 2011[4])

lagen in Betrieb. Eine weitere wird von einem deutsch-französischen Konsortium im elsässischen Soultz-sous-Forêts betrieben. Zwar ist aufgrund neuer Projekte eine Verdreifachung der installierten elektrischen Leistung in nächster Zukunft zu erwarten, Lerneffekte oder Economy of Scale konnten in Anbetracht der geringen Anlagenzahl jedoch nur beschränkt Einfluss auf die Kostenentwicklung haben. Im Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen wird für die Entwicklung der Stromgestehungskosten aus Geothermie

eine Kostenreduktion bis 2050 um etwa 10 % vorausgesetzt (SRU 2011, [2]). Diese Annahme wird im Folgenden genauer betrachtet. Baukosten Die Kosten bei Geothermiekraftwerken verteilen sich recht gleichmäßig auf den Kapitaleinsatz und den Betrieb. CO2Zertifikate sowie Kosten für Schattenkraftwerke und Brennstoffe fallen dagegen nicht an. Wie in Abbildung 3 bereits gezeigt, sind die wesentlichen Kostenfaktoren beim Bau einer Anlage

12

2 Produktionspumpen

8

NPV-Zunahme [Mio. €]

4

1 Produktionspumpe

0 -4

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 Standzeit [a]

-8 -12 -16

Im Hinblick auf die Marktdominanz der Gas- und Ölindustrie im Bohrsektor mag der Eindruck entstehen, dass bei den Bohrkosten für die Zukunft keine signifikante Kostenreduktion zu erwarten ist. Tatsächlich nimmt die rasante Entwicklung im Gassektor, und hier insbesondere bei Shale Gas, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung der Bohrkosten im weltweiten Kontext. Der Vergleich von Bohrkosten aus dem Bereich Shale-Gas in den USA, aber auch von herkömmlichen Gasbohrungen in Europa mit Geothermiebohrungen in Deutschland, zeigt bei weitgehend vergleichbarer Technik und Tiefe signifikante Kostenunterschiede in der Größenordnung von bis zu 50 % (Abb. 8).

-20 -24 -28 -32

Abb. 9 Einfluss der Standzeit der Produktionspumpen (nach Kellersmann, 2010, [7]) 60

die Bohrungen und die Stromerzeugungsanlage, die zusammen etwa 90 % der Kosten ausmachen. Die Summe der Planungsleistungen beträgt im Mittel ca. 5 % der Investition. Zusätzliche technische Maßnahmen, wie etwa die Stimulation von Bohrungen, kosten zumeist deutlich weniger als 1 Mio. €.

Die günstigeren Bohrkosten im Gassektor sind wesentlich auf Massen- und Lerneffekte und damit verbundene höhere Bohrgeschwindigkeiten zurückzuführen. Dabei ergänzen sich verschiedene Faktoren: Einmalkosten können - Sonderheft Geothermie 2 012

Stromerzeugungskosten mit einem Multi-Well-Konzept zu ersetzen. Das deutsch-französische Geothermiekraftwerk im elsässischen Soultz-sous-Forêts setzt diese Erkenntnis bereits heute in die Tat um. Dort wird das geothermische Reservoir mit insgesamt vier Bohrungen bewirtschaftet.

15 10

NPV-Zunahme [Mio. €]

5 0 0

2

4

6

8

10

12

-5

14

16 18 20 22 Wirkungsgrad [%]

-10 -15 -20 -25 -30 -35

Abb. 10 Einfluss des Kraftwerkswirkungsgrads (nach Kellersmann, 2010, [7])

auf eine vergleichsweise höhere Anzahl an Bohrungen umgelegt und eine weit effizientere Logistik etabliert werden. Parallel dazu verbessert sich zudem die Performance von Bohrung zu Bohrung. Nach Gény (2010, [3]) liegt die Kostenreduktion im Shale-Gas bei etwa 25 % zwischen der ersten und vierten Bohrung und sinkt dann mit weiteren Aufschlüssen bis auf die Hälfte der Kosten der Erstbohrung. Eine direkte Übertragung von Massenund Lerneffekten aus der Erschließung unkonventioneller Gasvorkommen in den USA auf die Geothermie in Deutschland ist nur bedingt möglich: Unterschiede ergeben sich bereits im regulatorischen Umfeld und in der Anzahl

der Bohrung je Standort. Auch sind Bohrungen, die in europäischen Gasfeldern abgeteuft werden, im für die geothermische Stromerzeugung relevanten Tiefenintervall ab 2.500 m deutlich günstiger herzustellen (Abb. 8). Der einfache Kosteneffekt, welcher sich deutlich bis zur vierten Bohrung zeigt, lässt sich auch bei den für Deutschland typischen Geothermie-Dubletten (zwei Bohrungen je Standort) beobachten: Die Bohrungen der Dublette B in Abbildung 8 waren ebenfalls um etwa 25 % günstiger als die der unmittelbar benachbarten Dublette A. Um diesen Effekt dauerhaft und möglichst vollständig abschöpfen zu können, ist jedoch ein Paradigmenwechsel notwendig: Einfache Dubletten-Systeme sind künftig durch Anlagen

Der zweite wesentliche Kostenblock von Geothermiekraftwerken ist die Stromerzeugungsanlage. In Deutschland arbeiten zwei der insgesamt vier eingesetzten Anlagen nach dem ORCVerfahren (Organic Rankine Cycle), während die verbleibenden zwei dem Kalina-Verfahren den Vorzug gegeben haben. Die spezifischen Kosten, bezogen auf die installierte Leistung, liegen im Mittel bei etwa 4.000 €/kW (WFG, 2011, [4]). Nach Welch & Boyle (2009, [5]) betragen die leistungsspezifischen Kosten für geothermische Kleinkraftwerke nach dem ORC-Prinzip in den USA ca. 2.300 bis 2.500 US$/kW und liegen damit bei weniger als der Hälfte der Kosten in Deutschland. Vergleichbare Werte wurden vom US-amerikanischen Department of Energy publiziert (DOE, 2011, [6]). Ohne Zweifel hat der Einsatz der bisher weltweit lediglich an vier Standorten zur Stromerzeugung installierten Anlagen nach dem Kalina-Verfahren einen Einfluss auf die mittleren leistungsspezifischen Kosten. Allerdings sind die Kosten für die in Deutschland installierten ORC-Maschinen kaum geringer (WFG, 2011, [4]). Weit prägnanter scheint daher ein aufgrund der geringen Anlagenzahl noch wenig reifer Markt in Deutschland, gepaart mit technischen Umsetzungsfehlern. Es ist anzuneh-

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men, dass sich die leistungsspezifischen Kosten in Deutschland mit steigender Erfahrung zunehmend dem internationalen Niveau annähern werden. Die Halbierung der Kraftwerkskosten erscheint daher absehbar.

Jeder Prozentpunkt steht für 2 Mio. € NPV-Zuwachs. Allerdings sind hier, Carnot folgend, Zugewinne nur in eng gesetztem Rahmen realisierbar (Abb. 10).

weitere technische Entwicklungen, insbesondere konzeptionelle Verbesserungen, zu berücksichtigen: Horizontalbohrungen, Side Tracks, aber auch optimierte Explorationsstrategien sind hier Schlüsseltechnologien. Ganz besondere Bedeutung kommt der KraftWärme-Koppelung und der Bereitstellung geother mischer Wärmeenergie über Nahversorgungssysteme zu (Kölbel et al., 2011, [8]).

Den größten Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der geothermischen Anlage nehmen in Soultz-sous-Forêts die Produktionspumpen. Wie auch bei der Mehrzahl der Standorte in Deutschland leiden sie unter Korrosionseffekten. Standzeiten von weniger als einem Jahr im Bohrloch sind nicht ungewöhnlich. Je nach Konfiguration verbessert eine Standzeitsverlängerung von sechs auf zwölf Monate den NPV um ca. 4 Mio. € mit einer Pumpe bzw. 8 Mio. € mit zwei Pumpen (Abb. 9). Neben den Produktionspumpen nimmt der Wirkungsgrad der Stromerzeugungsanlage einen signifikanten Einfluss auf die Performance:

Bewertung der Kostenreduktionspotenziale Die oben beschriebenen Kostenoptimierungsoptionen stellen „low hanging fruits“ dar. Einfache konzeptionelle Änderungen von den bisher gängigen Dubletten hin zu Multi-Borehole-Systemen stellen einen Evolutionsschritt dar, der bei der Nutzung geothermischer Dampflagerstätten längst gegangen wurde. Auch die Adaption von Kostenstrukturen aus dem Shale-Gas-Business oder dem internationalen ORC-Markt entspricht lediglich einfachen Markt mechanismen. Zudem lässt sich die Standzeit der Produktionspumpen mit überschaubarem Aufwand im Bereich Materialforschung weiter verbessern. Zugewinne hinsichtlich des Wirkungsgrads der Kraftwerke sind außerdem bereits Gegenstand verschiedener Forschungsprojekte. Der Einfluss all dieser Entwicklungsschritte auf die Stromgestehungskosten ist zusammengenommen durchaus attraktiv: Bereits die Kostenreduktion durch eine Erweiterung von zwei auf vier Bohrungen in Kombination mit einer Anpassung der Kosten der Stromerzeugungsanlagen auf das heute gängige internationale Niveau lässt sich auf 4 ct/kWh beziffern. Zusammen mit Optimierungen bei der Standzeit der Produktionspumpen und der Verbesserung des Wirkungsgrads der Stromerzeugungseinheit ist eine Reduktion der Stromgestehungskosten in der Größenordnung von 10 ct/kWh innerhalb der nächsten Dekade nicht unrealistisch. Davon abgesehen sind

Autoren: Dr. Thomas Kölbel B.Sc. Lena Eggeling EnBW, Energie Baden-Württemberg AG Forschung und Innovation Durlacher Allee 93 76131 Karlsruhe Tel.: 0721 63-17895 /-17932 Fax: 0721 63-17888

Dr.-Ing Christoph. Kruck Universität Stuttgart Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) Heßbrühlstr. 49a 70565 Stuttgart Tel.: 0711 685-87840 Fax: 0711 685-87873

Dipl.-Ing. Thosten Weimann MBA gec-co Global Engineering & ConsultingCompany GmbH Bürgermeister-Wegele-Str. 6 86167 Augsburg Tel.: 0821 5699300-20 Fax: 0821 5699300-99

E-Mail: [email protected] Internet: www.ier.uni-stuttgart.de

E-Mail: [email protected] Internet: www.gec-co.de

Betriebskosten Während das geothermische Reservoir und die Bohrungen einen sehr geringen Einfluss auf die Betriebskosten eines Geothermiekraftwerks nehmen, stellen die Thermalwasserpumpen und die Stromerzeugungsanlage wesentliche Kostenfaktoren dar. Im Zuge der Optimierung des Kraftwerks in Soultzsous-Forêts wurden diese Anlagenteile hinsichtlich ihres Einflusses auf die Wirtschaftlichkeit analysiert. Um die einzelnen Anlagenteile mit den jeweils relevanten Randbedingungen untereinander vergleichbar zu machen, wurde die Net-Present-Value-Methode (NPV) in Ansatz gebracht. Um die Ergebnisse auf hiesige Verhältnisse übertragbar zu machen, wurde neben dem französischen auch der deutsche Einspeisetarif berücksichtigt (Kellersmann, 2010 [7]).

E-Mail: [email protected] / [email protected] Internet: www.enbw.com

62

Literatur [1] VDI 2067 (2000): Verein Deutscher Ingenieure: Wirtschaftlichkeit gebäudetechnischer Anlagen – Grundlagen und Kostenberechnung. Richtlinie VDI 2067, Düsseldorf. [2] SRU (2011): Wege zur 100 % erneuerbaren Stromversorgung. Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen, Erich Schmidt Verlag, Berlin. [3] Gény (2010): Can Unconventional Gas be a Game Changer in European Gas Markets?. The Oxford Institute For Energy Studies, NG 46, Oxford (United Kingdom). [4] WFG (2011): Vorbereitung und Begleitung der Erstellung des Erfahrungsberichtes 2011 gemäß §65 EEG: Vorhaben IIb (Geothermie). Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Augsburg/Berlin. [5] Welch, P. & Boyle, P. (2009): New Turbines to Enable Efficient Geothermal Power Plants. GRC Transactions, 33, Davis (USA). [6] DOE (2011): Modifications and Optimization of the Organic Rankine Cycle. DOE/EE-0463, Washington DC (USA). [7] Kellersmann, K. (2010): Economic Improvement of Geothermal Systems. Unver. Bericht, EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Karlsruhe. [8] Kölbel, T., Eggeling, L., Schlagermann, P. & Münch, W. (2011): EGS Cost and Cost Reduction Potential, Proceedings IGC Freiburg, Freiburg. [9] Wood M. (2006): Unconventional Hydrocarbons. Multi-client Study, Edinburgh (United Kingdom).

- Sonderheft Geothermie 2 012